IT- und Medienrecht

Fremdenverkehrsabgabe für Verkauf von Grundnahrungsmitteln rechtmäßig

Aktenzeichen  RN 11 K 17.632

Datum:
29.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50476
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FVBS § 2 Abs. 1
BayKAG Art. 6

 

Leitsatz

1. Die Fremdenverkehrsabgabe ist ein Vorteilsentgelt; der zu entgeltende (wirtschaftliche) Vorteil besteht in der Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit, die sich aus dem Fremdenverkehr ergibt. Das Entstehen von Vorteilen aus dem Fremdenverkehr wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Unternehmer tatsächlich keine Gewinne erzielt oder sogar Verluste macht.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als Grundlage und Ausgangspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils kommt beim Verkauf von Grundnahrungsmitteln die sog. Fremdenverkehrsquote in Betracht, die sich aus dem prozentualen Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet errechnet.  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Fremdenverkehrsbeitragsbescheid der Beklagten vom 20.05.2016 für das Jahr 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts F.-G. vom 31.03.2017 wird insoweit aufgehoben, als ein höherer Fremdenverkehrsbeitrag als 349,11 € festgesetzt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 74% und die Beklagte 26%.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber nur teilweise begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 20.5.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts F.-G. vom 31.3.2017 ist rechtswidrig, soweit ein höherer Fremdenverkehrsbeitrag als 349,11 € festgesetzt wurde. Er verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2011 ist Art. 6 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. der Satzung der Beklagten für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages (FVBS) vom 25.10.1988.
Gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Satzung sind Bedenken weder vorgetragen noch für das Gericht ersichtlich. Die Satzung ist auch materiellrechtlich nicht zu bestanden.
2. Die Beklagte ist gemäß § 1 Abs. 1 FVBS fremdenverkehrsbeitragspflichtig.
Gemäß § 1 Abs. 1 FVBS wird von allen selbständig tätigen natürlichen und den juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Durch diesen wird der Vorteil, der dem Beitragsschuldner innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar erwächst, abgegolten, § 2 Abs. 1 FVBS. Die Fremdenverkehrsabgabe ist ein Vorteilsentgelt; der zu entgeltende (wirtschaftliche) Vorteil besteht in der Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit, die sich aus dem Fremdenverkehr ergibt. Ob der einzelne Pflichtige die ihm gebotenen Vorteile nutzt, ist unerheblich. Die Vorteilsnahmemöglichkeit muss lediglich bestehen, d.h. nach der vom Pflichtigen ausgeübten Tätigkeit gegeben sein (vgl. OVG SH, U.v. 17.3.2008 – Az. 2 LB 40/07 – juris Rn. 33 m.w.N.). Das Entstehen von Vorteilen aus dem Fremdenverkehr wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Unternehmer tatsächlich keine Gewinne erzielt oder sogar Verluste macht (so BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – juris – unter Bezugnehme auf VGH BW U.v. 6.11.2008 – 2 S 669/07 – ZKF 2009, 141 bis 142).
Ausgehend hiervon ist nicht zweifelhaft, dass das von der Klägerin betriebene Einzelhandelsgeschäft für Backwaren im Sinne des § 1 Abs. 1 FVBS als Betrieb einzustufen ist, der unmittelbare und mittelbare Vorteile aus Geschäften mit Ortsfremden und mit den am Fremdenverkehr unmittelbar beteiligten Kreisen im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung ziehen kann (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 7. 10. 2013 – 4 B 13.209 – juris).
