IT- und Medienrecht

Fremdenverkehrsbeitrag eines Stromversorgungsunternehmens aufgrund seiner Stellung als Grundversorger

Aktenzeichen  4 BV 16.1970

Datum:
5.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2017, 735
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 6 Abs. 1, Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a
AO AO § 12
EnWG EnWG § 18 Abs. 1, § 36 Abs. 1, Abs. 3, § 46 Abs. 2
GewStG GewStG § 11, § 30
BV BV Art. 83 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei einem Stromversorgungsunternehmen kann sich der für die Heranziehung zum Fremdenverkehrsbeitrag erforderliche besondere Ortsbezug nicht allein aus dem Recht zur Mitbenutzung des Stromverteilernetzes ergeben. In Betracht kommt insoweit aber die Rechtsstellung nach § 36 EnWG als Grundversorger im Gemeindegebiet.
2. Die Ermittlung des für ein Stromversorgungsunternehmen maßgeblichen Vorteilssatzes erfordert zumindest im Ansatz eine personen- und betriebs- bzw. branchenbezogene Betrachtung der zusätzlich anfallenden Stromkosten.

Verfahrensgang

M 10 K 15.5639 2016-06-16 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Juni 2016 hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide des Beklagten vom 10. Juli 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Rosenheim vom 3. Dezember 2015 jedenfalls im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Ob sich die Rechtswidrigkeit entsprechend den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil bereits daraus ergibt, dass die Klägerin als überörtlich tätiges Energieversorgungsunternehmen von vornherein nicht zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden durfte, erscheint fraglich.
Nach § 1 Abs. 1 der Satzung des Beklagten für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags (FBS) wird von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet – mittelbare oder unmittelbare (vgl. § 2 Abs. 1 FBS) wirtschaftliche (vgl. Art. 6 Abs. 1 KAG) – Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Der Beitragspflicht können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch ortsfremde Personen unterfallen; Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie zu der beitragserhebenden Gemeinde in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung stehen (BayVGH, U.v. 23.3.1988 – 4 B 86.02555 – BayVBl 1989, 658/659; v. 7.2.1990 – 4 B 87.1411 – NVwZ-RR 1990, 647; B.v. 28.11.2002 – 4 ZB 02.2347 – juris Rn. 3; U.v. 29.11.2002 – 4 B 98.1347 – VGH n.F. 55, 155/157 = NVwZ-RR 2003, 892). Eine derartige Beziehung kann insbesondere durch den Besitz einer gewerblichen Niederlassung bzw. einer Betriebsstätte gemäß § 12 AO im Gemeindegebiet vermittelt werden. Das Merkmal der objektiv verfestigten Beziehung zur Gemeinde ermöglicht eine aus Gründen der Rechtsklarheit unumgängliche und praktikable Abgrenzung des Kreises der Beitragspflichtigen und verhindert, dass auch auswärtige Lieferanten, die lediglich in einer Geschäftsbeziehung zu ortsansässigen Betrieben stehen, zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden mit der Folge, dass der Kreis der Beitragspflichtigen unüberschaubar würde.
a) Die Klägerin, deren Sitz sich außerhalb des Gemeindegebiets des Beklagten befindet, unterhält dort keine Betriebsstätte, aus der sich ein spezifischer Ortsbezug – eine „örtliche Radizierung“ – ihrer Geschäftstätigkeit ableiten ließe.
Eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 1 AO setzt eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (vgl. BFH, U.v. 16.12.2009 – I R 56/08 – BFHE 228, 356 juris Rn. 21 m.w.N.). Als eine solche standortgebundene Einrichtung können hier nicht die im Ortsgebiet des Beklagten installierten Stromzähler angesehen werden, mit deren Hilfe die Klägerin ihre Rechnungen erstellt. Denn der Betrieb dieser Messstellen (einschließlich der Ablesung) gehört nicht zum Geschäftsfeld der einzelnen Stromversorger, sondern ist kraft Gesetzes Aufgabe des jeweiligen Netzbetreibers oder eines von den Anschlussnutzern bzw. Anschlussnehmern bestimmten Dritten (§ 21b EnWG a.F.; seit 1.9.2016 § 2 Nr. 4, § 3 Abs. 1, § 5, § 6 MsbG). Dies gilt auch dann, wenn der Stromlieferant im betreffenden Netzgebiet Grundversorger ist (vgl. § 8 StrGVV).
