IT- und Medienrecht

Irreführende Werbung für eine Schuheinlegesohle mit einer “Revitalisierung” von wichtigen Organen

Aktenzeichen  3 W 59/16

Datum:
10.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135235
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
HWG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Die Werbung für eine Schuheinlegesohle, die der “Revitalisierung” von wichtigen Organen des Körpers dienen soll, enthält eine gesundheitsbezogene Aussage gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG.  (Rn. 10) (red. LS Dirk Büch)
2 Eine Fußreflexzonenmassage ist kein wissenschaftlich anerkanntes Diagnose- und Therapieverfahren.  (Rn. 16) (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

2 HKO 11/16 2016-05-18 Bes LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Bamberg – Kammer für Handelssachen – vom 18.05.2016 wie folgt abgeändert:
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verboten, zu Zwecken des Wettbewerbs im geschäftlichen Verkehr für Schuhwaren wie nachstehend wiedergegeben zu werben:
(Seite einkopieren)
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, für den Fall, dass es nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern, angedroht.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 17.05.2016, beim Landgericht Bamberg – Kammer für Handelssachen – am 17.05.2016 eingegangen, den Erlass einer einstweiligen Verfügung wie nachfolgend einkopiert beantragt,
Die Antragstellerin hat folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Dem Antragsteller gehört eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden an, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art wie diejenigen des Gegners vertreiben (vgl. Mitgliederliste Anlage A 1).
Die Antragsgegnerin warb in der Zeitschrift „A.“ vom 15. April 2016 (Anlage A 3) mit den im Antrag dargestellten Angaben für von ihr vertriebene Schuhwaren. Der Antragsteller, der die streitgegenständliche Werbung für irreführend hält, mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10.05.2016 erfolglos ab.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 17.05.2016 Bezug genommen.
Das Landgericht – Kammer für Handelssachen – hat durch Beschluss vom 18.05.2016 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die beanstandete Werbeaussage keine Wirkungsaussage im Bereich der Linderung von Krankheiten mache, sondern sich auf die Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens beschränke, was wettbewerbsrechtlich zulässig sei. Revitalisierung bedeute nicht, dass eine Erkrankung geheilt werde. Dem Anwender werde nicht vorgegaukelt, dass es sich um eine Heilbehandlung handele.
Gegen den am 23.05.2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 02.06.2016 sofortige Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet. Er verfolgt mit der Beschwerde seinen erstinstanzlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Das Landgericht habe verkannt, dass die beanstandete Werbung den angesprochenen Verkehrskreisen die „Heilung“ der in der Funktion eingeschränkten Organe des Körpers verspreche. Sie weise darauf hin, dass die gezielte Stimulation der Reflexzonen auf den Fußsohlen wichtige Organe des Körpers anrege und revitalisiere. Einer Revitalisierung wichtiger Organe des Körpers bedürfe es nur dann, wenn sich diese nicht bereits in einem vitalen – gesunden – Zustand befänden. Dem Verbraucher werde suggeriert, dass er durch das Tragen der Sohlen eine nicht (mehr) vorhandene Lebenskraft der wichtigen Körperorgane zurück erlangen könne.
Das Landgericht hat wegen der Eilbedürftigkeit von einer Abhilfeentscheidung abgesehen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 935, 940, 936, 922, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige (§ 569 ZPO) sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
1. Der Antragsteller hat einen Verfügungsanspruch ausreichend glaubhaft gemacht.
Er hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung der irreführenden Angaben in der streitgegenständlichen Werbung aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 3a UWG i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 HWG.
a) Gemäß § 1 Abs. 1 HWG ist das Heilmittelwerbegesetz anwendbar bezüglich Arzneimittel, Medizinprodukte und anderer Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG).
