IT- und Medienrecht

Erwerb eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs nach Bekanntwerden der Manipulation

Aktenzeichen  3 U 112/20

Datum:
14.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29949
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV Art. 6 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1, Abs. 6
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Hat der Käufer das vom Abgasskandal betroffene Dieselfahrzeug erst nach Bekanntwerden des Skandals im Oktober 2015 erworben, fehlt es an dem für einen Anspruch gegen die Herstellerin aus § 826 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen einem etwaigen Sittenverstoß und dem Schadenseintritt fehlt (entgegen OLG Hamm BeckRS 2019, 20495).  (Rn. 22 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bestreitet der Hersteller die Behauptung des Käufers, er hätte das Fahrzeug in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erworben, muss der Käufer die für seine Kaufentscheidung leitenden Gesichtspunkte unter Beweisantritt darlegen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

43 O 318/19 2020-03-09 Endurteil LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 9.3.2020, Az. 43 O 318/19, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 28.6.2020 Stellung zu nehmen.

Gründe

Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bietet.
Zu Recht und auch mit in jeder Hinsicht überzeugenden Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden.
Ansprüche des Klägers sind weder aus § 826 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB oder mit § 27 EG-FGV entstanden (I.- bis III.). Selbst im Falle ihres Entstehens wären die Ansprüche im Übrigen verjährt (IV.)
I.
Ein Anspruch des Klägers aus der Vorschrift des § 826 BGB ist nicht gegeben.
1. Im Streitfall scheitert eine deliktische Einstandspflicht der Beklagten wegen sittenwidriger Täuschung der Klägerseite von vornherein – und über die vom Landgericht gegebene Begründung hinaus – daran, dass der Kauf des Fahrzeugs erst nach dem Bekanntwerden des sog. Abgasskandals erfolgt ist und es daher schon am notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen einem etwaigen Sittenverstoß und dem Schadenseintritt fehlt.
a) Ein Rechtswidrigkeitszusammenhang und damit eine Zurechenbarkeit des Schadens besteht nur dann, wenn der Schaden sich innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm verwirklicht; es muss ein innerer Zusammenhang mit der durch den Schädiger hervorgerufenen Gefahrenlage bestehen (BGH NJW-RR 1972, 36, 37).
aa) Der der Beklagten angelastete Sachverhalt erschöpft sich nämlich nicht darin, dass sie Fahrzeuge mit einer gesetzwidrigen Motorsteuerung hergestellt und in den Verkehr gebracht hatte; vielmehr liegt der haftungsbegründende Schwerpunkt darin, dass sie damit gegenüber den Kaufinteressenten zugleich den Eindruck erweckt hatte, das Fahrzeug entspreche den Zulassungsbestimmungen (in diesem Sinne schon OLG Oldenburg MDR 20, 286, Rn.13); die Käuferseite wurde so zum Abschluss eines Vertrags veranlasst, den sie bei Kenntnis der manipulierten Software nicht eingegangen wäre. Der Tatvorwurf geht also in der Sache dahin, dass der Käufer in Bezug auf einen aufklärungspflichtigen (und aufklärungsbedürftigen) Sachmangel des Fahrzeugs in sittenwidriger Weise zu einer schädlichen Vermögensdisposition bestimmt worden war.
bb) In einem solchen Fall genügt es jedoch nicht, dass der Täter die Möglichkeit einer schadensträchtigen Entwicklung erkannt und gebilligt hatte. Vielmehr trifft ihn der haftungsbegründende Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigung nur dann, wenn der Geschädigte die schadenauslösende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu in sittenwidriger Weise veranlasst worden war. Anderenfalls hat sich das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit bei der Schädigung nicht verwirklicht (BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 – VI ZR 189/78, dort Rn. 18 bestätigt durch Urteil vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, dort Rn. 8 OLG Stuttgart NJW-RR 20, 210, dort Rn. 42 m.w.N.).
