Aktenzeichen 13 C 366/15
Leitsatz
1. Schließen unbekannte Täter mit einem unbeteiligten Dritten einen Arbeitsvertrag, durch den sich der Dritte verpflichtet, sein Bankkonto für eingehende Zahlungen zur Verfügung zu stellen und diese mittels eines Geldtransferdienstes weiterzuleiten, und verwenden die Täter die Daten des Dritten, um ohne dessen Kenntnis in seinem Namen auf Internetplattformen Kaufverträge abzuschließen, kommt kein Kaufvertrag zwischen dem unbeteiligten Dritten und dem Vertragspartner zustande. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird bei der Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden, und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, finden die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend Anwendung, obwohl dem Handelnden ein Vertretungswille fehlte. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger regelmäßig nur dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB analog) oder vom Namensinhaber nachträglich genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht eingreifen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Um das Verhalten der unbekannten Täter dem Dritten zuzurechnen, ist der Umstand, dass der Dritte den Tätern seine persönlichen Daten und seine Kontoverbindung mitteilte und dadurch den Betrug gegenüber dem Vertragspartner faktisch erst ermöglichte, nicht ausreichend. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises gegen die Beklagte.
1. Ein Anspruch gemäß den §§ 323 Abs. 1 und 2, 433 BGB scheitert daran, dass zwischen den Parteien unter Verwendung des Namens der Beklagten und einer mit diesem Namen generierten Emailadresse sowie der Bankdaten der Beklagten zum Verkauf angebotene, streitgegenständliche Kamera kein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Der Beklagten oblag daher nicht die Verpflichtung aus § 433 Abs. 1 BGB, der Klägerin das Eigentum an dieser Kamera zu verschaffen, so dass der Klägerin nicht wegen Nichtleistung zurücktreten und den Kaufpreis zurück verlangen kann.
Auch bei Verkaufsangeboten über Internetportale gelten die §§ 145 ff. BGB (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2001, VIII ZR 13/01, juris). Daher setzt das Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen den Parteien voraus, dass die Klägerin ein von der Beklagten selbst abgegebenes oder ihr jedenfalls zurechenbares Verkaufsangebot wirksam angenommen hat. Davon ist vorliegend nicht auszugehen.
Die Beklagte selbst hat unstreitig kein Angebot über die Veräußerung einer Kamera auf der Internetplattform „“ eingestellt. Die unbekannten Täter haben zwar ein Fremdgeschäft für die Beklagte als Namensträgerin getätigt, trotzdem ist zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen. Denn für die Zurechnung des Verhaltens der unbekannten Täter ist der Umstand, dass die Beklagte den Tätern ihre persönlichen Daten und ihre Kontoverbindung mitteilte und dadurch den Betrug gegenüber der Klägerin faktisch erst ermöglichte, nicht ausreichend.
Wird bei der Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden, und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, finden die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend Anwendung, obwohl dem Handelnden ein Vertretungswille fehlte (BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, juris mit zahlreichend weiteren Nachweisen). Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger regelmäßig nur dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB analog) oder vom Namensinhaber nachträglich genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht eingreifen. Gemessen an diesen Voraussetzungen hat die Beklagte keinen Zurechnungstatbestand verwirklicht. Es ist unstreitig, dass die Beklagte die unbekannten Täter nicht zur Abgabe entsprechender Willenserklärungen bevollmächtigt noch deren Verhalten nachträglich genehmigt hat. Auch eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ist nicht anzunehmen.
Eine Duldungsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen dar, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.03.2012, XI ZR 155/01, juris). Die Beklagte hat den unbekannten Tätern, welche ihr als vermeintliche Arbeitgeber begegneten, zwar ihre persönlichen Daten inklusive ihrer Bankverbindung mitgeteilt. Dies ist jedoch die übliche Vorgehensweise beim Abschluss eines Arbeitsvertrages. Dass die Beklagte darüber hinaus ihre Bankverbindung als Abrechnungskonto zur Verfügung stellte, ist ebenfalls nicht ausreichend für eine Duldungsvollmacht. Denn vom betrügerischem Vorgehen der Täter und insbesondere deren Verkäufern unter ihrem Namen über extra eingerichtete Mitgliedskonten auf Internetverkaufsportalen mit ihrem Namen hatte sie keine Kenntnis.
Eine Anscheinsvollmacht ist dann zu bejahen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters. Hierfür ist zudem eine gewisse Dauer und Häufigkeit erforderlich. Die unbekannten Täter verwendeten zwar in vielen Fällen das Konto der Beklagten für betrügerische Tätigkeiten. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Klägerin über die Täter musste die Beklagte nach Auffassung des Gerichts jedoch noch keine Kenntnis von diesem betrügerischen Verhalten haben. Allein die Tatsache, dass die Täter mit der Beklagten einen richtigen Arbeitsvertrag über eine zwar ungewöhnliche, aber nicht unmittelbar betrügerisch erscheinende Tätigkeit schlossen, führte dazu, dass die Beklagte zunächst auf die Legalität ihrer Tätigkeit vertrauen durfte. Das Geschäft der Klägerin wurde noch relativ zu Beginn der Tätigkeit der Beklagten abgewickelt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erhielt die Beklagte nach den unwidersprochenen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung Kenntnis von Unregelmäßigkeiten auf ihrem Konto, welche zu Zweifeln führten und nach Auffassung des Gerichts bei ordnungsgemäßer Sorgfalt auch führen mussten. Es kommt aber hinsichtlich der Frage der Anscheinsvollmacht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Das Gesetz weist das Risiko einer fehlenden Vertretungsmacht des Handelnden dem Geschäftsgegner und nicht demjenigen zu, in oder unter dessen Namen jemand als Vertreter oder scheinbarer Namensträger auftritt. Von diesem Grundsatz abweichende Risikozuweisungen sind nur unter engen Voraussetzungen denkbar. Diese sind vorliegend nicht erfüllt.
2. Ebenso wenig hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte hat das Kontoguthaben in Höhe des Kaufpreises für die Kamera nicht durch Leistung der Klägerin erlangt. Leistungsempfänger war bei der gebotenen normativen Betrachtung vom Empfängerhorizont aus der unter dem Namen der Beklagten handelnde Täter. Ein Rückgriff auf die Nichtleistungskondiktion scheitert am Vorrang der Leistungsbeziehung.
3. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass die Klägerin in keinem absolut geschützten Rechtsgut verletzt ist. Das Vermögen als solches ist kein absolutes geschütztes Rechtsgut im Sinne des § 823 BGB.
4. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz. Die Vorschriften des Geldwäschegesetzes sind keine Schutzgesetze im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundlage und im Übrigen fehlt der Beklagten für etwaige Straftaten nach dem Strafgesetzbuch (§§ 246, 263, 261 StGB) der erforderliche Vorsatz. Die Verletzung etwaiger weiterer Schutzgesetze ist nicht ersichtlich.
5. Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB ist nicht gegeben. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte ist mangels Vorsatz nicht erkennbar.
II.
Mangels Hauptforderung scheitert auch ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
III.
Der Feststellungsantrag ist zwar zulässig, da insbesondere das Feststellungsinteresse gegeben ist (§ 253 ZPO). Allerdings fehlt es (s.o.) an der unerlaubten Handlung.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
V.
Der Streitwert wird gemäß den §§ 3 ZPO, 48 GKG auf 1.556,90 Euro festgesetzt.