Aktenzeichen M 10 K 18.5033
BayKAG Art. 10 Nr. 1, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 57, Art. 62 S. 2
BGB § 126
Leitsatz
1. Bestreitet der Empfänger nicht den Zugang als solchen, sondern nur den Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist, muss der Empfänger sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen substantiieren, um einen späteren Zugang als möglich erscheinen zu lassen und so Zweifel an der Drei-Tages-Vermutung zu begründen. Ein substantiiertes Bestreiten erfordert regelmäßig die Angabe, wann der Bescheid tatsächlich zugegangen ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht erforderlich, dass bei einem Vertragsschluss die eigenhändigen Unterschriften der Parteien auf derselben Urkunde geleistet werden müssen. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann auch durch einen Schriftwechsel, d. h. durch eigenhändig unterschriebene und aufeinander bezogene Vertragserklärungen, die von einem entsprechenden Erklärungsbewusstsein und Bindungswillen getragen sind, zustande kommen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gewahrt worden.
a) Die Klagefrist beträgt angesichts der richtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung:einen Monat nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
b) Die Klagefrist beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabevermutung des angegriffenen Bescheids gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. Art. 10 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 3b KAG zu laufen, da der Bescheid mit einfachem Brief versandt worden ist.
Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
aa) Der Geltungsbereich des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b KAG ist eröffnet, da es vorliegend gemäß Art. 10 Nr. 1 KAG um eine Abgabe nach dem I. Abschnitt des Kommunalabgabengesetzes, nämlich um die Erstattung von Kosten für Grundstücksanschlüsse nach Art. 9 KAG i.V.m. § 8 BGS/EWS, geht. Dies gilt auch im Fall des Abschlusses einer Sondervereinbarung nach § 7 EWS, da gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 EWS die Bestimmungen der Entwässerungssatzung sowie der Beitrags- und Gebührensatzung für das Benutzungsverhältnis entsprechend gelten.
bb) Der Beklagte hat den Tag der Postaufgabe mittels des vorgelegten Auszugs aus dem Postausgangsbuch nachgewiesen. Die dort vermerkte Aufgabe zur Post am 7. September 2018 ist damit grundsätzlich geeignet, die Drei-Tages-Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auszulösen (zum Nachweis durch Postausgangsbuch: Füssenich, in BeckOK, AO, Stand: 1.10.2019, § 122 Rn. 197.5).
c) Diese Bekanntgabevermutung ist im vorliegenden Fall jedoch durch den klägerischen Sachvortrag, der Sitz der Klägerin sei verlegt und infolge des Nachsendeauftrags sei der angefochtene Bescheid der Klägerin erst zwei Wochen später zugegangen, widerlegt worden.
Bestreitet der Empfänger nicht den Zugang als solchen, sondern nur den Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist, muss der Empfänger sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen substantiieren, um einen späteren Zugang als möglich erscheinen zu lassen und so Zweifel an der Drei-Tages-Vermutung zu begründen. Ein substantiiertes Bestreiten erfordert regelmäßig die Angabe, wann der Bescheid tatsächlich zugegangen ist (Füssenich, a.a.O., Rn. 203 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs). Den Empfänger trifft die Pflicht zur Beweisvorsorge. Er hat den verspäteten Zugang gegenüber der Behörde anzuzeigen oder zumindest den mit dem Poststempel versehenen Briefumschlag aufzubewahren (Füssenich, a.a.O., Rn. 205).
An die notwendige Substantiierung des Vorbringens des Empfängers dürfen jedoch keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere dürfen die erhobenen Substantiierungsanforderungen nicht dazu führen, dass die objektive Beweislast, die nach der gesetzlichen Beweislastverteilung bei der Behörde liegt, zu Lasten des Empfängers umgekehrt wird (Füssenich, a.a.O., Rn. 204).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar nicht substantiiert vorgetragen, wann ihr der angefochtene Bescheid tatsächlich zugegangen ist. Insbesondere hat sie dem Gericht nicht das Briefkuvert, dessen Stempeln o.ä. sich zeitliche Angaben zum Verlauf der Nachsendung des Briefs entnehmen ließen, vorgelegt.
