Aktenzeichen 6 U 454/18
Leitsatz
1 Bei der Spitzenstellungsbehauptung “Deutschlands größte Partnervermittlung” handelt es sich um eine unternehmensbezogene Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG. (Rn. 60 – 61) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als zumindest ein maßgebliches Kriterium für eine angepriesene „Größe“ eines Online-Dating-Portals sehen die angesprochenen Verkehrskreise die Anzahl der aktuell registrierten, tatsächlich vermittelbaren Mitglieder an. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
3 Jedenfalls erhebliche Teile der angesprochenen Durchschnittsverbraucher werden dem sachlichen Vergleichsmarkt in Bezug auf eine „Online-Partnervermittlung“ auch solche Online-Dating-Plattformen zuordnen, die unter das Marktsegment der „Single-Börsen“ fallen. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
33 O 22069/16 2018-01-30 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.01.2018, Az.: 33 O 22069/16, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil des Landgerichts München I vom 30.01.2018, Az.: 33 O 22069/16, wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das vorliegende Urteil ist in Ziffer II. (Kostenentscheidung) vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
II.
Das Landgericht hat zu Recht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin wegen unlauterer Irreführung aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1, 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG sowie den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG bejaht. Die hiergegen seitens der Beklagten mit der Berufung erhobenen Einwände verhelfen dieser nicht zum Erfolg.
A.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG zu, da die streitgegenständlichen Werbeaussagen „Deutschlands größte Partnervermittlung“ bzw. „Deutschlands größte Online-Partnervermittlung“ den Tatbestand einer wettbewerbswidrigen Irreführung erfüllen.
1. Zwischen den Parteien als Betreibern von Online-Dating-Portalen besteht – was auch die Beklagte ausdrücklich zugesteht, vgl. Klageerwiderung vom 04.04.2017, S. 31, Bl. 81 d. A. – ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, nachdem sie gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen, wobei ein Konkurrenz- und Substitutionsverhältnis zwischen dem jeweiligen Dienstleistungsangebot besteht, so dass das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, d. h. im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGH GRUR 2017, 918 Rn. 16 – Wettbewerbsbezug m.w.N.).
2. Das Landgericht hat die angegriffenen Werbeaussagen „Deutschlands größte Partnervermittlung“ bzw. „Deutschlands größte Online-Partnervermittlung“ im Ergebnis zutreffend als gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG unzulässige irreführende Spitzenstellungswerbung angesehen.
a) Bei der hier streitgegenständlichen Spitzenstellungsbehauptung handelt es sich um eine unternehmensbezogene Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (und nicht, wie von den Parteien angenommen, um eine dienstleistungsbezogene Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG). Denn mit der angepriesenen Größe des Unternehmens der Beklagten verbindet der angesprochene Verkehr bestimmte Vorstellungen im Hinblick auf die Eigenschaften des Unternehmens als solches und nicht im Hinblick auf Merkmale der angebotenen Dienstleistungen.
b) Die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, richtet sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, an den sich die Werbung richtet und der ihr eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2018, 431 Rn. 27 – Tiegelgröße; BGH GRUR 2016, 521 Rn. 10 – durchgestrichener Preis II; BGH GRUR 2012, 184 Rn. [19] – Branchenbuch Berg; BGH GRUR 2003, 163, 164 – Computerwerbung; BGH GRUR 2000, 619, 621 – Orient-Teppichmuster). Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte in diesem Zusammenhang gegen die Feststellungen des Landgerichts, wonach sich die als Anlage K 9 vorgelegte Presseerklärung nicht ausschließlich an Fachkreise, sondern auch an die allgemeinen Verkehrskreise richtet. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, befand sich die Presseerklärung gemäß Anlage K 9 allgemein zugänglich auf der Webseite der Beklagten, so dass jeder Verbraucher, der sich für die Plattform der Beklagten interessiert, diese zur Kenntnis nehmen und – trotz der Verwendung gewisser marketingspezifischer Ausdrücke – auch inhaltlich verstehen konnte, jedenfalls, was die hier streitgegenständliche Aussage „Deutschlands größte Online-Partnervermittlung“ betrifft, die plakativ zu Beginn der Presseerklärung erfolgt. Nachdem sich die angegriffenen Werbeaussagen demnach auch an das allgemeine Publikum – also an jeden an dem Dienstleistungsangebot interessierten, erwachsenen Internetnutzer – richten, kann der Senat – wie auch bereits das Landgericht – selbst beurteilen, wie diese von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst werden (vgl. BGH GRUR 2012, 1053 Rn. 22 – Marktführer Sport).
