Aktenzeichen 33 O 9318/17
Leitsatz
1 Amazon ist als Anbieterin von Waren im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312j Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Verbraucher bei einem Vertragsschluss die in Art. 246 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannten Informationen klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt. (Rn. 24) (red. LS Dirk Büch)
2 Wesentliches Merkmal von Bekleidung ist jedenfalls das Material, von Sonnenschirmen das Material des Bezugsstoffs, des Gestells und das Gewicht. (Rn. 26) (red. LS Dirk Büch)
3 Die Angaben über wesentliche Merkmale sind unmittelbar vor dem Bestellvorgang anzuzeigen. Die Einblendung eines Links auf die Produktseite ist nicht ausreichend. (Rn. 28 – 29) (red. LS Dirk Büch)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an einem ihrer jeweiligen Geschäftsführer, zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbrauchern in einem Onlineshop Sonnenschirme und/oder Bekleidungsstücke anzubieten, ohne auf der Internetseite, auf welcher der Verbraucher sein Angebot zum Abschluss des Kaufvertrages durch Anklicken des Bestellbuttons abgeben kann, die wesentlichen Merkmale der zu bestellenden Ware, bei Sonnenschirmen das Material des Stoffes, das Material des Gestells und das Gewicht, bei Bekleidungsstücken das Material, anzugeben, wenn dies bespielspielhaft wie aus Anl. K 12 ersichtlich geschieht.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- EUR, in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird endgültig auf 25.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist in Form des zuletzt gestellten Antrags zulässig und begründet, da die Beklagte als Online-Verkäuferin gemäß § 312 j Abs. 2 BGB verpflichtet ist, dem Verbraucher unmittelbar vor Bestellabgabe die in Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB genannten Informationen zur Verfügung zu stellen. Das hat die Beklagte bei den streitgegenständlichen Sonnenschirmen bzw. Bekleidungsstücken nicht getan, weswegen sie gemäß §§ 8, 3 a UWG zur Unterlassung zu verurteilen war.
A.
I.
Die Beklagte ist als Anbieterin von Waren im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312 j Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Verbraucher bei einem Vertragsschluss die in Art. 246 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB genannten Informationen klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen, bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt.
1. Welches die „wesentlichen Merkmale“ einer Ware sind, bedarf einer wertenden Betrachtung im Einzelfall.
a) Für das Angebot von „Bekleidung“ ist jedenfalls die Angabe des Materials als wesentlich anzusehen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 77. Auflage, 2018, Art. 246 Rn. 5), da danach sowohl das Preis-Leistungs-Verhältnis, die erforderliche Reinigung sowie bestehende Unverträglichkeiten beurteilt werden können und diese für einen Bekleidungskauf wesentliche Faktoren darstellen.
b) Aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise stellen für Sonnenschirme das Material des Bezugsstoffs, das Material des Gestells sowie das Gewicht einen wesentlichen Entscheidungsfaktor dar, da davon – neben der allgemeinen Haltbarkeit des Produkts – einerseits z. B. die Regen- und/oder UV-Beständigkeit und andererseits eine leichte Transportmöglichkeit sowie die Standsicherheit abhängen (OLG Hamburg, GRUR-Rs 2014, 18139 Rn. 6).
2. Der in § 312 j Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. T EGBGB normierten Verpflichtung zur Anzeige der oben genannten Informationen ist nur dann Genüge getan, wenn sie im Verlauf des Bestellvorgangs selbst -unmittelbar vor Abgabe der Bestellung – eingeblendet werden. Andernorts, z.B. in der Produktübersicht gemachte Angaben sind insoweit ohne Bedeutung (OLG Hamburg, a.a.O., Rn. 3). Auch die Einblendung eines Links auf die Produktseite wäre unzureichend.
