Aktenzeichen M 6 K 15.3292
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 4 Abs. 4, § 7 Abs. 3
RFinStV § 8
Leitsatz
1 Mit den grundlegenden Entscheidungen des BVerwG vom 18.3.2016 (BeckRS 2016, 45854) und vom 15.6.2016 (BeckRS 2016, 49588) ist die Rechtmäßigkeit der Erhebung des Rundfunkbeitrages im privaten Bereich geklärt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die gesamtschuldnerische Haftung für den Rundfunkbeitrag (§ 2 Abs. 2 RBStV) erfolgt nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, das sehr weit ist. Denn die mehreren Wohnungsinhabern auferlegte gesamtschuldnerische Haftung dient der Verwaltungsvereinfachung. (redaktioneller Leitsatz)
3 Mit der für die bayerischen Gerichte bindenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 15. Mai 2014 (BeckRS 2014, 52739) ist davon ausgehen, dass der Rundfunkbeitrag mit seinerzeit EUR 17,98 monatlich (§ 8 RFinStV; seit 1. April 2015: EUR 17,50) angemessen ist. (redaktioneller Leitsatz)
4 Weder der bewusste Verzicht auf ein Rundfunkempfangsgerät noch der Verzicht auf das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begründen einen besonderen Härtefall. Eine derartige Auslegung dieses Begriffs widerspräche dem Normzweck der §§ 2 ff. RBStV, weil die Rundfunkbeitragspflicht für private Haushalte nach dem Regelungskonzept dieser Bestimmungen gerade unabhängig vom Bereithalten eines Empfangsgeräts oder der tatsächlichen Nutzung des Programmangebots bestehen soll (BVerwG BeckRS 2016, 45854). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
2. Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten vom 1. Juni 2015 und 1. Juli 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV -. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag in Höhe von EUR 17,98 (§ 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag – RFinStV; seit 1.4.2015: EUR 17,50) im Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Der Kläger hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht in Abrede gestellt. Vielmehr erhebt er Einwendungen gegen den Rundfunkbeitrag als solchen und macht verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
2.2 Der Rundfunkbeitrag begegnet aber entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtauffassung keinen durchgreifenden, auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das hat nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 2014 und der für Bayern grundlegenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) sowie zahlreichen Urteilen von Verwaltungsgerichten (z. B. VG München, U. v. 26.2.2015 – M 6a K 14.877; U. v. 8.6.2016, M 6 K 16.20) und Oberverwaltungsgerichten, darunter auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (st. Rspr. seit U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707 -, U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.2488), nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht mit mehreren Urteilen vom 18. März 2016 bestätigt (BVerwG 6 C 6.15 u. a.). Danach ist der Rundfunkbeitrag eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt (amtlicher Leitsatz Nr. 1). Die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung (amtlicher Leitsatz Nr. 2). Der Rundfunkbeitrag stellt die Gegenleistung für den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit dar. Dieser Vorteil kann Wohnungsinhabern individuell zugerechnet werden, weil Wohnungen nahezu vollständig mit Rundfunkempfangsgeräten ausgestattet sind (amtlicher Leitsatz Nr. 3). Die Ersetzung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag war wegen des drohenden strukturellen Defizits der Gebührenerhebung zulässig, um die Belastungsgleichheit der Rundfunkteilnehmer zu wahren (amtlicher Leitsatz Nr. 4). Die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt nicht, Wohnungsinhaber, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien (amtlicher Leitsatz Nr. 5). Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an die Wohnung benachteiligt die alleinigen Inhaber einer Wohnung nicht gleichheitswidrig gegenüber Personen, die zusammen mit anderen in einer Wohnung leben. (amtlicher Leitsatz Nr. 6). Seine Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht nochmals mit Urteil vom 15. Juni 2016 bekräftigt (Az. 6 C 35/15 – juris). Der Rundfunkbeitrag verstößt auch gegen keine anderen Normen wie etwa die EMRK oder EU-Recht.