c) Eine Spitzen- bzw. Alleinstellungswerbung ist unter Anwendung des § 5 UWG danach zu beurteilen, ob das, was in einer Werbeaussage nach Auffassung der Umworbenen behauptet wird, sachlich richtig ist. Dabei genügt es nicht, dass der Werbende einen nur geringfügigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat. Vielmehr erwartet der Verbraucher eine nach Umfang und Dauer wirtschaftlich erhebliche Sonderstellung, d. h. der Werbende muss einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern haben, und der Vorsprung muss die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bieten (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2004, 786, 788 m.w.N. – Größter Online-Dienst; BGH GRUR 2003, 800, 802 – Schachcomputerkatalog; BGH GRUR 1985, 140, 141 – Größtes Teppichhaus der Welt; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 5 Rn. 1.151 m.w.N.). Allgemeine Hinweise auf die Größe eines Unternehmens werden im Verkehr als ernst zu nehmende Aussagen verstanden, die auf ihre objektive Richtigkeit hin nachprüfbar sind (BGH GRUR 1985, 140 – Größtes Teppichhaus der Welt; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 1.154 m.w.N.). Welche tatsächlichen Umstände vorliegen müssen, damit sich ein Unternehmen als „größtes“ bezeichnen darf, hängt davon ab, welchen Sinn ein erheblicher Teil des Verkehrs der Größenbehauptung im Einzelfall beimisst, wobei für die Größe eines Unternehmens häufig mehrere Faktoren als bestimmend angesehen werden; dann ist die Größenbehauptung bereits unzulässig, wenn einer dieser Faktoren, den der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher als vorliegend erachtet, mit den wirklichen Verhältnissen nicht im Einklang steht (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 1.154, Rn. 4.75). Je nach Branche und Unternehmen können dabei als Faktoren die Umsatzzahlen, das Warenangebot, die räumliche Ausdehnung des Geschäfts, die Betriebsgebäude, die betriebliche Organisation, die Zahl der Beschäftigten und die Lagerbestände eine Rolle spielen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 4.75). Die Klägerin nennt als Merkmale für die Größe einer Online-Dating-Plattform folgende Kriterien: Die Zahl der jemals registrierten Mitglieder, die Zahl der aktuell registrierten Mitglieder, die Anzahl der potentiell vermittelbaren Mitglieder, die Zahl der Neuregistrierungen, die Leistungsfähigkeit, den Nutzungsumfang („traffic“) sowie die Marktanteile (ermittelt aus der Zahl der registrierten Mitglieder, den individuellen monatlichen Benutzerzahlen sowie den Erlösen ohne Werbeerlöse). Nach Auffassung der Beklagten kommt es demgegenüber allein auf die Zahl der zahlungspflichtigen Premium-Mitglieder an.
d) Wie das Landgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat, werden die angesprochenen Verkehrskreise als zumindest ein maßgebliches Kriterium für die von der Beklagten angepriesene „Größe“ ihres Unternehmens die Anzahl der aktuell registrierten, tatsächlich vermittelbaren Mitglieder der Beklagten ansehen, also derjenigen Kunden der Beklagten, die zur Kontaktaufnahme freigeschaltet sind, so dass mit diesen ein Kennenlernen und Treffen real möglich ist. Denn der angesprochene Durchschnittsverbraucher wird davon ausgehen, dass die „größte (Online-)Partnervermittlung“ ihm die umfangreichste Möglichkeit der Kontaktvermittlung bietet, also die größte Anzahl von Kunden aufweist, die tatsächlich vermittelbar sind und mit denen man in Kontakt treten kann. So hat auch der Bundesgerichtshof bei einem Online-Dienst, der sich als „Europas größter Online-Dienst“ bezeichnet hat, festgestellt, der Verkehr erwarte, dass dieser die meisten Kunden habe und von diesen am umfangreichsten genutzt werde (vgl. BGH GRUR 2004, 786, 788 – größter Online-Dienst). Die Frage des Nutzungsumfangs, den die Klägerin vorliegend mit der Anzahl der Plattform-Besucher bzw. als „traffic“ qualifiziert, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da – wie nachfolgend ausgeführt wird – bereits das erforderliche Kriterium einer mit signifikantem Abstand größten Anzahl der tatsächlich vermittelbaren Mitglieder bei der von der Beklagten betriebenen Online-Dating-Plattform „P…ship“ nicht festgestellt werden kann. Auf die Anzahl aller jemals registrierten Mitglieder kann es demgegenüber entgegen dem Dafürhalten der Klägerin nicht ankommen, da diese keine Aussage darüber trifft, wie viele Mitglieder aktuell registriert sind, zumal gerade bei Online-Dating-Plattformen typischerweise ein häufiger Mitgliederwechsel stattfindet. Auch die Anzahl der Neuregistrierungen von Mitgliedern gibt keinen Aufschluss auf die Größe des Online-Dating-Portals, sondern allenfalls darüber, ob dieses schnell wächst, wobei aber hierfür auch die Zahl der ausscheidenden Mitglieder den Neuregistrierungen gegenüber gestellt werden müssten. Auf die Anzahl der zahlungspflichtigen Mitglieder, wie die Beklagte geltend macht, kann es demgegenüber nur insoweit ankommen, als die jeweilige Dating-Plattform – wie es bei dem Portal der Beklagten P…ship der Fall ist – die Möglichkeit der Vermittelbarkeit nur zahlenden Mitgliedern eröffnet.