Das von der Klägerin aufgrund des bestehenden Lieferantenrahmenvertrags genutzte Niederspannungsnetz der B. AG erfüllt allerdings für sich genommen die Begriffsmerkmale einer Betriebsstätte (vgl. zu einer unterirdisch verlaufenden Rohrleitung BFH, U.v. 30.10.1996 – II R 12/92 -, BFHE 181, 356 juris Rn. 19 ff.). Da es insoweit keiner alleinigen Verfügungsmacht bedarf, sondern ein bloßes Mitbenutzungsrecht ausreicht (vgl. BFH, U.v. 18.3.2009 – III R 2/06 – juris Rn. 13 m.w.N.), greift hier auch nicht der Einwand der Klägerin, das von zahlreichen Stromversorgern in Anspruch genommene Verteilernetz könne nicht einem einzelnen Unternehmen als Betriebsstätte zugeordnet werden.
Die der Versorgung der Endverbraucher dienenden Niederspannungsnetze sind jedoch – ungeachtet einer gängigen (Fehl-)Bezeichnung – keine „Ortsnetze“ im wörtlichen Sinne, sondern bestehen aus einem gemeindegebietsübergreifenden Geflecht von Stromleitungen. Daher kann allein aus der vertraglich abgesicherten Nutzung eines solchen Netzes durch die Klägerin nicht der für die Heranziehung zum Fremdenverkehrsbeitrag erforderliche spezifische Ortsbezug zum Beklagten hergeleitet werden. Ähnlich wie das von den verschiedenen Telefongesellschaften genutzte Telekommunikationsnetz, bei dem der Senat in einer früheren Entscheidung die örtliche Radizierung verneint hat (U.v. 29.11.2002 – 4 B 98.1347 – a.a.O.), ist auch das Niederspannungsnetz keine (ausschließlich oder zumindest schwerpunktmäßig) „im Gemeindegebiet“ (§ 1 Abs. 1 FBS) gelegene Einrichtung, sondern eine überörtliche Betriebsstätte, die sich lediglich auf das Gebiet des Beklagten miterstreckt. Dass die Stromversorger mit der Verfügungsmacht über die Verteilernetze die Möglichkeit des Durchleitens von Strom innerhalb der einzelnen Gemeinden erhalten, lässt weder in technischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht selbständige „Gemeindestromnetze“ entstehen, die als gesonderte Betriebsstätten angesehen werden könnten.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann hier auch nicht auf die Rechtsfigur der „mehrgemeindlichen Betriebsstätte“ im Sinne des § 30 GewStG verwiesen werden. Die genannte Sondervorschrift regelt die Zerlegung des Steuermessbetrags in den Fällen, in denen sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt, so dass der in einem Grundlagenbescheid (§ 14 GewStG) festzusetzende Gewerbesteuermessbetrag (§ 11 GewStG) auf die betroffenen Gemeinden aufgeteilt werden muss. Anders als bei der Gewerbesteuer ist aber beim Fremdenverkehrsbeitrag weder von einer gleichzeitigen Abgabenerhebung durch sämtliche (Nachbar-)Gemeinden auszugehen, noch findet hier eine einheitliche gemeindeübergreifende Festsetzung der Bemessungsgrundlage statt; der Beitrag bemisst sich vielmehr nach den dem Abgabepflichtigen im jeweiligen Gemeindegebiet erwachsenen besonderen wirtschaftlichen Vorteilen (vgl. Art. 6 Abs. 2 KAG). Damit fehlt es an einer Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des spezifisch gewerbesteuerrechtlichen Begriffs der mehrgemeindlichen Betriebsstätte rechtfertigen könnte.
b) Es spricht aber Vieles dafür, dass sich eine nicht nur vorübergehende, objektiv verfestigte Beziehung zur beitragserhebenden Gemeinde hier aus dem Umstand ergibt, dass die Klägerin im Ortsgebiet des Beklagten grundversorgungspflichtig ist.
Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG haben Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Grundversorger ist nach Absatz 2 der Vorschrift jeweils das Energieversorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert (Satz 1); die Betreiber von Energieversorgungsnetzen der allgemeinen Versorgung nach § 18 EnWG sind verpflichtet, hiernach alle drei Jahre den Grundversorger für die nächsten drei Kalenderjahre festzustellen und dies im Internet zu veröffentlichen sowie der nach Landesrecht zuständigen Behörde schriftlich mitzuteilen (Satz 2). Die B. AG als der in der Region tätige Netzbetreiber hat entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben die Klägerin als Grundversorger für das Gemeindegebiet des Beklagten zuletzt mit Wirkung ab dem 1. Juli 2015 festgestellt (vgl. Download unter https: …www.b…de/cps/rde/xchg/b../hs.xsl/437.htm).
