IT- und Medienrecht

Einräumung einer Patentmitinhaberschaft über Vindikationsansprüche

Aktenzeichen  7 O 13002/15

Datum:
13.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133685
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 12, § 13, § 32, § 138, § 139
PatG § 6, § 8 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Zur Frage der Einräumung einer Patentmitinhaberschaft über Vindikationsansprüche (s. hierzu insbesondere die Leitsätze der Berufungsentscheidung, OLG München BeckRS 2017, 152300). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird in Richtung gegen den Beklagten zu 2) abgetrennt. Insoweit erklärt sich das Landgericht München I für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Berlin.
II. Das Verfahren wird in Richtung gegen den Beklagten zu 3) abgetrennt. Insoweit erklärt sich das Landgericht München I für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth.
III. Der Streitwert wird auf 1.900.000,00 € festgesetzt.
sowie folgendes
Endurteil
I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin eine Mitberechtigung an dem deutschen Patent … (A5) sowie an dem Anspruch auf Erteilung des Europäischen Patents … (A1) einzuräumen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 772,79 € zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
V. Das Urteil ist in Ziff. I., II. und IV. vorläufig vollstreckbar, und zwar in Ziff. I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 77.000,00 € sowie in Ziff. II. und IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

A. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) fehlt es an einer örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts München I. Insbesondere hat die Klägerin nicht konkret vorgetragen, dass sich die Beklagten zu 2) und zu 3) an einer deliktischen Handlung der Beklagten zu 1) mit Handlungs- oder Erfolgsort in München (§ 32 ZPO) als Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt hätten. § 32 ZPO ist weit auszulegen und bereits dann anwendbar, wenn eine unerlaubte Handlung im weiteren Sinne vorliegt. Dies erfasst nicht nur Handlungen gem. §§ 823 ff. BGB, sondern allgemein deliktische Handlungen sowie rechtswidrige Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre und damit auch wettbewerbsrechtliche Tatbestände und Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten (vgl. Cepl/Voss/Zöllner, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 32 ZPO Rn. 2). Die Abgabe einer Erfindungsmeldung ist indes ein rechtmäßiges Verhalten und vermag deshalb noch keinen Beitrag zu einer widerrechtlichen Entnahme darzustellen: Darüber hinausgehende Mitwirkungshandlungen der Beklagten zu 2) und zu 3) hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Auf den Hilfsantrag der Klägerin waren die Rechtsstreitigkeiten betreffend die Beklagten zu 2) und zu 3) daher an die örtlich gem. §§ 12, 13 ZPO zuständigen Landgerichte zu verweisen.
B. Die Klage ist im Übrigen zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
I. Zum Verständnis der ersten Schutzrechtsfamilie
1. Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Aufbereitung von Stahlwerkschlacken zum Herstellen eines hydraulischen mineralischen Bindemittels mit hohem Erhärtungspotential und zum Rückgewinnen von Eisen. Hierzu ist es vorgesehen, ein Aufgabeprodukt bereitzustellen, welches Stahlwerkschlacke mit MnO aufweist. Dieses Aufgabeprodukt wird als Schmelze weiterverarbeitet, indem Reduktionsmittel in die Schmelze eingebracht werden. Hierbei soll im mineralischen Schmelzanteil ein Kalkstandard zwischen 90 und 110 erreicht werden. Anschließend wird die Schmelze definiert abgekühlt und elementares Eisen aus der erstarrten Schmelze mechanisch abgetrennt. Dann wird die erstarrte Schmelze einer Verwendung als hydraulisches mineralisches Bindemittel zugeführt. Ferner betrifft die Erfindung ein hydraulisches mineralisches Bindemittel.
2. Angesprochener Fachmann ist ein Metallurg und Chemiker oder Physiker mit Kenntnissen in Metallurgie. Ferner sind nach der unwidersprochen gebliebenen und im Übrigen auch schlüssigen Angabe des Beklagtenvertreters auch Kenntnisse in dem Bereich Zementherstellung und -verwendung erforderlich.
3. Im Stand der Technik war eine nur eingeschränkte Verwertbarkeit von Stahlwerksschlacken bekannt. Stahlwerkschlacken können verfahrensbedingt noch sehr große Mengen an Eisen enthalten, welches zum Teil in metallischer Form, jedoch hauptsächlich in Form von Oxiden mineralisch gebunden in der Schlacke vorhanden ist. Diese in der Schlacke vorliegenden Eisenoxide können nicht auf einem rein mechanischen Weg zurückgewonnen werden, weil sie fest in der Schlackenmatrix eingebunden sind und zunächst durch eine thermochemische Reduktion in die elementare metallische Form überführt werden müssen. Im Gegensatz zu anderen Schlackenformen, wie beispielsweise der Hochofenschlacke, wird Stahlwerksschlacke fast ausschließlich als Stückschlacke, das heißt Splitt, im Straßen- und Wegebau verwendet. Während Hochofenschlacke zu 90 % durch Granulationsprozesse zu Hüttensand weiterverarbeitet wird, ist die Industrie dazu übergegangen, Stahlwerksschlacken zur Entfernung der metallischen Eisenanteile zu Granulat zu mahlen und dann mit magnetischen oder mechanischen Verfahren (Zentrifugen) oder sogar per Hand die teils recht großen Eisenteile aus der Schlacke zurückzugewinnen und wieder in die Produktion zurückzuführen. Hüttensande sind keine Zemente, sondern latent-hydraulische Kompositmaterialien, die dem „echten“ Portland-Zement – dem erstarrungsgeregelten Portlandzementklinker – in bestimmten Mengenanteilen und unter bestimmten Voraussetzungen beigemischt und als Zementmischung verkauft werden dürfen. Sog. Portlandhüttenzemente (Klasse: CEM II/S) haben einen Hüttensandgehalt bis zu 35 M.-%; Hochofenzemente (CEM III) dürfen einen Gehalt an 36-95 M.-% Hüttensand aufweisen. Aus der … ist ein Verfahren zur Behandlung von Stahlschlacke bekannt, um der Schlacke die Eigenschaften eines hydraulischen Bindemittels zu verleihen. Das entstehende Produkt wird als wenigstens äquivalent zu Portlandzementklinker bezeichnet.