e) Das landgerichtliche Urteil beruht nicht auf einem Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO und verletzt auch nicht die im Zivilprozess geltende Dispositionsmaxime (vgl. BGH GRUR 2018 431 Rn. 9 ff. – Tiegelgröße), soweit dort Merkmale angeführt werden, die der angesprochene Verkehr mit der Größe einer OnlinePartnervermittlung verbinden würde, welche seitens der Klagepartei nicht vorgebracht wurden, wie etwa die Mitarbeiterzahl oder Serverkapazität. Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO liegt vor, wenn das Gericht über etwas anderes entscheidet als beantragt ist, wenn es also seinem Urteilsspruch über einen Unterlassungsantrag einen anderen Klagegrund zugrunde legt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Antrag begründet hat. Wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat (vgl. BGH GRUR 2018 431 Rn. 13 – Tiegelgröße; BGH GRUR 2018, 203 Rn. 18 – Betriebspsychologe), entspräche ein zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff, der sich streng an dem vorgetragenen Lebenssachverhalt orientiert und im Rahmen des Irreführungstatbestands des § 5 UWG bereits jede Variante – wie beispielsweise jede auch nur geringfügig abweichende, durch ein und dieselbe Werbeaussage bewirkte Fehleinschätzung der Verbraucher – einem neuen Streitgegenstand zuordnet, nicht der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise und würde darüber hinaus zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Vielmehr ist in den Fällen, in denen sich die Klage – wie vorliegend – gegen die konkrete Verletzungsform richtet, in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird. Der weitgefasste Streitgegenstandsbegriff darf allerdings nicht dazu führen, dass der Beklagte neuen Angriffen des Klägers gegenüber schutzlos gestellt oder gezwungen wird, sich von sich aus gegen eine Vielzahl von lediglich möglichen, vom Kläger aber nicht konkret geltend gemachten Irreführungsaspekten zu verteidigen. Daher darf das Gericht vor dem Hintergrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime seine Verurteilung nur auf diejenigen Irreführungsgesichtspunkte stützen, die die Klagepartei schlüssig vorgetragen hat, wobei diese substantiiert diejenigen Irreführungsaspekte darzulegen hat, auf die sie ihren Klageangriff stützen will, was Vortrag dazu voraussetzt, durch welche Angabe welcher konkrete Verkehrskreis angesprochen wird, welche Vorstellungen die Angabe bei diesem angesprochenen Verkehrskreis ausgelöst hat, warum diese Vorstellung unwahr ist und dass die so konkretisierte Fehlvorstellung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (vgl. BGH a.a.O. Rn. 16 – Tiegelgröße). Die Klägerin hat vorliegend unter anderem die Zahl der tatsächlich zur Vermittlung freigeschalteten Mitglieder, der Neuregistrierungen und der Seitenaufrufe („traffic“) als Kriterien angeführt, die der Verkehr mit der Größe eines Online-Dating-Portals verbinden würde, und das Landgericht hat das angefochtene Urteil darauf gestützt, dass unter anderem nicht dargetan sei, dass die Beklagte in diesen Merkmalen gegenüber ihren Wettbewerbern überlegen sei, wobei nach der Begründung des Landgerichts bereits das Fehlen eines der relevanten Merkmale zur Unzulässigkeit der Größenbehauptung führt, so dass das Ersturteil bereits hierauf beruht, ohne dass es auf die weiteren, vom Landgericht über den Klagevortrag hinaus eingeführten möglichen Größen-Kriterien ankäme.
f) Bei der Bestimmung des für die behauptete Spitzenstellung maßgeblichen Vergleichsmarkts wird der durchschnittlich verständige Verkehrsteilnehmer erfahrungsgemäß die übrigen Marktteilnehmer nur insoweit in Betracht ziehen, als sie ihm unter Berücksichtigung des Inhalts der konkreten Werbeaussage in tatsächlicher Hinsicht mit dem mit der Spitzenstellung werbenden Unternehmen vergleichbar erscheinen (vgl. BGH GRUR 2012, 1053 Rn. 25 – Marktführer Sport). Jedenfalls erhebliche Teile der angesprochenen Durchschnittsverbraucher werden dem sachlichen Vergleichsmarkt in Bezug auf eine „OnlinePartnervermittlung“ auch solche Online-Dating-Plattformen zuordnen, die nach der Argumentation der Beklagten unter ein eigenständiges Marktsegment der „Single-Börsen“ fallen sollen. Der angesprochene Verkehr wird bei diesem Verständnis also folglich auch diese Online-Dating-Anbieter als in den streitgegenständlichen Spitzenstellungsvergleich mit einbezogen ansehen.
aa) Zwar ist eine begriffliche Unterscheidung im Sinne von „Online-Partnervermittlungen“ und „Online-Singlebörsen“ existent, wie von der Beklagten aufgezeigt (vgl. insbes. Anlagenkonvolut B 28) und auch vom Bundeskartellamt in seinem Beschluss vom 22.10.2015, Az. B 6 57/15 (Anlage B 19), zugrunde gelegt, wobei „Online-Partnervermittlungen“ eher mit einer klassischen Partnervermittlung verglichen werden, bei welcher eine langfristige Partnerschaft vermittelt werden soll, wohingegen bei „Single-Börsen“ der „zwanglose“ Ansatz überwiegt, diese also auch auf Flirtkontakte gerichtet sein sollen. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass eine derartige begriffliche Unterscheidung zwischen „Online-Partnervermittlungen“ und „Single-Börsen“ vom angesprochenen Verkehr grundsätzlich vorgenommen bzw. verstanden würde, vielmehr sind die Begrifflichkeiten hier im Rahmen der allgemeinen sprachlichen Verwendung fließend. Allerdings vermag der als Anlage K 26 bzw. B 28 vorgelegte Testbericht der Stiftung Warentest die Argumentation der Klagepartei nach dem Dafürhalten des Senats nicht zu stützen, da dort gerade eine Differenzierung zwischen „Single Börsen“ (worunter das Portal „F.Scout24“ der Klägerin gezählt wird) und „Online-Partnervermittlungen“ (worunter das Angebot „P…ship“ der Beklagten eingeordnet wird) vorgenommen wird. Auch der Umstand, dass die Klägerin hierauf eine Bewerbung als „Testsieger“ gründet (wie auf Seite 28 der Klageerwiderung /Bl. 85 d. A. ersichtlich), vermag entgegen dem Dafürhalten des Landgerichts eine begriffliche Austauschbarkeit der getesteten Dienste nicht zu belegen, zumal auch in der Werbung der Klägerin selbst begrifflich zwischen „Online-Singlebörsen“ und „Online-Partnervermittlungen“ unterschieden wird. Die Klägerin hat aber daneben zahlreiche Berichte und Artikel angeführt, in denen eine begriffliche Unterscheidung zwischen „Single-Börsen“ und „Online-Partnervermittlungen“ gerade nicht vorgenommen wird (vgl. Anlagen K 31, K 32, K 44, K 45, K 46, K 47, K 48 und K 49) und insbesondere das Online-Dating-Portal der Beklagten „P…ship“ auch in der Öffentlichkeit als „Single-Börse“ bezeichnet wird (vgl. Affiliate-Werbung, Anlagen K 54, K 55; Focus-Artikel vom 02.07.2016, Anlage K 30, Seite 65; Interview mit Herrn H. W. in der ARD-Reportage „Die Liebesfalle“, Anlage K 60). Auch die Beklagte kann im Übrigen nicht in Abrede stellen, dass bei den von ihr als „Single-Börsen“ qualifizierten Online-Dating-Portalen, wie etwa dem Portal der Klägerin LoveScout24, zum tatsächlichen Angebot auch eine mögliche, sich aus dem vermittelten Kontakt ergebende längerfristige Partnerschaft gehört; umgekehrt wird auch bei den von der Beklagten als „Partnervermittlungsbörsen“ qualifizierten Online-Dating-Portalen, wie dasjenige der Beklagten „P…ship“, die Möglichkeit eines bloßen Flirts oder zwanglosen Kennenlernens eröffnet. So hat auch das Bundeskartellamt in seinem Beschluss vom 22.10.2015 (Anlage B 19, Az. B 6-57/15) unter Auswertung verschiedener Studien, im Rahmen derer die Verkehrskreise nach dem Grund für die Nutzung von Online-Dating-Plattformen gefragt wurden, festgestellt, dass „die Produkteigenschaften und Verwendungszwecke auch aus Sicht der Nutzer nicht hinreichend bedeutend sind, um hieraus einen eigenen Markt zu folgern“ (vgl. Seite 28 Rn. 91 der Anlage B 19). Weiter führt das Bundeskartellamt auf Seite 28 unter Rn. 91 aus: „Die Auswertung der Daten ergibt, dass bei der Betrachtung des Bedarfs der Nachfrager keine eindeutige Grenzziehung zwischen einem eher dem Dating zuzurechnenden Bedarf nach lockeren Flirts und einem eher dem Matchmaking zuzurechnenden Bedarf nach fester Partnerschaft erfolgt und dieser Bedarf bestimmten Plattformen zuzuordnen wäre. Die Nutzer haben eine überaus heterogene Vorstellung von den Verwendungszwecken der Online-Dating-Plattformen. Es herrscht bei den Nutzern eine deutliche Überlagerung der Zielsetzungen vor. Die Mehrheit der Befragten verfolgen bei der Nutzung der Online-Dating-Plattformen letztlich sowohl das Ziel eines lockeren Flirts an dem einen Ende der Skala als auch das Ziel einer festen langfristigen Partnerschaft am anderen Ende. Zum anderen lässt sich das eine Ziel vom anderen kaum trennen, da letztlich im Vorfeld nicht absehbar ist, ob es bei einem (mehr oder weniger) lockeren Flirt bleibt oder sich daraus eine feste Partnerschaft ergeben kann. Die Vorstellungen der Nutzer von Partnerschaft sind schließlich überaus heterogen.“ Weiter wird auf Seite 29 des Beschlusses unter Rn. 93 ausgeführt, die Antworten aus den Verkehrsbefragungen würden zeigen, „dass Dating-Plattformen sowohl für eine feste Partnerschaft als auch für ein weniger verbindliches Dating oder Flirten genutzt werden. Insbesondere gaben mit 55% mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie selbst nicht genau wissen, was sich letztlich durch die Vermittlung ergeben werde“. Unter Rn. 94 auf Seite 29 des Beschlusses stellt das Bundeskartellamt weiter fest: „Die Mehrfachantworten bringen zum Ausdruck, dass die Befragten – die selbst auf Partnersuche sind und Dating-Plattformen nutzen – sowohl an Dating als auch an einer festen Partnerschaft interessiert sind und für diesen Zweck Online-Dating-Plattformen nutzen. Eine Trennung der Zielsetzungen Dating und feste Partnerschaft ist dabei nicht erkennbar. Insbesondere da im Vorfeld nicht absehbar ist, ob ein Flirt oder ein Date tatsächlich hin zu einer festen Partnerschaft führt, ist es insofern auch nachvollziehbar, dass die Nutzer von Online-Dating-Plattformen entsprechend mit einerbreiteren Erwartungshaltung diese nutzen.“
Zwar ist die Beurteilung, ob aus kartellrechtlicher Sicht eine sachliche Marktabgrenzung zwischen „Single-Börsen“ und „Online-Partnervermittlungen“ vorzunehmen ist – wie vom Bundeskartellamt mit Beschluss vom 22.10.2015 (Anlage B 19) verneint – von der hier relevanten wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zu unterscheiden, bei welcher im Rahmen der Prüfung des Irreführungstatbestands nach § 5 UWG maßgeblich ist, auf welchen sachlichen Vergleichsmarkt der angesprochene Verkehr die Spitzenstellungswerbung der Beklagten bezieht (vgl. BGH GRUR 2012, 1053 Rn. 25 – Marktführer Sport). Allerdings vermögen die Feststellungen des Bundeskartellamts auch im Rahmen der hier vorzunehmenden Beurteilung aufzuzeigen, dass der angesprochene Verkehr keine Unterscheidung zwischen sog. „Online-Partnervermittlungen“ und sog. „Single-Börsen“ dahingehend vornimmt, dass er die am Markt befindlichen Online-Dating-Portale danach einteilen würde, ob er einen unverbindlichen Flirt sucht oder eine feste Partnerschaft anstrebt. Vielmehr sind die Grenzen hier fließend, wobei die Angebote der verschiedenen Dating-Portale grundsätzlich beide Bedürfnisse – also die Suche nach einem zwanglosen Flirt oder nach einer festen Partnerschaft – abdecken. Der durchschnittlich informierte und angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher wird demzufolge also keine Unterteilung zwischen den hier in Rede stehenden Online-Dating-Anbietern dahingehend vornehmen, dass bei einem Teil der Anbieter lediglich unverbindliche Flirtkontakte und bei dem anderen Teil nur feste Partnerschaften vermittelt werden sollen. Auch wird der angesprochene Durchschnittsverbraucher, der die streitgegenständliche Werbung zur Kenntnis nimmt, und noch nie Kunde bei einem Online-Dating-Portal war, sich noch keine näheren Gedanken darüber machen bzw. hierüber auch keine Informationen haben, auf welche konkrete Art und Weise bei den am Markt tätigen Online-Dating-Portalen die Vermittlung der potentiellen Kontakte jeweils erfolgt, also insbesondere, ob und wie ein sog. „Matching“ – also das Ermitteln und Vorschlagen möglichst gut passender Partnervorschläge, ggf auch mittels Persönlichkeitstest – durchgeführt wird.
