IT- und Medienrecht

Erwähnung einer Studentenverbindung im Verfassungsschutzbericht

Aktenzeichen  M 30 K 16.3007

Datum:
19.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 52030
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVSG Art. 3, Art. 15 S. 1
BGB § 1004 Abs. 1 S. 2
BVerfSchG § 4 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Aktivitas einer burschenschaftlich organisierten Studentenverbindung ist gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig, weil es sich bei ihr um einen abgrenzbaren Personenkreis handelt, dessen Mitglieder Träger subjektiver Rechte sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegen (Art. 15 S. 1 BayVSG aF), ist die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Auslegung des Begriffs der “Bestrebungen” in Art. 15 S. 1 BayVSG aF kann auf die Legaldefinition des § 4 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Berichterstattung über sie im Verfassungsschutzbericht 2015. Die Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher bleibt auch der zuletzt hilfsweise gestellte Feststellungsantrag erfolglos.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin ist beteiligungsfähig im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO. Danach sind Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Hierzu zählen Personenmehrheiten, die nicht selbst rechtsfähig oder sonst juristischen Personen gleichgestellt sind, aber eine feste, auf Dauer angelegte Organisation besitzen und denen nach materiellem Recht das im konkreten Rechtsstreit in Frage stehende oder berührte Recht zustehen kann (Kugele in: Harrer/Kugele, VwGO, Nr. 30.61, Ziff. 3.3 m.w.N.). Werden diese Kriterien erfüllt, können die verschiedensten Arten von Vereinigungen in einem Verwaltungsrechtsstreit beteiligungsfähig sein. In diesem Sinne kommt der Aktivitas einer Burschenschaft Beteiligungsfähigkeit zu, weil es sich um einen abgrenzbaren Personenkreis handelt, dessen Mitglieder Träger subjektiver Rechte sind. Die Klägerin verfügt über eine feste, dauerhafte Organisationsstruktur (nach Klägerangaben sogar in der Form eines nicht eingetragenen Vereins) und wird vom Beklagten auch in entsprechender Weise durch Nennung im Verfassungsschutzbericht als Rechtssubjekt eingestuft.
b) Die Klägerin kann sich als Zusammenschluss natürlicher Personen auf eine mögliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) berufen und daraus resultierend einen möglichen Abwehranspruch gegen den Beklagten geltend machen.
c) Der Klage fehlt es auch nicht etwa deshalb am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Klägerin nicht vor Klageerhebung die Behörde um Unterlassung ersucht hat. Der Beklagte gab im Verfahren zu erkennen, dass auch ein vorab an ihn gestellter Antrag auf Unterlassung der entsprechend ungeschwärzten weiteren Verbreitung des Verfassungsschutzberichts 2015 und der entsprechenden weiteren streitgegenständlichen Verlautbarungen nicht positiv verbeschieden worden wäre. Zwei Anfragen der Klägerin an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 10. Dezember 2015 und 5. Februar 2015 hinsichtlich der Beobachtung der Klägerin durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (Anlagen K 2 und K 3 des Klageschriftsatzes) blieben unbeantwortet.
Vor diesem Hintergrund kann die strittige Frage, ob bei der allgemeinen Leistungsklage die Zulässigkeit der Klage eine vorherige Antragstellung bei der Behörde voraussetzt (vgl. etwa Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auf. 2014, § 42 Rn. 69 einerseits, Rennert a.a.O., Vorbem. § 40 Rn. 13 andererseits) hier dahinstehen.
d) Auch die weitere Voraussetzung für die Begründetheit einer Klage, mit der ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog geltend gemacht wird, wonach eine künftige Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rechts drohen muss, ist hier erfüllt. Dies erfordert eine auf Tatsachen gestützte objektive ernstliche Gefahr alsbaldiger weiterer, nicht zu duldender Störungen (Wiederholungsgefahr; Jauering/Berger, BGB, 16. Aufl. 2015, § 1004 Rn. 11). Eine solche Gefahr besteht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts noch. Zwar fand die Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2016 keine Erwähnung mehr, dadurch ist aber weder der durch den Verfassungsschutzbericht 2015 eingetretene Grundrechtseingriff erledigt, noch eine fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung durch diesen Bericht ausgeschlossen. Für die Einschätzung und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit ist zwar regelmäßig der aktuelle Verfassungsschutzbericht maßgeblich, weil der Verfassungsschutz im jeweils neuesten Bericht die Öffentlichkeit über die aktuellen Ergebnisse der Beobachtung der im Verfassungsschutzbericht genannten Organisationen, ihrer Mitglieder und Unterstützer informiert. Ist aber der vorangegangene, streitgegenständliche Bericht weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich – wie dies hier in elektronischer und gedruckter Form der Fall ist – so droht trotz der jährlichen Neuerscheinung des Berichts eine Wiederholungsgefahr bezogen auf den streitbefangenen Bericht (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris – Rn. 19 m.w.N.).