4. Das Streitpatent kritisiert am Stand der Technik, dass das in der Schlacke vorhandene Eisen nicht rückgewonnen wird.
5. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Aufbereitung von Stahlwerkschlacken anzugeben, bei dem sowohl ein hydraulisches mineralisches Bindemittel mit hohem Erhärtungspotential hergestellt sowie Eisen rückgewonnen werden kann. Des Weiteren liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein hydraulisches mineralisches Bindemittel mit hohem Erhärtungspotential bereitzustellen.
6. Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren zur Aufbereitung von Stahlwerkschlacken mit den Merkmalen des Anspruch 1 sowie durch ein hydraulisches mineralisches Bindemittel mit den Merkmalen des Anspruchs 14 gelöst.
7. Die Kammer legt ihrer weiteren Prüfung folgende Merkmalsanalyse zugrunde:
Anspruch 1
1) Verfahren zur Aufbereitung von Stahlwerkschlacken zum Herstellen eines hydraulischen mineralischen Bindemittels mit hohem Erhärtungspotential und zum Rückgewinnen von Eisen, mit den Schritten:
2) Bereitstellen eines Aufgabeproduktes, welches Stahlwerkschlacke mit Eisenverbindungen, insbesondere in oxydischer Form, und MnO aufweist, wobei das MnO in der Stahlwerkschlacke enthalten sein kann,
3) Verarbeiten des Aufgabeproduktes als Schmelze,
4) Einbringen von Reduktionsmittel in die Schmelze zum Reduzieren der Eisenverbindungen, um im mineralischen Schmelzanteil einen Kalkstandard zwischen 90 und 110 zu erreichen,
4.1) wobei das Einbringen des Reduktionsmittels in einer nicht-oxidierenden Atmosphäre durchgeführt wird,
5) definiertes Abkühlen, wobei die Schmelze in frühestens 15 min erstarrt,
6) mechanisches Abtrennen von elementarem Eisen aus der erstarrten Schmelze, und
7) anschließendes Zuführen der erstarrten Schmelze, welche einen verminderten Eisengehalt aufweist, einer Verwendung als hydraulisches mineralisches Bindemittel.
Unteransprüche:
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass das Aufgabeprodukt 0,1 bis 10 M.-% MnO aufweist.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
dass in dem Aufgabeprodukt bis zu 5 M.-% Al2O3 und/oder 30-50 M.-% CaO und/oder 10 bis 20 M.-% SiO2 enthalten sind.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
dass die Schmelze vor und/oder während der Reduktion eine Temperatur von etwa 1600°C bis etwa 1800°C hat.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet,
dass die nicht-oxidierende Atmosphäre eine reduzierende Atmosphäre ist.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
dass als Reduktionsmittel Kohlenstoff, Silizium und/oder andere Metalle oder Halbmetalle verwendet werden.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet,
dass zumindest ein Teil des Reduktionsmittels in die Schmelze eingeblasen wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet,
dass das in die Schmelze eingeblasene Reduktionsmittel mittels eines Schutzgas-Stroms eingeblasen wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet,
dass in die Schmelze Borax eingebracht wird.
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet,
dass nach dem Reduzieren und vor dem Erstarren der Schmelze flüssiges elementares Eisen abgetrennt wird.
11. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet,
dass die Schmelze nach spätestens 4 h erstarrt ist.
12. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet,
dass das definierte Abkühlen in Abkühlbehältnissen erfolgt.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet,
dass das mechanische Abtrennen des elementaren Eisens mittels eines Mahlprozesses und eines Sichtprozesses erfolgt.
[Anspruch 14 wurde aufgegeben:]
[14. Hydraulisches mineralisches Bindemittel, insbesondere hergestellt nach einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass es eine mineralogische Zusammensetzung von mindestens 40 M.-% C3S und einen Kalkstandard von etwa 90 bis 110 aufweist.]
8. Zum Verständnis der Erfindung
Bei der Frage, wer (Mit-)Erfinder ist, geht es – losgelöst von der patentrechtlichen Bewertung des Gegenstands der Erfindung – darum, wem ein Recht an diesem Gegenstand zusteht (BGH GRUR 2011, 903 – Atemgasdrucksteuerung). Der für die Zuerkennung des (Mit)Erfinderstatus’ erforderliche Beitrag braucht nicht selbstständig erfinderisch zu sein und für sich allein betrachtet alle Voraussetzungen einer patentfähigen Erfindung zu erfüllen (BGH GRUR 2004, 50 – Verkranzungsverfahren). Die Anerkennung als Miterfinder kann auch nicht mit der Begründung versagt werden, der geleistete Beitrag betreffe „nicht den springenden Punkt“ der Erfindung (BGH GRUR 2001, 226 f. – Rollenantriebseinheit I). Vielmehr reichen nur solche Beiträge nicht aus, um als (Mit)Erfinder anerkannt zu werden, die den Gesamterfolg (gar) nicht beeinflusst haben und deshalb für die Lösung unwesentlich sind oder die nach den Weisungen eines Erfinders oder eines Dritten geschaffen wurden (BGH GRUR 1966, 558, 559 f. – Spanplatten; BGH GRUR 2004, 50, 51 – Verkranzungsverfahren).