Die beworbene Schuheinlegesohle soll nach der expliziten Werbeaussage der Revitailisierung von wichtigen Organen des Körpers dienen, so dass keine Zweifel an der Anwendbarkeit des HWG bestehen. In der Werbung wird bereits als Blickfang in der Überschrift auf die Wirkungen des Fußreflexzonen-Bettes Bezug genommen. Außerdem werden bildlich die einzelnen Fußreflexzonen den jeweiligen Körperorganen wie Lunge, Herzbereich, Magen etc. zugeordnet. Es wird ausgeführt, dass die gezielte Stimulation der Reflexzonen auf den Fußsohlen wichtige Organe des Körpers anrege und revitalisiere. Wie der Antragsteller zutreffend ausführt, bedarf es einer Revitalisierung wichtiger Organe des Körpers nur dann, wenn sich diese nicht (mehr) in einem vitalen Zustand befinden. Dem Verbraucher wird durch die beanstandete Werbung suggeriert, dass er durch das Tragen der Sohlen eine nicht (mehr) vorhandene Lebenskraft der wichtigen Körperorgane zurückerlangen könne. Aus dem weiteren Hinweis, die Sohle anfänglich nur fünf Minuten und täglich nicht mehr als eine Stunde zu tragen, folgt, dass die Antragsgegnerin dem beworbenen Gegenstand ohne Einschränkung die beworbene Wirkung beilegt. Dies kann von einem informierten und verständigen Verbraucher auch nicht anders verstanden werden. Auch der Hinweis, dass das Reflexzonen-Bett für Diabetiker nicht geeignet sei, enthält eine gesundheitsbezogene Aussage. Die Werbeaussage betrifft nicht nur – wie das Landgericht rechtsirrtümlich meint – die Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens.
b) Die streitgegenständliche Werbung der Antragsgegnerin ist bereits gemäß § 3 HWG irreführend, da sie dem Tragen der Einlegesohle eine therapeutische Wirkung beilegt, die nicht hinreichend nachgewiesen ist.
Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben (§ 3 Satz 2 Nr. 1 HWG).
Im vorliegenden Fall kann dahin stehen, ob es sich bei den beworbenen Einlegesohlen um ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 Medizinproduktegesetzes handelt. Die Schuheinlegesohle ist jedenfalls ein Gegenstand, dem eine therapeutische Wirkung beigelegt wird.
Ein Heilmittel bzw. ein sonstiger Gegenstand hat eine ihm beigelegte therapeutische Wirksamkeit oder Wirkung bereits dann nicht, wenn Wirksamkeit oder Wirkung nicht hinreichend nachgewiesen sind (Gröning, Heilmittelwerberecht Kommentar, § 3 HWG Rn. 14).
Wird eine fachlich umstrittene Frage in die Werbung übernommen, übernimmt der Werbende dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet, die Verantwortung für die Richtigkeit. Wird mit einer fachlich umstrittenen Wirksamkeitsangabe geworben, muss der Werbende klarstellen, dass seine Überzeugung von der Wirksamkeit seines Produkts nicht unumstritten ist (BGH WRP 1971, 26 – T.; NJW-RR 1991, 1391, R. II). Tut er dies nicht und erweckt die Werbung bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck der wissenschaftlichen Unangefochtenheit, beschränkt sich der Streitgegenstand auf diese vorgetäuschte Unbestrittenheit. Der Antragsteller braucht in solchen Fällen zwangsläufig nur die fachliche Umstrittenheit der Wirksamkeitsbehauptung darzulegen und zu beweisen.
Der Antragsteller hat insoweit dargelegt und durch Vorlage der Ausführungen in Stiftung Warentest „Die andere Medizin, Alternative Heilmethoden für Sie bewertet“, 2005, S. 151 ff, (Anlage A 6) und des Internetauszuges der AOK (Anlage A 7) glaubhaft gemacht, dass die sog. Fußreflexzonenmassage kein wissenschaftlich anerkanntes Diagnose- und Therapieverfahren ist, wobei sich dies bereits auf die Massage, die von geschulten Physiotherapeuten, Masseuren und Heilpraktikern ausgeführt wird, bezieht. Selbst wenn man entgegen dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Fußreflexzonenmassage etwaige Wirkungen zusprechen wollte, bedeutet dies jedoch nicht, dass sich diese gleichermaßen durch das Tragen der beworbenen Schuheinlegesohle erzielen lasse.
Wer im geschäftlichen Verkehr mit Wirkungsaussagen Werbung treibt, die wissenschaftlich ungesichert sind, hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Angaben zutreffend und richtig sind, wobei Maßstab der Stand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis ist. Ein entsprechender Hinweis fehlt in der beanstandeten Werbeaussage.
Gemäß § 3 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Hierbei handelt es sich um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG, gegen die die Antragsgegnerin verstoßen hat.
2. Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
Nach alledem ist unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die einstweilige Verfügung – wie beantragt – zu erlassen.
III.
Nebenentscheidungen:
1. Die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdegegenstandes auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m § 3 ZPO entsprechend der Angabe des Antragstellers zu seinem Interesse.
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) kommt bereits im Hinblick auf § 542 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht (BGH NJW 2003, 1531).

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