Der von der Klägerin hervorgehobene Umstand, dass ihr Warensortiment keine auf den Fremdenverkehr abgestellten Produkte enthält, sondern lediglich der Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung dienen soll, steht der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags nicht entgegen. Das Warensortiment der Klägerin dient nicht lediglich der Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass auch ortsfremde Besucher während ihres Aufenthalts die ortsüblichen Backwaren und nicht nur die auf besondere touristische Bedürfnisse ausgerichteten Produkte einkaufen. Dies gilt selbst dann, wenn die Gäste in ihren Unterkünften verpflegt werden, da auch solche Gäste nach allgemeiner Lebenserfahrung während des Tages Backwaren verzehren. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass zumindest Übernachtungsgäste, die sich teilweise oder ganz selbst verpflegen (wie z. B. die Nutzer der Ferienwohnungen und Wohnmobilstellplätze in Grafenau), ihren Bedarf an Backwaren bei örtlichen Bäckereien und daher teilweise auch bei der Klägerin decken. Sie hat daher die Möglichkeit, besondere wirtschaftliche Vorteile aus dem Fremdenverkehr zu erlangen und ist somit grundsätzlich beitragspflichtig (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 7. 10. 2013 – 4 B 13.209 – juris Rn. 22).
Hinzu kommt, dass zum Fremdenverkehr auch die Personen zu zählen sind, die von außerhalb des Stadtgebiets in das Gemeindegebiet, z.B. zum Einkaufen, zur Erholung oder zum Besuch von Veranstaltungen im Stadtbereich kommen. Der Begriff des Fremdenverkehrs umfasst zwar in erster Linie die Erholungssuchenden, kann sich aber auch Personen erstrecken, die sich zur Bildung, Heilung, zum Vergnügen oder dergleichen vorübergehend an einen anderen Ort begeben. Entscheidend ist, dass es sich um einen kurzfristigen Aufenthalt aus besonderem Grunde handelt (vgl. BayVGH vom 6.3.1989 – 4 B 87.01262 – VGHE 42 S. 56 ff.). Auch diese Personen gehören zum potentiellen Kundenkreis der Klägerin. Es ist naheliegend, dass diese in vielen Fällen nicht mitgebrachte Speisen verzehren, sondern auf das Angebot ortsansässiger Bäckereien zurückgreifen.
3. Zur Bestimmung des Vorteils der Klägerin dienen der einkommens- oder körperschaftssteuerpflichtige Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres, § 2 Abs. 2 Satz 1 FVBS. Die Beitragsschuld wird auf der Grundlage des Gewinns bestimmt, wenn sich nicht auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Betrag ergibt, § 2 Abs. 2 Satz 2 FVBS.
Da sich bei der Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrages auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes vorliegend ein höherer Betrag ergab als auf der Grundlage des Gewinns, wurde der Fremdenverkehrsbeitrag durch die Beklagte zu Recht auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes bestimmt.
Der Gewinn und der steuerbare Umsatz durften dabei gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) aa) KAG i.V.m. § 162 Abs. 2 AO von der Beklagten geschätzt werden, da die Klägerin trotz mehrmaliger Aufforderung keine Erklärung zur Höhe ihres Gewinns und steuerbaren Umsatzes abgab. Fehler der Beklagten bei der Schätzung des Gewinns und des steuerbaren Umsatzes sind weder ersichtlich noch wurden solche von der Klägerin geltend gemacht.
4. Allerdings hat die Beklagte bei der Veranlagung der Klägerin einen unzutreffenden Vorteilssatz zugrunde gelegt.
Der Vorteilssatz bezeichnet gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 FVBS den auf den Fremdenverkehr beruhenden Teil des steuerbaren Umsatzes. Er wird durch Schätzung für jeden Fall gesondert ermittelt, § 3 Abs. 3 Satz 2 FVBS. Dabei sind insbesondere Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit, die Lage und Größe der Beherbergungsräume, die Betriebsweise und die Zusammensetzung des Kundenkreises von Bedeutung, § 3 Abs. 3 Satz 3 FVBS.
Der zu entgeltende wirtschaftliche Vorteil besteht in der Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit, die sich aus dem Fremdenverkehr ergibt (vgl. BayVGH vom 7. 10. 2013 – 4 B 13.209 – juris). Auf die Frage, in welchem Umfang die Klägerin aus dem örtlichen Fremdenverkehr tatsächlich Vorteile gewinnt bzw. gewonnen hat, kommt es daher entgegen der Meinung der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Da es sich bei der streitigen Kommunalabgabe um einen Beitrag handelt, dessen Höhe sich nach den dem einzelnen Gewerbetreibenden erwachsenden „wirtschaftlichen Vorteilen“ bemisst (Art. 6 Abs. 2 KAG), ist hier vielmehr auf die nach Art und Lage des Betriebs grundsätzlich bestehenden Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten abzustellen, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommt, inwieweit diese Erwerbschancen tatsächlich realisiert werden (BayVGH vom 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 7).