Deshalb darf nicht allein der Gegenstand der Patentansprüche zum Maßstab für eine die Mitberechtigung begründende Beteiligung genommen werden, sondern es ist die gesamte in dem Patent beschriebene Erfindung und deren Zustandekommen in den Blick zu nehmen und zu prüfen, mit welcher Leistung der Einzelne zu der in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Erfindung beigetragen hat (BGHZ 73, 337, 343 f. – Biedermeiermanschetten). Auf die Fassung der Patentansprüche kommt es bei der Prüfung der Frage, welche schöpferischen Beiträge von wem geleistet worden sind, nur insofern an, als sich aus ihnen ergeben kann, dass ein Teil der in der Beschreibung dargestellten Erfindung nicht zu dem Gegenstand gehört, für den mit der Patenterteilung Schutz gewährt worden ist. Dabei geht es aber nicht darum, ob der Patentanspruch auf diejenige Ausführungsform beschränkt ist, die in der Beschreibung genannt ist, sondern lediglich darum, ob eine beschriebene Ausführungsform nicht mehr unter den Patentanspruch fällt, also außerhalb des patentrechtlich geschützten Gegenstands liegt und deshalb eine Miterfinderschaft an dem geschützten Gegenstand nicht begründen kann (BGH GRUR 2011, 903 – Atemgasdrucksteuerung). Auch ist es verfehlt, die einzelnen Merkmale des Patentanspruchs darauf hin zu untersuchen, ob sie für sich genommen im Stand der Technik bekannt sind, und sie bejahendenfalls für einen schöpferischen Beitrag eines Miterfinders auszuschließen (BGH, GRUR 2011, 903 Rn. 21 – Atemgasdrucksteuerung).
Nur wenn diese Grundsätze beachtet werden, ist gewährleistet, dass Gegenstand und Umfang der schöpferischen Beteiligung an einer Erfindung unabhängig davon bestimmt werden, ob auf diese Erfindung bereits ein Patent erteilt ist, wie breit der Anspruch formuliert ist, mit dem das Patent angemeldet oder erteilt ist, und in welchem Umfang ein breiter Anspruch durch spätere Entscheidungen in einem Einspruchs-, Nichtigkeits- oder Beschränkungsverfahren beschränkt wird (BGH, Urt. v. 18.06.2013, Az.: X ZR 103/11).
Deshalb kommt es vorliegend weniger auf das Verständnis der Patentansprüche selbst an, sondern es ist vielmehr die gesamte in dem Patent beschriebene Erfindung und deren Zustandekommen in den Blick zu nehmen. Vorliegend haben indes die wesentlichen Aspekte der Erfindung in den Ansprüchen ihren Niederschlag gefunden. Abgesehen davon, dass die Klägerin bestreitet, dass einzelne Elemente der Ansprüche tatsächlich für die Erfindung wesentlich seien (dazu sogleich), haben die Parteien nicht aufgezeigt, dass es wesentliche Aspekte der Erfindung gebe, die in der Beschreibung Niederschlag gefunden hätten, nicht jedoch in den Ansprüchen. Daher erläutert die Kammer ihr Verständnis der Erfindung nachfolgend anhand der Merkmale von Anspruch 1 näher.
1) Verfahren zur Aufbereitung von Stahlwerkschlacken zum Herstellen eines hydraulischen mineralischen Bindemittels mit hohem Erhärtungspotential und zum Rückgewinnen von Eisen, mit den Schritten:
Bei diesem Merkmal handelt es sich um eine Verwendungsangabe, wozu das Verfahren dient. Die Verwendungsangabe bedeutet, dass man aus Stahlwerksschlacken einen Zement (hydraulisches mineralisches Bindemittel) und ein Rückgewinnen von Eisen erreichen will. Letztlich wird hier noch einmal die Aufgabe wiederholt
2) Bereitstellen eines Aufgabeproduktes, welches Stahlwerkschlacke mit Eisenverbindungen, insbesondere in oxydischer Form, und MnO aufweist, wobei das MnO in der Stahlwerkschlacke enthalten sein kann.
Die Stahlwerkschlacke war das Ausgangsprodukt, das einer weiteren Verwendung zugeführt werden sollte. Nun macht die Klägerin geltend, dass es für die Erreichung der patentgemäßen Wirkungen gar nicht auf das Vorliegen von MnO ankäme.
a. Insoweit vermochte die Klägerin allerdings nicht plausibel darzustellen, dass der Inhalt der Ansprüche von dem Offenbarungsgehalt der Schrift abweichen würde. Vielmehr wird gerade auch in der Patentschrift ausgeführt (vgl. Abschnitt [0026], dass einem Gehalt an Manganoxid zwischen 0,5 % und 5 % gewährleistet sei, dass eine signifikante Menge an Mn2+Ionen in das Kristallgitter der Alit-Phase eingebaut werde und dadurch die Kristallstruktur störe.
b. Der Einwand der Klägerin ging vielmehr dahin, dass diese Annahme der ersten Streitpatentfamilie technisch nicht zuträfe und es auf das Vorhandensein von Manganoxid gar nicht ankäme. Indes spielt die Ausführbarkeit des Patents für die Inhaberschaft keine Rolle.
