Aktenzeichen 461 C 26728/15
Leitsatz
1 Die Anpflanzung eines Baumes auf der Loggia einer Mietwohnung entspricht jedenfalls dann nicht mehr dem vertragsgemäßen Gebrauch, wenn der Baum so groß geworden ist, dass er durch Stahlseile gesichert werden muss oder das Erscheinungsbild des Hauses deutlich verändert. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die für den Erhalt eines Baumes notwendigen Pflege- oder Verkehrssicherungsmaßnahmen, wie zB Gießen, Düngen, Beschneiden oder Befestigen, lassen einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB jeweils wieder neu entstehen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, den von ihm auf der Loggia der 2-Zimmerwohnung im Anwesen G.-straße 27, 3. Obergeschoss links Mitte, 80333 München, gepflanzten Ahornbaumes samt Erdreich und Wurzelwerk fachgerecht dauerhaft zu beseitigen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin aus Ziffer 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 700,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin aus Ziffer 2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 632,31 € festgesetzt.
Gründe
Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif. Die Klagepartei hat in der Verhandlung vom 02.06.2016 auf die von ihr benannten Zeugen verzichtet (Bl. 72R). Auf die weiteren Beweisangebote der Parteien kam es nicht an.
Der Klage war stattzugeben, da sie zulässig und begründet ist.
Der Hilfsantrag fiel wegen der Stattgabe des Hauptantrages nicht zur Entscheidung an.
A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine in München gelegene Wohnung entspringt, §§ 29 a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2 a GVG.
B. Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Beseitigung des Ahornbaumes gemäß § 541 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB verlangen.
Nach § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung tragen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfasst auch die Beseitigung eines vom Vermieters geschaffenen vertragswidrigen Zustandes (Weidenkaff/Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016, § 541 Rn. 1).
Das Pflanzen eines Baumes auf einer mitvermieteten Loggia einer Wohnung ist vertragswidrig, wenn sie sich nicht im Rahmen des dem Mieter gemäß § 535 Abs. 1 BGB zu gewährenden vertragsgemäßen Verbrauchs hält.
I. Der von den Beklagten durch Pflanzung des Baumes ist vertragswidrig und hält sich nicht im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs.
Was zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört, ist eine Frage der Auslegung der vertraglichen Vereinbarung (Blank/Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Auflage, 2015, § 541 Rn. 3).
Nach § 1 Nr. 13 des Mietvertrages ist eine Loggia an den Beklagten mitvermietet. Weitere ausdrückliche Vereinbarungen enthält der Vertrag nicht.
Vom vertragsgemäßen Gebrauch ist damit alles umfasst, was nach der Verkehrsanschauung üblich ist, §§ 133,157 BGB.
Das Anpflanzen von Bäumen auf Loggien oder Balkonen gehört nach Auffassung des Gerichtes nicht dazu.
Ahornbäume können, wie allgemein und damit auch gerichtsbekannt ist, mehrere Meter hoch werden und einen Stammdurchmesser von mehr als 1 m annehmen. Sie sind damit zum Halten auf Loggien in mehrstöckigen Häusern in Innenstädten nicht geeignet und werden üblicherweise in München darauf auch nicht gehalten. Auf die Umstände und Verhältnisse in anderen Ländern, etwa in Mailand, kommt es dabei nicht an.
Unstrittig ist zudem, dass mittlerweile der Baum direkt auf Erde auf dem Boden der Loggia gepflanzt ist und nicht mehr in einem früheren Kübel.
1. Von solchen Bäumen geht die Gefahr aus, dass sie umstürzen, da sie auf Loggien in Wohnhäusern keine genügende Verwurzelung ausbilden können. Das steht für das Gericht aufgrund der Größe des Baumes, wie er auf den in Augenschein genommenen Fotografien erkennbar ist, fest. Dies räumt der Beklagte auch ein, wenn er angibt, er habe den Baum eigens mit Stahlseilen gesichert, wobei diese Stahlsicherung selbst wiederum einen rechtswidrigen Eingriff in die Sachsubstanz darstellt und somit die Vertragswidrigkeit nicht entfallen lässt.
Dass diese Stahlsicherung einen Eingriff in die Sachsubstanz darstellt, ergibt sich für das Gericht aus den in Augenschein genommenen Fotografien B1 und B2 (Bl. 39, 39), die unstrittig den tatsächlichen Zustand zutreffend wiedergeben. Auf der Fotografie B2 ist deutlich erkennbar, wie das Stahlseil fest an der Hauswand verankert ist. Solche baulichen Konstruktionen, die nach Vortrag des Beklagten so fest sind, dass sie Umfallen des Baumes bei starkem Wind verhindern sollten, bedürfen der Erlaubnis des Vermieters. Das Anbringen solcher Starkdübel außerhalb der Wohnung auf der Loggia zum Befestigen von Bäumen entspricht nicht dem sonst üblichen Dübeln in Wohnungsinneren zum Anbringen von Regalen.
2. Der streitgegenständliche Baum verändert zudem das äußere Erscheinungsbild deutlich und greift in das Erscheinungsbild des Hauses ein.
Dies steht für das Gericht fest aufgrund der in Augenschein genommenen Fotografien.
Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich das Erscheinungsbild positiv oder negativ ändert. Denn die Entscheidung über das Erscheinungsbild steht gemäß § 903 BGB dem Vermieter zu.