2.3 Auch die sonstigen Einwendungen verhelfen der Klage nicht zum Erfolg. Soweit der Kläger der Meinung ist, dass der Normgeber es staatlicher Willkür überlasse, welcher von mehreren zusammen wohnenden Beitragspflichtigen in Anspruch genommen werde, und er damit Einwendungen gegen die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Beitragsschuldner nach § 2 Abs. 3 RBStV erhebt, kann er damit nicht durchdringen. Haften mehrere Schuldner für den Beitrag gesamtschuldnerisch, kann die zuständige Stelle nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auswählen, von welchem Gesamtschuldner sie die Leistung fordern will. Dies folgt aus dem ergänzend heranzuziehenden § 421 BGB (OVG Sachsen, B. v. 6.3.2015 – 3 B 305/14 – juris Rn. 9 – unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – juris Rn. 20 ff.). An die Stelle von dessen Worten „nach Belieben“ treten sinngemäß die Worte „nach Ermessen“. Das der zuständigen Stelle eingeräumte Ermessen ist sehr weit. Dies ergibt sich aus dem Zweck der mehreren Wohnungsinhabern auferlegten gesamtschuldnerischen Haftung. Sie soll der Verwaltung den Gesetzesvollzug erleichtern und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand verringern (BVerwG, U. v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – juris Rn. 20, zur Erhebung der Fehlbelegungsabgabe). Dies muss erst recht für die Erhebung des Rundfunkbeitrags gelten. Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 18. März 2016 (6 C 16/15 – juris Rn. 47 f.) und vom 15. Juni 216 (6 C 35/15 – juris Rn. 49 f.) Folgendes aus:
„Aufgrund der Vielzahl der Beitragspflichtigen und der Häufigkeit der Erhebung kommt dem Interesse an einem einfach und praktikabel zu handhabenden Maßstab für die Erhebung des Rundfunkbeitrags besonderes Gewicht zu. Es handelt sich um ein monatlich wiederkehrendes Massengeschäft, das Millionen gleichgelagerter Sachverhalte betrifft, wobei die Beitragsbelastung bei genereller Betrachtungsweise verhältnismäßig niedrig ist. Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an die Wohnung hat den Vorteil, dass für die Beitragserhebung nur ein Wohnungsinhaber (Bewohner) bekannt sein muss. Es wird vermieden, dass die Daten aller Inhaber ermittelt und auf dem aktuellen Stand gehalten werden müssen. Die personelle Fluktuation innerhalb einer Wohnung kann außer Betracht bleiben (LT-Drs. NW 15/1303 S. 35). Dies reicht als Rechtfertigung des wohnungsbezogenen Verteilungsmaßstabs aus […].“
Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn mehrere Wohnungsinhaber als Gesamtschuldner haften und dem Beklagten bei der Ermittlung und der Auswahl des Gesamtschuldners ein weiter Ermessensspielraum zukommt. Darin liegt weder ein Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgebot noch den Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. BayVGH, B. v. 6.4.2016 – 7 ZB 15.2372 – juris Rn. 10).
Soweit der Kläger bestreitet, dass die Höhe des Rundfunkbeitrags angemessen sei, kann er damit ebenfalls keinen Erfolg haben. Mit der für das erkennende Gericht gemäß Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG – bindenden Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 ist davon ausgehen, dass der Rundfunkbeitrag mit seinerzeit EUR 17,98 monatlich (§ 8 RFinStV; seit 1. April 2015: EUR 17,50) nicht unangemessen hoch ist.
2.4 Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von jeweils b… EUR ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlags ist seit Einführung des Rundfunkbeitrags ab 1. Januar 2013 § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 19. Dezember 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger vom 21.12.2012, StAnz Nr. 51-52/2012, S. 3; § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig, ohne dass es eines vorherigen „Beitragsbescheids“ bedürfte. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung).
Vorliegend hatte der Kläger für den in den streitgegenständlichen Bescheiden benannten Zeitraum die Rundfunkbeiträge – unstreitig – nicht bei Fälligkeit bezahlt, so dass der Beklagte den Säumniszuschlag festsetzen durfte. Dieser war mit c… EUR auch der Höhe nach zutreffend bemessen.
3. Soweit der Kläger hilfsweise begehrt, wegen unbilliger Härte von der Rundfunkbeitragspflicht befreit zu werden oder nur einen ermäßigten Beitrag zahlen zu müssen, ist die Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn nach Aktenlage hat der Kläger beim Beklagten bislang keinen – gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV gesondert zu stellenden – Antrag auf Befreiung nach § 6 Abs. 4 Satz 1 RBStV oder auf Ermäßigung gestellt.
Selbst wenn der Kläger einen derartigen Antrag gestellt haben sollte, bliebe die Klage in der Sache ohne Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung oder Ermäßigung nachgewiesen hat. Wie oben dargestellt, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der bewusste Verzicht auf ein Rundfunkempfangsgerät ebenso wenig wie der bewusste Verzicht auf das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen besonderen Härtefall begründen. Eine derartige Auslegung dieses Begriffs widerspräche dem Normzweck der §§ 2 ff. RBStV, weil die Rundfunkbeitragspflicht für private Haushalte nach dem Regelungskonzept dieser Bestimmungen gerade unabhängig vom Bereithalten eines Empfangsgeräts oder der tatsächlichen Nutzung des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehen soll (BVerwG, U. v. 18.3.2016 – 6 C 6.15 – juris Rn. 9 und 34; BVerwG, U. v. 15.6.2016 – 6 C 35/15 – juris Rn. 10 und 36).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbefugnis haben ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 115,88 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
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