Denn für die abschließende sittliche Beurteilung eines Täterverhaltens hat es auf den maßgebenden „Tatzeitpunkt“ anzukommen, zumal bis dahin auch der Täuschungs- und Schädigungsvorsatz der Täterseite fortbestehen muss (so jetzt auch OLG Stuttgart, Urteil vom 23.01.20 – 13 U 244/18 -, dort Rn. 75, 76 und 82). Das aber ist derjenige Moment, in dem das Tatgeschehen aus der Vorbereitungs- bzw. Versuchsphase unmittelbar in die volle Verwirklichung des im konkreten Schadensfall haftungsbegründenden Deliktstatbestandes einmündet; bei einer Konstellation wie hier geht es somit um denjenigen Zeitpunkt, in dem sich der jeweilige Endabnehmer des Fahrzeugs infolge der bis zuletzt ausgebliebenen Aufklärung über den gegenständlichen Softwaremangel zum Abschluss des Kaufvertrages hatte bestimmen lassen.
Infolgedessen muss in den Fällen des Erwerbs eines Dieselfahrzeugs mit einer manipulierten Software eine sittenwidrige „Veranlassung“ der Beklagten auch noch bei Abschluss des konkreten Kaufvertrags vorgelegen haben; d.h. gerade der schadensträchtige Erwerb durch die betroffene Klägerseite muss auf ein Gesamtverhalten der Beklagten zurückzuführen sein, welches das Unwerturteil der Verwerflichkeit rechtfertigt (OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O., Rn. 13ff. und Urteil des OLG Frankfurt vom 13.11.19 – 13 U 274/18 -, dort Rn. 51, jeweils m.w.N.).
cc) Da der Schwerpunkt des Tatvorwurfs auf einer sittenwidrigen Täuschung und der dadurch bedingten Schädigung der Käuferseite liegt, folgt daraus notwendig, dass sich der entscheidende Wertungsgesichtspunkt auf die Frage zuspitzt, ob und in welchem Umfang die Beklagte im Zeitpunkt des jeweiligen Kaufvertrags bereits geeignete Schritte zur Aufklärung potentieller Kaufinteressenten im Bereich ihres Absatzmarktes unternommen hatte.
Hierbei macht es von vornherein keinen Unterschied, ob es um den Kauf eines Gebrauchtwagens wie hier (und in den jeweils von OLG Stuttgart, OLG Oldenburg und OLG Frankfurt a.a.O. beurteilten Fallgestaltungen) oder um den Erwerb eines Neuwagens geht. Im Gegenteil: Im Fall eines Ersterwerbs gibt es bereits keinen von der Phase des
„Inverkehrbringens“ verschiedenen „Tatzeitpunkt“.
2. Nach diesen Einordungskriterien kann jedenfalls ab Mitte Oktober 2015 nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Kaufverträge über Dieselfahrzeuge mit dem Motor EA 189 wie zuvor von der Beklagten in sittenwidriger Weise „veranlasst“ worden waren.
Demnach war auch zum Zeitpunkt des gegenständlichen Kaufvertrags der notwendige Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht mehr gegeben, weil er bereits mit dem Bekanntwerden des Abgasskandals nachträglich entfallen war.
Das ergibt sich aus der Aufdeckung der manipulativen Abschalteinrichtung bei dem gegenständlichen Motor EA 189 und den von der Beklagten aus diesem Anlass unternommenen Schritten zur Unterrichtung der „breiten“ Öffentlichkeit.
a) Bei diesen Maßnahmen der Beklagten handelt es sich vor allem um folgende senats- bzw. allgemeinkundige Vorgänge (§ 291 ZPO), die sich im Übrigen auch aus der unbestritten gebliebenen bzw. nach § 138 IV ZPO nicht zulässig bestrittenen Darstellung der Beklagtenseite ergeben (vgl. ergänzend auch OLG Stuttgart NJW-RR a.a.O., Rn. 45ff.):
Ob bereits die Pressemitteilung der Beklagten vom 18. September 2015 und die sog. Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 zum Wegfall des Verdikts der Sittenwidrigkeit geführt haben, kann dahinstehen.
Jedenfalls hatte die Beklagte am 22. September 2015 auch eine Pressemitteilung herausgeben, in der mitgeteilt wurde, dass „Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen auffällig“ seien. Bei diesem Motortyp sei „eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt“ worden. Diese Verlautbarung hatte sofort eine intensive Berichterstattung in nahezu allen Zeitungen, Fernsehsendern und Onlinemedien in Deutschland ausgelöst.
