IT- und Medienrecht

Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und vortragsfähigen Gewerbeverlusten

Aktenzeichen  6 K 696/16

Datum:
4.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131255
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, § 151 Abs. 2, § 155

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
1. Ein Schriftsatznachlass ist nicht zu gewähren.
a) Gemäß § 283 S. 1, 1. HS Zivilprozessordnung – ZPO -, der nach § 155 Finanzgerichtsordnung – FGO – Anwendung findet, kann, wenn sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18.03.2008 XI S 30/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1184, m.w.N.; vom 14.04.2011 VI B 120/10, BFH/NV 2011, 1185, und vom 08.02.2012 VI B 143/11, BFH/NV 2012, 948).
b) Hieran fehlt es im Streitfall.
Der Klägervertreter begehrt den Schriftsatznachlass vielmehr zur während der mündlichen Verhandlung durchgeführten Akteneinsicht wegen der Zustellung der Ladung und zu dem Ergebnis des Telefonats des Vorsitzenden mit Herrn X.
Auch hieraus ergibt sich kein Anlass, eine Frist zu bestimmen, in der der Klägervertreter eine Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
Der Klägervertreter war nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 20.07.2017 mit Schriftsatz des Gerichts vom 11.05.2017 unter Hinweis darauf, dass die Ladung der Klägerin mit Postzustellungsurkunde nicht zugestellt werden konnte, aufgefordert worden, eine ladungsfähige Anschrift der Klägerin mitzuteilen. Der Klägervertreter hatte – in Kenntnis des Termins zur mündlichen Verhandlung – über zwei Monate Zeit und Gelegenheit, sich zur Frage des Vorhandenseins einer ladungsfähigen Anschrift der Klägerin und zum Zustellversuch zu erklären und hierzu bereits zu einem früheren Zeitpunkt Akteneinsicht zu nehmen.
Die Aufforderung des Gerichts, eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen, war ohne Nachfrage unbeantwortet geblieben.
Es wurde von Klägerseite zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass die Klägerin in B ihren tatsächlichen Wohnsitz habe.
Die Äußerungen des Xgegenüber dem Vorsitzenden bestätigen das bisher Bekannte und dem Klägervertreter mit Schreiben vom 11.05.2017 auch Mitgeteilte, nämlich dass die Klägerin unter der Anschrift B nicht zu ermitteln war. Eine neue Sachlage – etwa das dortige Vorhandensein eines tatsächlichen Wohnortes bzw. -sitzes – ergibt sich daraus nicht.
Ein Anlass für das Nachbringen einer Erklärung besteht nicht.
2. Die mündliche Verhandlung ist nicht zu vertagen.
a) Gemäß § 227 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO, der nach § 155 FGO Anwendung findet, kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht (1.) das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; (2.) die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; (3.) das Einvernehmen der Parteien allein.
Welche Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Dazu gehören der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten, ggf. des Prozessbevollmächtigten. Dabei ist zugunsten des Beteiligten zu berücksichtigen, dass das Finanzgericht die einzige Tatsacheninstanz ist und der Beteiligte ein Recht hat, seine Sache in der mündlichen Verhandlung zu vertreten (vgl. BFH-Beschluss vom 02.08.2016 X B 10/16, BFH/NV 2017, 43 m.w.N.).
b) Ein erheblicher Grund für eine Vertagung liegt nicht vor.
aa) Der Klägervertreter hatte nach der Aufforderung durch das Gericht bis zum anstehenden Termin der mündlichen Verhandlung über zwei Monate Zeit, sich mit der Problematik der fehlenden ladungsfähigen Anschrift zu beschäftigen. Eine Äußerung erfolgte trotz Aufforderung, die ladungsfähige Anschrift mitzuteilen, nicht.
bb) In den Telefonaten mit der Berichterstatterin am Vortag der mündlichen Verhandlung waren die fehlende ladungsfähige Anschrift und die prozessualen Folgen angesprochen und in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden.
Es bestand noch vor und in der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit für die Klägerin und ihren Vertreter, den derzeitigen tatsächlichen Wohnort der Klägerin zu benennen. Der Klägervertreter Rechtsanwalt Z. hat nach seinen Angaben am 19.07.2017 und 20.07.2017 während einer Sitzungsunterbrechung mit der Klägerin telefonisch gesprochen. Trotz dieser Telefonate wurde in Kenntnis der Zulässigkeitsproblematik der derzeitige tatsächliche Wohnort der Klägerin nicht benannt. Die Klägerin hätte diesen insbesondere im Telefonat am 20.07.2017 dem Klägervertreter mitteilen und damit in dieser Frage sofort Klarheit herbeiführen können. Die wiederholte ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden nach dem aktuellen Wohnsitz der Klägerin blieb jedoch unbeantwortet.
cc) Erhebliche Gründe ergeben sich auch nicht aus den Angaben des Xim Telefonat mit dem Vorsitzenden.
Die Äußerungen des X gegenüber dem Vorsitzenden bestätigen lediglich bisher Bekanntes und dem Klägervertreter auch Mitgeteiltes (s.o. 1 b)). Eine neue Sachlage ergibt sich daraus nicht.
Es wurde von Klägerseite auch nicht vorgetragen, dass die Klägerin ihren tatsächlichen Wohnsitz in B habe.
3. Die Klage ist unzulässig. Eine ladungsfähige Anschrift der Klägerin ist nicht bekannt.
a) Gemäß § 65 Abs. 1 S. 1 FGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen.
