IT- und Medienrecht

Keine Ansprüche wegen Mitteilung über arbeitsvertragswidrige Nutzung des dienstlichen Accounts zu privaten Zwecken durch Arbeitnehmer

Aktenzeichen  1 U 109/15

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128860
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1, § 826, § 1004
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Es kann generell nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn jemand das Verhalten eines anderen, womit sich dieser nicht vertragsgemäß verhält, demjenigen mitteilt, zu dessen Lasten der Vertragsverstoß geht (hier: Mitteilung an den Arbeitgeber über arbeitsvertragswidrige Nutzung des dienstlichen Accounts zu privaten Zwecken). Denn rechtswidriges Verhalten ist nicht schutzwürdig. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 86/15 2015-08-28 LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 28.08.2015, Az. 2 O 86/15, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

1. (abgekürzt gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger kann die geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Feststellungsansprüche weder auf eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (§ 1004 BGB entsprechend bzw. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) noch auf eine Verletzung von Regelungen des BDSG (§ 1004 BGB entsprechend bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG) oder auf eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) stützen.
1. Auf eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) kann sich der Kläger nicht berufen.
Der Beklagte hat den Arbeitgeber des Klägers darüber informiert, dass und wie oft dieser seinen dienstlichen Account privat genutzt hat. Damit hat der Kläger gegen entsprechende arbeitsrechtliche Vereinbarungen verstoßen. Es kann generell nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn jemand das Verhalten eines anderen, womit sich dieser nicht vertragsgemäß verhält, demjenigen mitteilt, zu dessen Lasten der Vertragsverstoß geht. Rechtswidriges Verhalten ist nicht schutzwürdig.
2. Eine Verletzung von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSDG kann der Kläger nicht erfolgreich geltend machen.
Der Anwendungsbericht des BSDG ist nicht eröffnet. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG gilt das Gesetz nicht, soweit nicht-öffentliche Stellen die entsprechenden Daten ausschließlich für persönliche Tätigkeiten nutzen. Vorliegend hat der Beklagte die Daten ausschließlich aus privaten Gründen an den Arbeitgeber des Klägers weitergeleitet.
3. Ein Anspruch des Klägers aus § 826 BGB scheidet bereits mangels Sittenwidrigkeit aus.
Dazu muss ein objektiv sittenwidriges Verhalten zudem als besonders verwerflich anzusehen sein. Die besondere Verwerflichkeit muss sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (gefestigte Rechtsprechung, vgl. BGH, NJW 2012, 1800). Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (Sprau in Palandt, BGB, 31. Aufl § 826 Rn. 4). Vorliegend vermag der Senat aufgrund des Umstandes, dass der Beklagte ein arbeitsrechtswidriges Verhalten des Klägers dessen Arbeitgeber mitgeteilt hat, ein solches Unwerturteil nicht zu fällen.
4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die begehrten Auskünfte.
Der Umstand allein, daß jemand Kenntnis von Tatsachen hat oder haben könnte, die für einen anderen von Bedeutung sein mögen, verpflichtet ihn nicht zur Auskunftserteilung; denn eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht ist dem bürgerlichen Recht unbekannt.
Nach einem vom Reichsgericht herausgearbeiteten und heute allgemein anerkannten Grundsatz ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung allerdings bei Rechtsverhältnissen gegeben, deren Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete hingegen in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen. Als Voraussetzung hierfür fordert die Rechtsprechung jedoch grundsätzlich eine bereits bestehende besondere rechtliche Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten. Diesem Erfordernis ist genügt bei Verträgen und gesetzlichen Schuldverhältnissen, die gesteigerte Verhaltenspflichten oder besondere Schutzpflichten zum Gegenstand haben, und insbesondere bei unerlaubter Handlung. In Fällen dieser Art ist für die Annahme einer rechtlichen Sonderbeziehung und damit für die Zuerkennung eines Auskunftsanspruchs regelmäßig als ausreichend angesehen worden, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht und nur der Anspruchsinhalt noch offen ist (BGH, Urteil vom 18. 1. 1978 – VIII ZR 262/76).
Zwar stellt ein deliktisches Rechtsverhältnis ein gesetzliches Schuldverhältnis in diesem Sinne dar; da jedoch ein solches dem Grunde nach nicht besteht, kann der Kläger auch keinen Auskunftsanspruch erfolgreich geltend machen.
5. Mangels Hauptanspruch stehen dem Kläger auch keine vorgerichtlichen Anwaltskosten zu.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711, 713 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Über klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfragen hat der Senat nicht zu befinden. Der Streitfall ist geprägt durch die ihm eigenen Besonderheiten im Tatsachenbereich.

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