2. Die zulässige Klage ist jedoch hinsichtlich des Unterlassungswie des Feststellungsbegehrens nicht begründet.
Das Gericht interpretiert die beiden in der Klageschrift formulierten Hauptanträge (1. und 2.) sowie den ebenfalls bereits in der Klageschrift angekündigten Hilfsantrag als einheitlichen Antrag auf Unterlassung von Bericht und Verbreiten des Verfassungsschutzberichts, weil sich die einzelnen Aspekte sinnvollerweise kaum trennen lassen.
Die Berichterstattung über die Klägerin für das Jahr 2015 stellt keinen rechtswidrigen Grundrechtseingriff dar, weil tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen und die Berichterstattung in der konkreten Form nicht zu beanstanden ist.
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob bei der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen, ist die Sach- und Rechtslage bei Vornahme der Maßnahme, hier der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2015 am 11. April 2016 (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Zwar ist bei einem Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich aus dem materiellen Recht ergibt, dass ein anderer Zeitpunkt maßgeblich ist. Denn das materielle Recht entscheidet, ob eine der behördlichen Maßnahme nachfolgende Änderung der Sach- und Rechtslage Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns hat. Die Berichterstattung im Verfassungsschutzbericht gibt die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts vorliegenden Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden wieder, sodass folglich darauf abzustellen ist, ob die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte die Berichterstattung tragen (BayVGH a.a.O., Rn. 23 m.w.N.).
Als maßgebliche Rechtslage ist entsprechend der vorherigen Ausführungen auf die am 11. April 2016 geltende Rechtslage abzustellen, mithin auf das Bayerische Verfassungsschutzgesetz in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 10.4.1997 (GVBl S. 70), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.7.2014 (GVB). S. 286; im Folgenden BayVSG a.F.).
b) Nach Art. 15 Satz 1 BayVSG (a.F.) unterrichten das zuständige Staatsministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz über tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 3 Abs. 1 BayVSG a.F.. Bei dem Begriff des „Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dies gilt sowohl für das Vorliegen der tatsächlichen Anhaltspunkte als auch für die daraus gezogene Schlussfolgerung. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt damit nicht nur die Richtigkeit der verfassungsschutzbehördlichen Tatsachenfeststellungen als solche, sondern auch die Richtigkeit der hieraus gezogenen Schlussfolgerung, dass diese Tatsachen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berichterstattung begründen (BayVGH, a.a.O., Rn. 28).
Der Begriff „Bestrebungen“ selbst ist im BayVSG nicht definiert. Wegen des identischen Wortlauts kann jedoch auf die Legaldefinition in § 4 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG zurückgegriffen werden. Danach sind darunter politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG) zu verstehen. Bestrebungen in diesem Sinne erfordern damit ein aktives, jedoch nicht notwendig kämpferisch-aggressives Vorgehen. Diese Aktivitäten bzw. Handlungen müssen auch eine gewisse Zielstrebigkeit aufweisen, also auf die Durchsetzung eines Ziels ausgerichtet sein. Schließlich müssen die betreffenden Bestrebungen politisch bestimmt und damit objektiv geeignet sein, über kurz oder lang politische Wirkungen zu entfalten. Erfasst sind damit (nur) Verhaltensweisen, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Durchsetzung eines solchen Ziels gerichtet sind. Die bloße Kritik an Verfassungswerten ist nicht als Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzuschätzen, wohl aber darüber hinausgehende Aktivitäten zu deren Beseitigung (BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 70). Die Aktivitäten müssen auf die Beeinträchtigung eines der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter abzielen und somit maßgeblicher Zweck der Bestrebung sein (BVerwG, U.v. 21.7.2010 – 6 C 22.09 – juris Rn. 59 f.). Es reicht aus, wenn über einen längeren Zeitraum sowohl quantitativ als auch qualitativ verdichtete Anhaltspunkte und nicht nur vereinzelte oder wenig belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen (BayVGH a.a.O. Rn. 44 f.).