3) Verarbeiten des Aufgabeproduktes als Schmelze
Das streitpatentgemäße Vorgehen setzt weiter ein Schmelzen des Aufgabeproduktes voraus.
4) Einbringen von Reduktionsmittel in die Schmelze zum Reduzieren der Eisenverbindungen, um im mineralischen Schmelzanteil einen Kalkstandard zwischen 90 und 110 zu erreichen
Der zweite Teil des Merkmals, wonach im mineralischen Schmelzanteil ein Kalkstandard zwischen 90 und 110 erreicht werden solle, ist eine Zweckangabe. Zweck- und Funktionsangaben können als Bestandteile des Schutzanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und ihn damit zugleich zu begrenzen (BGH GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Das setzt aber voraus, dass die Auslegung des Schutzanspruchs ergibt, dass der Gegenstand im Hinblick auf die beschriebene Eignung begrenzt sein soll. Im Übrigen wird der Schutzanspruch aber unabhängig von dem angegebenen Zweck durch räumlich-körperliche Merkmale definiert (BGH GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation). Hier ergibt schon der Anspruchswortlaut klar, dass die Reduktionsmittel so dosiert werden sollen, dass am Ende der angegebene Kalkstandard erreicht wird. Mithin hat vorliegend die Angabe am Anspruch teil und begrenzt ihn.
4.1) wobei das Einbringen des Reduktionsmittels in einer nicht-oxidierehden Atmosphäre durchgeführt wird,
5) definiertes Abkühlen, wobei die Schmelze in frühestens 15 min erstarrt,
6) mechanisches Abtrennen von elementarem Eisen aus der erstarrten Schmelze, und
7) anschließendes Zuführen der erstarrten Schmelze, welche einen verminderten Eisengehalt aufweist, einer Verwendung als hydraulisches mineralisches Bindemittel.
Die weiteren Merkmale 4.1-7 machen Vorgaben zum anschließenden Verfahrensablauf, die aus sich selbst heraus verständlich sind und im Übrigen für das vorliegende Vindikationsverfahren keine Bedeutung haben.
II. Der Klägerin war gem. § 8 PatG eine Mitinhaberschaft am deutschen Patent und an der europäischen Anmeldung aus der ersten Streitpatentfamilie einzuräumen, weil sie aktivlegitimiert ist und ihren Mitarbeitern eine Miterfinderstellung zukommt. Für die Europäische Patentanmeldung gilt § 8 PatG auch in Ansehung des Art. 74 EPÜ. Denn im Stadium vor Erteilung des Patents können die Wirkungen des erteilten Patents – die das Schutzlandprinzip implizieren – noch nicht eintreten.
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
a. Die Beklagten haben zu dem klägerischen Vortrag, die Erfinder … hätten eine Erfindungsmeldung bei der Klägerin abgegeben und die Klägerin hat die Erfindung in Anspruch genommen, darauf hingewiesen, dass die Erfindungsmeldung B 11 nach dem eigenen Vortrag der Klägerin eine andere Erfindung betreffen solle. Indes hat sich die Klägerin zur Begründung ihrer Aktivlegitimation nicht auf die beklagtenseits vorgelegte Anlage B 11 bezogen. Auf S. 2 des Schriftsatzes vom 19.09.2016 bestritten die Beklagten die Erfindungsmeldung erstmals in toto, also ohne ihr Bestreiten auf die Frage zu beschränken, worauf sich wohl die Anlage B 11 bezöge. Das Bestreiten im Schriftsatz vom 19.09.2016 ist indes verspätet (§ 282 Abs. 1 ZPO). Da eine Einvernahme der insoweit benannten Zeugen den Rechtsstreit verzögern würde, war dieses Bestreiten präkludiert (§ 296 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen griffe die hilfsweise auf Prozessstandschaft gestützte Klage durch; der Inhalt und die Richtigkeit der in der mündlichen Verhandlung vom 29.9.2016 vorgelegten Erklärung sind unstreitig.
b. Unzutreffend ist auch die Klägerin und nicht die … selbst Vertragspartnerin der Beklagten zu 1). Nachdem es an einer formalgesetzlichen Gründung der … als eigenständige Anstalt öffentlichen Rechts fehlt, zu der die Beklagten auch nichts näher behauptet haben, handelt es sich um eine Bundesbehörde, der keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt.
2. Ferner kommt den Mitarbeitern der Klägerin eine Miterfinderstellung zu.
Ob ein Berechtigter nach § 8 Satz 1 und 2 PatG die Übertragung eines Patents oder die Einräumung einer Mitberechtigung daran verlangen kann und ob ein Anspruch auf Nennung als (Mit-)Erfinder nach § 63 Abs. 2 Satz 1 PatG besteht, erfordert einen prüfenden Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnahme geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 78, 358 ff. – Spinnturbine II). Dafür ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine widerrechtliche Entnahme vorliegt, lässt sich in der dafür vorzunehmenden Gesamtschau zuverlässig nur auf der Grundlage festgestellter Übereinstimmungen zwischen der als entnommen geltend gemachten und der angemeldeten Lehre beurteilen. Das gilt schon deshalb, weil dem Vindikationsanspruch auch derjenige ausgesetzt ist, der keine vollständige und eventuell für sich allein schutzfähige Erfindung, aber einen wesentlichen Beitrag zu dem von ihm angemeldeten oder für ihn geschützten Gegenstand entnommen hat, sofern das Entnommene einen erfinderischen Beitrag, einen schöpferischen Anteil oder eine qualifizierte Mitwirkung an dem Gegenstand der Anmeldung oder des erteilten Schutzrechts darstellt (BGH Mitt. 1996, 16, 18 – Gummielastische Masse I).