bb) Für die Annahme einer wettbewerblichen Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG genügt es, wenn ein erheblicher Teil der angesprochenen situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbraucher durch die Werbung in die Irre geführt wird; nicht erforderlich ist, dass die Angabe geeignet ist, jeden durchschnittlich informierten und verständigen Werbeadressaten irrezuführen. Denn auch durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher können eine Werbeangabe unterschiedlich auffassen (BGH GRUR 2012, 1053 Rn. 20 -Marktführer Sport; BGH GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung). Es kann also unterstellt werden, dass Teile des Verkehrs ihrem Verständnis nach eine konkrete begriffliche Differenzierung zwischen „Single-Börsen“ und „OnlinePartnervermittlungen“ vornehmen – wie sie z. B. in den von der Beklagten mit Anlagenkonvolut B 28 vorgelegten Berichten und Artikeln zum Ausdruck kommt und darunter sachlich unterschiedliche Dienstleistungsangebote verstehen. Dieser Teil des Verkehrs wird die streitgegenständliche Spitzenstellungsbehauptung der Beklagten gegebenenfalls nur im Sinne eines Vergleichs mit „OnlinePartnervermittlungen“ im Sinne dieser begrifflichen Differenzierung auffassen. Jedenfalls ein erheblicher Teil der angesprochenen situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbraucher, die die angegriffene Werbung zur Kenntnis nehmen, wird aber in weniger scharfen Begriffszusammenhängen denken (vgl. auch BGH GRUR 1985, 140, 151 – Größtes Teppichhaus der Welt), also die streitgegenständliche Spitzenstellungsbehauptung so verstehen, dass sich diese auch auf einen Vergleich zu den von der Beklagten bezeichneten „Single-Börsen“ beziehen soll. Dieses Verständnis eines erheblichen Teils des angesprochenen Verkehrs ergibt sich daraus, dass – wie oben dargelegt – die Begrifflichkeiten „Single-Börse“ und „Online-Partnervermittlung“ allgemein im Verkehr nicht strikt auseinandergehalten, sondern vielmehr vermengt bzw. unterschiedlich verwendet werden. Allgemein kommt dem Begriff der „Partnervermittlung“ die Bedeutung zu, dass ein Kontakt für eine etwaige Partnerschaft vermittelt werden soll; dies leisten aber auch die von der Beklagten unter die Kategorie „Single-Börsen“ eingestuften Dating-Plattformen, wie etwa die Plattform der Klägerin. Die Tatsache, dass man in dem dortigen Angebot auch Kontaktvermittlungen für lediglich unverbindliche Flirtbekanntschaften findet, führt nicht dazu, dass diese Dienste nicht auch die Dienstleistungen einer „Partnervermittlung“ im begrifflichen Sinne anbieten würden. Auch das Angebot dieser sog. „Single-Börsen“ ist nach den Bedürfnissen des angesprochenen Verkehrs unter dem Aspekt des Ziels der Vermittlung von Kontakten zum Zwecke eines unverbindlichen Flirts und/oder einer längerfristigen Partnerschaft mit dem beworbenen Angebot der Beklagten vergleichbar. Dabei erkennt der angesprochene Verkehr, dass die Beklagte auch zu diesen Dating-Portalen in offensichtlicher unmittelbarer Konkurrenz steht, so dass die Annahme nahe liegt, dass sich die streitgegenständliche Spitzenstellungswerbung auch darauf bezieht, sich von diesen Konkurrenten abzuheben. Die aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs gegebene Vergleichbarkeit zeigt sich auch aus dem unstreitigen Phänomen des sogenannten „Multi-Homing“, also dem Umstand, dass die verschiedenen Plattformen von erheblichen Teilen des Verkehrs auch parallel genutzt werden (vgl. Beschluss des Bundeskartellamts, Anlage B 19, Seite 30, Rn. 96 ff.).
g) Im Rahmen des sachlich relevanten Vergleichsmarktes trifft die Spitzenstellungsbehauptung der Beklagten, wonach sie die größte (Online-)Partnervermittlung Deutschlands sei, nach den zugrundeliegenden Feststellungen nicht zu.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Werbung mit einer Spitzenstellung zutreffend ist, trifft zwar grundsätzlich den Kläger; wer allerdings die geschäftlichen Verhältnisse seiner Mitbewerber in der Weise in seine Werbung einbezieht, dass er behauptet, er sei das größte Unternehmen seiner Branche, muss nach Treu und Glauben auch darlegen und erforderlichenfalls beweisen, wie es sich mit der Größe und Bedeutung seiner Mitbewerber verhält, wenn der die Alleinstellungsbehauptung beanstandende Kläger hierzu nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten in der Lage ist (vgl. BGH GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt). Denn wer eine Alleinstellungsbehauptung aufstellen will, muss sich vorher über die geschäftlichen Verhältnisse seiner Mitbewerber unterrichten und kann deshalb über diese – jedenfalls bei pflichtgemäßem Handeln -ebenso unschwer nähere Angaben machen, wie über innerbetriebliche Vorgänge (vgl. BGH a.a.O. – Größtes Teppichhaus der Welt). Für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast besteht allerdings kein Anlass, wenn die Klagepartei die für die Beurteilung der Spitzenstellung maßgeblichen Tatsachen ohne erhebliche Schwierigkeiten darlegen und beweisen kann (vgl. BGH GRUR 2015, 186 Rn. 10 – Wir zahlen Höchstpreise; BGH, Beschluss vom 19.04.2012, Az.: I ZR 173/11, BeckRS 2012, 13391 Rn. 9 – Bester Preis der Stadt).