Anfang Oktober 2015 hatte die Beklagte sodann eine Website freigeschaltet, auf der durch Eingabe der FIN überprüft werden konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der manipulierten Abschalteinrichtung versehen, also von dem sog. Dieselskandal betroffen ist. Dies wurde ebenfalls in einer Pressemitteilung bekannt gegeben und war Gegenstand einer umfangreichen Presseberichterstattung. Darüber hinaus informierte die Beklagte ihre Vertragshändler und Servicepartner über die Problematik.
Am 15. Oktober 2015 gab das KBA in einer Pressemitteilung bekannt, dass es gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen X.-Fahrzeugen, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind, angeordnet habe. Der Beklagten werde – so die Pressemitteilung weiter – auferlegt, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Dies sei durch entsprechende Nachweise zu belegen. Betroffen seien Fahrzeuge mit EURO 5 Dieselmotoren der Größe 2 l, 1,6 l und 1,2 l Hubraum. Die betroffenen Halterinnen und Halter würden durch den Hersteller zeitlich gestaffelt angeschrieben und aufgefordert, ihr Fahrzeug in der Werkstatt vorzuführen. Über diese Rückrufanordnung des KBA informierte die Beklagte ebenfalls in einer Pressemitteilung.
b) Die dargelegten Maßnahmen der Beklagten waren nach Inhalt und Umfang ohne weiteres ausreichend, um die Öffentlichkeit sowie die Besitzer betroffener Dieselfahrzeuge über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu informieren. Im Hinblick auf die absehbare Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die nachfolgende Berichterstattung in der Presse waren die Verlautbarungen der Beklagten daher jedenfalls ab Mitte Oktober 2015 geeignet, das Fortwirken des Sittenwidrigkeitsverdikts zu verhindern.
Allerdings können die Presseberichterstattung sowie die Öffentlichkeitsinformationen durch das KBA der Beklagten nicht zugerechnet werden. Diese sich aus den amtlichen Informationsquellen ergebende Aufklärung der breiten Öffentlichkeit ist aber bei der Beurteilung der Frage, welche Anstrengungen von der Beklagte zu unternehmen waren, um den an Vertrieb der mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehenen Fahrzeuge anknüpfenden Sittenwidrigkeitsvorwurf zu beseitigen, ebenfalls mit zu berücksichtigen, zumal die Beklagte auch darüber informiert hatte.
c) Die gegenteilige Auffassung des OLG Hamm (NJW-RR 2019, 1428, dort Rn. 59ff.) kann gleich aus mehreren Gründen nicht überzeugen.
aa) Sie beruht schon nicht auf einer tragfähigen Beurteilungsgrundlage, weil der beurteilungserhebliche Sachverhalt erkennbar nur in Ausschnitten festgestellt und verwertet wurde: So ist bereits unter den Tisch gefallen, dass die Beklagte am 22.09.2015 zugleich eine für die breite Öffentlichkeit bestimmte Pressemitteilung herausgegeben hatte. Des Weiteren wird auch das durch die Verlautbarungen der Beklagten im Herbst 2015 jedes Mal ausgelöste – überwältigende – Medienecho und die jeweils damit (absehbar) einhergehende pressemäßige „Nachbearbeitung“ der Mitteilungen von X. ausgeblendet. Schließlich bleiben auch noch die Informationsarbeit des KBA und die wiederum hieran anknüpfende Aufklärung der Beklagten unberücksichtigt.