Dass ein Vorteilsatz im Wege der Schätzung ermittelt wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere auch mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (vgl. BayVGH vom 7. 10. 2013 – 4 B 13.209 – juris, mit Verweis auf BayVerfGH vom 21.10.1960 – Vf. 24-VII- 59 – VerfGHE 13, 127/132). Die Legitimation für eine Schätzung des Vorteilsatzes ergibt sich daraus, dass es praktisch kaum möglich ist, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen jeweils gesondert zu erfassen. Die Schätzung ist dabei dem Bereich der Tatsachenfeststellung zuzurechnen und unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung (vgl. z.B. BayVGH vom 9.5.1984 – 4 B 82 A.1097 – BayVBl 1985, 244 ff.).
Als Grundlage und Ausgangspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils kommt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 22 und 27) beim Verkauf von Grundnahrungsmitteln wie Backwaren die sogenannte Fremdenverkehrsquote in Betracht, also der prozentuale Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet. Da die einheimische Bevölkerung grundsätzlich in gleichem Umfang auf die Versorgung mit Backwaren durch die örtlichen Bäckereien angewiesen ist wie die Gäste, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass jedenfalls reine Verkaufsstellen (Bäckereifachgeschäfte ohne angeschlossene Cafés) regelmäßig keine diese Quote erheblich überschreitenden fremdenverkehrsbedingten Umsätze erwirtschaften können. Dies schließt es zwar nicht schlechthin aus, insbesondere unter Berücksichtigung besonderer örtlicher Verhältnisse oder eines speziell auf Touristen zugeschnittenen Sortiments in Einzelfällen einen höheren Vorteilssatz anzunehmen. Je weiter sich der gewählte Satz jedoch von der Fremdenverkehrsquote entfernt, desto höher sind die Anforderungen an die Darlegung solcher Besonderheiten.
Vorliegend hat die Beklagte bei der Bestimmung des Vorteilssatzes auf die Fremdenverkehrsquote abgestellt, ohne hiervon nach oben abzuweichen. Bei der Berechnung der Fremdenverkehrsquote hat sie eine Zahl von 3,6 Tagestouristen je Übernachtung angesetzt.
Das Abstellen auf die Fremdenverkehrsquote sowie der Ansatz von 3,6 Tagestouristen je Übernachtung begegnet vorliegend keinen Bedenken, wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 4.11.2014 (Az. 4 ZB 14.1336 – juris) betreffend die Erhebung einer Vorausleistung auf den Fremdenverkehrsbeitrag von der Klägerin für das Jahr 2011 festgestellt hatte. Der Bayerische Verwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt:
„Nach der Rechtsprechung des Senats ist aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass auch ortsfremde Besucher während ihres Aufenthalts die üblichen Backwaren einkaufen. Als Grundlage für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils kann daher – zumindest bei reinen Verkaufsstellen (Bäckereinfachgeschäfte ohne angeschlossene Cafés) – die sog. Fremdenverkehrsquote, also der prozentuale Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet, herangezogen werden (BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 22 und 27). Dem liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Unterstellung zugrunde, in der Bäckereibranche bestehe eine „direkte mathematische Abhängigkeit“ des fremdenverkehrsbezogenen Umsatzes von der Anzahl der Aufenthaltstage von Touristen im Gemeindegebiet. Die Ermittlung der Fremdenverkehrsquote stellt vielmehr nur einen Ausgangspunkt dar, um feststellen zu können, welcher Anteil der während der üblichen Ladenöffnungszeiten im Gemeindegebiet anwesenden, auf die Versorgung mit Backwaren angewiesenen Personen dem Fremdenverkehr zuzurechnen ist.
