IT- und Medienrecht

Ermittlung einer Wasserbenutzungsgebühr durch Wasserzähler nach Ablauf der Eichfrist

Aktenzeichen  B 4 K 16.872

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41828
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 162
BayKAG Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 4, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Abrechnungsbescheid der Beklagten über Wasserbenutzungsgebühren vom 11.11.2016 (Finanzadresse …) wird aufgehoben, soweit Wasserbenutzungsgebühren von mehr als 213,79 Euro festgesetzt wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Über die Klage, über die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, kann gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien hierzu mit Schriftsätzen vom 03.04.2018 bzw. vom 31.03.2018 ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 11.11.2016 (Finanzadresse …) ist in Höhe von 33,38 Euro aufzuheben, weil er in diesem Umfang rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) können die Gemeinden für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben, wobei diese nach dem Ausmaß zu bemessen sind, in dem die Gebührenschuldner diese Einrichtung in Anspruch nehmen (Art. 8 Abs. 4 KAG). Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG erfolgt die Heranziehung der Benutzer zu Benutzungsgebühren aufgrund einer besonderen Abgabesatzung. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte, der die Aufgabe der Trinkwasserversorgung im Bereich des Anwesens des Klägers durch die Stadt … übertragen wurde (Art. 89 Abs. 2 Gemeindeordnung – GO i.V.m. § 2 der Unternehmenssatzung für das Kommunalunternehmen der Stadt … – Anstalt des öffentlichen Rechts), durch den Erlass ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung des Kommunalunternehmens … (BGS-WAS) vom 29.01.2010 Gebrauch gemacht. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2.2 Nach § 9 BGS-WAS erhebt die Beklagte für die Benutzung der Wasserversorgungseinrichtung Grundgebühren und Verbrauchsgebühren. Die Grundgebühr beträgt bei der Verwendung von Wasserzählern mit einem Dauerdurchfluss bis 4 m³/h 15,00 Euro jährlich (§ 9a Abs. 2 BGS-WAS). Die Verbrauchsgebühr wird nach der Menge des aus der Wasserversorgungseinrichtung entnommenen Wassers berechnet und beträgt 2,40 Euro pro m³ entnommenen Wassers (§ 10 Abs. 1 BGS-WAS). Der Wasserverbrauch wird dabei durch geeichte Wasserzähler ermittelt (§ 10 Abs. 2 Satz 1 BGS-WAS) und ist durch die Beklagte zu schätzen, wenn 1. ein Wasserzähler nicht vorhanden ist, oder 2. der Zutritt zum Wasserzähler oder dessen Ablesung nicht ermöglicht wird, oder 3. sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wasserzähler den wirklichen Verbrauch nicht angibt (§ 10 Abs. 2 Satz 2 BGS-WAS).
Ausgehend von diesen satzungsrechtlichen Bestimmungen hätte die Beklagte den beim Ausbau des Wasserzählers Nr. 8… am 02.12.2015 abgelesenen Zählerstand von 910 m³ nicht zur Abrechnung der Wasserverbrauchsgebühr heranziehen dürfen. Der genannte Wasserzähler ist nicht zum Beleg dafür geeignet, dass die im Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 02.12.2015 ermittelte Wassermenge von 26 m³ den wirklichen Wasserverbrauch wiedergibt. Ausgehend vom Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS-WAS wird der Wasserverbrauch nur durch geeichte Wasserzähler ermittelt. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass unter dem satzungsrechtlichen Begriff des Wasserzählers nicht jedes Gerät zur Erfassung des durchgeflossenen Wasservolumens fällt. Ein Wasserzähler im Sinne einer Abgabesatzung müsse grundsätzlich geeicht und verplombt sein, um eine Korrektheit der Messwerte zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.2009 – 20 B 08.3295 – juris Rn. 28; U.v. 18.2.1998 – 23 B 94.1973 – juris Rn. 28; vgl. auch Ruff, WuM 2016, 255). Nur bei geeichten Wasserzählern wird die Richtigkeit der Messung vermutet (OVG Münster, B.v. 24.10.2013 – 9 A 2553/11 – juris Rn. 31; VG Gießen, B.v. 26.6.2013 – 8 L 807/13.GI – juris Rn. 26 m.w.N.). Hat der Benutzer trotz Verwendung geeichter Wasserzähler Bedenken bezüglich der Genauigkeit der Messwerte, muss er den Nachweis führen, dass der Wasserzähler defekt ist. Hierbei kann er nach § 21 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung des Kommunalunternehmens … (Wasserabgabesatzung – WAS) vom 31.03.2006 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 08.10.2010 einen Antrag auf Nachprüfung des Wasserzählers stellen, wobei er sich verpflichten muss, die Kosten zu tragen, falls die Abweichung die gesetzlichen Verkehrsfehlergrenzen nicht überschreitet.