Aber es genügt, dass die Klägerin hier vorgetragen und nachgewiesen hat, dass der Sitz der Klägerin bereits im Frühjahr 2018 nach . verlegt und deswegen ein Nachsendeauftrag eingerichtet worden ist. Dieser Vortrag ist geeignet, hinreichende Zweifel am Zugang des Bescheids innerhalb von drei Tagen nach der Postaufgabe zu wecken (vgl. hierzu auch: Füssenich, a.a.O., Rn. 204.1).
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass vorliegend eine Verspätung der Klageerhebung (am 12.10.2018) um lediglich zwei Werktage im Raum steht. Den Eintritt der Drei-Tages-Vermutung am 10. September 2018 unterstellt, wäre die Klagefrist am 10. Oktober 2018 (Mittwoch) abgelaufen gewesen (§ 74 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Es ist für das Gericht jedoch nachvollziehbar, dass allein die verwaltungsmäßige Abwicklung des Postnachsendeauftrags die Verspätung der Postsendung um die Zeit von zwei Arbeitstagen bewirkt hat. Solche Verzögerungen im postalischen Bereich muss der Empfänger nicht gegen sich gelten lassen, da er darauf keinen Einfluss nehmen kann (vgl. BFH, U.v. 4.3.1977 – VI R 242/74 – BeckRS 1977, 22003930 Amtl. LS: Der Nachweis eines Postnachsendeantrags und dessen Ausführung durch die Post ist geeignet, die Verspätung des Zugangs eines Steuerbescheids, der mit einfachem Brief versandt wurde, um zwei Arbeitstage als ernsthaft möglich erscheinen zu lassen.).
Angesichts dessen kann sich der Beklagte nicht auf die Drei-Tages-Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO berufen. Er hätte vollen Beweis für den tatsächlichen Zeitpunkt des Zugangs des angegriffenen Bescheids erbringen müssen, was ihm vorliegend nicht gelungen ist. Aufgrund der in § 122 Abs. 2 Nr. 1 HS. 2 AO vorgesehenen Beweislastregel geht die Unerweislichkeit des Zugangszeitpunkts zu Lasten des Beklagten.
d) Die Klageerhebung am 12. Oktober 2018 wahrt daher die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. September 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Rechtsgrundlage für die mit streitgegenständlichem Bescheid festgesetzte Erstattung der Grundstücksanschlusskosten im privaten und im öffentlichen Bereich ist die zwischen den Beteiligten geschlossene Sondervereinbarung vom 14./20. Juni 2017 nach § 7 EWS i.V.m. § 8 BGS/EWS.
aa) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Entwässerungssatzung des Beklagten vom 16. Dezember 2013 in der Fassung der 2. Änderung vom 21. April 2016 sind weder ersichtlich noch vorgetragen (vgl. hierzu bereits: VG München, U.v. 10.11.2016 – M 10 K 15.4549 – BeckRS 2016, 124342). Das Gleiche gilt für die Regelung in § 8 BGS/EWS.
bb) Die am 14./20. Juni 2017 zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung ist auch als Sondervereinbarung im Sinne des § 7 EWS anzusehen.
Nach § 7 EWS kann der Beklagte durch Vereinbarung ein besonderes Benutzungsverhältnis begründen, wenn der Grundstückseigentümer nicht zum Anschluss oder zur Benutzung berechtigt oder verpflichtet ist.
Die Voraussetzungen des § 7 EWS sind vorliegend erfüllt.
Die Klägerin war nicht nach §§ 4 f. EWS zum Anschluss oder zur Benutzung berechtigt oder verpflichtet, da bereits ein Grundstücksanschluss vorhanden war und ein Zweitanschluss erstellt werden sollte.