Für eine Miterfinderstellung reichen nur solche Beiträge nicht aus, die den Gesamterfolg (gar) nicht beeinflusst haben und deshalb für die Lösung unwesentlich sind oder die nach den Weisungen eines Erfinders oder eines Dritten (hier z.B. der Universität Weimar) geschaffen wurden (BGH GRUR 2011, 903, Rn. 14 – Atemgasdrucksteuerung).
In Bezug auf wesentliche Aspekte der Erfindung haben die Beklagten den Vortrag der Klägerin, Erfindungsbesitz vor den Beklagten erlangt zu haben, nicht qualifiziert in Frage gestellt.
a. Das trifft insbesondere in Bezug auf die Vorgabe gemäß Merkmal 4.1 zu, dass das Reduktionsmittels in einer nicht-oxidierenden Atmosphäre eingebracht werden soll. Unstreitig wurde bei dem Versuch V426 dieses Merkmal erfüllt, weil die Klägerin das Einbringen des Petrolkoks unter dem Einsatz des Edelgases Argon (Ar) vornahm. Argon verdrängt die Luft im Schmelzofen und bildet – da der Sauerstoff verdrängt wird und es sich um ein Edelgas handelt, das definitionsgemäß nicht reagiert – eine nicht oxidierende Atmosphäre. Dass dieses Vorgehen auf einer Weisung der Beklagten zu 1) beruhte, hat die Beklagte zu 1) indes nicht schlüssig dargetan und unter Beweis gestellt. Die Klägerin führte dazu aus, dass die Versuchsanordnung V426 nicht von den Beklagten vorgeschlagen oder vorgeschrieben gewesen seien. Vielmehr hätten die Mitarbeiter der Klägerin, … von sich aus nach den Misserfolgen der vorangegangenen Schmelzversuche selbständig eine neue Schmelzanordnung vorgesehen. Dieses Vorbringen haben die Beklagten nicht qualifiziert in Frage gestellt. Die Beklagte zu 1) tritt dem nicht substantiiert entgegen. Dass die Beklagte zu 1) oder Dritte (etwa die Universität Weimar) der Klägerin konkrete Vorgaben gemacht hätte, wie bei Versuch V 426 zu verfahren sei, bringt die Beklagte zu 1) nicht vor. Unwiderlegt ist insbesondere, dass es die Idee der Klägerin war, während des Aufschmelzens der Schlacke über den gesamten Prozess das Edelgas Argon (Ar) als Schutzgas in den Brennofen einzublasen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich dem Korrekturvorschlag der Universität Weimar vom 05.10.2010 folgte, was sie bestreitet. Entscheidend ist, dass diese Empfehlung nicht so konkret war, dass festgestellt werden könnte, dass die Klägerin nur „nach den Weisungen eines Erfinders oder eines Dritten“ gehandelt hätte (BGH GRUR 2011, 903, Rn. 14 – Atemgasdrucksteuerung). Dass die Beklagte zu 1) oder die Universität Weimar vorgeschlagen hätte, das Edelgas Argon (Ar) als Schutzgas in den Brennofen einzublasen, bringt die Beklagte zu 1) gerade nicht vor. Zwar trägt die Beklagte zu 1) vor, der Beklagte zu 2) habe schon erkannt gehabt, dass dem starken Schäumen während der Schmelze durch langsames Dosieren der Zugabe des Reduktionsmittels (Kohlenstoff) und/oder mit Zusatzmitteln entgegengewirkt werden müsse (vgl. Anlage B 2) und dem Beklagten zu 2) sei selbstverständlich bekannt gewesen, dass die Zuführung von Argon die Re-Oxidierung verhindere. Dass die Beklagten erkannt hätten, dass dieses Vorgehen gerade in der vor Versuch 426 aufgetretenen Situation die damaligen Probleme beseitigen könne und dass die Beklagte zu 1) diesen Gedanken an die Klägerin weitergegeben habe, trägt sie indes nicht vor. Insbesondere ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass es Vorgabe der Beklagten zu 1) gewesen wäre, dieses Vorgehen gerade bei der für die Versuchsreihe V426 vorgesehene Konfiguration (bei der sich auch MnO in der Stahlwerkschlacke befand, vgl. oben Merkmal 2) zur Anwendung zu bringen. Vielmehr macht die Beklagte zu 1) nur geltend, der Beklagte zu 2) habe als Reihenfolge das Schmelzen, die Trennung von Eisen und Chrom sowie erst anschließend die Beigabe von Korrekturstoffen vorgegeben. Details der Versuchsanordnung und der dabei einzustellenden Parameter waren der Klägerin mithin gerade nicht vorgegeben.
