IT- und Medienrecht

Entgangener Gewinn auf Grund eines Verkehrsunfalls

Aktenzeichen  AN 2 O 197/19

Datum:
8.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51877
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 287
BGB § 249, § 252

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.653,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.12.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 15.124,16 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist zum Großteil begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des ihr durch die Beschädigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs entgangenen Gewinns in Höhe von 10.653,00 € aus §§ 249, 252 BGB, § 287 ZPO. Hiernach gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Bei Unterbrechungen oder Störungen des Betriebsablaufs besteht der Schaden in den entgangenen Roherlösen abzüglich ersparter Betriebskosten (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Auflage 2019, § 252 Rn. 14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Dabei steht es dem Gericht frei, zwischen abstrakter und konkreter Schadensberechnung zu wählen (Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 287 Rn. 7).
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin ausreichend greifbare Anhaltspunkte vorgetragen, um dem Gericht eine Schätzung ihres entgangenen Gewinns zu ermöglichen.
1. Das Gericht hat sich davon überzeugt, dass der Klägerin der … aufgrund der Reparatur des streitgegenständlichen Schadens mindestens 26 Werktage, nämlich in den Zeiträumen 31.01.-02.03.2018 und 01.-02.06.2018 sowie am 07. und am 15.03.2018 entzogen war, so dass sie keinen Gewinn damit erzielen konnte.
a) Nicht ersichtlich ist für das Gericht, dass der … bereits am 26.01.2018 zur Reparatur gegeben wurde. Zwar teilt dies die Kundendienstleitung von … dem Klägervertreter in einem Schreiben von 21.09.2018, vorgelegt als Anlage K1, mit; jedoch folgt das Gericht hier den Daten, die aus dem ebenfalls von … ausgestellten Reparaturauftrag Nr. … vom 31.01.2018, vorgelegt als Blatt 2 der Anlage K1, hervorgehen, weil diese einen unmittelbare Wahrnehmung zugrundeliegen dürfte. Hieraus ergibt sich, dass der Reparaturauftrag für den 31.01.2018 vorangemeldet worden war und auch an diesem Tag der Auftrag erteilt wurde.
Zwar ist aus der Aufzeichnung der tagesgenauen Tachometerstände, vorgelegt als Blatt 2-4 der Anlage 6 ersichtlich, dass der … bereits ab dem Unfalltag, dem 26.01.2018, nicht mehr bewegt wurde. Der Kläger hat aber keine Angaben dazu gemacht, ob das Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher war oder nicht. Es ist ebenso denkbar, dass für diesen Zeitraum keine Aufträge vorlagen. Die Zweifel gehen zu Lasten des Klägers.
b) Wenn auch eine Reparatur ausweislich Blatt 2 zur Anlage K1 zunächst bis 06.02.2018 vorgesehen war, zog sich diese doch jedenfalls bis 02.03.2018 hin. Dies ergibt sich aus Blatt 1 der Anlage K1 in Verbindung mit den Erläuterungen des Sekretariats der Kundendienstleitung vom 21.11.2018 (Anlage K2). Hiernach waren zahlreiche Ersatzteile zu bestellen, die erst nach deren Eintreffen (unter anderem am 23.02. und am 28.02.2018) sukzessive verbaut werden konnten.
Hingegen konnte sich das Gericht nicht davon überzeugen, dass die Reparatur bis 05.03.2018 dauerte. Zum einen ist diese Dauer nicht zu vereinbaren mit dem Lieferdatum des letzten Ersatzteils am 28.02.2018. Zum anderen ist aus der Aufzeichnung der Tachostände ersichtlich, dass der … am 02.03.2018 9 km zurückgelegt hat – dies entspricht der Distanz zwischen dem Sitz der Klägerin und dem Reparaturbetrieb … bei Fahrt über die Südwesttangente. Am 03. und 04.03.2018 war Wochenende; an den Wochenenden wurde der … ausweislich der vorgelegten Tachostände nie bewegt. Am 05.03.2018 legte der … 142 km zurück, ist mithin nicht ausgefallen. Hier dürfte er bestimmungsgemäß im Einsatz gewesen sein.
c) Dass das Fahrzeug am 07.03.2018 erneut ausfiel, geht aus Bl. 4 zur Anlage K1 hervor. Die dortige Angabe deckt sich mit der Auswertung der Tachostände, wonach der … an diesem Tag 17 km, also genau die Strecke vom Sitz des Klägers zum Reparaturbetrieb und zurück, bewegt wurde.
