Aktenzeichen 8 O 8282/15
ZPO ZPO § 92, § 100, § 708 Nr. 10, § 709, § 711
Leitsatz
1 Ein Hotelbetreiber haftet nicht gem. § 278 BGB für eine unerlaubte Schwarzfahrt eines Mitarbeiters für Empfangs- und Rezeptionsdienste mit dem Pkw eines Gastes. (Rn. 18, 23, 26 und 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein entliehener Arbeitnehmer ist nur dann iSd § 831 BGB Verichtungsgehilfe des entleihenden Unternehmers, wenn der verleihende Arbeitgeber keinen Einfluss auf die konkrete Verrichtung nehmen kann, weil der Arbeitnehmer in das entleihende Unternehmen eingegliedert ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin und der Beklagte zu 1) tragen die Gerichtskosten je zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im übrigen haben die Parteien ihre Kosten selbst zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Das Urteil ist für die Beklagte zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 9.362,54 € festgesetzt.
Gründe
A. Die zulässige Klage ist gegenüber der Beklagten zu 2) unbegründet. Die Klägerin kann keine Zahlung von der Beklagten zu 2) verlangen.
I. Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche aufgrund der Nebenpflichtverletzung aus dem zwischen dem Zeugen … und der Beklagten zu 2) geschlossenen Beherbergungsvertrags, für den als gemischter Vertrag keine eigene Rechtsgrundlage besteht (Palandt/Sprau, Einf. v. § 701 BGB, Rn. 3), zu. Die ursprünglich dem Zeugen … als Geschäftsführer der … zustehenden Ansprüche wurden durch eine wirksame Abtretungserklärung an die Klägerin abgetreten (Anlage K 4).
Auch ist die Klägerin in Folge der als Anlage K 1 vorgelegten Ermächtigung aktivlegitimiert. Ausweislich des vorliegenden Dokuments wurde die Klägerin ermächtigt die der … als Eigentümerin gegenüber Dritten zustehenden Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen und Zahlung an sich selbst zu verlangen, woraus sich die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt.
Somit kann die Klägerin die ursprünglich der … aus dem geschlossenen Beherbergungsvertrag zustehenden Ansprüche, die bei der Beschädigung des Eigentums der … entstanden sind, geltend machen.
II. Es liegt zwar eine Verletzung einer sich aus dem Beherbergungsvertrag ergebenden Nebenpflicht vor, die Beklagte zu 2) muss sich diese aber nicht gem. § 278 BGB zurechnen lassen.
1. Die Beklagte zu 2) stand mit dem Zeugen … über dessen Beherbergungsvertrag in einem vertraglichen Verhältnis, wobei sie sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten des Beklagten zu 1) bediente. Unproblematisch sind die von der Beklagten zu 2) eingesetzten Mitarbeiter, deren sie sich zur Erfüllung ihrer sich aus dem geschlossenen Vertrag ergebenden Verpflichtung bedient, als deren Erfüllungsgehilfen zu qualifizieren. Denn Erfüllungsgehilfe ist grundsätzlich, wer nach den rein tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (BGH 13, 113; 98, 334; 100,122; 152, 383; st.Rspr.).
2. Im Zusammenhang mit diesem Vertrag muss sich die Beklagte zu 2) die durch ihren Mitarbeiter begangene Pflichtverletzung gem. § 278 BGB zwar grundsätzlich zurechnen lassen, vorliegend scheitert die Zurechnung jedoch an der selbstständigen unerlaubten Handlung des Beklagten zu 1). Gem. § 278 BGB hat der Schuldner für schuldhaftes Verhalten einer Hilfsperson einzustehen, soweit es in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren (BGH, Urteil vom 21. Januar 1999, Az: III ZR 289/97).
3. Das Gericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme der Auffassung, dass seitens der Beklagten zu 2) ein Parkservice für Hotelgäste angeboten wird, auch wenn von keiner der beiden Parteien der maßgebliche Vertrag vorgelegt worden war, obwohl dies den Parteien mit richterlicher Verfügung vom 13.07.2016 aufgegeben worden war.
(a) Der Zeuge … gab an, dass er regelmäßig, ungefähr 10- bis 15-mal im Jahr, im … übernachte. Er konnte weiter sagen, dass immer wenn er im Hotel übernachtet auch nachts dort ein Parkservice angeboten wird. Nach seinen Angaben war es bis zum streitgegenständlichen Unfall üblich, dass „man die Schlüssel an der Rezeption abgibt und das Auto für einen geparkt wird“.