Vorliegend jedoch war die Eichfrist des Wasserzählers Nr. 8… bereits abgelaufen. Bei Kaltwasserzählern beträgt die Eichgültigkeit sechs Jahre (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Mess- und Eichverordnung – MessEV – i.V.m Anlage 7 Nr. 5.5.1 MessEV). Der streitgegenständliche Wasserzähler wurde am 02.04.2008 eingebaut. Ende der Eichfrist war somit der 31.12.2014. Ab diesem Zeitpunkt war der Wasserzähler nicht mehr geeicht, sodass hier der Anscheinsbeweis der Richtigkeit der Messwerte nicht greift. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Wasserzähler nach Ablauf der Eichfrist unverzüglich auszutauschen, da die Wasserzähler nach § 19 Abs. 1 WAS in ihrem Eigentum stehen. Die Lieferung, Aufstellung, technische Überwachung, Unterhaltung, Auswechslung und Entfernung der Wasserzähler obliegt der Beklagten. Diese bestimmt auch Art, Zahl und Größe der Wasserzähler sowie ihren Aufstellungsort. Nach Ablauf der Eichfrist ist die Beklagte somit dafür beweispflichtig, dass der installierte Wasserzähler einwandfrei funktioniert. Einen entsprechenden Beweis hat die Beklagte jedoch nicht erbracht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es auch nicht erforderlich, dass der Kläger die Nachprüfung eines nicht geeichten Wasserzählers nach § 21 Abs. 1 WAS beantragt, weshalb offen bleiben kann, ob der Kläger mit Widerspruch vom 16.12.2015 einen solchen Antrag gestellt hat.
Im Ergebnis ist daher der Wasserverbrauch des Klägers im Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 02.12.2015 nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BGS-WAS zu schätzen (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) KAG i.V.m. § 162 Abgabenordnung – AO). Das Gericht kann offenlassen, ob bereits § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGS-WAS (Wasserzähler nicht vorhanden) einschlägig ist. Jedenfalls ergibt sich die Schätzung des Wasserverbrauchs aufgrund dem Sinn und Zweck der Regelung. Durch geeichte Wasserzähler soll gerade eine zuverlässige Abrechnung des Wasserverbrauchs gesichert sein. Ein nicht geeichter Wasserzähler erfüllt diesen Zweck nicht mehr, da anderenfalls der Sinn der Eichpflicht in Frage gestellt wird. Das hat zur Folge, dass ein nicht geeichter Wasserzähler ebenso wenig wie die in § 10 Abs. 2 Satz 2 2 BGS-WAS aufgeführten Alternativen geeignet ist, den Wasserverbrauch zu messen.
Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) KAG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Erhebungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Ziel einer Schätzung ist es, in einem Akt wertenden Schlussfolgerns aus Anhaltspunkten diejenigen Tatsachen zu ermitteln, die die größtmögliche erreichbare Wahrscheinlichkeit für sich haben. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und plausibel sein (BayVGH, B.v. 21.5.2012 – 20 B 12.251 – juris Rn. 18; U.v. 14.07.2016 – 20 B 15.565 – juris Rn. 14 m.w.N). Im vorliegenden Fall erscheint eine Orientierung am durchschnittlichen Wasserbezug der Abrechnungsperiode mit neu eingebautem Wasserzähler (Zeitraum 03.12.2015 bis 30.09.2016) sachgerecht. Aus Sicht des Gerichts stellt dies eine grundsätzlich geeignete Schätzmethode dar, welche die für die Schätzung bedeutenden Faktoren beachtet und ein akzeptables Resultat erbringt (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.2009 – 20 B 08.3295 – juris Rn. 31). Geht man im o.g. 10-monatigen Zeitraum von einem Wasserverbrauch von 64 m³ aus, ergibt sich ein Wasserverbrauch von 6,4 m³ pro Monat, für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 02.12.2015 damit von gerundet 13 m³. Zieht man von den mit Bescheid vom 11.11.2016 festgesetzten Wassergebühren von 247,17 Euro die Bruttogebühren für 13 m³ Wasser ab (13 m³ x 2,40 Euro x 1,07% = 33,38 Euro), ergeben sich für den Abrechnungszeitraum 01.10.2015 bis 30.09.2016 Benutzungsgebühren in Höhe von 213,79 Euro.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (0,79 Euro), werden der Beklagten die kompletten Kosten des Verfahrens auferlegt (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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