Die Fremdenverkehrsquote als Basiswert für die nachfolgende betriebsbezogene Schätzung verliert nicht deswegen ihre Aussagekraft, weil innerhalb der Gruppe der auswärtigen Besucher beträchtliche Unterschiede bestehen, insbesondere in der Art der Unterbringung (Hotel, Privatpension, Ferienwohnung o. ä.) und bei der tatsächlichen Aufenthaltsdauer im Gemeindegebiet (Dauergäste mit An- und Abreisetagen, Tagesgäste). Denn auch Hotel- und Pensionsgäste bedürfen einer (Fremd-) Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, die jedenfalls im Fall von Backwaren typischerweise aus örtlicher Produktion stammen, so dass sich für Bäckereifachbetriebe insoweit vergleichbare Gewinnmöglichkeiten eröffnen wie bei der ortsansässigen Kundschaft. Dass sich manche auswärtigen Besucher nur wenige Stunden am Tag im Gemeindegebiet aufhalten und dementsprechend weniger Gelegenheit für Einkäufe haben, muss ebenfalls nicht zwingend zu einer Kürzung des rechnerisch ermittelten Fremdenverkehrsanteils führen, da auch die einheimische Bevölkerung in vielen Fällen nicht ganztägig bzw. ganzjährig an ihrem Wohnort anwesend ist, z. B. bei auswärtiger Berufstätigkeit oder während der Urlaubszeiten. Da es somit bei Touristen und Ortsansässigen gleichermaßen zu gewissen „Anwesenheitsausfällen“ kommen kann und sich diese individuellen Effekte zumindest weitgehend ausgleichen, bestehen keine Bedenken dagegen, das Zahlenverhältnis der prinzipiellen Anwesenheitstage beider Gruppen als Schätzungsgrundlage heranzuziehen.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei der Berechnung der Fremdenverkehrsquote für das Gebiet der Beklagten eine Zahl von 3,6 Tagestouristen je Übernachtung angesetzt hat. Wie in der von der Beklagten auszugsweise vorgelegten Studie der IHK Regensburg „Wirtschaftsfaktor Tourismus in Niederbayern und in der Oberpfalz“ aus dem Jahr 2010 (http://www.ihkregensburg.de/ihkr/autoupload/officefiles/Wirtschaftsfaktor_Tourismus.pdf) ausgeführt wird, liegt in fast allen Reisegebieten Deutschlands die Anzahl der Tagesausflügler und Tagesgeschäftsreisenden höher als die Zahl der amtlich registrierten Übernachtungen. Während die Relation für das gesamte Bundesgebiet 9,7 und für Ostbayern rund 5,1 beträgt, gilt für Niederbayern ein Verhältnis von 3,6 Tagesreisen pro Übernachtung (IHK-Studie, a.a.O., S. 11). Diese Angabe beruht, wie aus der genannten Studie hervorgeht, auf mehrjährigen Erhebungen im Rahmen der von den Wirtschaftsministerien des Bundes und der Länder in Auftrag gegebenen Grundlagenstudie „Tagesreisen der Deutschen“, zu der eine große Zahl repräsentativ angelegter Telefoninterviews in ganz Deutschland durchgeführt wurde (IHK-Studie, a.a.O., S. 11 Fn. 5). Der genannte Zahlenwert besitzt somit eine empirisch gesicherte Grundlage und kann daher bei der Schätzung des Fremdenverkehrsanteils grundsätzlich herangezogen werden. Da speziell zum Stadtgebiet der Beklagten keine genaueren Erkenntnisse über die Anzahl der Tagestouristen existieren und diesbezügliche Daten – mangels Meldepflicht – nur mit völlig unverhältnismäßigem Aufwand erhoben werden könnten, bestehen auch keine Einwände dagegen, dass der für den Regierungsbezirk Niederbayern insgesamt ermittelte Wert bei der Bestimmung der örtlichen Verhältnisse zugrunde gelegt wird. Lokale Besonderheiten, die eine Abweichung vom regionalen Durchschnittswert gebieten könnten, sind nicht erkennbar.“ (BayVGH vom 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 8 ff).