b. Auch in Bezug auf den Versuchsaufbau und -ablauf im Übrigen trifft die Behauptung der Beklagten nicht zu, dass alles nach ihren Weisungen abgelaufen sei. Die Klägerin hat unter Vorlage der Versuchsprotokolle dezidiert erläutert, welche Erwägungen sie angestellt hat, bevor sie Ausgangsmaterialien und Vorgehensweise bei den einzelnen Versuchen änderte. Die pauschale Behauptung der Beklagten, der Beklagte zu 2) habe im Rahmen seiner Besuche bei der Klägerin im Einzelnen diese Veränderungen vorgegeben, vermag dieses Klagevorbringen nicht qualifziert in Abrede zu stellen. Lediglich in Bezug auf einzelne Gespräche – wie z.B. diejenigen von März und Juni 2010 – haben die Beklagten konkrete Vorgaben behauptet. Im Übrigen und insbesondere für die Zeit zwischen sämtlichen Versuchen haben die Beklagten nicht vorgetragen, wann der Beklagte zu 2) welche konkreten Anweisungen erteilt haben will. Mithin stellt sich das diesbezügliche Beklagtenvorbringen insoweit nicht als qualifizierte Erwiderung (§ 138 ZPO) dar.
3. Vertragliche Vereinbarungen, die einer Mitinhaberschaft der Klägerin entgegenstünden, existieren nicht. Der Entwicklungsauftrag, der entsprechende Regelungen enthält, erstreckt sich unstreitig nicht auf das angemeldete Verfahren (vgl. Anlage B 10, KE42). Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich hieraus auch nicht der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens herleiten, denn die streitgegenständliche Anmeldung ging gerade nicht aus der Tätigkeit im Rahmen des Entwicklungsauftrags hervor.
Unbehelflich ist auch der Vortrag der Beklagten, die Mitarbeiter der Klägerin hätten bereits im August 2011 gewusst, dass die die Beklagte zu 1) die Vornahme einer Patentanmeldung beabsichtige (vgl. Anlagen B 29 – B 30). Die gemeinsame Prüfung der Patentfähigkeit beinhaltet keine Zustimmung zur Anmeldung.
4. Dass die Beklagten unabhängig von den Beiträgen der Klägerin und schon vor der Zusammenarbeit im Besitz der Erfindung gewesen wären, haben sie nicht qualifiziert dargetan.
III. Dass der Miterfinderanteil der Klägerin sich in einer Größenordnung von 90 % oder sogar darüber bewegen würde, hat die Klägerin indes nicht nachgewiesen. Daher ist sie nur Mitinhaberin und auch ihr Hilfsantrag hat keinen Erfolg.
1. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte zu 1) habe sie vollkommen ergebnisoffen und vorgabefrei gebeten, Versuche durchzuführen, wie sich Stahlwerksschlacke zu noch besseren Endprodukten verarbeitet werden könnte, trifft schon deshalb nicht zu, weil die von der Klägerin vorgeschlagene vierte Versuchsreihe unstreitig im Rahmen einer gemeinsamen Vorbesprechung gestrichen worden war. Mithin hatte sich die Beklagte zu 1) durchaus aktiv in die Ausgestaltung der Versuchsreihen eingebracht und gewisse – wenn auch nur rahmenmäßige und nicht detaillierte – wesentliche Vorgaben gemacht.
2. Unwiderlegt stammt von den Beklagten die Vorgabe, das Aufgabeprodukt als Schmelze zu verarbeiten (Merkmal 3 des Anspruchs 1). Insbesondere ist die Behauptung der Beklagten nicht widerlegt, als Verfahrensschema zur Verbesserung der Gebrauchswerte von Stahlwerkschlacke habe sich der Beklagte zu 2) am 21.09.2009 folgende Schritte überlegt: „LBO-Schmelzen → Achtung schäumen! Erst mal nur Schmelzen; Dann Zusätze; Kalkstandard“ (vgl. Anlage B 2). Die Klägerin hat zwar (unter Angebot von Zeugen) bestritten, dass der Beklagte zu 2) die in seiner Notiz vom 21.09.2009 nach seiner Behauptung niedergelegten Verfahrensschritte als Vorgaben gegenüber der Klägerin kommuniziert habe. Indes konnte die Klägerin nicht widerspruchsfrei und mithin qualifiziert i.S.d. § 138 ZPO bestreiten, dass ihr von der Beklagten zu 1) aufgetragen worden war, ein Aufgabeprodukt im Sinne von Merkmal 3 des Anspruchs 1 als Schmelze zu verarbeiten. Die Beklagte zu 1) hatte sich an die Klägerin unstreitig deshalb gewandt, weil die Klägerin über einen Lichtbogenofen verfügte und daher in der Lage war, Stahlwerksschlacke zu Schmelze zu verarbeiten. Unstreitig ist die Beklagte zu 1) initiativ auf die Klägerin zugegangen. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt qualifiziert aufgezeigt und nachvollziehbar erläutert, dass sie auch nur ansatzweise in dem streitgegenständlichen Technologiebereich tätig geworden wäre, wenn sie nicht von der Beklagten zu 1) zum Schmelzen von Stahlwerksschlacke beauftragt worden wäre.
3. Auch der Umstand, dass die Klägerin die Auffassung vertritt, tatsächlich spiele Manganoxid für das Erreichen der patentgemäßen Wirkungen gar keine Rolle, spricht für eine Miterfinderstellung der Beklagten. Die Ausführbarkeit und der Rechtsbestand eines Patents spielen im Vindikationsprozess keine Rolle. Daher ist allein entscheidend, auf wen die in der Schrift offenbarten Merkmale der Erfindung zurückgehen. Wenn die Klägerin der Meinung ist, Merkmal 2 des Anspruchs 1 sei überflüssig, so gibt sie zu erkennen, dass jedenfalls dieses Merkmal nicht auf ihre Tätigkeit zurückgeht. Offensichtlich stammt es daher von der Anmelderin, also der Beklagten zu 1).