bb) Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausgeführt, die Zahl der zahlungspflichtigen Premiummitglieder in Deutschland beliefe sich zum 30.11.2017 bei P…ship auf 178.784 Mitglieder. Konkrete Zahlen hinsichtlich zahlender Mitglieder bei konkurrierenden Portalen könnten nicht genannt werden. Es bleibe dabei, dass die Beklagte deren Zahlen im Wege der Schätzung aus den Erhebungen des Bundeskartellamts geschlossen habe, wie auch in der Klageerwiderung vorgetragen sei (vgl. Sitzungsprotokoll vom 12.12.2017, Seite 2, Bl. 251 d. A.). Entgegen dem Dafürhalten des Landgerichts ist die Beklagte nicht gehalten, die maßgeblichen Mitgliederzahlen des von der Klägerin betriebenen Online-Dating-Portals L…Scout24 darzulegen und zu beweisen, da es sich hierbei ersichtlich um solche Tatsachen handelt, die die Klägerin selbst ohne erhebliche Schwierigkeiten darlegen und beweisen kann (vgl. BGH a.a.O., GRUR 2015, 186 Rn. 10 – Wir zahlen Höchstpreise; BGH a.a.O., BeckRS 2012, 13391 Rn. 9 – Bester Preis der Stadt). Die Klägerin hat zur Anzahl der bei ihr registrierten zahlungspflichtigen Mitglieder jedoch keine Angaben gemacht, sondern lediglich die hierzu von der Beklagten genannte Zahl von 78.940 zum Stand Dezember 2014 (vgl. Anlage B 36) bestritten. Im Übrigen vertritt die Klägerin die Auffassung, dass hinsichtlich ihrer Plattform L…Scout24 auf die Zahl aller aktuell registrierter Mitglieder abzustellen sei, da für diese eine Kontaktaufnahme und damit Vermittlung möglich sei und hat hierzu in ihrer Replik vom 18.07.2017 auf Seiten 61, 62 (Bl. 180, 181 d. A.) entsprechende Zahlen genannt, wonach zum 01.07.2017 die Zahl der aktuell registrierten Mitglieder 1.954.735 betragen haben soll. Diesem Ansatz der Klägerin kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn auch bei dem Geschäftsmodell der Plattform L…Scout24 können Mitglieder Kontakt zu anderen Mitgliedern, insbesondere mittels Textnachricht, grundsätzlich nur aufnehmen, wenn sie eine kostenpflichtige Mitgliedschaft („Premium-Mitgliedschaft“) abschließen (vgl. Art. 2 Abs. 3 der AGB der Klägerin, Anlage K 2).
Die von der Klägerin ins Feld geführte „Connect-Funktion“, welche es ihrem Vortrag nach auf der Plattform L…Scout24 auch nicht zahlenden Basis-Mitgliedern ermöglicht, mit anderen Mitgliedern Kontakt aufzunehmen, die die sogenannte „Connect-Option“ als „Premium-Mitglied“ individuell hinzugebucht hätten, vermag nicht dazu zu führen, dass sämtliche Mitglieder der Klägerin als Vergleichsmaßstab heranzuziehen sind. Denn aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, die sich für die Größe der auf dem Markt befindlichen OnlinePartnervermittlungen interessieren, ist – wie bereits dargelegt – maßgeblich, wie groß die Anzahl der tatsächlich vermittelbaren Mitglieder ist, also derjenigen Kunden des Online-Dating-Portals, mit denen eine Kontaktaufnahme möglich ist. Dies sind auch auf dem Portal L…Scout24 der Klägerin aus Sicht der zahlenden Kunden grundsätzlich nur die zahlenden anderen Mitglieder bzw. aus Sicht der nicht zahlenden Basiskunden die kleinere Schnittmenge der zahlenden „Connect-Mitglieder“.
Auch die von der Klägerin angeführten in der Realität veranstalteten Events, bei denen sämtliche Mitglieder die Möglichkeit hätten, sich gegenseitig kennenzulernen, haben hier außer Betracht zu bleiben. Denn derartige Veranstaltungen in der Realität sind nicht Teil der Dienstleistungen, die aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bei einem Online-Dating-Portal im Fokus stehen.
Schließlich sind bei der Beurteilung auch nicht die Mitgliederzahlen der Plattform NEU.de, die von einem Schwesterunternehmen der Klägerin betrieben wird, hinzuzurechnen, auch soweit – was seitens der Beklagten bestritten wird – den Mitgliedern der klägerischen Plattform tatsächlich Profile der N. .de-Mitglieder angezeigt und kontaktierbar gestellt werden. Denn aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der nichts von der konzernmäßigen Verbindung der beiden Unternehmen weiß (geschweige denn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gelesen hat, vgl. Art. 2 Abs. 5, Anlage K 2), handelt es sich bei den Betreibern der Plattformen L…Scout24 und N…de um eigenständige Unternehmen, die ihre Dienstleistungen unter unterschiedlichen Marken anbieten und vom Verkehr nicht als wirtschaftliche Einheit, sondern vielmehr als konkurrierende Wettbewerber wahrgenommen werden. Demgemäß wird der angesprochene Verkehr den Größenvergleich in der streitgegenständlichen Werbung der Beklagten in Bezug auf die Anbieter L…Scout24 und N…de so verstehen, dass die Beklagte in Bezug auf jedes dieser beiden – nach außen am Markt eigenständig auftretenden – Online-Dating-Portale für sich genommen die meisten vermittelbaren Mitglieder als Kunden hat und nicht dahingehend, dass die Beklagte mehr vermittelbare Kunden hat als die Portale L…Scout24 und N. .de zusammengerechnet (vgl. BGH GRUR 2012, 1053 RN. 26 ff. – Marktführer Sport). Dabei sind und bleiben die Mitglieder der Plattform N…de – auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 18.07.2017, Seite 45, Bl. 164 d. A., wonach die verbundenen Unternehmen stets separate Datenbanken nutzten) – allein Mitglieder der Plattform N…de, so dass eine bloße datenübergreifende Zugriffsmöglichkeit auf die Mitglieder der anderen Plattform nicht dazu führt, dass die Anzahl derjenigen Kunden, die dem Portal L…Scout24 der Klägerin angehören, größer wäre. Nachdem die Größe eines Unternehmens aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs auch für die Einschätzung dessen Erfolgs und der Qualität der von ihm angebotenen Dienstleistungen maßgeblich ist, kann es hier aber nur auf die Anzahl derjenigen Mitglieder ankommen, die sich tatsächlich als Kunden für die Plattform der Klägerin entschieden haben.