Die ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert regelmäßig die Bezeichnung des Klägers unter Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift (d.h. des tatsächlichen Wohnorts), vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2001 VI R 19/01, BFH/NV 2002, 651, BFH-Beschluss vom 20.12.2012 I B 38/12, BFH/NV 2013, 747) und zwar auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist (BFH-Beschluss vom 04.05.2016 V B 108/15, BFH/NV 2016, 1298 m.w.N.; vom 30.06.2015 X B 28/15, BFH/NV 2015, 1423).
Zu einer sachgerechten Prozessführung gehört auch, dass das Finanzgericht die Möglichkeit hat, das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen und durchzusetzen. Hierzu muss das Gericht die Anschrift des Klägers kennen (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 585). Des Weiteren ist die Anschrift nach § 105 FGO im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung anzugeben, die gemäß § 151 Abs. 2 FGO auch als Vollstreckungstitel Bedeutung erlangen kann. Schließlich ist die Klägeranschrift zumindest deshalb regelmäßig erforderlich, weil anders nicht sichergestellt werden kann, dass sich der Kläger bei etwaigem Unterliegen seiner Kostenpflicht nicht durch Unerreichbarkeit entzieht (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 09.12.1987 IV b ZR 4/87, NJW 1988, 2114). Für das verwaltungsgerichtliche -und mithin auch für das finanzgerichtliche- Verfahren ist jedoch umstritten, ob dieser letzte Gesichtspunkt nicht nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt (BFH-Urteil vom 19.10.2000 IV R 25/00, BStBl II 2001, 112 mit weiteren Nachweisen).
b) Eine ladungsfähige Anschrift der Klägerin ist nicht bekannt.
aa) Die Adresse A, B, ist keine ladungsfähige Anschrift.
Eine Ladung der Klägerin dort konnte am 05.05.2017 nicht erfolgen. Laut Postzustellungsurkunde wurde am 05.05.2017 die erfolglose Zustellung vermerkt mit dem Zusatz: „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“. Mängel dieses Zustellungsversuchs sind nicht ersichtlich.
Das Telefonat des Vorsitzenden mit X, der im A, 1 B, wohnt, hat bestätigt, dass diese Anschrift nicht der tatsächliche Wohnsitz der Klägerin ist. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird im Einzelnen verwiesen.
bb) Eine ladungsfähige Anschrift konnte das Gericht nicht ermitteln.
Die Abfrage der Einwohnermelde-Daten hat ergeben, dass die Klägerin hiernach (spätestens) im April 2015 noch Österreich verzogen ist.
cc) Der Klägervertreter hat eine ladungsfähige Adresse nicht bezeichnet. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung nur mitgeteilt, dass sich die Klägerin seit einiger Zeit wieder in Deutschland aufhalte und sich in den nächsten Tagen in Banmelden wolle. Zu den Aufenthalten der Klägerin vor ihrer Einreise nach Deutschland hat er sich nur pauschal geäußert. Diese Angaben waren für das Gericht zeitlich nicht einordenbar.
Trotz zweier Telefonate mit der Klägerin am 19.07.2017 und 20.07.2017 nach dem Hinweis auf das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift und auf die sich hieraus ergebenden Zulässigkeitsfolgen hat der Klägervertreter Rechtsanwalt Z. in der mündlichen Verhandlung keine ladungsfähige Anschrift benannt. Über die Möglichkeit (und die Folgen) einer Benennung in der mündlichen Verhandlung war bereits in den Telefonaten am 19.07.2017 gesprochen worden. Wie bereits oben unter 2a) bb) dargestellt, hätte die Klägerin ihren tatsächlichen Wohnort insbesondere im Telefonat am 20.07.2017 dem Klägervertreter mitteilen und damit in dieser Frage sofort Klarheit herbeiführen können. Die wiederholte ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden nach dem aktuellen Wohnsitz der Klägerin blieb jedoch unbeantwortet. Auch die vom Klägervertreter wiedergegebene Auskunft der Klägerin, sie wolle sich in den nächsten Tagen wieder in Banmelden, erscheint aufgrund der eindeutigen Angaben von Herrn Xwenig glaubhaft. Nach Auffassung des Gerichts versucht die Klägerin bewusst, ihren Wohnort zu verheimlichen.
c) Die Benennung einer ladungsfähigen Anschrift ist auch nicht wegen besonderer Umstände unzumutbar.
Einen Ausnahmetatbestand – wie bspw. im BFH-Urteil vom 11.12.2001 VI R 19/01, wenn sich der Kläger bei Nennung der Anschrift der konkreten Gefahr einer Verhaftung aussetzen würde – hat der BFH jedenfalls bejaht, wenn die Identität des Klägers feststeht und die Möglichkeit der Zustellung durch einen Zustellungs- oder Prozessbevollmächtigten sichergestellt ist (mit Verweis auf BFH-Urteil vom 19.10.2000 IV R 25/00, BStBl II 2001, 112 für den Fall eines nationalen und internationalen Haftbefehls; Abgrenzung zum BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 585).
Aus § 258 Abs. 5 des Strafgesetzbuchs (StGB) folgt, dass es niemandem zugemutet wird, sich selbst der Strafvollziehung auszuliefern. Daraus ist auf Auffassung des BFH im Urteil vom 19.10.2000 IV R 25/00 zu schließen, dass auch das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes -GG-) nicht davon abhängig gemacht werden könne, dass sich der Kläger der konkreten Gefahr der Verhaftung aussetze. Demgegenüber sei es von untergeordneter Bedeutung, dass eine mögliche Vollstreckung, die Beitreibung der Gerichtskosten und die Durchsetzung des persönlichen Erscheinens erschwert würden.
Eine derartige ober vergleichbare Konstellation ist hier nicht ersichtlich gegeben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

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