IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über ein Diesel-Fahrzeug, Marke Audi A5 Cabrio

Aktenzeichen  91 O 237/19

Datum:
4.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56217
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 1, § 2, § 3, § 4, § 5, § 32
GVG § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1
StGB § 13 Abs. 1, § 15, § 263 Abs. 1
BGB § 31, § 257, § 286, § 288, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FVG § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1
VO (EG) Nr. 715/2007
GKG § 40, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 2, § 48 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 34.795,21 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Das Landgericht Würzburg ist sachlich gemäß § 1 ZPO i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG zuständig.
b) Das Landgericht Würzburg ist auch örtlich zuständig.
Eine Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO liegt beim Landgericht Würzburg vor.
Gem. § 32 ZPO kann auch am Ort einer strafbaren Handlung geklagt werden. Nach dem insoweit zugrunde liegenden Vortrag des Klägers stützt dieser seine Klage auf deliktische Ansprüche. Ausgehend von der Auffassung, dass auch der Erfolgsort als Begehungsort in diesem Sinne angesehen wird, bejaht das Gericht seine an den Wohnort des Klägers angelehnte gerichtliche Zuständigkeit.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Klägerseite weder aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, 27 Abs. 1 EG – FGV noch aus § 826 BGB ein Anspruch auf Haftung zusteht.
1. Soweit die Klägerseite einen Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB stützt, muss sie das Vorliegen eines Betrugs der Beklagtenseite zu ihren Lasten vortragen und gegebenenfalls auch beweisen.
a) Erste Tatbestandsvoraussetzung ist insoweit eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB durch die Beklagtenseite. Als Täuschung in diesem Sinne wird gemeinhin ein Einwirken auf das intellektuelle Vorstellungsbild des Opfers, hier der Klägerseite, verstanden (vgl., statt vieler, Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 263 Rn. 11), das objektiv geeignet sein muss, einen Irrtum über tatsächliche Umstände hervorzurufen (vgl. BGHSt 47, 1 ff.).
Die Klägerseite indessen hatte mit der Beklagtenseite nicht unmittelbar zu tun, da Vertragspartner der Klägerseite als Verkäufer ein nicht am Rechtsstreit beteiligter Dritter gewesen ist. Eine Täuschung kann deshalb nur durch von der Beklagtenseite erstellte Verkaufsunterlagen in Betracht kommen. Hierdurch müsste es zu einem Irrtum bei der Klägerseite gekommen sein, der wiederum kausal für seine Vermögensverfügung gewesen sein müsste. Ein Irrtum liegt dann nicht vor, wenn sich der Käufer, die Klägerseite, über eine bestimmte Eigenschaft des Fahrzeugs gar keine Gedanken gemacht hat.
Nach der Überzeugung des Gerichts steht nicht fest, dass die gegebenenfalls unzutreffende Mitteilung über die Abgaswerte durch die Beklagtenseite tatsächlich Einfluss auf die Kaufentscheidung der Klägerin hatte; dies vor allem deshalb, weil schon gar nicht feststeht, dass das klägerische Fahrzeug einen dem Abgasskandal unterfallenden Motor aufweist. Ob die Klägerseite sich vor der Kaufentscheidung mit Prospekten des Herstellers befasst hat und ihr insoweit gerade die dezidierten Abgaswerte kaufentscheidend wichtig waren, ist nicht unmittelbar dargelegt oder anzunehmen. Die Klägerseite hat jedenfalls Verkaufsunterlagen, die vor der Kaufentscheidung konsultiert worden sind, nicht vorgelegt. Mit dem Wunsch nach einem weniger umweltschädlicherem Fahrzeug geht nicht zwangsweise einher, dass damit ein besonderes Abgasverhalten gemeint war. Auch ist nicht ersichtlich, gegenüber welchen Anschaffungsalternativen sich die Klägerseite – täuschungsbedingt – letztlich erst zu Gunsten des konkreten Fahrzeugs der Beklagtenseite entschieden hat.
b) Soweit sich die Klägerseite auf falsche Angaben der Beklagtenseite hinsichtlich des Abgasverhaltens den Zulassungsbehörden gegenüber beruft, so wäre eine etwaige Täuschung diesbezüglich nicht gegenüber der Klägerseite erfolgt.
c) Darüber hinaus ist nach dem klägerischen Vortrag auch unklar, wer wann auf Seiten der Beklagtenseite wie über welche Tatsachen getäuscht haben soll und wie dies zu einem Vermögensschaden geführt haben könnte. Zwar kann die Klägerseite keine Kenntnisse über innerbetriebliche Abläufe bei der Beklagten haben. Diese kann jedoch wiederum nicht zur Selbstbezichtigung verpflichtet werden. Auch befinden sich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erst im Anfangsstadium und werden umfangreich und zeitaufwändig sein. Die Klägerseite müsste jedoch einen (oder mehrere) Täter benennen, deren Handeln sich die Beklagtenseite zurechnen lassen muss. Diesbezüglich gibt es zwar derzeit Verdachtsmomente. Solange jedoch die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, wird ein Anspruch aus Betrug zivilrechtlich im Moment schwierig darstellbar sein.
