Aktenzeichen 29 O 17363/18
Leitsatz
1. Keine Haftung der Beklagten, wenn das Fahrzeug erst lange Zeit nach öffentlicher Aufdeckung des sog. „VW-Abgasskandals“ von der Klagepartei erworben wurde. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist kein Schädigungsvorsatz der Beklagten gerade gegenüber Käufern wie dem Kläger dargelegt, wenn sie davon ausgehen konnte, dass er aufgrund der monatelangen Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen bereits von der Problematik des zu erwerbenden Fahrzeugs erfahren haben musste. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 26.447,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, und gemäß § 831 BGB oder anderen Anspruchsgrundlagen.
I.
Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.
Ein Anspruch aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB scheitert am Vorsatz der Beklagten. Die Klagepartei konnte nicht darlegen und beweisen, dass die Beklagte hinsichtlich des konkret streitgegenständlichen Fahrzeugkaufs Vorsatz hatte.
Dies ergibt sich aus der Erwägung, dass der streitgegenständliche Fahrzeugkauf erst am 13.09.2016 stattgefunden hat. Unstreitig und im Übrigen auch gerichtsbekannt wurde der sog. „VW-Abgasskandal“ im September 2015 aufgedeckt und von der Beklagten bewusst publik gemacht. Darauf folgte eine umfassende mediale Berichterstattung. In diesem Rahmen kann die Klagepartei einen Vorsatz der Beklagten nicht darlegen und beweisen. Denn selbst wenn man unterstellen würde, dass tatsächlich zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Einsatzes der Software der Vorstand oder Repräsentanten i.S.d. § 31 BGB der Beklagten Kenntnis von der Software und ihrem Einsatz hatten, so genügt dies für den vorliegenden Fall nicht. Denn für einen Schädigungsvorsatz genügt es nicht, dass allein Kenntnis vom Einsatz der Software besteht, darüber hinaus muss auch der Wille bestehen, einen anderen über den Einsatz der Software zu täuschen und einen Vermögensschaden zuzufügen. Dieser Vorsatz ist jedoch in der vorliegenden Konstellation denklogisch ausgeschlossen. Denn das gesamte Konzept ginge nur solange auf, wie die Beklagte die Verwendung der Software den Behörden und den Fahrzeugbesitzern verschweigt. Sobald die Verwendung der Software öffentlich bekannt gemacht wird, fehlt es sofort an einem Täuschungswillen der Beklagten und folglich an einem Schädigungswillen aller später Erwerbenden. Darauf kann sich auch der ursprüngliche Vorsatz denklogisch nie bezogen haben. Eine etwaige sittenwidrige Schädigung kann nur bei Verdeckung Sinn ergeben. Daher ist davon auszugehen, dass sich auch ein ursprünglicher Vorsatz nicht auf die Zeit nach öffentlicher Bekanntmachung bezogen haben kann.
Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des OLG Braunschweig (Beschluss vom 28.11.2017, Az. 7 U 69/17) an und macht sie sich zueigen:
„Es ist auch kein Schädigungsvorsatz der Beklagten gerade gegenüber Käufern wie dem Kläger dargelegt, wenn sie davon ausgehen konnte, dass er aufgrund der monatelangen Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen bereits von der Problematik des zu erwerbenden Fahrzeugs erfahren haben musste. Auf Erwerber eines betroffenen Fahrzeugs nach Bekanntwerden der Abgasproblematik kann sich der vom Kläger behauptete Plan der Beklagten naturgemäß deshalb nicht erstreckt haben, weil ein solcher die Unbekanntheit der Umschaltung der Abgasrückführung vorausgesetzt hätte.“
Da es schon am Vorsatz fehlt, besteht ein Anspruch aus § 826 BGB folglich nicht.
II.
Entsprechendes gilt auch für eine Haftung nach 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Auch für einen betrügerischen Täuschungsvorsatz i.S.d. § 263 StGB fehlt es an jeglicher Grundlage für die Zeit nach Aufdeckung des „Skandals“. Denn hierauf kann sich ein Vorsatz denklogisch nicht erstrecken. Es gilt das oben Gesagte entsprechend.
III.
Auch eine Haftung gemäß § 831 BGB scheidet aus demselben Grund aus. Auch etwaige Verrichtungsgehilfen der Beklagten können – wie der Vorstand und Repräsentanten – denklogisch nur einen Schädigungsvorsatz für die Zeit gehabt haben, für die die Verwendung der Software unentdeckt ist, nicht jedoch für die Zeit danach. Daher scheidet auch eine Haftung gemäß § 831 BGB aus.
IV.
Auch eine Haftung aus anderer Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. Eine Haftung der Beklagten scheitert in jeder Hinsicht bereits daran, dass die Klagepartei einen Vorsatz der Beklagten nicht nachweisen kann. Denn das Fahrzeug wurde erst lange Zeit nach öffentlicher Aufdeckung des sog. „VW-Abgasskandals“ von der Klagepartei erworben. Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Der Streitwert war in Höhe des Kaufpreises anzusetzen (§§ 39, 48 GKG, § 3 ZPO).
Die Entscheidung erging durch den Einzelrichter (§ 348a ZPO).