Aktenzeichen W 4 E 20.389
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12, Art. 14
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegner zur Unterlassung bestimmter Äußerungen verpflichtet werden soll.
Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Firma, welche Erdaushubarbeiten, Transporte und Abbrucharbeiten zum Gegenstand hat. Ihr gehört u.a. eine mobile Brechanlage, welche üblicherweise auf Bruchgrundstücken vor Ort eingesetzt wird.
Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen Mitarbeiter des Landratsamts W. der Abteilung Immissionsschutz und Abfallrecht.
Am 28. Januar 2020 erschien Herr … M. beim Antragsgegner in dessen Eigenschaft als zuständigem Sachbearbeiter im Bereich von Abbrucharbeiten, weil er beabsichtigte, ein ihm gehörendes Anwesen in K. abzureißen. Dieses sollte durch einen Abbruch vor Ort unter Einsatz einer mobilen Brechanlage erfolgen. Laut der eidesstattlichen Versicherung von Herrn … M. hat ihm der Antragsgegner erklärt, dass gegen die Antragstellerin ein Verfahren wegen Betreibens einer nicht genehmigten Brechanlage laufe und er das Brechen durch diese Firma auf der Abbruch-Stelle nicht genehmigen werde.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tag, ließ die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten) untersagt, gegenüber Dritten mitzuteilen, dass gegen die Antragstellerin „ein Verfahren wegen Betreibens einer nicht genehmigten Brechanlage läuft“, so lange dieses nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsgegner dürfe nicht ungefragt behördeninterne Vorgänge über die Antragstellerin mitteilen. Dies sei geschäftsschädigend und kreditgefährdend. Es stelle auch einen Verstoß gegen den Datenschutz dar. Die Antragstellerin werde in ihren Rechten aus Art. 12 und Art. 14 GG beeinträchtigt. Bei dieser Vorgehensweise sei auch eine Wiederholungsgefahr impliziert.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wies er darauf hin, dass der Antrag unzulässig sei, jedenfalls aber wegen fehlender Passivlegitimation des Antragsgegners unbegründet sei, da er sich gegen den falschen Antragsgegner richte.
Der Beigeladene sah von der Stellung eines Antrags ab und tätigte Ausführungen zur Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Behördenakten und die Schriftsätze der Parteien verwiesen.
II.
Der Antrag, dem Antragsgegner bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten) zu untersagen, gegenüber Dritten mitzuteilen, dass gegen die Antragstellerin ein Verfahren wegen Betreibens einer nicht genehmigten Brechanlage laufe, solange dieses nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
1. Wie von der Antragstellervertreterin zutreffend dargelegt, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, da die streitgegenständlichen Äußerungen vom Antragsgegner im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben getätigt wurden und keine rein privaten Aussagen darstellen (vgl. VGH BW, U.v. 9.10.1989 – 1 S 5/88 – NJW 1990, 1808).
2. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) geltend und glaubhaft macht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
3. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag überhaupt zulässig ist, was vom Antragsgegner bezweifelt wird, er hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
a) Soweit das Unterlassungsbegehren gegen den Antragsgegner persönlich gerichtet ist, kann es schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die angegriffene Äußerung eindeutig und unstreitig in Wahrnehmung der amtlichen Funktion des Antragsgegners als Mitarbeiter des Landratsamts W. als Staatsbehörde getätigt wurde. Sie ist daher nach dem Rechtsträgerprinzip dieser Körperschaft zuzurechnen, so dass auch nur diese für den streitgegenständlichen Anspruch passivlegitimiert ist (vgl. BayVGH, U.v. 13.3.1989 – 4 B 86.3127 – juris m.w.N.). Die teilweise in der Kommentarliteratur vertretene Auffassung, wonach der zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB sowohl unmittelbar gegenüber dem für die Störung verantwortlichen Organ einer juristischen Person als auch gegenüber dem – nach § 31 BGB für das Handeln seiner Organe haftenden – Rechtsträger geltend gemacht werden kann, steht dem nicht entgegen. In Fällen amtlichen Handelns kommt eine zusätzliche Inanspruchnahme des Amtsträgers neben seiner Anstellungskörperschaft bereits deshalb nicht in Betracht, weil es hier an einer Rechtsgrundlage für ein persönliches Einstehen-Müssen des einzelnen Behördenvertreters gegenüber dem Geschädigten fehlt. Die Forderung nach einem bestimmten hoheitlichen Unterlassen kann nur gegenüber dem Rechtsträger geltend gemacht werden, dem das betreffende Verhalten zuzurechnen ist (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2020 – 4 CE 19.2440 – BeckRS 2020, 2721 Rn. 42).