c) Die genannten Bestimmungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere ist den Anforderungen des Bestimmtheits- und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Genüge getan (BayVerfGH, E.v. 11.11.1997 – Vf. 22-VII-94 – VerfGHE BY 50, 226). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung (stillschweigend) von einer Rechtmäßigkeit der verfassungsschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen aus (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.9.2010 – 10 CE 10.1830 – NVwZ-RR 2011, 62; BayVGH, B.v. 24.9.1999 – 24 ZB 99.2362 – juris). Ebenso hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die entsprechende Aufgabennorm des Bundesverfassungsschutzgesetzes (§ 3 Abs. 1 BVerfSchG) die hinreichende Bestimmtheit des verfassungsschutzrechtlichen Beobachtungsauftrags festgestellt (BVerwG, U.v. 20.2.1990 – 1 C 42.83 – juris Rn. 22).
3. Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass bezüglich der Klägerin tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese zum maßgeblichen Zeitpunkt Bestrebungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG verfolgt hat.
a) Am … Juli 2011 fand bei der Klägerin ein Vortrag von Dr. … R* … zum Thema „… Kooperation“ statt. Der Referent ist seit 2008 Mitglied der NPD und kandidierte für diese 20** bei den Bundestagswahlen in … auf Platz * der Landesliste.
Bei der NPD handelt es sich um eine rechtsextremistische Partei, die nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung anstrebt. Sie zielt auf eine Ersetzung der bestehenden Verfassungsordnung durch einen an der ethnischen Volksgemeinschaft „ausgerichteten autoritären Nationalstaat“. Dieses politische Konzept missachtet die Menschenwürde aller, die der ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören, und ist mit dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip unvereinbar (BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13, juris Rn. 633 ff.).
Die Klägerin hat damit aktiv einem Funktionär einer verfassungsfeindlichen, rechtsextremistischen Gruppierung Infrastruktur zur Verfügung gestellt und ein Forum und damit die Gelegenheit geboten, rechtsextremistisches Gedankengut zu verbreiten, Kontakte zu knüpfen oder etwa Interesse an der politischen Arbeit der NPD zu wecken. In diesem Zusammenhang ist der konkrete Inhalt des Vortrags von Dr. R* … für die Beurteilung der Frage, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen gegeben sind, unerheblich. Ausschlaggebend ist hier die Tatsache, dass Funktionären der NPD eine Plattform bereitet wurde, welche jedenfalls zur Förderung der Eigenwerbung für diese Organisation geeignet war.
b) Ebenso verhält es sich mit der am *. Juli 2015 in den Räumlichkeiten der Klägerin durchgeführten Messe „…“, bei dem der Verein „… e.V.“ als Herausgeber Gelegenheit hatte, seine Publikation „… * …“ zu präsentieren, und Leser und Autoren zu werben. Der Beklagte hat dem in der mündlichen Verhandlung zutreffend eine „Brückenfunktion“ zugeschrieben.
Das Magazin „… * …“ bzw. die bislang erschienen Publikationen enthalten ausreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gemäß Art. 15 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVSG (a.F.), zudem besteht eine enge personelle Verflechtung des herausgebenden Vereins mit der NPD (BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 28 ff.). Auch hier hat die Klägerin einer Gruppierung mit deutlichen ideologischen und personellen Überschneidungen und Verflechtungen mit einer als verfassungsfeindlich anerkannten Partei die Gelegenheit geboten, sich selbst, ihre Publikation und ihr Gedankengut einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die oben genannte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Bezug genommen; das Gericht schließt sich den dortigen Ausführungen insoweit an und macht sie sich zu eigen.
c) Die genannten Aktivitäten waren auch zielgerichtet. Es handelte sich nicht um eine zufällige, sondern bewusste Ausrichtung eines Forums für NPD-Funktionäre und den „… e.V.“. Dies lässt sich schon daraus ableiten, dass politische Bildung zu den ausdrücklichen Zielrichtungen der Klägerin zählt (siehe Anlage B1 zum Klageerwiderungsschriftsatz vom 27. September 2016). Im Nachgang zur Messe „…“ zog die Klägerin eine positive Bilanz und fasste eine Wiederholung dieser Veranstaltung ins Auge (Anlage B42).