cc) Letztendlich kann die Frage, ob bei der Beurteilung der Größe der Online-Dating-Plattform der Klägerin L. Scout24 auch Mitglieder des Portals N. .de zu berücksichtigen sind, aber dahingestellt bleiben, da nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt weitere Online-Dating-Portale auf dem sachlich relevanten Vergleichsmarkt vorhanden sind, die mehr tatsächlich vermittelbare Mitglieder als Kunden vorweisen können, als die Plattform P…ship der Beklagten. Nachdem nämlich – wie oben ausgeführt – unter den Begriff der „OnlinePartnervermittlungen“ aus der Sicht eines erheblichen Teils der angesprochenen Durchschnittsverbraucher auch solche Online-Dating-Portale zu zählen sind, die die Beklagte als „Single-Börsen“ bezeichnet, sind in den Größenvergleich unter anderem auch die auf Seite 14 des als Anlage B 19 vorgelegten Beschlusses des Bundeskartellamts vom 22.10.2015 unter Rn. 46 genannten Online-Dienste T. und Lovoo mit einzubeziehen. Die Online-Dating-Plattformen T. und Lovoo unterfallen aus der Sicht eines erheblichen Teils des angesprochenen Verkehrs dem sachlich relevanten Vergleichsmarkt der Online-Partnervermittlungen, auf den sich die angegriffene Spitzenstellungsbehauptung der Beklagten bezieht. Die dort angebotene Vermittlung von Kontakten kann je nach Interesse des Nutzers sowohl zu bloßen Flirts wie auch zu Partnerschaften führen (vgl. Beschluss des Bundeskartellamts vom 22.10.2015, Seite 14 Rn. 46). Der Begriff „OnlinePartnervermittlung“ bezieht sich dabei auch auf solche Dienste, die – wie es bei T. und Lovoo der Fall ist – insbesondere für die Nutzung mit einer mobilen App für Smartphones und Tablets ausgelegt sind, da auch die Nutzung der jeweiligen App mittels Internet erfolgt, also dadurch, dass der Nutzer „online“ ist. Im Übrigen ist T. laut dem von der Beklagten vorgelegten Wikipedia-Auszug (Anlage B 48) auch ohne zusätzlich zu installierende Software über den Internetbrowser anwendbar. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts (Seite 14 Rn. 46 des als Anlage B 19 vorgelegten Beschlusses) hatten T. 2015 ca. 2 Mio. und Lovoo zwischen 4 Mio. und 8 Mio. Mitglieder in Deutschland. Die Klägerin hat in der Klageschrift auf Seiten 34 und 44 geltend gemacht, dass die Plattform Lovoo mit 15 Mio. jemals registrierten Mitgliedern in Deutschland größer sei als die Plattform der Beklagten. In ihrer Berufungserwiderung (Seite 17) hat die Klägerin außerdem die Zahl der tatsächlich vermittelbaren Mitglieder bei der Plattform T. auf derzeit insgesamt 3,8 Mio. in Deutschland beziffert. Dabei sind bei diesen Plattformen sämtliche registrierten Mitglieder für den hier zu beurteilenden Größenvergleich relevant, da dort sämtlichen Nutzern eine kostenlose Kontaktvermittlung, insbesondere auch die Kontaktaufnahme zu anderen Mitgliedern mittels Freitextnachrichten, angeboten wird (vgl. Anlagen K 61, K 62).