Die am 14./20. Juni 2017 zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung ist auch als öffentlich-rechtlicher Vertrag nach Art. 54 BayVwVfG und damit als Vereinbarung im Sinne des § 7 EWS zu werten.
Nach Art. 54 Satz 1 BayVwVfG wird ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen.
Durch die Vereinbarung vom 14./20. Juni 2017 wurde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, nämlich der Abwasserbeseitigung, ein Rechtsverhältnis begründet. Auf der einen Seite verpflichtete sich der Beklagte ausdrücklich zur Erstellung eines Zweitanschlusses; auf der anderen Seite wurde die Verpflichtung der Klägerin statuiert, sämtliche Kosten im privaten und öffentlichen Bereich zu tragen.
Insoweit haben die Parteien auch einen Vertrag durch übereinstimmende Willenserklärungen (§ 133 BGB analog) geschlossen. Wenn auch die Vereinbarung in Briefform an die Klägerin gerichtet ist, ist aufgrund des Inhalts der Vereinbarung und den Umständen erkennbar, dass ein Vertrag gewollt war. Hierfür spricht die Bezeichnung “Vereinbarung zur Erstellung der schmutzwassertechnischen Erschließung – Kostenübernahmeerklärung für Bautätigkeiten” im Betreff des Schreibens vom 14. Juni 2017 und die Formulierung “Vereinbarung bestätigt” mit entsprechender Unterschriftszeile für die Klägerin am Ende des Schreibens.
cc) Die Sondervereinbarung vom 14./20. Juni 2017 ist auch wirksam.
(1) Sie wahrt die Schriftform des Art. 57 BayVwVfG.
Die Schriftform des Art. 57 BayVwVfG ist nicht streng über § 62 Satz 2 BayVwVfG an § 126 BGB orientiert. Formvorschriften sind kein Selbstzweck und deshalb unter Berücksichtigung ihres Sinngehalts auszulegen und anzuwenden. Der Sinngehalt des Art. 57 BayVwVfG und der in Bezug genommenen Formvorschriften des bürgerlichen Rechts liegt in der Warn- und Beweisfunktion der Schriftform. Es ist daher nach überwiegender Auffassung nicht erforderlich, dass bei einem Vertragsschluss die eigenhändigen Unterschriften der Parteien auf derselben Urkunde (Grundsatz der Urkundeneinheit) geleistet werden müssen. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann auch durch einen Schriftwechsel, d. h. durch eigenhändig unterschriebene und aufeinander bezogene Vertragserklärungen, die von einem entsprechenden Erklärungsbewusstsein und Bindungswillen getragen sind, zustande kommen (vgl. BVerwG, U.v. 19.5.2005 – 3 A 3/04 – NVwZ 2005, 1083 zum Schriftformerfordernis nach § 57 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG bei Verwaltungsvereinbarungen zwischen Ländern; BVerwG, U.v. 24.8.1994 – 11 C 14/93 – NJW 1995, 1104 zum öffentlich-rechtlichen Vertrag, der lediglich eine einseitige Verpflichtung des Bürgers zum Gegenstand hat; vgl. zum Streitstand: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 57 Rn. 9a ff.; Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 57 Rn. 19).