bb) Sodann und vor allem sind die Darlegungen des OLG Hamm zum Inhalt der ausschnittsweise berücksichtigten Verlautbarungen der Beklagten auch nicht am objektiven Verständnishorizont eines durchschnittlichen Kunden einschließlich der sich hierbei aufdrängenden Regeln der Lebenserfahrung ausgerichtet, sondern erkennbar ergebnisorientiert. Das gilt insbesondere (aber nicht nur) für das den Bedeutungsgehalt der zentralen Hinweise auf „Auffälligkeiten“ oder eine „augenfällige Abweichung zwischen Prüfstandsverhalten und realem Fahrbetrieb“ einengende Verständnis der maßgebenden Verlautbarungen (OLG Hamm a.a.O. Rn. 59 bzw. 65). Denn selbstverständlich sind sich auch geschäftsunerfahrene Durchschnittsleser der Tragweite von wiederholten Verlautbarungen bewusst, mit denen ein Fahrzeug-Hersteller wie der X.-Konzern die gesamte Öffentlichkeit mit dem Eingeständnis konfrontiert, dass eine gesamte Produktpalette bereits seit Jahren mit einem signifikanten Fehler behaftet ist. Ohne Frage weiß nämlich auch das fachunkundige Publikum, dass sich ein Unternehmen wie die Beklagte zu einem solchen „schmerzhaften“ Schritt ausschließlich deshalb entschließt, weil hinter den vorsichtig formulierten Hinweisen auf „Auffälligkeiten“ usw. hochbrisante Vorgänge stehen, die auf geradezu alarmierende Schwachstellen in dem – konzernweit – betroffenen Produktionszweig der Dieselfahrzeuge hindeuten. Demzufolge hatte bereits die erste Pressemitteilung vom 22.09.2015 zugleich das bestimmungsgemäße Potential, die Öffentlichkeit auf die nun einsetzende „Nachbearbeitung“ samt den sich nun auf „Skandalstatus“ ausweitenden Recherchen in allen medialen Bereichen zu verweisen.
cc) Schließlich stellt die Einordnung des OLG Hamm a.a.O. auch weit überzogene (sich tendenziell sogar einem wettbewerbsrechtlichen Lauterbarkeitsmaßstab annähernde) Anforderungen an den Inhalt und die Aussagequalität von Verlautbarungen, die unter den damaligen Umständen zur Aufklärung der breiten Öffentlichkeit notwendig, aber auch ausreichend waren.
Denn hierfür bedurfte es weder eines ausdrücklichen Eingeständnisses hinsichtlich des im Raum stehenden Manipulationsverdachts noch einer näheren Erläuterung der möglichen Auswirkungen des Produktmangels auf die Zulassungsfrage. Vielmehr war jedenfalls bis Mitte Oktober 2015 ein Aufklärungsniveau erreicht, das jeden potentiellen Kunden bzw. betroffenen Fahrzeugbesitzer in die Lage versetzte, die Situation bei Dieselfahrzeugen der – in den Hinweisen der Beklagten ausdrücklich konzernweit angesprochenen – Produktpalette als hochsuspekt zu erkennen und den alarmierenden Hinweisen selbstständig weiter nachzugehen. Da schon in den ersten Mitteilungen der Beklagten explizit auf eine konzernweite Dimension des Produktfehlers hingewiesen worden war, bedurfte es auch keiner näheren Angaben zu den im einzelnen betroffenen Marken, Modellen bzw. sonstigen Produktreihen (vgl. dazu im übrigen OLG Stuttgart, Urteil vom 23.01.20 – 13 U 244/18 -, dort Rn. 87, 88 sowie OLG Frankfurt a.a.O., Rn. 56).
dd) Nach alledem kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung spätestens ab Mitte Oktober 2015 nicht mehr von einer weiterhin als sittenwidrig anzusehenden Schädigung von Käufern durch die Herstellung und das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden.
3. Auf dieser Grundlage ist auch kein Raum mehr für die Feststellung, dass im maßgebenden Zeitpunkt des gegenständlichen Kaufvertrages auf Beklagtenseite (immer noch) der für eine deliktische Haftung notwendige (und von der Klägerseite nachzuweisende) Täuschungs- und damit verbundene Schädigungsvorsatz (noch) vorgelegen hat (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 23.01.20 – 13 U 244/18 -, dort Rn. 76 und 82 und OLG Schleswig NJW-RR 2020, 213, Rn. 39).