Schließlich ist im Verfahren deutlich geworden, wie stark die Klägerin im Bereich rechtsextremer Gesinnung vernetzt ist: Aktivitas, Altherrenschaft und Hausverein sind entsprechend verzahnt. Auch wenn keine direkte Zurechnung einzelner Tätigkeiten oder Durchgriffsmöglichkeiten nachweisbar sind, untermauert dies eine gewisse gemeinsame Grundhaltung, solange keine Distanzierung erfolgt und gemeinsame Infrastruktur genutzt wird. So ist mit … M* … ein NPD-Mitglied Verantwortlicher des Hausvereins (siehe der in der mündlichen Verhandlung übergebene KPI-Bericht). Dieser sowie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sind beruflich auch für die NPD bzw. privat für NPD-Mitglieder und deren Umfeld tätig (siehe das in der mündlichen Verhandlung übergebene Rundschreiben der NPD vom 27. Mai 2008). Beide genannten Personen sind Mitglieder des … e.V. der Burschenschaft …
d) Diese oben dokumentierten Aktivitäten der Klägerin, die einen Zeitraum von vier Jahren abdecken, lassen aus Sicht des Gerichts Rückschlüsse auf bei der Klägerin selbst vorhandene verfassungsfeindliche Bestrebungen zu. Angesichts der seit geraumer Zeit anhaltenden öffentlichen Debatte über die NPD als verfassungsfeindliche, rechtsextremistische Partei ist ein unverfänglicher Grund, deren Kadern eine Präsentationsplattform zu bieten und sich nicht im Gegenteil von Vertretern dieser Organisation fernzuhalten, nicht erkennbar.
e) Auch die Benutzung des Begriffs „rechtsextrem“, wie in der Klageschrift beanstandet, begegnet vorliegend keinen Bedenken. Für den Begriff „rechtsextremistisch“ gibt es keine allgemein anerkannte, erst recht keine rechtlich verbindliche normative Definition, unter dessen Tatbestandsmerkmale ein Gericht den Sachverhalt subsumieren könnte (BayVGH, B. v. 25.10.2017 – Az. 5 ZB 17.340 – juris – Rn. 27 mit Hinweis auf BVerfG, B. v. 17.9.2012 – 1 BvR 2979/10 – NJW 2012, 3712 Rn. 27). Bei Äußerungen von öffentlichen Stellen müssen sich Werturteile an allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, vor allem an dem Willkürverbot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen (BayVGH, a.a.O., Rn. 28). Angesichts der dargelegten Aktivitäten der Klägerin sowie der rechtsextremistischen Ausrichtung sowohl der NPD als auch des „… e.V.“ liegen im Falle der Klägerin keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Verwendung des Begriffs „Rechtsextremismus“ vor.
f) Die Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht war auch verhältnismäßig. Der kurze Abschnitt auf Seite … des Berichts ist zurückhaltend und sachlich formuliert und gibt lediglich die Kenntnis über tatsächliches Geschehen wieder. Die tatsächliche Darstellung beschränkt sich auf die Darstellung der Tatsachen und eine zurückhaltende Darstellung gegenüber der Klägerin. Nur über die Zuordnung zum Phänomenbereich erfolgt die Zuschreibung des Merkmals „rechtsextrem“ gegenüber der Klägerin. Die Darstellung im Bericht wird daher der in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geforderten differenzierten Darstellung gerecht (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2017 – 10 BV 16.1237 – juris Rn. 43 ff.)
g) In Anbetracht der damit erschlossenen tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen seitens der Klägerin, die eine Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2015 ohne weiteres tragen, kommt es auf die Vielzahl der vom Beklagten im Schriftsatz vom 27. September 2016 vorgetragenen Aspekte nicht mehr entscheidungserheblich an. Eine gerichtliche Bewertung einzelner dritter Personen in Bezug auf extremistische Tendenzen erübrigt sich daher ebenso wie die Prüfung, inwieweit Aktivitäten Dritter der Klägerin überhaupt zugeordnet werden können.
4. Aus den genannten Gründen kann auch der hilfsweise vorgebrachte Antrag auf Feststellung, dass die Erwähnung der Klägerin im Verfassungsschutzbericht 2015 rechtswidrig gewesen sei, nicht zum Erfolg führen.
Damit ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 124 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

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