Es ist daher ausreichend, wenn Vertragsangebot und Annahmeerklärung der Schriftform genügen. Der Vertragstext, auf den sich die Vertragsparteien geeinigt haben, muss demnach schriftlich fixiert und jedenfalls von einer Vertragspartei handschriftlich unterschrieben sein (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 10a). Auf die Art der Übermittlung der Schriftstücke kommt es, wenn die Schriftformvoraussetzungen vorliegen, dann nicht mehr an; insbesondere die Zugangsvoraussetzungen (körperlicher Austausch der Schriftstücke, Telefax, Telekopie oder sonstige moderne Kommunikationsformen) können durch die Beteiligten rechtsgeschäftlich gestaltet werden (vgl. hierzu: Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 10b; Spieth in BeckOK VwVfG, 45. Ed. 1.10.2019, VwVfG, § 57 Rn. 12; Bonk/Neumann/Siegel, a.a.O., Rn. 17).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist im vorliegenden Fall das Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG erfüllt. Zwar haben nicht beide Vertragsparteien eigenhändig auf derselben Urkunde unterschrieben, da die Klagepartei lediglich das von dem Beklagten unterschriebene, eingescannte und per E-Mail übermittelte Vertragsdokument ausgedruckt und diese Version unterschrieben hat. Aber dies ist ausreichend, weil damit jede Vertragspartei den gleichen Vertragstext – wenn auch auf zwei verschiedenen Dokumenten – eigenhändig unterschrieben hat und sich die Parteien die unterschriebenen Dokumente wechselseitig haben zukommen lassen. Da die Schriftformvoraussetzungen der jeweiligen Vertragserklärungen damit im konkreten Fall erfüllt sind, ist es unschädlich, dass diese Erklärungen an die andere Vertragspartei jeweils lediglich eingescannt per E-Mail übermittelt worden sind. Denn die Warn- und Beweisfunktion, der die Schriftform des Art. 57 BayVwVfG vornehmlich dient, ist auch in diesem Fall gewahrt.
(2) Die Unterschriftsleistenden beider Parteien waren zudem zur Unterschrift des Vertrags befugt. Für die Klägerin war als Einzelprokuristin Frau . . zeichnungsbefugt. Der Abteilungsleiter Bau des Beklagten war jedenfalls durch die nachträgliche Zustimmung des Geschäftsleiters des Beklagten vom 19. November 2019 zum Abschluss der Vereinbarung ermächtigt. Die Befugnis des Geschäftsleiters zur Genehmigung des Geschäfts folgt dabei aus § 3 Abs. 2a, § 8 Nr. 3 und Nr. 4 Geschäftsordnung für den Beklagten vom 24. Juli 2014 i.V.m. § 27 Satzung des Beklagten zur gemeinsamen Abwasserbeseitigung in den Gemeinden rund um den . See vom 21. Juni 2013.
b) Der streitgegenständliche Bescheid ist formell und materiell rechtmäßig.
aa) Insbesondere steht der bescheidsmäßigen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für die Grundstücksanschlusskosten nicht entgegen, dass die Parteien eine Sondervereinbarung abgeschlossen und sich insoweit auf die Ebene des Vertrags begeben haben.
Denn § 7 EWS stellt für den Fall des nicht bestehenden Anschlussrechts oder der nicht bestehenden Anschlussverpflichtung des Grundstückseigentümers lediglich die Rechtsgrundlage für die Vereinbarung eines besonderen Benutzungsverhältnisses dar. Letztlich wird durch eine Sondervereinbarung ein an sich nicht bestehendes Anschlussrecht begründet. Nach dem expliziten Wortlaut des § 7 Abs. 2 EWS gelten jedoch die Bestimmungen der Entwässerungssatzung und der Beitrags- und Gebührensatzung für das Benutzungsverhältnis im Übrigen entsprechend, sofern in der Sondervereinbarung nichts Abweichendes bestimmt ist.
Dementsprechend gelten § 8 BGS/EWS und die hieraus resultierende Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts im konkreten Fall weiterhin, da in der Sondervereinbarung insoweit nichts Abweichendes bestimmt ist. In der Sondervereinbarung vom 14./20. Juni 2017 wird lediglich abweichend von §§ 4 f. EWS ein Anschlussrecht für einen Zweitanschluss begründet und abweichend von § 8 BGS/EWS die Kostentragungspflicht der Klägerin auch für den Aufwand im öffentlichen Straßengrund festgelegt. Eine abweichende Vereinbarung im Hinblick auf die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts ist in der Vereinbarung vom 14./20. Juni 2017 nicht erkennbar. Eine solche ist nicht allein schon darin zu sehen, dass in der Sondervereinbarung eine Regelung über die Kostentragung getroffen worden ist.