3. Demgegenüber müssen die Interessen des Beklagte zurückstehen.
Aus Art. 20 a GG ergibt sich insoweit für den Beklagten keine grundrechtlich geschützte Position. Die Norm ist dem Wortlaut und der systematischen Stellung nach keine Grundrechtsnorm, sondern formuliert ein Staatsziel.
4. Der Anspruch der Klägerin beschränkt sich auch nicht darauf, dass der Beklagte den Baum nicht beseitigen, sondern wieder nur in einen Bottich einsetzen muss. Der Baum hat bereits eine Größe erreicht, die eine Sicherung erforderlich macht. Dies hat der Beklagte selbst eingeräumt. Zudem verändert er deutlich das äußere Erscheinungsbild des Hauses.
II. Der Beklagten war durch die Schreiben vom 12.06.2015, vom 24.07.2015, vom 08.09.2015 und vom 23.09.2015 zur Entfernung des Bauches auch aufgefordert und damit die vertragswidrige Nutzung abgemahnt worden, § 541 BGB.
III. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das Beseitigungsverlangen der Klägerin treuwidrig wäre.
Für einen Rechteverlust des Gläubigers, etwa durch Verwirkung, genügt es nicht, dass der Gläubiger längere Zeit sein Recht nicht durchgesetzt hat. Es müssen neben dem Zeitmoment noch besondere Umstände hinzutreten, dass etwas der Schuldner sich darauf eingerichtet hat und sich darauf einrichten durften, dass der Gläubiger auch in Zukunft das Recht nicht mehr geltend machen würde (Grüneberg/Palandt, BGB, 75. Auflage, 2016 § 242 Rn. 87).
Solche Umstände liegen hier nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte irgendwelche Dispositionen von solchem Ausmaß getroffen hätte, dass nunmehr ihm eine Beseitigung des Baumes nicht mehr zumutbar wäre. Der Aufwand zur Anbringung der Stahlseile kann nicht berücksichtigt werden, da diese selbst wiederum eine rechtswidrige Eigentumsverletzung darstellen.
Zudem ist der Baum als Pflanze fortlaufender Veränderung unterworfen. Der Beklagte musste daher immer damit rechnen, dass sich die Sachlage verändern würde und für die Klägerin neue Einwände gegen die Vertragsgemäßheit entstehen würden, so dass beim Beklagten auch aus diesem Grunde kein Vertrauenstatbestand entstehen konnte.
IV. Der Beseitigungsanspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt.
Auch der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 541 BGB verjährt gemäß §§ 194 Abs. 1, 195 BGB nach drei Jahren (LG München vom 19.02.2014, 15 S 4624/13). Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Der Beseitigungsanspruch entsteht durch den Beginn der Beeinträchtigung, auch wenn die auf ein und derselben Handlung beruhende Beeinträchtigung fortdauert (vgl. Bassenge/Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1004 Rn. 45).
Das Pflanzen eines Baumes ist nach Auffassung des Gerichts eine Dauerhandlung. Der Verjährungsbeginn kann nicht einfach auf den Akt der Pflanzung abgestellt werden. Eine Pflanze ist, im Gegensatz etwa zu einer Parabolantenne, ein Lebewesen und damit ihrem Wesen nach fortlaufender Veränderung unterworfen. Eine Pflanze wächst und gedeiht, oder sie vergeht und stirbt. Sie kann von Schädlingen befallen werden, ausschlagen oder in eine andere Richtung wachsen. Das Erhalten einer Pflanze verlangt zudem fortwährende Pflege. Sie muss gegossen und gedüngt werden. Unter Umständen muss sie beschnitten werden. Der Beklagte trägt selbst vor, dass er den Baum regelmäßig beschneide, und schildert anschaulich, wie er im Laufe der Zeit Bodenverankerung des Baumes veränderte und schließlich den Baum mit Stahlseilen verankerte. Die Erhaltung des Baumes und des Zustandes verlangt damit regelmäßiges Tätigwerden des Beklagten.
Im Hinblick auf die Verjährung kommt es dabei auf die jeweiligen einzelnen konkreten Störungen an, mit der der Beseitigungsanspruch jeweils neu entsteht (Baldus/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, 2013, § 1004, Rn. 269).
Eine (erneute) Störung begann hier und ein erneuter Beseitigungsanspruch nach § 541 BGB entstand hier jeweils mit der Befestigung des Baumes an der Häuserwand durch die Stahlseilkonstruktionen und durch das Halten des Baumes direkt auf dem Balkon ohne vermittelnde Zwischenkonstruktion wie Topf oder Bottich. Dieses war ein Abweichen von der vertragsüblichen Nutzung, jenes ein Eingriff und eine Beschädigung der Sachsubstanz, die zugleich sinnfällig nach außen erkennbar werden ließ, dass das Halten des Baumes nicht mehr sicher war.
Die Verjährung begann dabei in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin von dem unmittelbaren Wachsen des Baumes auf dem Balkon und von der Stahlseilkonstruktion Kenntnis hatte oder nur in Folge großer Fahrlässigkeit keine Kenntnis hatte. Der Beklagte hat insoweit keinen früheren Termin als im Jahr 2015 benannt. Die dreijährige Verjährungsfrist ist mithin noch nicht abgelaufen.
C. Das Gericht setzt gemäß § 3 ZPO den Streitwert auf die Höhe einer Monatsbruttomiete fest.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat als im Rechtsstreit Unterlegener die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
E. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.