b) Selbst wenn man vorliegend davon ausgehen würde, dass die Antragstellerin den richtigen Antragsgegner gewählt hätte, hätte der Antrag jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Der von der Antragstellerin geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in einer entsprechenden Anwendung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG. Er ist die Abwehrmöglichkeit auf die konkret drohende Verletzung eines grundrechtlich geschützten Freiheitsbereichs und entsteht, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt in deren Ausübung jemanden in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten oder rechtlich geschützten Interessen widerrechtlich beeinträchtigt und weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Zu diesen subjektiv-öffentlichen Rechten gehören alle ausschließlichen absoluten Rechte (vgl. VGH BW, U.v. 17.5.1979 – X 639/78 – juris). Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt demnach voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2012 – 4 B 12.952 – juris).
Vorliegend kann die Kammer allerdings schon einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Antragstellerin nicht erkennen. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dient dem Schutz gegen Beeinträchtigungen und soll die ungestörte rechtmäßige Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebs im Wirtschaftsleben sichern. Es umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Betriebs als bestehende Einheit ausmacht. Zudem muss es sich um einen direkten, betriebsbezogenen Eingriff, d.h. eine unmittelbare, gegen den Betrieb als solchen, gerichtete Beeinträchtigung bzw. die Bedrohung seiner Grundlagen handeln (vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, Rn. 126 ff. zu § 823). Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphären anderer ergeben. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung in erster Linie vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BVerfG, B.v. 27.2.2003 – 1 BvR 1811/97 und vom 1.3.2006 – 1 BvR 54/09 – juris).
Unter Berücksichtigung dessen hat der Antragsgegner mit seiner Äußerung gegenüber Herrn … M. nach Überzeugung der Kammer schon nicht unmittelbar in das der Antragstellerin zustehende Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen, da es jedenfalls an einem betriebsbezogenen Eingriff, d.h. einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Betriebs als solchen bzw. einer Bedrohung seiner Grundlagen (vgl. Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 823 Rn. 128 m.w.N.) durch den Hinweis des Antragsgegners fehlt.
Mit der Erklärung, gegen die Antragstellerin laufe ein Verfahren wegen Betreibens einer nicht genehmigten Brechanlage, wollte der Antragsgegner offensichtlich allein zum Ausdruck bringen, dass der Plan von Herrn … M., das Hausanwesen in K. abzureißen unter Einsatz einer mobilen Brechanlage der Antragstellerin, nicht durchführbar sei. Diese Auskunft stellt aber keine unmittelbare, gegen den Betrieb als solchen, gerichtete Beeinträchtigung bzw. die Bedrohung seiner Grundlagen dar.
c) Doch selbst für den Fall, dass man vorliegend einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ebenso in die weiteren von der Antragstellervertreterin zitierten Grundrechte bejahen sollte, wäre dieser Eingriff jedenfalls gerechtfertigt.
Denn zur Vermeidung belastender Eingriffe in die konkrete Bauausführung, etwa durch ein nachträgliches Einschreiten im Rahmen der bauaufsichtlichen Überwachung, gebietet es nicht nur Art. 25 BayVwVfG, sondern bereits das Rechtsstaatsprinzip, dass dem Bauherrn, hier Herrn … M., bereits vor Beginn der Bauarbeiten fachliche Hinweise betreffend sein Bauvorhaben zu erteilen sind.