Mit der Inpflichtnahme eines Energieversorgungsunternehmens als Grundversorger entsteht eine spezielle Rechtsbeziehung zu dem Gebiet der einzelnen Gemeinden. Dies folgt zwar nicht schon aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG, in dem nur vom „Netzgebiet der allgemeinen Versorgung“ die Rede ist. In der – höchstrichterlich bisher nicht geklärten – Frage nach der räumlichen Abgrenzung dieses „Netzgebiets“ besteht jedoch weitgehend Einigkeit darin, dass damit nicht das gesamte (meist eine ganze Region umfassende) Niederspannungsnetz gemeint sein kann mit der Folge, dass der Netzbetreiber durch Änderungen des Netzzuschnitts Einfluss darauf nehmen könnte, wer in seinem Bereich Grundversorger wird. Nach ganz herrschender Auffassung kann sich die Grundversorgungspflicht im „Netzgebiet“ nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG in gleicher Weise wie die Anschlusspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 1 EnWG nur jeweils auf dasjenige Gemeindegebiet (oder Teile davon) beziehen, für das der Netzbetreiber in der Regel einen Konzessionsvertrag nach § 46 Abs. 2 EnWG über die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb der Leitungen abgeschlossen hat (Hellermann in Britz u.a., EnWG, 3. Aufl. 2015, § 36 Rn. 37 f.; Rasbach in Kment, EnWG, 1. Aufl. 2015, § 36 Rn. 27; Borries/ Lohmann, EnWZ 2015, 441/446 f. jew. m.w.N.; a. A. Busche in Säcker, Berliner Kommentar z. Energierecht, Bd. 1 Halbb. 2, 3. Aufl. 2014, § 36 EnWG Rn. 31 ff.). Dementsprechend werden in der Praxis bei der Veröffentlichung der Grundversorger nicht die vom Niederspannungsnetz abgedeckten Regionen dargestellt, sondern die Strom-Konzessionsgemeinden des jeweiligen Netzbetreibers unter Angabe der amtlichen Gemeindeschlüssel einzeln aufgelistet (so im o.g. Download der B. AG).
In der auf das Ortsgebiet bezogenen, über einen Zeitraum von drei Jahren fortbestehenden Pflichtenstellung des Grundversorgers kann eine nicht nur vorübergehende, objektiv verfestigte Beziehung zur jeweiligen Gemeinde gesehen werden, die für die Heranziehung eines überörtlichen Energieversorgers zum Fremdenverkehrsbeitrag ausreicht. Das grundversorgungspflichtige Unternehmen unterscheidet sich von den anderen Stromlieferanten dadurch, dass es die zur Daseinsvorsorge gehörende, ursprünglich vom gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 GG umfasste Aufgabe der allgemeinen leitungsgebundenen Versorgung der Gemeindeeinwohner mit Strom (BVerfG, B.v. 16.5.1989 – 1 BvR 705/88 – NJW 1990, 1783; BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 7 C 58.94 – BVerwGE 98, 273/275 ff.) gleichsam stellvertretend wahrzunehmen hat und dabei wie ein öffentlicher Träger einem umfassenden Kontrahierungszwang sowie einem strikten Gleichbehandlungsgebot unterliegt.
Die Klägerin wendet dagegen zwar ein, dass sie die Funktion als Grundversorger nicht kraft eigener Willensentscheidung, sondern nur aufgrund der Gesetzesregelung des § 36 Abs. 2 Satz 1 EnWG „unfreiwillig“ übernommen habe, wobei sich für sie in der Praxis keinerlei Unterschiede in den Versorgungsbedingungen zwischen den der Grundversorgung unterliegenden und allen sonstigen Gemeinde- bzw. Postleitzahlgebieten ergäben. Es ist aber fraglich, ob das Vorliegen einer objektiv verfestigten Sonderbeziehung zu der beitragserhebenden Gemeinde in dieser Weise aus dem Blickwinkel des betroffenen Unternehmens bestimmt werden kann und ob insbesondere die Freiwilligkeit der bestehenden Rechtsbeziehung eine weitere ungeschriebene Voraussetzung für das Entstehen der Beitragspflicht sein kann.