d) Fraglich ist auch, ob eine Schädigung des Vermögens der Klägerseite durch Täuschungshandlungen der Beklagtenseite hinreichend schlüssig dargelegt ist, um einen Betrug zu begründen. Bis auf die klägerseitig behauptete Abgaswerteproblematik scheint das Fahrzeug keinerlei sonstige Mängel oder Beeinträchtigungen aufzuweisen, namentlich den eigentlichen Erfüllungszweck im Wesentlichen unbeanstandet zu erfüllen. Es ist klägerseits nicht vorgetragen, dass während der zurückgelegten Kilometer die Abgasproblematik andere Mängel hervorrief.
Vor diesem Hintergrund ist daher nicht ersichtlich, dass der Klägerseite durch den Einbau sogenannter Thermofenster ein konkreter Schaden, wie zum Beispiel erhöhte Steuern oder Nachrüstungskosten usw. entstanden wäre. Soweit im Raum steht, dass durch die Nachrüstung weitere Nachteile entstehen können oder dass sich ein merkantilen Minderwerts ergeben wird, dürfte dies im Betrugsbereich für die Annahme eines Vermögensschadens oder einer Vermögensgefährdung nicht ausreichen. Zudem ist nicht ausreichend klar, ob überhaupt eine Nachrüstung zu erfolgen hat.
e) Zweifelhaft ist auch das Vorliegen des Schädigungsvorsatzes.
Die Klägerseite trägt aber auch für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands gem. § 263 Abs. 1, § 15 StGB die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast. Sie hat also darzulegen, wer aus dem VW-Konzern, hier der Beklagtenseite, für die Entwicklung und den Einsatz der fraglichen Software verantwortlich war und wer hiervon vor Vertragsschluss Kenntnis hatte. Nur in einem solchen Fall können aber auch die Voraussetzungen für eine etwaige Haftung der Beklagtenseite im Zusammenhang mit § 31 BGB festgestellt werden.
Im Rahmen des subjektiven Tatbestands nach § 263 Abs. 1 StGB fehlt es außerdem an der erforderlichen Stoffgleichheit des Schadens. Es ist nicht substantiiert vorgetragen, dass es durch eine von Beklagtenseite erfolgte Täuschung zu einer Schädigung der Klägerseite gekommen ist, die auf der anderen Seite zu einem Vermögensvorteil der Beklagtenseite geführt hat, zumal die Klägerseite den streitgegenständlichen Pkw nicht unmittelbar bei der Beklagtenseite gekauft und dieser gegenüber den Kaufpreis entrichtet hat.
f) Auch ein Betrug der Beklagten durch Unterlassung kann nicht festgestellt werden.
Eine Informationspflicht der Beklagten dahingehend, dass die Beklagte die Fahrzeuge mit einer nach den Zulassungsvorschriften unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr brachte und daher die Gefahr der Entziehung der Zulassung besteht, liegt nicht vor.
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung und ganz h.M. im Schrifttum reichen vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Rechtsgeschäften – auch in Verbindung mit den durch Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründeten Aufklärungspflichten – allein nicht ohne weiteres zur Herleitung einer auch strafbewehrten Garantenpflicht im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB aus.
Die Strafbarkeit eines Verkäufers wegen Betrugs durch Unterlassen i.S.d. §§ 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB setzt [vielmehr] eine von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige und nach Abwägung der Interessenlage und des Verantwortungsbereichs der Beteiligten zu bestimmende Garantenstellung und -pflicht voraus. Vertragliche Pflichten aus gegenseitigen Rechtsgeschäften genügen hierfür auch in Verbindung mit den durch ‚Treu und Glauben‘ (§ 242 BGB) begründeten Aufklärungspflichten nicht ohne weiteres.
Während damit bei den schlichten Begehungsdelikten die objektive Zurechnung auf der Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolgs beruht, reicht bei den unechten Unterlassungsdelikten die Tatsache, dass eine mögliche Handlung den Erfolg verhindert hätte, gerade nicht aus, um die Beeinträchtigung des Rechtsguts dem Täter als von ihm zu verantwortendes Unrecht zur Last legen zu können. Vielmehr muss ein besonderer Rechtsgrund nachgewiesen werden, wenn jemand auch strafrechtlich dafür verantwortlich gemacht werden soll, dass er es unterlassen hat, zum Schutz fremder Rechtsgüter positiv tätig zu werden. Die Gleichstellung des Unterlassens mit dem aktiven Tun setzt deshalb voraus, dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat.