Ausgehend hiervon ist die von der Beklagten angewandte Methode zur Bestimmung des Vorteilssatzes grundsätzlich nicht zu beanstanden. Neue Gesichtspunkte, aufgrund derer nunmehr eine hiervon abweichende Beurteilung geboten sein könnte, ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch sind solche für das Gericht ersichtlich. Insbesondere war es vorliegend entgegen der Meinung der Klägerin nicht geboten, für ihre beiden Verkaufsstellen in der Ortsmitte und am Stadtrand unterschiedliche Vorteilssätze anzusetzen. Wie die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen haben, befinden sich in der Nähe des am Ortsrand situierten Verkaufswagens der Klägerin Ferienwohnungen (insbesondere im nahegelegenen Ortsteil Schlag) sowie Wohnmobilstellplätze. Üblicherweise verpflegen sich die Bewohner der Ferienwohnungen und Wohnmobile selbst, so dass sich hierdurch für die Klägerin vergleichbare Gewinnmöglichkeiten eröffnen wie im Ortszentrum.
Die Beklagte hat nach alledem bei der Bestimmung des Vorteilssatzes zu Recht auf die Fremdenverkehrsquote abgestellt. Ebenso ist nach obigen Ausführungen nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Ermittlung der Fremdenverkehrsquote 3,6 Tagestouristen je Übernachtung angesetzt hat.
Allerdings hat die Beklagte die sich hieraus für Grafenau ergebende Fremdenverkehrsquote fehlerhaft berechnet:
Wie schon oben dargelegt, ist die Fremdenverkehrsquote der prozentuale Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet (BayVGH vom 6.2.2018 – 4 ZB 17.812 – juris; BayVGH vom 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris; BayVGH vom 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243). Der prozentuale Anteil der Touristen ist daher aus der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage aller Personen im Gemeindegebiet zu ermitteln, d. h. aus der Summe von Einheimischen und Touristen (vgl. hierzu BayVGH vom 6.2.2018 – 4 ZB 17.812 – juris). Die Beklagte hat dagegen lediglich die Aufenthaltstage der Touristen den Aufenthaltstagen der Einheimischen gegenübergestellt..
Stellt man die Aufenthaltstage der Touristen den Aufenthaltstagen aller Personen im Gemeindegebiet gegenüber, so ergibt sich folgende Fremdenverkehrsquote:
Aufenthaltstage aller Personen im Gemeindegebiet:
3.046.290 (Aufenthaltstage Einwohner) + 1.069.183 (Aufenthaltstage Touristen) =
4.115.473 Prozentualer Anteil der Aufenthaltstage der Touristen:
1.069.183 : 4.115.473 x 100 = 25,98
Die Fremdenverkehrsquote im Gemeindegebiet der Beklagten betrug damit im Jahre 2011 lediglich 25,98% und nicht – wie die Beklagte angenommen hat – 35,10%.
Da die Beklagte bei der Bestimmung des Vorteilssatzes auf die Fremdenverkehrsquote abgestellt hat, ohne hiervon nach oben abzuweichen, wäre bei der Berechnung der Höhe des festzusetzenden Fremdenverkehrsbeitrages damit richtigerweise ein Vorteilssatz von 25,98% anzusetzen gewesen. Bei Ansatz dieses Vorteilssatzes ergibt sich vorliegend ein Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2011 in Höhe von 349,11 €.
Die Klage ist nach alledem begründet, soweit ein höherer Beitrag als 349,11 € festgesetzt wurde, im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen

Gültigkeit von Gutscheinen

Sie erweisen sich immer wieder als beliebtes Geschenk oder werden oft bei Rückgabe von Waren statt Geld ausgezahlt: Gutscheine. Doch wie lange sind Gutscheine eigentlich gültig, ist eine Einlösbarkeit von einem Monat überhaupt rechtmäßig und was passiert, wenn der Gutschein doch einmal verfällt?
Mehr lesen