Weder in diesem Zusammenhang noch sonst kann sich der Kläger mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte durch die Übergabe einer Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 6 Abs. 1 EG-FGV eine „Garantie“ oder „Zusicherung“ dafür abgegeben habe, dass sein konkretes Fahrzeug „die geltenden rechtlichen Vorgaben“ – nach dem Wortlaut der Norm die der Typengenehmigung zugrundeliegenden Voraussetzungen – erfüllt. Der Kläger lässt schon außer Acht, dass diese Bescheinigung im Zeitpunkt des Inverkehrbringens im Jahr 2014 und damit deutlich vor dem Bekanntwerden des Dieselskandals und den oben genannten Maßnahmen der Beklagten erstellt worden ist.
4. Nach alledem kommt es schon nicht mehr auf die Frage an, ob und in welchem Umfang der Kläger bei Vertragsschluss Kenntnis vom sogenannten Dieselskandal und dessen möglichen Auswirkungen auf Fahrzeuge des hier erworbenen Modells gehabt hatte. Vielmehr sind aus den dargelegten Gründen für das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit nur das Verhalten und die Einstellung der Beklagten maßgebend.
Es bedarf auch keiner Vertiefung der Frage, welche Mindestkenntnisse im beurteilungserheblichen Zeitraum bei einem durchschnittlichen Käufer in der Lage der Klagepartei in Bezug auf den sog. Dieselskandal bzw. von der konkreten Betroffenheit des gekauften Fahrzeugs vorausgesetzt werden können. Somit kann auch dahinstehen, ob eine die Haftung der Beklagten ausschließende Kenntnis der Käuferseite auch die interne Motorenbezeichnung des Herstellers (hier: EA 189) zu umfassen hätte (was der Senat im Übrigen verneint).
5. Schließlich ist die Klage zugleich deshalb abweisungsreif, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der behaupteten Täuschung und dem Kaufentschluss des Klägers nicht dargetan ist.
Der als Anspruchsteller für das Vorliegen der haftungsbegründenden Voraussetzungen, so auch des Kausalzusammenhangs, darlegungs- und beweisbelastete Kläger beschränkt sich auf die Behauptung, er würde bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung das gegenständliche Fahrzeug nicht erworben haben. Bei diesem pauschalen Vorbringen durfte es der Kläger jedenfalls auf das Bestreiten der Beklagten hin aber nicht belassen, sondern hätte – zumal unter Beweisantritt – die für seine Kaufentscheidung leitenden Gesichtspunkte, deren Kenntnis sich der Beklagtenseite naturgemäß entzieht, näher darstellen müssen. Der Kläger bleibt entsprechendes Vorbringen jedoch schuldig. Entgegen der Behauptung im Schriftsatz vom 13.2.2020, S. 21, ist in der Klageschrift zur Kaufmotivation nichts vorgetragen. Der daher nur vermeintlich ergänzende Vortrag im Schriftsatz vom 13.2.2020 (ebd.) erschöpft sich in der Wiedergabe eines dem Senat aus Parallelverfahren hinlänglich bekannten Textbausteins, sagt aber über die konkrete Kaufmotivation des Klägers nichts aus.
Der Senat neigt im Übrigen der Auffassung zu, dass jedenfalls bei der vorliegenden Konstellation eines Gebrauchtwagenkaufs ein plausibler Sachvortrag in der Kausalitätsfrage auch nachvollziehbare Darlegungen dazu erfordert, dass und weshalb die Käuferseite in ihrer konkreten Situation bei Kenntnis der verheimlichten Umstände auch nicht bereit gewesen wäre, das Fahrzeug zu einem um den „Minderwert“ reduzierten Kaufpreis zu erwerben. Denn die Verständigung auf eine angemessene Minderung des Kaufpreises wegen eines im Rahmen der Kaufverhandlungen aufgedeckten Sachmangels ist nun einmal gerade im Gebrauchtwagenhandel für die Käuferseite im Regelfall das Mittel der Wahl, welches – schon im Hinblick auf die bereits vorliegenden Verlautbarungen des KBA und der sich daraus ergebenden Perspektive einer effizienten Nachbesserung – auch der Klagepartei als eine sowohl realistische wie naheliegende Option offen gestanden hätte.
II.