d) Ausweislich des Torpasses vom 14.03.2018, vorgelegt als Blatt 5 der Anlage K1 nahm sodann die erforderliche Achsvermessung vom 14.03.2018 nachmittags bis 15.03.2018 um 19:05 Uhr in Anspruch. Unschädlich ist, dass die Kundendienstleitung stattdessen die Daten 15. und 16.03.2018 mitgeteilt hat. Denn dass die Einlieferung am 14.03.2019 erfolgte, ergibt sich auch aus dem Tachostand, der im Torpass mit 437732 km festgehalten ist, welcher wiederum dem Tachostand am 15.03.2018 um 0 Uhr entspricht (vgl. Bl. 4 der Anlage K6). Ausweislich der Tachostände war der … am 14.03.2018 noch im Einsatz, hat jedenfalls nicht nur die Strecke vom Sitz der Klägerin bis zur … zurückgelegt, in der die Achsvermessung erfolgte.
e) Schließlich fiel wegen der erforderlichen Erneuerung des Batteriekastens das Fahrzeug erneut am 01. und 02.06.2018 aus, wie sich aus Bl. 6 der Anlage K1 und der schriftlichen Mitteilung der Kundendienstleitung vom 21.11.2018 (Anlage K2) ergibt. Dass der Reparaturauftrag eine Einlieferung am 30.05.2018 ausweist, spielt keine Rolle, da der Kläger für diesen Tag keinen Ersatz verlangt; ohnehin handelte es sich dabei um einen Feiertag (Fronleichnam).
2. Die entgangenen Roherlöse pro Tag schätzt das Gericht auf 547 €.
Dieser Schätzung liegen die Gutschriften der … für Frachtaufträge für das streitgegenständliche Fahrzeug aus den Jahren 2017 bis 2019 für die Kalenderwochen 2 bis 9 wie folgt zugrunde:
Anlage
Jahr
Zeitraum
KW
Gutschrift Nr.
netto
pro Werktag
K5
2017
9.-13.1.
2
42031418
2.140,68
428,14
16.-20.01.
3
42031475
2.269,12
453,82
23.-27.01.
4
42031541
3.137,78
627,56
30.-31.01.
5
42031592
1.342,57
624,01
01.-03.02.
5
42031644
1.777,50
06.-10.02.
6
42031703
2.619,65
523,93
13.-17.02.
7
42031767
2.645,86
529,17
20.-24.02.
8
42031822
3.116,92
623,38
27.-28.02.
9
42031888
680,50
209,65
01.03.
9
42031944
367,73
K6
2018
08.-12.01.
2
42034276
3.149,19
629,84
15.-19.01.
3
42034343
3.213,71
642,74
22.-26.01.
4
42034400
3.035,16
607,03
K7
2019
07.-11.01.
2
42037177
2.504,46
500,89
14.-18.01.
3
42037230
3.100,08
620,02
21.-25.01.
4
42037286
2.885,41
577,08
28.-31.01.
5
42037342
1.900,05
380,01
04.-08.02.
6
42037448
2.996,39
599,28
11.-15.02.
7
42037507
2.963,13
592,63
18.-22-02.
8
42037563
3.265,98
653,20
25.-28.02.
9
42037617
2.469,67
573,54
01.03.
9
42037666
398,05
Ø pro Werktag
547,15
Diese hat die Klägerin durch Vorlage der Anlagen K5 bis K7 nachgewiesen, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu nicht erforderlich war. Dabei teilt das Gericht den kalenderwöchentlichen Betrag durch jeweils 5 Arbeitstage, unabhängig davon, ob das Fahrzeug tatsächlich an fünf Tagen im Einsatz war.
Denn es ist davon auszugehen, dass auch während des Ausfallzeitraums das Fahrzeug wohl nicht jeden Tag ausgelastet gewesen wäre.
Entgegen der Auffassung der Beklagten müssen der Schätzung nicht Roherlöse eines ganzen Jahres zugrundegelegt werden. Vielmehr ist es ausreichend, Erlöse aus Vergleichszeiträumen als Basis zu nehmen, die dem Ausfallzeitraum in etwa entsprechen. Denn entweder bleibt der durchschnittliche Umsatz übers Jahr etwa gleich, dann reicht es, einen Zeitraum von zwei Monaten als Schätzungsbasis heranzuziehen. Oder aber das Geschäft der Klägerin schwankt je nach Saison und schwillt beispielsweise in der Weihnachtszeit an; dann ist sogar zwingend auf den konkreten Ausfallzeitraum abzustellen, weil die Gewinnerzielung eben gerade in einem genau definierbaren Zeitraum unmöglich war.
Die Auswertung der von der Klägerin vorgelegten Auftragszahlen für 2017 bis 2019 zeigt gerade, dass die wöchentlichen Gutschriften doch relativ konstant waren und sich bei 19 erfassten Kalenderwochen bis auf vier Ausreißer nach unten zwischen 500 € und 650 € arbeitstäglich bewegten. Die Annnahme eines durchschnittlichen Roherlöses von 547 € pro Arbeitstag erscheint daher angemessen.