bb) Der Beklagte hat aufgrund der Sondervereinbarung vom 14./20. Juni 2017 in zutreffender Weise die Kosten für die Herstellung der Grundstücksanschlüsse nach § 3 EWS nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Bereich einschließlich der Kosten für die Dichtigkeitsprüfung auf die Klägerin übergewälzt.
cc) Der Kostenansatz ist der Höhe nach weder gerügt noch rechtlich zu beanstanden. Nach § 8 BGS/EWS sind die Grundstücksanschlusskosten in der jeweils tatsächlichen Höhe zu erstatten. Ausweislich der dem Bescheid beigefügten Rechnungen sind die mit streitgegenständlichem Bescheid geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden. Es ist für das Gericht auch nachvollziehbar, dass der Kostenanteil für den öffentlichen Bereich trotz insoweit geringerer Länge der Maßnahme höher ist. Nach den Ausführungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung sind – anders als auf dem klägerischen Grundstück – im öffentlichen Bereich sehr aufwändige Handausschachtungen erforderlich gewesen, da verschiedene andere Sparten die Bauarbeiten erheblich erschwert haben.
Insbesondere existiert weder eine Vereinbarung zwischen den Parteien noch eine Zusicherung seitens des Beklagten über niedrigere Kosten. Im Vorfeld der Maßnahme hat der Beklagte mit E-Mail vom 14. Juni 2017 die Kosten auf 3.000 bis 4.000 EUR explizit nur geschätzt; eine verbindliche Kostenzusicherung ist hierin nicht zu sehen. Zwischen den Parteien besteht auch keine beidseitige, bindende Vereinbarung, dass Kostensteigerungen besonders zu begründen oder vorher abzusprechen seien.
dd) Der Erstattungsanspruch ist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS mit Abschluss der Maßnahme entstanden.
ee) Die Klägerin ist in zutreffender Weise zur Zahlung des Erstattungsanspruchs herangezogen worden, da sie als Grundstückseigentümerin Schuldnerin des Erstattungsanspruchs nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS ist.
Der angefochtene Bescheid bezeichnet die Schuldnerin zwar nicht in bestimmter Weise, da er nicht an die Nachhaltige Wohngebäude GmbH & Co. KG, sondern an die Firma “… Wohnbau GmbH, vertreten durch Herrn …” unter der Adresse in … gerichtet ist.
Aber es ist durch Auslegung ermittelbar und damit bestimmbar, dass die Klägerin Adressatin des Bescheids sein sollte. Der Geschäftsführer der Klägerin verwendet selbst in seiner E-Mail vom 22. Juni 2017 an den Beklagten die (verkürzte ähnliche) Bezeichnung “… Wohngebäude GmbH” für die Klägerin. Zudem ist die Sondervereinbarung in gleicher Weise wie der Bescheid auch an die “… Wohnbau GmbH” adressiert gewesen. Frau … hat diese Sondervereinbarung jedoch ausweislich des angebrachten Firmenstempels explizit für die Klägerin unterschrieben und damit auf die Klägerin bezogen. Der angegriffene Bescheid nimmt zudem gerade auf diese Sondervereinbarung vom 14./20. Juni 2017 Bezug. Abgesehen davon wird in der Klageschrift, die explizit im Namen der Klägerin erhoben wird, nochmals deutlich, dass auch der Geschäftsführer die Klägerin als Adressatin des Bescheids angesehen hat.
Der Bestimmbarkeit der Kostenschuldnerin steht auch nicht entgegen, dass der angegriffene Bescheid noch an die nicht mehr aktuelle, aber früher richtige Adresse der Klägerin in . gerichtet war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.