Die unmittelbare Anzeige vor dem Bestellvorgang ist deshalb erforderlich, weil der Verbraucher dadurch (nochmals) die Gelegenheit erhält, das von ihm zu erwerbende Produkt konkret zu besichtigen und auf die Übereinstimmung mit seinen Vorstellungen zu überprüfen. Er soll dadurch vor übereilten Kaufentscheidungen geschützt werden, insbesondere dann, wenn er – wie häufig der Fall -nicht nur ein Produkt auswählt, sondern mehrere verschiedene Produkte nach mitunter langer Suche in den digitalen Einkaufskorb gelegt hat und daher nur noch eine rudimentäre Erinnerung an die einzelnen Produkte und ihre wesentlichen Eigenschaften hat. Die Situation ist somit nicht anders als die in einem gegenständlichen Warenhaus, in dem der Käufer die im Verlauf seines Einkaufs in den Warenkorb gelegten Produkte auf die Ladentheke legt und sich dabei nochmals ihre konkreten Eigenschaften bewusst machen und sie gegebenenfalls auch wieder aussortieren kann.
3. Diesen Anforderungen ist die Beklagte nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers nicht nachgekommen.
II.
Bei § 312 j Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 a UWG (OLG Köln, BeckRs 2016, 119172 Rn. 39).
Die fehlende Information über wesentliche, für die Kaufentscheidung maßgebliche Merkmale der Ware ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.
Der Verstoß gegen diese Vorschriften stellt daher einen Rechtsbruch nach § 3 a UWG dar. der gemäß § 8 Abs. 1 UWG zu unterlassen ist.
III.
Eine Wiederholungsgefahr wird durch die unstreitige Verletzungshandlung indiziert und besteht mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fort. Allein die Abgabe einer Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung, wie von der Beklagten hinsichtlich der Sonnenschirme mit Schreiben vom 11.04.2017 erklärt (Anlage K 8), vermag die Wiederholungsgefahr nicht zu beseitigen.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers war nicht angezeigt. Zwar ist der ursprünglich gestellte Antrag dem Wortlaut nach unbeschränkt auf alle „Waren“ gerichtet und erfasst damit theoretisch alle von der Beklagten vertriebenen Produkte. Jedoch sind Unterlassungsanträge stets unter Berücksichtigung des mit der Klageschrift dargestellten Sachverhalts einschließlich der rechtlichen Begründung auszulegen (BGH WRP 2017, 1081 Rn. 11 – Komplettküchen). Vorliegend hat der Kläger in der Klageschrift allein zu Verstößen in Bezug auf Sonnenschirme sowie Bekleidungsstücke vorgetragen. Ein Vortrag zu fehlenden Informationen auch bei anderen bzw. bei allen anderen Produkten der Beklagten liegt nicht vor. Die rechtlichen Ausführungen erschöpfen sich ebenfalls in Angaben zu den konkret vorgetragenen Verletzungshandlungen bei Sonnenschirmen und Bekleidungsstücken. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger seinen Unterlassungsantrag in der Klageschrift gemäß § 61 Satz 1 GKG mit 25.000,- EUR beziffert hat. Das wäre bei Annahme einer Einbeziehung aller durch die Beklagte in Deutschland vertriebenen Waren ein sehr geringer, unpassender Streitwert. Die im Verhältnis hierzu geringe Streitwertangabe von 25.000,- EUR ist daher ein weiteres Indiz dafür, dass lediglich die Verletzungshandlungen in Bezug auf Sonnenschirme und Bekleidungsstücke den Streitgegenstand bilden sollen.
Die Antragsänderung im Schriftsatz vom 17.11.2017 (Bl. 38/43 d.A.) stellt daher eine kostenneutrale Klarstellung des bereits ursprünglich auf Sonnenschirme und Bekleidungsstücke beschränkten Klageantrags dar und keine Rücknahme eines ursprünglich auf alle Waren bezogenen Unterlassungsanspruchs.
C.
Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO, § 63 GKG endgültig mit 25.000,- EUR festzusetzen.