Demnach bestand die Verpflichtung des Antragsgegners, um dem Grundsatz einer ordnungsgemäßen Beratung gerecht zu werden, Herrn … M. als Beteiligten eines im Raum stehenden bauaufsichtlichen Verwaltungsverfahrens entscheidungserhebliche Informationen, die dem Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt bekannt waren und von ihm im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens auch zu berücksichtigen waren, mitzuteilen, zumal die mitgeteilten Informationen wahr sind. Denn ein Verwaltungsverfahren gegen die Antragstellerin war zum Zeitpunkt der getätigten Äußerung tatsächlich anhängig und wurde zwischenzeitlich durch (noch nicht bestandskräftigen) Bescheid des Landratsamts W. vom 24. Februar 2020 abgeschlossen. Der Antragstellerin wurde aufgegeben, die betriebene Anlage zum Brechen von Natursteinen und mineralischen Abfällen unverzüglich, spätestens einen Tag nach Zustellung des Bescheids still zu legen.
Nur durch den Hinweis des Antragsgegners auf dieses anhängige Verfahren konnte sichergestellt werden, dass Herr … M. die Information erhielt, dass der von ihm geplante Abbruch des Wohnanwesens eventuell aufgrund baupolizeilichen Einschreitens scheitern könnte.
d) Der auf die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt des Weiteren eine konkrete Wiederholungsgefahr voraus (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2010 – 7 B 54.10 – juris Rn. 14), die es rechtfertigt, schon jetzt bestimmte, zu erwartende Handlungen zu untersagen. Allein aus der ersten Verletzungshandlung durch den Antragsgegner und seine Weigerung, eine Unterlassungserklärung abzugeben, ergibt sich noch keine hinreichende Wiederholungsgefahr. Eine einmalige Verletzungshandlung kann allenfalls eine widerlegliche Vermutung für weitere, gleichgerichtete Handlungen begründen (vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2013 – 4 CE 13.944 – juris Rn. 25). Dass diese Vermutung im hier vorliegenden Fall allerdings nicht begründet ist, ergibt sich daraus, dass der Anlass für die streitgegenständliche Äußerung des Antragsgegners offensichtlich inzwischen weggefallen ist. Der Antragsteller selbst hat in seinem Schreiben vom 4. Februar 2020 an den Landrat des Landratsamts W. mitgeteilt, dass im Januar 2020 nachweislich eine Schredder-Anlage erworben worden sei, Typ Rubble-Master RM 100, welche nunmehr die geforderten einschlägigen Richtlinien erfülle. Dies alles verkennt die Antragstellervertreterin, wenn sie in ihrem Schriftsatz vom 5. März 2020 an das Verwaltungsgericht ausführt, alleine die Vorgehensweise des Antragsgegners impliziere die Wiederholungsgefahr. Mangels besonderer Umstände mag man zwar davon ausgehen können, dass jemand, der eine bestimmte Äußerung getan hat und verbreitet hat, dies auch erneut tun wird. Dies kann jedoch dann nicht angenommen werden, wenn der Äußernde bzw. der eine Information Weitergebende, hier der Antragsgegner, sein Ziel bereits mit der ersten und damit einmaligen Weitergabe der streitigen Information erreicht hat. Das ist vorliegend der Fall. Herr … M. hat in einer E-Mail vom 5. Februar 2020 an das Landratsamt W. erklärt, er bedanke sich für das Gespräch am 28. Januar 2020. Er habe sich nunmehr entschlossen den Bauschutt abtransportieren zu lassen, zumal seine Baufirma ihm erklärt habe, dass sie nur wenig Recycling-Material benötige. Damit wurde dem Anliegen des Antragsgegners, nämlich Herr … M. ordnungsgemäß zu beraten, Genüge getan. Das Ziel wurde erreicht.
4. Der Antrag war nach alledem abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostentragungspflicht umfasst nicht die Kosten des Beigeladenen, denn dieser hat keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht am Kostenrisiko beteiligt (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung bemisst sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.