4. Bei vorstehenden Punkten 1. – 3. reicht schon jeder für sich genommen aus, um von einer Miterfinderstellung der Beklagten zu 2) und 3) auszugehen, welche von der Beklagten zu 1) wirksam in Anspruch genommen wurde. Erst recht reichen diese Aspekte in ihrer Zusammenschau aus.
Der Umstand, dass die Erfindung Folge einer zufälligen Entdeckung war, hindert eine Miterfinderschaft der Beklagten zu 1) nicht. Zwar wurde unstreitig infolge des unerwarteten, vielversprechenden Ergebnisses nach Versuch V 426 die ursprüngliche Zielsetzung, aus der mineralischen Fraktion ein hüttensandähnliches Material zu erzeugen, nicht weiter verfolgt. Indes erstreckt sich die miterfinderische Stellung auf eine zufällige Erfindung, wenn sich diese aus einer überraschenden Erkenntnis heraus ergibt, welche im Rahmen einer auf ein anderes Ziel ausgerichteten miterfinderischen Tätigkeit auftritt (Kraßer/Ann Patentrecht 7. Aufl. S. 361). Der bis dahin erfolgte Schmelzprozess, bei dem Eisen und Chrom entfernt wird, ist aber Ergebnis der bis dahin erfolgten Versuchsreihen.
5. Nachdem der Miterfinderanteil der Klägerin nicht wenigstens 90 % beträgt, ist der Feststellungsantrag insgesamt abzuweisen. Was Gegenstand des Feststellungsantrages ist, ermittelt die Kammer im Wege der Auslegung. Es mag Fälle geben, in denen bereits das klägerische Begehren erkennen lässt, dass auch andere Rechtsschutzziele als Minus in dem explizit ausformulierten Antrag enthalten sein sollen. Vorliegend spricht die Formulierung des Feststellungsbegehrens, der Klägerin stünde jedenfalls ein Miterfinderanteil im Umfang von 90 % zu, aus Sicht der Kammer dafür, dass niedrigere Miterfinderanteile nicht Gegenstand dieses Antrages sein sollen. Letztlich kann das jedoch dahinstehen. Denn in erster Linie kann das mit einem Feststellungsantrag verfolgte Rechtsschutzziel durch Erörterung mit den Parteien ermittelt werden (§ 139 ZPO). Im vorliegenden Fall hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2016 darauf hingewiesen, dass sie davon ausgeht, dass der Feststellungsantrag abzuweisen sei, wenn der der Klägerin zustehende Miterfinderanteil unter 90 % liege. Die Klägerin hat hierzu keinerlei Stellung genommen, insbesondere ihren Antrag weder erläutert noch angepasst oder noch weitere Hilfsanträge gestellt. Erst mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 05.10.2016 weist die Klägerin darauf hin, dass sie ihren Antrag anders verstanden wissen möchte. Die Kammer sieht von einem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO ab, da der Grundsatz der Verfahrensökonomie für eine Endentscheidung in dieser komplexen Angelegenheit spricht und es im Übrigen unschwer möglich gewesen wäre, im Termin vom 29.09.2016 noch durch weitere Hilfsanträge zusätzliche auf Feststellung gerichtete Rechtsschutzziele geltend zu machen.
IV. Einen Vindikationsanspruch für andere Anmeldungen hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Insoweit gilt das Schutzlandprinzip. Denn Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO, der lex specialis zu Art. 4 ist, erfasst nicht nur eine Verletzung gewerblicher Schutzrechte, sondern jedes außervertragliche Schuldverhältnis aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, also auch eine Verletzung des § 6 PatG. Indes hat die Klägerin zu den Voraussetzungen eines Vindikationsanspruchs im Ausland nichts vorgetragen. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2016 erläutert, dass sie dazu neige, mit den Beklagten von der Geltung ausländischen Rechts auszugehen. Die Klage sei auf der Basis bezüglich der ausländischen Schutzrechte abzuweisen, weil die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt schon hingewiesen habe und die Klägerin daraufhin erwidert habe, sie halte diesbezüglichen Vortrag nicht für notwendig (vgl. zu dem entsprechenden Vortrag der Beklagten zu 1) S. 40 der Replik vom 12.05.2016, Bl. 263 d.A. sowie der Beklagten zu 2) und 3) S. 5 deren Schriftsatzes vom 12.05.2016, Bl. 221 d.A.). Die Kammer hat zuletzt darauf aufmerksam gemacht, dass das Recht etlicher Staaten nach der Kenntnis der Kammer gar keine Patentvindikation vorsieht.
