IT- und Medienrecht

einseitige Erledigungserklärung, Erledigungsstreit, Feststellung der Erledigung der Hauptsache, hier: keine Erledigung nach Rechtshängigkeit der ursprünglichen Streitsache

Aktenzeichen  AN 16 K 18.01979

Datum:
29.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27766
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Klagegegenstand bildet nach der einseitigen Erledigungserklärung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch den Kläger nicht mehr die Verpflichtung der Beklagten, die Vollstreckung aus der Forderung in Höhe von 618.32 EUR gemäß Rechnung vom 24. Januar 2018 endgültig einzustellen, sondern die Feststellung der Erledigung der Hauptsache. Es handelt sich um einen sogenannten Erledigungsstreit, dessen Gegenstand allein die Frage ist, ob sich der Rechtsstreit durch eine nach Rechtshängigkeit des ursprünglichen Sachbegehrens eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage erledigt hat. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung des Klägers vom 11. Dezember 2018 ausweislich ihres Schreibens vom 19. Dezember 2018 nicht zugestimmt. Mangels übereinstimmender Erledigungserklärungen des Klägers und der Beklagten gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist der Rechtsstreit in der Hauptsache somit nicht beendet. Das Verfahren ist vielmehr als Streit über die Erledigung fortzusetzen. Das geänderte Klagebegehren führt zu einer Änderung des Streitgegenstands. Die damit vorgenommene Klageänderung ist jedoch privilegiert und unterliegt nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO (stRspr; vgl. etwa BVerwG, U.v. 1.9.2011 – 2 C 21/10 – juris Rn. 10; B.v. 30.10.1969 – VIII C 219/67 – NJW 1970, 722; ebenso Werner Neumann/Nils Schaks in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 161 VwGO Rn. 120).
2. Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist zulässig. Der Kläger braucht kein gesondertes berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung darzulegen. Dieses Interesse folgt ohne weiteres aus seiner prozessualen Lage. Aus Sicht des Klägers wurde seiner zunächst Erfolg versprechend erhobenen Klage durch ein nachfolgendes Ereignis die Grundlage entzogen. Er möchte sich von dem Verfahren lösen, ohne mit den gesamten Kosten belastet zu sein; letzteres wäre die notwendige Folge sowohl bei Aufrechterhaltung des Sachantrags trotz Erledigung als auch bei Zurücknahme der Klage. Der Weg über § 161 Abs. 2 VwGO ist ihm verschlossen, weil die Beklagte seiner Erledigungserklärung nicht zustimmt. Der Kläger benötigt deshalb eine gerichtliche Entscheidung über die Erledigung.
3. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, denn der Rechtsstreit hat sich nicht durch eine nach Rechtshängigkeit des ursprünglichen Sachbegehrens eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage erledigt.
a) Die Hauptsache hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, weil seinem Klagebegehren rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über den Klageanspruch erübrigt oder ausschließt (BVerwG, B.v. 25.11.1981 – 1 WB 131/80; BayVGH, U.v. 3.6.1987 – 4 B 86.700 – juris). Das Bundesverwaltungsgericht verwendet vielfach die Formel, die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage nachträglich aus dem Kläger nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet geworden ist, wenn also das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflusssphäre des Klägers liegen, in dem Prozessverfahren nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht worden ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 40/91 – NVwZ 1989, 48).
b) Eine Erledigung der Hauptsache nach diesen Maßgaben ist vorliegend schon mangels eines nachträglichen Ereignisses nicht eingetreten. Das ursprüngliche Begehren des Klägers erwies sich vielmehr bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung als unzulässig. Denn dem Kläger stand zu keinem Zeitpunkt ein schutzwürdiges Interesse für sein Begehren zur Seite, die Beklagte zur Einstellung der Vollstreckung einer Forderung in Höhe von 618,32 EUR gemäß der Rechnung vom 24. Januar 2018 zu verpflichten. Nachdem die Beklagte durch Beschluss vom 16. August 2018 (AN 14 E 18.00884) im Wege einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung in Höhe von 618,32 EUR gemäß der Rechnung vom 24. Januar 2018 verpflichtet worden war, erfolgten beklagtenseits keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen. Dass die Beklagte das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 29. August 2018 unbeantwortet ließ, begründet vor folgendem Hintergrund kein Bedürfnis für eine Klage. Die Beklagte nahm die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene gerichtliche Entscheidung zum Anlass, ihr Kostenbegehren nunmehr mit Bescheid vom 26. September 2018 gegenüber dem Kläger geltend zu machen. Somit standen dem Kläger schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 11. Oktober 2018 keinerlei Anhaltspunkte zur Seite, dass die Beklagte weiter an einer Vollstreckung der Forderung aus ihrer Rechnung vom 24. Januar 2018 festhält. Die Klage hinsichtlich des ursprünglichen Klagebegehrens wurde mithin nicht nachträglich aus dem Kläger nicht zurechenbaren Gründen unzulässig oder unbegründet, sondern erwies sich von Rechtshängigkeit an als unzulässig.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit trifft das Gericht nicht, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft der Entscheidung nicht vollstreckt.

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