Der Tatsachenvortrag der Klägerin zu dem Online-Dating-Dienst T. ist nicht gem. § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert. Zum einen ergab sich die (unstreitige) Existenz des Dienstes T. und die Anzahl von ca. 2 Mio. Nutzern (2015) schon erstinstanzlich aus dem als Anlage B 19 vorgelegten Beschluss des Bundeskartellamts vom 22.10.2015 auf Seite 14 unter Rn. 46. Zum anderen hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten, dass die Anzahl der tatsächlich vermittelbaren Mitglieder bei T. (laut Klagevortrag 3,8 Mio.) größer ist als bei Parship (die laut Beklagtenvortrag zum 30.11.2017 weit darunter lagen, nämlich bei 178.784). Unstreitige Tatsachen, die erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen werden, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofes unabhängig von den Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen (BGH NJW 2008, 3434 Rn. 10; BeckOK ZPO/Wulf, 29. Ed. 01.07.2018, ZPO § 531 Rn. 8). Die Klägerin hat ihrer Vortragslast genügt, indem sie substantiiert die Anzahl der Mitgliederzahl von T. vorgetragen hat. Die sodann erklärungsbelastete Beklagte hat hierauf grundsätzlich ebenfalls substantiiert (also mit näheren positiven Angaben) zu erwidern und muss erläutern, von welchen tatsächlichen Umständen sie als mit der angeblichen Spitzenstellung Werbende ausgeht (vgl. BGH NJW-RR 2017, 842 Rn. 13). Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht (BGH NJW 2015, 468 Rn. 11). Das bloße Bestreiten der angegebenen konkreten Mitgliederzahl mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) genügt den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten (§ 138 Abs. 3 ZPO) vorliegend nicht. Zwar liegt die Anzahl der Mitglieder des Dienstes T. nicht im unmittelbar eigenen Wahrnehmungsbereich der Beklagten, sie hat aber als Werbende mit einer Spitzenstellung grundsätzlich darzutun, worauf sie diese Behauptung gründet, denn wer eine Alleinstellungsbehauptung aufstellt, hat sich vorher über die geschäftlichen Verhältnisse seiner Mitbewerber zu unterrichten (vgl. BGH GRUR 1985, 140, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt). Die Beklagte hat jedoch nicht dargetan, wie hoch die Anzahl der T.-Mitglieder ihren Erkenntnissen nach ist bzw. weshalb sie hierüber keinerlei Erkenntnisse haben will. Im Übrigen hat die Beklagte jedenfalls nicht in Abrede gestellt, dass die Zahl der T.-Mitglieder (unabhängig von der konkreten Höhe) jedenfalls über derjenigen ihrer zahlenden Premiummitgliedern liegt (vgl. vielmehr den von ihr selbst vorgelegten Wikipedia-Auszug, Anlage B 48, wonach T. im Jahr 2015 in Deutschland bereits 2 Mio. Nutzer verzeichnen konnte).
Damit handelt es sich bei der Plattform P. ship der Beklagten nicht um diejenige, die in Deutschland die größte Anzahl der tatsächlich vermittelbaren Mitglieder aufweist, so dass die angegriffenen Werbebehauptungen „größte (Online-)Partnervermittlung“ als unzutreffend und irreführend anzusehen sind.
h) Es handelt sich um eine relevante Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG, da diese geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Unternehmen der Beklagten hervorzurufen und die so getäuschten Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zugunsten des Online-Dating-Portals der Beklagten zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten. Denn der angesprochene Verkehr pflegt von der Größe eines Unternehmens auch Rückschlüsse auf die Qualität der angebotenen Leistungen, den Umfang des Leistungsangebots und das Vorhandensein besonderer Preisvorteile zu schließen (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 73 – Europas größter Onlinedienst; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 5 Rn. 4.75).
i) Auch die Abwägung der widerstreitenden Interessen und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 5 Rn. 1.200 ff.) führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis, da die streitgegenständliche Spitzenstellungsbehauptung tatsächlich unzutreffend ist und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die ein zu berücksichtigendes Interesse der Beklagten an einer derartigen Werbung begründen könnten (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, Rn. 1.203 ff.).
3. Die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die Verletzungshandlungen indiziert und besteht mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Beklagten fort.
Auf den Einwand der Verwirkung kann sich die Beklagte nicht berufen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit im Rahmen des Irreführungstatbestands (§ 5 UWG) der Verwirkungseinwand ausgeschlossen ist, nachdem grundsätzlich ein vorrangiges Interesse der Allgemeinheit bestehen dürfte, vor Irreführung bewahrt zu werden und damit ein Besitzstand aufgrund einer unrichtigen Werbebehauptung nicht als schutzwürdig angesehen werden kann (vgl. BGH GRUR 1985, 140, 141, 142 – Größtes Teppichhaus der Welt). Dies hat der Bundesgerichtshof allerdings in seiner Entscheidung „Hardrock Café“ (GRUR 2013, 1161 Rn. 64) nicht mehr angenommen, wobei es dort um die Vermeidung eines Wertungswiderspruchs zum Markenrecht bei einer Irreführung über die betriebliche Herkunft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG ging (vgl. dazu Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl 2018, § 5 Rn. 1.219, wonach auch ansonsten die Sonderbehandlung der Irreführung bei der Verwirkung eigentlich nicht zu rechtfertigen sei). Jedenfalls aber scheidet eine Verwirkung vorliegend schon deshalb aus, weil keine Dauerhandlung inmitten steht, sondern es sich bei den streitgegenständlichen Werbeaussagen um jeweils eigene Verletzungshandlungen handelt, bezüglich derer jeweils mit ihrer Begehung ein neuer Unterlassungsanspruch entstanden ist, so dass die für das Zeitmoment der Verwirkung erforderliche Frist jeweils neu zu laufen beginnt (BGH GRUR 2013, 1161 Rn. 21, 27, 81 – Hardrock Café). Auch längere Untätigkeit des Gläubigers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen kann kein berechtigtes Vertrauen des Unterlassungsschuldners darauf begründen, dass der Gläubiger auch künftig ein derartiges Verhalten dulden und auch in der Zukunft nicht gegen solche – jeweils neuen – Verstöße vorgehen werde (BGH a.a.O. Rn. 21 – Hardrock Café). Damit scheidet eine Verwirkung hinsichtlich der hier streitgegenständlichen, im Jahr 2016 getätigten Werbeaussagen schon mangels des erforderlichen Zeitmoments aus, unabhängig davon, dass in dem von der Beklagten angeführten Rechtsstreit zwischen den Parteien im Jahre 2012 andere Werbebehauptungen der Beklagten gegenständlich waren (vgl. Anlage B 17).
B.
Der Klägerin steht auch der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorgerichtliche Abmahnung vom 02.12.2016 (Anlage K 40) in der geltend gemachten Höhe aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu, da die Abmahnung aus den unter A. ausgeführten Gründen berechtigt war. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.
III.
1. Die Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, Satz 2, 711 Satz 1, Satz 2 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.