IT- und Medienrecht

Erschließungsermessen bei Kostenersatz für einen Feuerwehreinsatz

Aktenzeichen  M 30 K 17.4501

Datum:
21.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43096
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, S. 2
BGB § 421 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1
GO Art. 61, Art. 62

 

Leitsatz

An die Betätigung des Entschließungsermessens, d.h. ob überhaupt Kostenersatz für einen Feuerwehreinsatz verlangt wird, sind aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes keine hohen Anforderungen zu stellen . Die Bezugnahme auf die haushaltsrechtlichen Vorgaben nach Art. 61 und 62 GO, wonach die Gemeinde zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist, für die Betätigung des Entschließungsermessens genügen, wenn wie hier besondere Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen können, auf den Kostenersatz zu verzichten, nicht zu erkennen sind. Solche zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht, wenn alle Unfallbeteiligten eines Autounfalls haftpflichtversichert sind (vgl. BayVGH U.v. 20.2.2013 – 4 B 12.717, BeckRS 2013, 49686). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht ihren eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage des angefochtenen Kostenbescheides ist Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayFwG. Hiernach können die Gemeinden für Einsätze im technischen Hilfsdienst, bei denen die Gefahr oder der Schaden durch den Betrieb u.a. von Kraftfahrzeugen veranlasst war, Ersatz der notwendigen Auslagen verlangen, die durch Ausrücken und Einsätze gemeindlicher Feuerwehren entstanden sind. Bei dem durch einen Verkehrsunfall ausgelösten Einsatz handelte es sich um eine Pflichtaufgabe gem. Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BayFwG. Nach Art. 28 Abs. 3 BayFwG ist unter anderem zum Ersatz der Kosten verpflichtet, wer in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 Halter eines Fahrzeugs im Sinn von Abs. 2 Nr. 1 ist, durch das ein Feuerwehreinsatz veranlasst war (Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayFwG). Dabei haften mehrere Verpflichtete als Gesamtschuldner, Art. 28 As. 3 Satz 2 BayFwG.
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die Beklagte ihr Auswahlermessen pflichtgemäß und ohne Ermessensfehler ausgeübt hat angesichts der Tatsache, dass die Klägerin nach den strafrechtlichen Ermittlungen den Unfall nicht verschuldet hatte, was sich allerdings erst nach Klageerhebung erwiesen hat.
Die Ermessenserwägungen der Beklagten genügen den Anforderungen. An die Betätigung des Entschließungsermessens, d.h. ob überhaupt Kostenersatz verlangt wird, sind schon aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes keine hohen Anforderungen zu stellen (BayVGH, U.v. 20.2.2013 – 4 B 12.717 – juris Rn. 21). Demgemäß kann die Bezugnahme auf die haushaltsrechtlichen Vorgaben nach Art. 61 und 62 GO, wonach die Gemeinde zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist, für die Betätigung des Entschließungsermessens genügen, wenn wie hier besondere Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen können, auf den Kostenersatz zu verzichten, nicht zu erkennen sind (BayVGH, a.a.O., m.w.N.). Solche zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht, wenn alle Unfallbeteiligten eines Autounfalls haftpflichtversichert sind (BayVGH, a.a.O., m.w.N.).
Was die in Betracht kommende (Mit-)Haftung des Unfallgegners anbetrifft, gilt, dass der Gläubiger, d.h. hier die Beklagte, nach der anzuwendenden zivilrechtlichen Regelung in § 421 Satz 1 BGB (vgl. BayVGH, U.v. 24.2.2008 – 4 BV 07.949 – juris Rn. 24) die Kosten „nach seinem Belieben“ von jedem Schuldner ganz oder zu einem Teil verlangen kann. Ist das Rechtsverhältnis wie vorliegend öffentlich-rechtlicher Natur, hat der Gläubiger bei der Auswahlentscheidung zwischen mehreren Gesamtschuldnern pflichtgemäßes Ermessen auszuüben (Art. 40 BayVwVfG).
Dabei durfte die Beklagte nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten vorgehen. Weiterer Ermessenserwägungen bedurfte es nicht (vgl. BayVGH, U.v. 3.9.2009 – 4 BV 08.696 – juris Rn 30 m.w.N.). Die Ausübung des Auswahlermessens ist nur durch das Willkürverbot und offensichtliche Unbilligkeit begrenzt (BayVGH, a.a.O.).
Nach diesen Maßgaben ist die Auswahl der Klägerin nicht zu beanstanden. Bezüglich des zwischen den Beteiligten streitigen Verschuldensbeitrags war die Beklagte nicht verpflichtet, schwierige zivilrechtliche Haftungsfragen zu klären. Zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 8. August 2017 (Erlass des Widerspruchsbescheides; zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 45 m.w.N.) war nach wie vor nicht geklärt, wer den Unfall verursacht hatte. In dieser Situation war es jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, im Interesse eines zeitnahen Einzugs der Aufwandsentschädigung eine Klärung durch Sachverständigengutachten im Rahmen eines Straf- oder Zivilprozesses nicht mehr abzuwarten.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu Protokoll gegeben, dass spätestens die Ausführungen im Widerspruchsbescheid so zu verstehen sein sollen, dass die Klägerin nicht als schuldhafte Unfallverursacherin angesehen wird, sondern nur im Rahmen ihrer Halterhaftung in Anspruch genommen wird. Diese Halterhaftung nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayFwG ist im Falle der Klägerin unstrittig gegeben. Die Klägerin kann die anfallenden Kosten vom Unfallgegner im Gesamtschuldner-Innenverhältnis einfordern. Im Urteil des Landgerichts München II – 13 O 5349/16 – vom 29. November 2017 wurde unter Ziff. 2 festgestellt, dass der Unfallgegner und die Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall vom 22. Oktober 2016 entstanden sind und künftig entstehen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

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