IT- und Medienrecht

Irreführende Bewerbung einer Milch als “Weidemilch”

Aktenzeichen  41 HK O 333/16

Datum:
11.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Amberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG UWG § 3, § 3a, § 5, § 8 Abs. 1, § 11
LMIV LMIV Art. 7 Abs. 1 a, Art. 8 Abs. 3

 

Leitsatz

Für die Bezeichnung „Weidemilch“ ist es erforderlich, dass die konkret verpackte Milch tatsächlich von Kühen stammt, die sich am Tag der Melkung mindestens 6 Stunden auf der Weide befanden. (Rn. 18) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen Milch
a) mit der Auslobung „frische Weidemilch“
auf der Schauseite gemäß nachfolgend wiedergegebener Ausstattung:
und/oder
b) mit der Angabe
„Bei diesem Produkt handelt es sich um 100 % Weide-Milch“
anzubieten und/oder zu bewerben, wenn die Milch außerhalb des regelmäßigen Weidegangs in der Sommerzeit („ca. 120 Tage“), ansonsten in der verbleibenden Zeit nicht von täglich auf der Weide grasenden Kühen, sondern von im Stall gehaltenen und gefütterten Kühen gewonnen wird.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 150.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nicht gem. § 11 UWG verjährt. Da die Beklagte die streitgegenständliche Weidemilch nach eigenem Vorbringen seit September 2015 fortlaufend anbietet, liegt eine sog. Dauerhandlung vor, bei der die Verjährung nicht beginnt, so lange der Eingriff noch fortdauert (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, § 11, Rdn. 1.21 m.w.N.).
Der streitgegenständliche Unterlassunganspruch ist gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3 a, 5 UWG, Art. 7 Abs. 1 a LMIV begründet. Durch den Vertrieb von Milch unter der Bezeichnung „frische Weidemilch“, die lediglich von Kühen stammt, die an mindestens 120 Tagen im Jahr an mindestens 6 Stunden täglich auf der Weide sind, bei der aber nicht gewährleistet ist, dass sie tatsächlich am Tag der Melkung auf der Weide waren, verstößt die Beklagte gegen Art. 7 Abs. 1 a LMIV und führt dadurch auch die Verbraucher irre. Für die Bezeichnung „Weidemilch“ ist es erforderlich, dass die konkret verpackte Milch tatsächlich von Kühen stammt, die sich am Tag der Melkung mindestens 6 Stunden auf der Weide befanden, Nicht ausreichend ist demgegenüber, dass sie lediglich von Kühen stammt, die an mindestens 120 Tagen im Jahr jeweils mindestens 6 Stunden täglich auf der Weide waren. Diese Erwartung hegt der angesprochene durchschnittliche Verbraucher, zu denen sich auch die erkennenden Richter zählen. Dem steht nicht entgegen, dass eine derartige Weidemilch in weiten Teilen Mitteleuropas angesichts der hier vorherrschenden klimatischen Bedingungen im Regelfall nicht das ganze Jahr über produziert werden kann. Zum einen wird sich ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verbraucherkreises über die Frage, wann und wie lange in Mitteleuropa Kühe auf der Weide grasen können, keine Gedanken machen (Stichwort Milch von Lila-Kühen). Zum anderen kann ein weiterer erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher angesichts der globalisierten Welt die Erwartung hegen, dass die Milch aus Teilen der Welt stammt, bei der eben sehr wohl Kühe das ganze Jahr über im Freien weiden können.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände werden die Verbraucher irregeführt, wenn ihnen Milch als „Weidemilch“ verkauft wird, die gar nicht von einer Kuh stammt, die am konkreten Tag der Melkung auf der Weide war, sondern lediglich von Kühen, die mindestens 1/3 des Jahres an mindestens 6 Stunden täglich auf der Weide grasten. Es handelt sich somit um eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG („… wesentliche Merkmale der Ware … wie … Art …“). Bei der Bezeichnung „Weidemilch“ handelt es sich um ein konkret produktbezogenes Merkmal dergestalt, dass die konkret verpackte Milch von einer vor der Melkung auf der Weide befindlichen Kuh stammen muss. Da dies bei der streitgegenständlichen Milch nicht der Fall ist, ist die Bezeichnung Weidemilch unwahr.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass auf der Rückseite der Verpackung, sozusagen im „Kleingedruckten“ wahrheitsgemäß angegeben ist, dass die streitgegenständliche Milch lediglich von Kühen stammt, die mindestens 120 Tagen im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stehen. Auf der Vorderseite des Etiketts ist nach den obigen Ausführungen in deutliche größerer Schrift als auf der Rückseite eine objektive Unrichtigkeit enthalten, nämlich dass es sich um Weidemilch handelt, obwohl dies gar nicht der Fall ist. Diese objektive Unrichtigkeit auf der Vorderseite kann beim Verbraucher durch eine Klarstellung durch einen kleineren Aufdruck auf der Rückseite aus der Welt geschafft werden (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5, Rdn. 2.97). Dies gilt umso mehr, als es sich bei der streitgegenständlichen Milch um einen niederpreisigen Artikel handelt, bei denen der vorderen Schauseite des Etiketts deutlich größere Bedeutung zukommt als bei höherpreisigen Artikeln. Bei Konsumgütern im 1-Euro-Bereich orientiert sich ein Großteil der Verbraucher an dem, was auf der Schauseite des Etiketts steht, ohne den Artikel genauer in die Hand zu nehmen und auch den seitlichen und hinteren Teil des Etiketts zu lesen.
Die Beklagte kann sich nicht auf Art. 8 Abs. 3 LMIV berufen, da sie sich darüber im Klaren war, dass die streitgegenständliche Milch nicht konkret von einer Kuh stammt, die vor der Melkung auf der Weide war, sondern lediglich grundsätzlich von Kühen, die an mindestens 120 Tagen im Jahr auf der Weide grasen. Bereits dem Wortlaut nach musste sich der Beklagten aufdrängen, dass sie derartige Milch nicht als „Weidemilch“ vertreiben darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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