2. Die vorgenannte Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da die Anfechtungsklage auch dann Erfolg haben muss, wenn die Heranziehung der Klägerin zum Fremdenverkehrsbeitrag für grundsätzlich zulässig erachtet wird. Die angegriffenen Beitragsbescheide sind schon deshalb rechtswidrig, weil sich der vom Beklagten geschätzte Vorteilssatz von 50% ersichtlich nicht auf objektiv feststehende tatsächliche Umstände stützen lässt.
a) Nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 3 FBS bezeichnet der Vorteilssatz den auf dem Fremdenverkehr beruhenden Teil des einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns oder steuerbaren Umsatzes (Satz 1); er wird durch Schätzung für jeden Fall gesondert ermittelt (Satz 2), wobei insbesondere Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit, die Lage und Größe der Geschäfts- und Beherbergungsräume, die Betriebsweise und die Zusammensetzung des Kundenkreises von Bedeutung ist (Satz 3). Von diesen in der Satzung exemplarisch aufgezählten schätzungsrelevanten Kriterien kommt bei einem Stromversorger neben Art und Umfang der Tätigkeit vor allem die Zusammensetzung des Kundenkreises in Betracht. Dazu fehlt es hier bislang an konkreten quantitativen Feststellungen.
Zur Erläuterung des angenommenen Vorteilssatzes hat der Beklagte in einem Schreiben an die Widerspruchsbehörde vom 21. Oktober 2015 darauf verwiesen, dass die Veranlagung mit einem Satz von 50% auch schon bei den Rechtsvorgängern der Klägerin seit 1979 praktiziert worden sei. Seit den 1980er Jahren sei die Zahl der Zweitwohnsitze auf etwa 530 gestiegen, so dass von ca. 2650 Gebäuden im Ort rund ein Fünftel dem Zweitwohnsitz zuzuordnen seien. Stelle man die verbleibende Zahl von ca. 2130 Gebäuden den derzeit 913 fremdenverkehrsbeitragspflichtigen Betrieben gegenüber, so ergebe sich ein Anteil von rund 43%. Im Jahr 2012 habe es bei 10.075 Einwohnern 94.811 Übernachtungsgäste gegeben. Im Übrigen werde auf die Steigerung des Fremdenverkehrs in der Gemeinde mit einer Vielzahl entsprechender Veranstaltungen, auf die gewachsene Zahl der Fahrgäste in der Chiemseeschifffahrt, die mittlerweile drei fremdenverkehrsbeitragspflichtigen Kliniken im Ort, das große Freizeitbad, den Hafen- und Werftbetrieb, die beiden ganzjährig genutzten Kursäle, den Wochenmarkt sowie den Weihnachtsmarkt und eine Reihe weiterer touristischer Attraktionen verwiesen.
b) Mit diesen Ausführungen hat der Beklagte zwar umschrieben, in welchem Zusammenhang bzw. aus welchen Anlässen im Gemeindegebiet ein unmittelbar fremdenverkehrsbedingter Stromverbrauch stattfindet. Die Angaben reichen aber nicht aus, um das Maß dieses Verbrauchs, soweit es sich um den von der Klägerin gelieferten Strom handelt, auch nur grob abschätzen zu können. Das vom Beklagten angeführte Verhältnis des örtlichen Gebäudebestands zur Anzahl der Zweitwohnungen und der (beitragspflichtigen) Gewerbebetriebe kann hierzu schon deshalb keine genaueren Erkenntnisse liefern, weil sich innerhalb desselben Gebäudes mehrere (Haupt- oder Zweit-)Wohnungen oder Betriebe befinden können; zudem kann der jährliche Stromverbrauch zwischen den Wohnungsarten und den unterschiedlich energieintensiven Gewerbearten erheblich differieren. Die Höhe der jeweiligen Stromkosten und der darauf entfallende Fremdenverkehrsanteil müssen daher zumindest im Ansatz personen- und betriebs- bzw. branchenbezogen ermittelt werden, was angesichts des weitgefächerten Kundenkreises der Klägerin naturgemäß einen erheblichen Aufklärungsaufwand erfordert. Der Umstand, dass sich die Klägerin bisher der – allerdings nicht näher substantiierten – Aufforderung zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung verweigert hat, rechtfertigt es jedenfalls nicht, der Beitragsberechnung einen „gegriffenen“ Vorteilssatz zugrunde zu legen.