Tatsächlich trifft die Klägerin die Obliegenheit zum Vortrag, unter welchen Voraussetzungen in welchen der für die Klageanträge einschlägigen Schutzländern ein Anspruch auf Patentvindikation im Wege eines gerichtlichen Verfahrens durchgesetzt werden kann. Zwar trifft die Parteien für ausländisches Recht nicht dieselbe Vortragslast wie für anspruchsbegründende Tatsachen. Anders ist dies jedoch, soweit die Parteien zu den Erkenntnisquellen einer ausländischen Rechtsordnung unschwer Zugang haben (BGH NJW 1992, 2026, 2029 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn für die Aufrechterhaltung der Patente, in Bezug auf welche die Klägerin ihren Vindikationsanspruch geltend macht, benötigt sie eine spezielle patentanwaltliche Betreuung mit Expertise in dem für das jeweilige Schutzland geltende Patentrecht. Wenn die Klägerin die wirtschaftlichen Vorteile ihres auf eine Vollyindikation gerichteten Klagezieles nutzen möchte – und nur in diesem Umfang wird ihr Klagebegehren von einem Rechtsschutzinteresse gestützt -, so benötigt sie ohnehin eine Beratung und Vertretung im Patentrecht dieser Staaten und verfügt mithin zugleich über das Wissen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen in diesen Rechtsordnungen eine Vindikation möglich ist.
V. In Bezug auf die zweite Streitpatentfamilie war die Klage abzuweisen.
1. Soweit die Vindikation ausländischer Anmeldungen begehrt wird, fehlt es an Vortrag zu den entsprechenden Voraussetzungen (vgl. vorstehend Punkt IV.).
2. Soweit deutsches Recht zur Anwendung kommt, greift jedenfalls der dolo-agit-Einwand der Beklagten durch.
Die Klägerin hat das Vorbringen der Beklagten, die zweite Streitpatentfamilie sei Ausfluss des Entwicklungsauftrags, auf den sich die als Anlage B 10 vorgelegte vertragliche Vereinbarung vom 20.12.2012/16.01.2016 bezöge, nicht qualifiziert i.S.d. § 138 ZPO in Frage gestellt. Namentlich hat die Klägerin nicht nachvollziehbar vorgetragen, welche konkrete Entwicklungstätigkeit sie sonst aufgrund dieses Vertrages entfaltet hätte, wenn es nicht diejenige gewesen sein soll, die zur Anmeldung der zweiten Schutzrechtsfamilie geführt hat. Nach Art. 5 Abs. 5.4.3. hat die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Übertragung aus dieser Entwicklungszusammenarbeit entstandener Schutzrechte.
Irrelevant ist der Einwand der Klägerin, bei Abschluss des Vertrages vom 20.12.2012/16.01.2016 (Anlage B 10) habe sie schon Erfindungsbesitz gehabt. Der Anspruch auf Übertragung von aus einer Entwicklungstätigkeit entstandenen Schutzrechten kann auch zu einem Zeitpunkt vereinbart werden, zu welchem die Entwicklungstätigkeit schon abgeschlossen ist. Sofern die Klägerin dahingehend verstanden werden möchte, ihre gemäß Vereinbarung vom 20.12.2012/16.01.2016 zu leistende Entwicklungstätigkeit gehe über das zur Anmeldung gelangte Know-how hinaus und letzteres habe sie schon zuvor gehabt, ist dieser Einwand nicht qualifiziert vorgebracht. Ein dahingehender Vortrag hätte vorausgesetzt, dass die Klägerin im Einzelnen vorbringt, inwieweit sich ihre gemäß Entwicklungsauftrag vom 20.12.2012/16.01.2016 zu erbringenden Leistungen von der Entwicklung der zur Anmeldung gelangten Erfindung unterscheiden. An einer nachvollziehbaren Darstellung dieser Unterschiede fehlt es indes vorliegend.
VI. Der Antrag auf Schadensersatzfeststellung war abzuweisen, weil die Patentnutzung durch die Beklagte zu 1) als Mitberechtigte des ersten Patents nicht rechtswidrig war.
VII. Von den Kosten der vorgerichtlichen Vertretung, die der Höhe nach nicht zu beanstanden sind und an deren Entstehung keinerlei Zweifel bestehen, konnte die Klägerin 77/500 verlangen, weil sie mit ihrer Begehr zu diesem Anteil – im Verhältnis zum ursprünglichen Klageantrag, welcher allein die vorgerichtlichen Kosten ausgelöst hat – im Ergebnis durchgedrungen ist.
C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 a, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin selbst hat vorgeschlagen, den Streitwert anteilig auf die einzelnen Schutzrechte innerhalb der Streitpatentfamilien zu verteilen; auf letztere solle die Aufteilung wiederum hälftig erfolgen. Auf Basis dessen liegt der Obsiegensanteil der Klägerin deutlich unter 10 %. In Bezug auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil ergibt sich die Kostentragungspflicht der Klägerin daraus, dass sie wegen insoweit von Anfang an fehlender Passivlegitimation der Beklagten bei einer streitigen Entscheidung über diesen Antrag unterlegen gewesen wäre.
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO. Die Bemessung der Sicherheitsleistung orientierte sich in Ermangelung konkreteren Vortrags durch die Parteien zu dem durch die vorläufige Vollstreckung drohenden Schaden an dem Anteil, welchen die an der Verurteilung teilhabenden Schutzrechte am Gesamtstreitwert nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Klägerin haben.
E. Die Streitwertfestsetzung orientierte sich an dem unwidersprochen gebliebenen Vorschlag der Klägerin, wobei der Hilfsantrag zu einer Erhöhung des Streitwerts um seinen Wert gem. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG führte, weil die Kammer über ihn entschieden hat. Der Gegenstand des Hilfsantrages ist auch nicht derselbe wie der Gegenstand des Hauptantrages. Vielmehr hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung explizit erklärt, dass sie insoweit ein zusätzliches Rechtsschutzziel verfolge.

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