Die Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person in besonderer Weise zum Schutz des gefährdeten Rechtsguts aufgerufen ist und dass sich alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person verlassen und verlassen dürfen. Ob eine solche Garantenposition besteht, die es rechtfertigt, das Unterlassen der Schadensabwendung dem Herbeiführen des Schadens gleichzustellen, ist nicht nach abstrakten Maßstäben zu bestimmen, mögen sich auch in der Rechtsprechung verschiedene Entstehungsgründe für eine Garantenpflicht herausgebildet haben. Die Entscheidung hängt letztlich immer von den konkreten Umständen ab. In allen Fällen bedarf es dabei einer Abwägung der Interessenlage und des Verantwortungsbereichs der Beteiligten (BGH, Urteil vom 25.07.2000 – 1 StR 162/00 = NJW 2000, 1313 f. und Beschluss vom 08.11.2000 – 5 StR 433/00 = BGHSt 46, 196 ff. = NJW 2001, 453 ff. = StraFo 2001, 68 ff.).
Im Rahmen vertraglicher Beziehungen setzt eine strafrechtlich relevante Aufklärungspflicht vielmehr voraus, dass besondere Umstände vorliegen, wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis oder eine ständige Geschäftsverbindung. Regelmäßig handelt es sich um Konstellationen, in denen der eine Vertragsteil darauf angewiesen ist, dass ihm der andere die für seine Entschließung maßgebenden Umstände auch ungefragt offenbart (BGH a.a.O.; BGHSt 39, 392/399; OLG Hamm, Urteil vom 08.02.2006 – 13 U 165/05 [bei juris]; BGH NStZ 2010, 502 f.; aus der Kommentarliteratur vgl. u.a. Schönke/Schröder-Cramer/Perron § 263 Rn. 18 ff., insbesondere Rn. 22 f.; Fischer § 263 Rn. 38 ff., insbesondere Rn. 45 f.; BeckOK-Beukelmann StGB [Stand: 01.12.2011] § 263 Rn. 18 f.; MüKo-Hefendehl StGB § 263 Rn. 136 ff.; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen StGB 3. Aufl. § 263 Rn. 160 f. und Lackner/Kühl StGB 27. Aufl. § 263 Rn. 12 ff., jeweils m.w.N.).“
(Vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 08.03.2012, 3 Ws 4/12).
Eine derartige Offenbarungspflicht der Beklagten gegenüber dem durch keinerlei schuldrechtliche Beziehung verbundenen Kläger vermag das Gericht vorliegend nicht zu erkennen, denn der von der Beklagten entwickelte Motor verfügte über die erforderliche Typengenehmigung; Anhaltspunkte für eine ernstlich drohende Schädigung des Motors durch die „Abschalteinrichtung“ zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Kaufvertrags sind nicht schlüssig dargetan. Mangels „Garantenstellung“ der Beklagten liegt in der unterlassenen Aufklärung im Hinblick auf das von einem Dritten abgeschlossene konkrete Kaufgeschäft daher keine relevante Täuschung.
2. Auch scheidet ein etwaiger Verstoß gegen § 27 EG-FGV als Anspruchsgrundlage i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB aus, da es sich hier um kein Schutzgesetz in Bezug auf den Kläger als Käufer zur Abwehr von Vermögenseinbußen handelt, sondern diese Norm gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarktes durch Harmonisierung der technischen Vorschriften sowie der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus, dient (vgl. VERORDNUNG (EG) Nr. 715/2007).
Das OLG Braunschweig führt hierzu aus (7 U 134/17): Schutzgesetz im Sinne von § 823 Absatz 2 BGB ist jede Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dienen soll, einen Einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1963 – BGH Aktenzeichen V ZR 201/61, BGHZ 40, 312, Urteil vom 19. Juli 2004 – BGH Aktenzeichen II ZR 218/03, BGHZ 160, 149, Urteil vom 10. Februar 2011 – BGH I ZR 136/09, BGHZ 188, 326, BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – BGH XI ZR 51/10). Der Schutz eines Einzelnen ist dabei nicht bereits dann bezweckt, wenn er als Reflex einer Befolgung der Norm objektiv erreicht wird, sondern nur dann, wenn der Gesetzgeber dem Einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der das Verbot übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1963 – BGH V ZR 201/61, BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 I ZR 136/09, BGHZ 188, 326, BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – BGH XI ZR 51/10). Es ist daher davon auszugehen, dass den § §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FVG eine individualschützende Wirkung im Sinne der vorstehenden Kriterien nicht innewohnt.