Um eine annähernd genaue Schätzgrundlage hinsichtlich des auf Zweitwohnungen und Beherbergungsbetriebe entfallenden Umsatz- oder Gewinnanteils der Klägerin zu gewinnen, müsste der Beklagte zunächst auf der Grundlage der Jahresgesamtzahl der Übernachtungen die für diese Verbrauchstage anfallende Strommenge bestimmen, wobei er z. B. von dem häuslichen Durchschnittsverbrauch einer Person in einem 2-Personen-Haushalt ausgehen könnte (vgl. dazu etwa https: …www.destatis. de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Umwelt/UmweltoekonomischeGesamtrechnungen/MaterialEnergiefluesse/Tabellen/Stromverbrauch Haushalte.html). Da die Klägerin nicht alle Haushalte im Gemeindegebiet des Beklagten beliefert, sondern nur einen bestimmten – vom Netzbetreiber im 3-Jahres-Turnus ermittelten – Anteil, müsste die insoweit errechnete Jahresstrommenge entsprechend gekürzt werden. Mit der daraus resultierenden Zahl von Kilowattstunden und dem für Haushaltskunden geltenden Tarif ließe sich dann der jährliche fremdenverkehrsspezifische Umsatzanteil in Bezug auf den unterkunftsbezogenen Energiebedarf (Heizung, Beleuchtung, Haushaltsgeräte etc.) feststellen.
Neben diesem nur für Übernachtungsgäste anzusetzenden Sonderverbrauch wäre der sonstige fremdenverkehrsbedingte Jahresstromverbrauch zu ermitteln, der auf der Nutzung des örtlichen Waren- und Dienstleistungsangebots durch Tages- und Übernachtungsgäste beruht. Hierzu müssten zunächst – mit Ausnahme der bereits berücksichtigten Beherbergungsbetriebe – für jene ortsansässigen Betriebe und Freiberufler, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbare Vorteile erwachsen und die ihren Strom von der Klägerin beziehen, die Jahresverbrauchsmengen erfragt, diese gemäß den individuell oder branchenspezifisch ermittelten Vorteilssätzen gekürzt und die danach sich ergebenden Anteilszahlen mit den für die einzelnen Betriebe geltenden (Sonder- oder Haushaltskunden-)Stromtarifen multipliziert werden. Die für diese Berechnung des gewerblichen Umsatzanteils notwendigen Daten müsste die Klägerin auf Verlangen des Beklagten nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i.V.m. § 90 Abs. 1 AO offenlegen, ohne sich auf eine im Verhältnis zu ihren Kunden bestehende Verschwiegenheitspflicht berufen zu können (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 B 14.2771 – juris Rn. 31 f. m.w.N. zur Auskunftspflicht eines Freiberuflers bezüglich seiner Mandanten). Soweit der Beklagte eigene Einrichtungen unterhält oder Veranstaltungen durchführt, die (auch) dem Fremdenverkehr zugutekommen, obliegt es ihm, die hierfür von der Klägerin bezogenen jährlichen Stromteilmengen entsprechend der jeweiligen Zahl der auswärtigen Besucher bzw. Benutzer auf die fremdenverkehrsbedingten Einzelbeträge zu reduzieren und dann anhand des geltenden Tarifs die diesbezüglichen weiteren Umsatzanteile zu ermitteln.
Erst die Summe aller – auf Stromlieferungen der Klägerin beruhenden – zusätzlichen Stromkosten, welche dadurch entstehen, dass auswärtige Besucher innerhalb der Gemeinde Wohnräume nutzen, Waren erwerben und Dienstleistungen einschließlich der kommunalen Tourismusangebote in Anspruch nehmen, bildet hiernach den auf dem Fremdenverkehr beruhenden Umsatz. Wird dieser Gesamtbetrag ins Verhältnis gesetzt zum Gesamtumsatz der Klägerin im Gebiet des Beklagten, so ergibt sich der Vorteilssatz, der dem Fremdenverkehrsbeitrag zugrunde gelegt werden kann. Ob sich dieser Parameter der Beitragsbemessung innerhalb des den beitragserhebenden Gemeinden zustehenden Schätzungsspielraums auch noch auf andere Weise konkretisieren lässt, braucht hier nicht entschieden zu werden. Da der Beklagte nicht einmal ansatzweise versucht hat, konkrete Stromverbrauchszahlen für eine realitätsnahe Bestimmung des Vorteilssatzes heranzuziehen, kommt hier jedenfalls keine gerichtliche Korrektur des angenommenen Vorteilssatzes und der darauf beruhenden Abgabenhöhe in Betracht (zu einem solchen Fall BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – BayVBl 2015, 98 Rn. 23 ff. m.w.N.). Die angegriffenen Bescheide waren daher insgesamt aufzuheben.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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