Auch das Vorbringen, wonach die Beklagte mit dem nachträglichen Aufspielen eines „Software-Updates“ in Form eines sog. „Thermofensters“ erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung installiert habe, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
Der Klagevortrag beschränkt sich – wie auch das vertiefende Berufungsvorbringen – insoweit auf die Darstellung einer neuen „Täuschung“, blendet aber die übrigen Tatbestandsmerkmale möglicher Ansprüche nach § 826 BGB oder nach § 823 Abs. 2 BGB aus:
Da der Vorwurf eines „manipulierten Software-Upgrades“ ausschließlich an das dem Vertragsschluss nachfolgende und auf eine Nachbesserung bezogene Verhalten der Beklagten anknüpft, ist schon kein ursächlicher Zusammenhang mit demjenigen Schadenseinschlag erkennbar, der entsprechend dem ursprünglichen Klagevortag aus der angeblich täuschungsbedingten Eingehung des vorliegenden Kaufvertrags abgeleitet wird. Mit anderen Worten: Die Behauptung einer weiteren Manipulation liegt von vornherein außerhalb des haftungsbegründenden Sachverhalts und damit des Klagegrundes, der auf die angeblich zum Abschluss des Kaufvertrages führenden Umstände gestützt wird.
Darüber hinaus lässt das Vorbringen zugleich schlüssigen Sachvortrag vermissen, der die tatbestandlichen Voraussetzungen einer weiteren sittenwidrigen Schädigung ausfüllen könnte. In objektiver Hinsicht gehört dazu insbesondere, dass die Historie des konkreten Fahrzeugs dargelegt und hierbei auch das Ergebnis der amtlichen Untersuchungen einbezogen wird. Schon daran fehlt es.
Aber auch zu der insoweit gesondert zu prüfenden subjektiven Tatseite fehlt jede auch nur ansatzweise nachvollziehbare Darstellung; dies schon im Hinblick darauf, dass für das inzwischen zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung aufgespielte Update eine Genehmigung des KBA vorliegt (vgl. dazu etwa OLG Frankfurt a.a.O., Rn. 57ff. und 71). Die lediglich pauschale Vermutung einer „offensichtlich hoch politisch motivierten“ Genehmigung des Updates ersetzt substantiierten Sachvortrag nicht.
III.
Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 27 Abs. 1, 6 EG-FGV.
Unabhängig von der fraglichen Eignung der maßgeblichen Bestimmungen der EGV als Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB fehlt es aus den oben angeführten Gründen jedenfalls an einem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung des Schutzgesetzes und dem geltend gemachten Schaden wie auch an einem Täuschungsvorsatz, der an die im Jahr 2014 ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung noch anknüpfen könnte.
IV.
Im Übrigen – und auch für sich genommen die Klageabweisung begründend – würde, wären Ansprüche des Klägers überhaupt entstanden, auch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreifen.
Der Senat tritt sowohl hinsichtlich der einredebegründenden Voraussetzungen (Entstehung der Ansprüche und Kenntnisstand des Klägers) als auch hinsichtlich der klägerseitig behaupteten Unzumutbarkeit einer Klageerhebung den in jeder Hinsicht überzeugenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte München (Beschluss vom 5.2.2020 – 3 U 7392/19) und Köln (Beschluss vom 4.3.2020 – 26 U 73/19) bei.
C.
I.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten des Einzelfalls. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der schon im tatsächlichen Ausgangspunkt abweichenden Einordnung des OLG Hamm a.a.O. in Bezug auf den Inhalt, die Entwicklung sowie die Auswirkungen der zur Unterrichtung der Öffentlichkeit bestimmten Verlautbarungen der Beklagten seit Mitte September 2015. Denn die Würdigung dieses komplexen Geschehens sowie die darauf aufbauende Einordnung durch das OLG Hamm a.a.O. beruhen auf einer erkennbar verkürzten Beurteilungsgrundlage, die aus den dargelegten Gründen in gleich mehreren tragenden Aspekten auch hinter dem vom Senat festgestellten Ausgangssachverhalt zurückbleibt.
Darüber hinaus kommt in der Kausalitätsfrage ein weiterer und eigenständiger Abweisungsgrund hinzu, der ausschließlich auf den individuellen Gegebenheiten des Streitfalls beruht.
II.
Auch eine mündliche Verhandlung ist in der Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führen.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 24.000 € festzusetzen.

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