3. Auch ein Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB ist nicht ausreichend dargelegt.
Bei der Prüfung, ob sich eine Handlung im Verhältnis zu den geltend gemachten Interessen des Anspruchsstellers als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellt, ist eine zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck der Handlung sowie ihrer Folgen vorzunehmen. Dabei ist nicht bei jedem Pflichtverstoß diese Voraussetzung zu bejahen, sondern es muss eine besondere Verwerflichkeit hinzukommen, die im Falle einer Pflichtverletzung durch Unterlassen erfordert, dass das geforderte Handeln einem sittlichen Gebot entsprechen muss, BGHZ 160, 149.
Die Klägerseite ist auch insoweit für sämtliche Tatbestandsmerkmale darlegungs- und beweisbelastet (Sprau, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 826 Rn. 18).
Selbst wenn man hier einen Schaden der Klägerseite durch Kauf des streitbefangenen Pkws unterstellen würde, so hat die Klägerseite nicht hinreichend dargelegt, dass eine etwaige Schädigung ihrer Person sittenwidrig wäre. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagtenseite gerade mit dem Vorsatz gehandelt hätte, die Klägerseite konkret und individuell sittenwidrig zu schädigen. Der Beklagtenseite könnte nur dann ein haftungsbegründender Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung gemacht werden, wenn die Klägerseite gerade deswegen den Vertrag abgeschlossen hätte, weil sie hierzu sittenwidrig veranlasst worden ist. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Kaufentscheidung der Klägerseite durch das Abgasverhalten des Fahrzeugs im Hinblick auf die Labor- und Alltagsbedingungen beeinflusst wurde. Worin die besondere Verwerflichkeit des beklagtenseitigen Verhaltens zu sehen sein soll, ist nicht hinreichend konkret dargetan.
Selbst wenn man unterstellt, dass die eingebaute Software gegen öffentlich-rechtliche Abgasvorschriften verstößt, ist allein darin noch kein sittenwidriges Handeln zu sehen. Soweit nämlich die Überprüfung der Abgaswerte durch öffentliche Prüfstellen vorgenommen wird, so führt dies nicht zu einer Sittenwidrigkeit im Verhältnis zur Klägerseite. Die entsprechende Verordnung des EU-Rechts (VO Nr. 715/2007) dient zumindest vorrangig der Verbesserung der Luftqualität. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Verhaltensnorm mit allgemein schützendem öffentlich-rechtlichen Charakter. Ein Gebot der guten Sitten gerade im Verhältnis zum Kläger mit individuellem Schutzzweck lässt sich aus der Verordnung nicht ableiten.
Selbst wenn man hier einen Schaden der Klägerseite durch Erwerb eines von dem sog. „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeugs bejahen wollte, obwohl das streitgegenständliche Fahrzeug keinen EA 189 Motor hat, und die Klägerseite auch einen Kaufpreis an den Verkäufer gezahlt hat, so hat die Klägerseite, ausweislich ihres eigenen Vortrags, dennoch ein rein tatsächlich voll funktionsfähiges und fahrbereites Fahrzeug erworben.
Auch der beklagtenseitig erforderliche Schädigungsvorsatz gegenüber der Klägerseite ist nach Auffassung des Gerichts zweifelhaft. Die Beklagtenseite wollte allenfalls die Absatzmöglichkeiten der betroffenen Fahrzeuge verbessern. Geschädigt ist damit vor allem die Umwelt. Es ist nicht ausreichend dargelegt, dass damit auch eine individuelle Schädigungsabsicht der Klägerseite gegenüber unmittelbar verbunden ist.
4. Ebenso scheidet ein Anspruch aus § 831 BGB aus.
Zwar mögen die bei der Beklagtenseite beschäftigten Ingenieure bei der Entwicklung der software als Verrichtungsgehilfen in diesem Sinne eingestuft werden können. Jedoch fehlt es auch hier an einer entsprechenden Garantenstellung sowie am entsprechenden Schädigungsvorsatz des Beklagtenkonzerns gerade den Käufern gegenüber. Die Tatbestandsverwirklichung der §§ 823, 826 in Verbindung mit 831 BGB scheidet also schon aus diesem Grunde aus.
5. Da die Beklagte keine Verpflichtung zur Rückübereignung gegenüber dem Kläger hat, konnte sie auch nicht in Annahmeverzug geraten, § 293 BGB, so dass die entsprechend beantragte Feststellung abzuweisen war.
6. Da somit keiner der geltend gemachten Ansprüche besteht, sind auch in diesem Zusammenhang behauptete vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig, §§ 286, 288 BGB oder freistellungsfähig, § 257 BGB.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
VI.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 2-5 ZPO i.V.m. § 40, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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