IT- und Medienrecht

Keine Erstreckung der Ermäßigung des Rundfunkbeitrags wegen Behinderung auf nichteheliche Lebenspartner

Aktenzeichen  W 3 K 16.670

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, § 4 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3
VwGO VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV auf nichteheliche Lebensgemeinschaften scheidet aus, da keine Regelungslücke vorliegt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist nur zum Teil zulässig. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet.
Klageantrag 1:
Die Klage des Klägers zu 2) gegen den Festsetzungsbescheid vom 3. Juni 2016 mit der Beitragsnummer …5 ist unzulässig. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Kläger zu 2) ist nicht Adressat des Festsetzungsbescheides und kann deshalb durch diesen nicht in eigenen Rechten verletzt werden.
Die Klage der Klägerin zu 1) gegen den Festsetzungsbescheid vom 3. Juni 2016 mit der Beitragsnummer …5 ist unbegründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin zu 1) nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrages ist § 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages – RBStV – i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258, ber. S. 404) in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung.
Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV haften mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung (AO).
Nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV wird der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 auf Antrag auf ein Drittel ermäßigt für behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 von Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Dies ist insbesondere der Personenkreis, für den im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „RF“ eingetragen ist. Dies trifft auf den Kläger zu 2) zu, weshalb dieser dem Grunde nach einen Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrages auf ein Drittel hat.
Allerdings kann sich die Klägerin zu 1) entgegen der Auffassung der Kläger nicht darauf berufen, dass sie die Wohnung gemeinsam mit dem Kläger zu 2) bewohnt und deshalb nur ein Drittel des Rundfunkbeitrages für diese Wohnung verlangt werden dürfte.
Nach § 4 Abs. 3 RBStV erstreckt sich die dem Antragsteller gewährte Befreiung oder Ermäßigung innerhalb der Wohnung
1.auf dessen Ehegatten,
2.auf den eingetragenen Lebenspartner und
3.auf die Wohnungsinhaber, die bei der Gewährung einer Sozialleistung nach Abs. 1 als Teil einer Einsatzgemeinschaft i.S.d. § 19 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches berücksichtigt worden sind.
Eine Erstreckung der Befreiung oder Ermäßigung auf innerhalb der gleichen Wohnung lebende Personen, die nicht zu dem zuvor aufgezählten Personenkreis zählen, ist nicht vorgesehen. Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) sind nicht miteinander verheiratet. Ebenso wenig ist geltend gemacht, dass die Voraussetzungen der Nr. 3 (Einsatzgemeinschaft) vorliegen.
Eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV auf nichteheliche Lebensgemeinschaften scheitert schon daran, dass keine Regelungslücke vorliegt. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, eine entsprechende Vergünstigung nur in den vom Gesetz geregelten Fällen den übrigen Wohnungsmitinhabern zukommen zu lassen.
Eine Erstreckung der Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 RBStV auf die Situation der Klägerin zu 1) ist auch nicht von Verfassungs wegen – insbesondere unter dem Blickwinkel von Art. 3 GG – geboten. Die Klägerin zu 1) ist zwar auch schwerbehindert. Ihr Ausweis hat aber nur das Merkzeichen „G“. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) hat – zu dem weitgehend inhaltsgleichen – Art. 118 a der Bayerischen Verfassung (BV) entschieden: „Der besondere Gleichheitssatz des Art. 118 a BV wird nicht dadurch verletzt, dass Personen mit Behinderung von der Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich nach § 2 Abs. 1 RBStV nicht generell ausgenommen sind, sondern Befreiungen oder Ermäßigungen nur unter den in § 4 RBStV im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen erhalten. … Das Fehlen von generellen Beitragsbegünstigungen für behinderte Menschen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“ (BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014, Az. Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12 Rn. 129, 131).