3. Die variablen Kosten, die sich die Klägerin erspart hat, weil sie das Fahrzeug nicht wie gewohnt einsetzen konnte, schätzt das Gericht wie folgt:
„a) Da die Klägerin das Fahrzeug während des Reparaturzeitraums nicht einsetzen konnte, sind ihr hierfür keine Mautgebühren entstanden. Das Gericht schätzt die durchschnittlich pro Einsatztag anfallenden Mautgebühren auf 15 €. Dieser Schätzung legt es die Mautaufstellungen der … für das streitgegenständliche Fahrzeug aus den Jahren 2017 und 2018 jeweils für den Zeitraum 10.01. bis 09.03. wie folgt zugrunde:
Anlage
Jahr
Zeitraum
Anzahl Werktage
Mautaufst. Nr.“
Betrag
pro Werktag
K5
2017
10.-19.01.
8
6015664960
87,55
10,94
20.01.-01.02.
9
6015733784
160,98
17,89
02.-09.02.
6
6015756607
115,54
19,26
09.02.
1
6015751742
10,69
10,69
10.-17.02.
6
6015799356
80,67
13,45
18.02.-09.03.
14
6015889763
175,72
12,55
K6
2018
10.01.-09.02.
15
6017446433
270,37
18,02
10.02.-09.03.
4
6017578340
60,11
15,03
Ø pro Werktag
14,73
Dabei hat das Gericht aus den Zeiträumen der Anlage K6 die Zeiten des reparaturbedingten Ausfalls, wie sie oben unter Ziffer 1) angenommen wurden, herausgerechnet, so dass zwischen 10.01. und 09.02.2018 15 Einsatztage und zwischen 10.02. und 09.03.2018 vier berücksichtigungsfähige Einsatztage verblieben.
Nicht in die Schätzung eingeflossen sind die Mautgebühren aus 2019, da mit Wirkung ab 01.07.2018 auch auf den Bundesstraßen Maut erhoben wird, die Mautgebühren in 2019 also nicht repräsentativ für den Mautanfall im Repararturzeitraum Anfang 2018 sind.
b) Außerdem bringt das Gericht für jeden Einsatztag im Wege der Schätzung 106 € Dieselkosten in Abzug. Dabei geht es von Dieselkosten von 1,30 €/l (vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/779/umfrage/durchschnitts preis-fuer-dieselkraftstoff-seit-dem-jahr-1950), einem Verbrauch von 30 I je 100 km und aufgrund nachfolgender tabellarischer Aufstellung einer durchschnittlich pro Tag gefahrenen Distanz von 271 km aus.
Anlage
Jahr
KW
km-Stand Anfang
km-Stand Ende
Differenz
pro Werktag
K5
2017
2
357944
359188
1244
248,8
3
359188
360774
1586
317,2
4
360774
362665
1891
378,2
5
362665
364517
1852
370,4
6
364517
366063
1546
309,2
7
366063
367344
1281
256,2
8
367344
369124
1780
356,0
9
369124
369836
712
142,4
10
369836
370875
1039
207,8
11
370875
371692
817
163,4
K6
2018
2
431556
433236
1680
336,0
3
433236
434743
1507
301,4
4
434743
436185
1442
288,4
12
437778
439048
1270
254,0
13
439048
440295
1247
249,4
K7
2019
2
487186
488491
1305
261,0
3
488491
489919
1428
285,6
4
489919
491207
1288
257,6
5
491207
492834
1627
325,4
6
492834
494211
1377
275,4
7
494211
495612
1401
280,2
8
495612
496637
1025
205,0
9
496637
497674
1037
207,4
10
497674
498766
1092
218,4
Ø
km pro Werktag
270,6
Aus Vereinfachungsgründen hat das Gericht bei der Schätzung diejenigen Wochen in 2018, in denen der … zwischendurch erneut in die Werkstatt musste, außen vor gelassen.
c), Da der streitgegenständliche … ca. sechs Wochen lang nicht im Einsatz war, liegt auf der Hand, dass auch eine eventuell anstehende Wartung sich entsprechend hinausgezögert hat. Bei schätzungsweiser Annahme von Wartungskosten in Höhe von 1.500 € je gefahrenen 25.000 km, hat sich die Klägerin hier ingesamt 423 € erspart, die andernfalls in dem Ausfallzeitraum zusätzlich angefallen wären: 271 km/d * 26 Tage * 1.500 €/25.000 km = 422,76 €.
d) Andere variable Kosten, die sich die Klägerin erspart hätte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind keine Personalkosten weggefallen, wie sich aus dem Vortrag des Klägers ergibt. Der Kläger hat das streitgegenständliche Fahrzeug selbst geführt.
4. Der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren resultieren aus § 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.
5. Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht nicht, so dass im übrigen die Klage abzuweisen ist.
6. Die Kostenentscheidung fußt auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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