(b) Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Zeuge … auch ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits haben könnte, da er ursprünglich den Vertrag mit der Beklagten zu 2) geschlossen hatte. Auch war das beschädigte Fahrzeug vom Zeugen … als Geschäftsführer der … bei der Klägerin gemietet worden, sodass der Zeuge … auch diesbezüglich ein Eigeninteresse verfolgen könnte. Das Gericht hat jedoch keine Anhaltspunkte an den Aussagen des Zeugen … zu zweifeln. Dieser gab das Geschehen umfassend wieder und konnte sich selbst an Details noch erinnern, obwohl bereits eine erhebliche Zeitspanne vergangen war. Hierzu führte er aus, dass der streitgegenständliche Vorfall der „Gag in meiner Branche“ gewesen und ihm daher noch sehr gut in Erinnerung gewesen sei. Auch aufgrund des besonnenen und gewissenhaften persönlichen Eindrucks des Gerichts vom Zeugen … vermag das Gericht seinen Angaben Glauben zu schenken.
(c) Eine solche Einschätzung vermag das Gericht auch aus den Gesamtumständen zu gewinnen. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich um ein 5- Sterne-Hotel handelt, bei dem ein solcher Service durchaus möglich schient – anders als beispielsweise in einem 2- Sterne-Hotel. Da der Zeuge angegeben hat, ungefähr einmal monatlich in diesem Hotel zu übernachten und dass sodann sein Fahrzeug immer umgeparkt worden sei, so ist davon auszugehen, dass ein entsprechender Parkservice als „Service des Hauses“ angeboten wird.
4. Dennoch scheidet eine Haftung der Beklagten zu 2) aus, da der Parkservice zwar grundsätzlich von der Beklagten zu 2) angeboten wird, der Parkservice jedoch nicht zu dem Aufgabenbereich gehört, zu dem der Beklagte zu 1) von der Beklagten zu 2) bestimmt worden ist (vgl. BGH, NJW 1965, 1709).
a) Denn wie sich aus dem als Anlage B 1 vorgelegten Vertrag ergibt, war der Beklagte zu 1) zwar von der Beklagten zu 2) für Empfangs- und Rezeptionsdienste sowie Telefondienste eingesetzt worden, dass hierzu aber auch das Parken der Fahrzeuge gehören würde, lässt sich dem maßgeblichen Vertrag nicht entnehmen. Denn als Empfangs- und Rezeptionsdienst lässt sich das Begrüßen der Gäste und die Übergabe der Schlüssel fassen, jedoch nicht das Parken der Fahrzeuge. Dies muss vor allem vor dem Hintergrund gelten, dass das Hotel der Beklagten zu 2) auch unmittelbar vor dem Eingang über verschiedene Parkplätze verfügt und somit ein Wegfahren zur Nachtzeit nicht erforderlich wäre. Als reiner Empfangsdienst kann daher die bedeutsame Aufgabe des Parkens von möglicherweise auch luxuriösen Fahrzeugen nicht gesehen werden. Die „Gestellung von Empfangs-, Rezeptions- und Telefondienst“ zeigt vielmehr, dass für die Beklagte zu 2) die reine Anwesenheit einer Empfangsperson bei Ankunft der Gäste maßgeblich war. Weiterführende Tätigkeiten waren gerade nicht Inhalt des Vertrags mit der … weshalb der Parkservice nicht als in den Aufgabenbereich des Beklagten zu 1) fallend angesehen werden kann. Deshalb war der von der Beklagten zu 2) binnen nachgelassener Schriftsatzfrist benannte Zeuge nicht mehr zu hören. Zwar war der Beklagte zu 1) möglicherweise im Rahmen der Rezeptionstätigkeit mit der Verwahrung der Fahrzeugschlüssel beauftragt. Jedoch ist davon auszugehen, dass das Gelangen an den Fahrzeugschlüssel dem Beklagten zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit möglich war, die aber lediglich einen äußeren Zusammenhang mit seiner Rezeptionistentätigkeit darstellt. Da der Beklagte zu 1) nach Auffassung des Gerichts nicht durch die Beklagte zu 2) zum Parken der Fahrzeuge bestellt worden war, scheidet eine Zurechnung gem. § 278 BGB aus.
b) Auch konnte der Zeuge … nicht angeben, dass die Durchführung des Parkservice auch in dem vom Beklagten zu 1) durchzuführenden Aufgabenbereich gehört. Insoweit war keine Kommunikation zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Zeugen … über das Verbringen des Fahrzeugs erfolgt (anders BGH, NJW 1965, 1709). Auch konnte der Zeuge nicht angeben, wann und von wem das Fahrzeug bei seinen früheren Aufenthalten bei der Beklagten zu 2) umgeparkt wurde. Er konnte nur angeben, dass das Fahrzeug bei seiner Abreise stets umgeparkt worden war. Soweit der Klägervertreter innerhalb einer nicht nachgelassenen Schriftsatzfrist auf die Aussage des Beklagten zu 1) verweist, vermag dies für den hiesigen Rechtsstreit keine Bindung zu bewirken. Denn die Erkenntnisse des Strafverfahrens binden das Zivilgericht nicht, dieses hat seine Überzeugung aus eigener Würdigung der vorgelegten Beweise zu gewinnen (BGH, NJW-RR 2005, 1024; BGH, NJW-RR 2013, 9).
c) Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beschädigung aufgrund einer vorsätzlichen Agitation des Mitarbeiters der Beklagten zu 2) ausgeübt worden waren, der das Fahrzeug für eine Schwarzfahrt nutzte. Maßgeblich ist dabei, dass die Verfehlung des Mitarbeiters eine selbstständige unerlaubte Handlung darstellt, die mit der Vertragserfüllung nur in äußerem Zusammenhang steht und nicht in den alleinigen Umkreis desjenigen Aufgabenbereichs gehört, für dessen Wahrnehmung der Mitarbeiter letztlich von der Beklagten bestimmt worden war. Nur wenn die Tätigkeit in den Aufgabenkreis des Beklagten zu 1) fallen würde, würde die Beklagte zu 2) auch für strafbares Verhalten der von ihr eingesetzten Hilfspersonen zu haften. Das gilt selbst dann, wenn diese seinen Weisungen oder Interessen vorsätzlich zuwiderhandeln (Palandt/Grüneberg, § 278 BGB, Rn. 20 m.w.N.).
d) Somit kann festgestellt werden, dass der Mitarbeiter nur bei Gelegenheit der ihm von der Beklagten zu 2) übertragenen Tätigkeit die Beschädigung des Fahrzeugs verübt hat und kein innerer Zusammenhang mit der ihm übertragenen Aufgabe bestand (BGH, VersR 1981, 732). Der Beklagte zu 1) beging die Schwarzfahrt und somit die Beschädigung des Fahrzeugs nicht im Rahmen der ihm zugewiesenen Rezeptionstätigkeit und somit nicht „in Erfüllung“, sondern nur nur „bei Gelegenheit“ weshalb eine Haftung der Beklagten zu 2) auscheidet.
II. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) gem. § 701 II Nr. 1 BGB zu. Denn auch wenn es sich bei dem auf dem Hotelgelände geparkten Fahrzeug um eine eingebrachte Sache im Sinne des § 701 II Nr. 1 BGB handelt, so scheitert die Haftung der Beklagten zu 2) an dem in Abs. IV normierten Haftungsausschluss. Dieser sieht vor, dass die Ersatzpflicht sich nicht auf Fahrzeuge erstreckt, weshalb die Klägerin keine Zahlung für die Beschädigung des Fahrzeugs verlangen kann.
III. Auch ein Anspruch nach § 831 BGB kommt nicht in Betracht, da der Beklagte zu 1) nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 2) war. Denn der Beklagte zu 1) war der Beklagten zu 2) durch den als Anlage B 1 vorgelegten Dienstleistungsvertrag überlassen worden. In einem solchen Verhältnis haftet der entleihende Unternehmer nur, wenn der verleihende Arbeitgeber keinen Einfluss auf die konkrete Verrichtung nehmen konnte, weil der Arbeitnehmer in das entleihende Unternehmen eingegliedert war (Palandt/Sprau, § 831 BGB, Rn. 6). Wie sich aus dem Vertrag ergibt, trägt die … die unternehmerische Eigenverantwortung für das eingesetzte Personal und übt das alleinige Weisungsrecht aus. Von einer Eingliederung des Beklagten zu 1) in den Betrieb der Beklagten zu 2) ist aufgrund der alleine der … obliegenden Weisungsmöglichkeit nicht auszugehen, weshalb dieser nicht als Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 2) anzusehen ist. Eine Haftung käme daher letztlich zwar gegenüber der …, nicht aber gegenüber der Beklagten zu 2) in Betracht.
B. Die Kostenentscheidung ergeht für aufgrund von § 100 ZPO i.V.m. § 92 ZPO analog (vgl. Zöller/Herget, § 100 ZPO, Rn. 6). Hierbei waren die Kosten nach Maßgabe der Baumbach’schen Formel entsprechend zu quoteln.
Dem Beklagten zu 1), der seine Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hatte, waren die hälftigen Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufgrund des gegen ihn ergangenen Teil-Versäumnisurteils aufzuerlegen. Da die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) unterlegen, aber gegenüber dem Beklagten zu 1) vollständig obsiegt hat, trägt die Klägerin die hälftigen Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 2) trifft keine Kostentragung.
C. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich für die Beklagte zu 2) aus § 709 ZPO und für die Klägerin aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.