§ 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV bestimmt, dass mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner haften. Nach § 44 Abs. 1 AO sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, Gesamtschuldner. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet hiernach jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung.
Die Entscheidung des Beklagten, das Beitragskonto des Klägers zu 2) mit Wirkung vom 1. Januar 2013 abzumelden und anstelle des Klägers zu 2) nun die Klägerin zu 1) als Wohnungsinhaberin auf die Zahlung des (vollen) Rundfunkbeitrages in Anspruch zu nehmen, leidet nicht an einem Ermessensfehler.
Haften mehrere Schuldner für den Beitrag gesamtschuldnerisch, kann die zuständige Stelle nach ihrem pflichtgemäßem Ermessen auswählen, von welchem Gesamtschuldner sie die Leistung fordern will. Dies folgt aus dem ergänzend heranzuziehenden § 421 BGB (BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – juris Rn. 20f. m.w.N.). Haften mehrere Schuldner aus dem selben Rechtsgrund – hier die Mitinhaberschaft der gemeinsamen Wohnung – so ist es in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, diese nebeneinander auf die geschuldete Summe in Anspruch zu nehmen (OVG Sachen, B.v. 6.3.2015 – 3 B 305/14 – juris). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO kann die hier vom Beklagten getroffene Entscheidung (Inanspruchnahme der Klägerin zu 1)) nur daraufhin überprüft werden, ob sie rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht worden ist. Hierfür ist nichts erkennbar. Im Hinblick auf die Beitragsgerechtigkeit (vgl. hierzu BayVerfGH, aaO. Rn. 108) ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Rundfunkbeitrag von einem Wohnungsinhaber verlangt wird, der die Voraussetzungen für eine Befreiung oder Ermäßigung nicht erfüllt. Der Kläger zu 2) ist dadurch nicht schlechter gestellt als ein Schwerbehinderter, der als Single leben würde. Im Gegenteil: Wenn der Kläger als Single leben würde, müsste er ein Drittel des Rundfunkbeitrages zahlen. Vorliegend verlangt der Beklagte vom Kläger zu 2) jedoch seit dem 1. Januar 2013 keine Beiträge und nimmt stattdessen die Klägerin zu 1) in Anspruch.
Die Situation der Kläger ist insofern nicht anders als in den Fällen, in denen bei einer „normalen“ Wohngemeinschaft (z.B. von Studenten) derjenige Wohnungsinhaber für die Zahlung eines Rundfunkbeitrages in Anspruch genommen wird, der keinen Anspruch auf Befreiung wegen des Bezuges von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes hat.
Da die Kläger gesamtschuldnerisch als Wohnungsinhaber für den Rundfunkbeitrag haften, die in Anspruch genommene Klägerin zu 1) aber in ihrer Person keine Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände geltend machen kann, hat sie der Beklagte zu Recht für die Zahlung von Rundfunkbeiträgen (für die Zeit ab 1. Januar 2013) in Anspruch genommen. Der Festsetzungsbescheid vom 3. Juni 2016 über Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. März 2016 ist deshalb rechtmäßig.
Klageantrag 2:
Für einen solchen Klageantrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weshalb dieser Antrag unzulässig ist. Vom Beklagten wird nicht bestritten, dass der Kläger zu 2) unter der Beitragsnummer …0 Rundfunkbeiträge bezahlt hat. Der Beklagte fordert aber den Rundfunkbeitrag nicht vom Kläger zu 2) und hat deshalb das Beitragskonto des Klägers zu 2) mit Wirkung ab 1. Januar 2013 abgemeldet.
Klageantrag 3:
Dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Wie bereits zuvor ausgeführt, folgt aus dem Wesen der gesamtschuldnerischen Haftung die Möglichkeit des Beklagten, auszuwählen, welchen von mehreren Wohnungsinhabern er für die Beitragsschuld in Anspruch nimmt.
Soweit die Klägerseite mit Bestandsschutz argumentiert, ist darauf hinzuweisen, dass mit der Neuregelung der Rundfunkfinanzierung durch den 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge eine Abkehr von dem bisherigen Finanzierungsmodell, bei dem eine Gebühr für das Bereithalten von Rundfunkgeräten erhoben wurde, erfolgt ist. Nun ist Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht die Inhaberschaft einer Wohnung. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, gesetzliche Regelungen zu ändern, auch wenn dies im aktuellen Fall zu einer (höheren) Belastung der dem Gesetz unterworfenen Personen führt.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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