IT- und Medienrecht

Keine Kabelweitersendung durch Internet-Videorecorder – YouTV

Aktenzeichen  6 Sch 21/16 WG

Datum:
6.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
CR – 2017, 831
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 15 Abs. 3, § 20, § 20b Abs. 1 S. 1, § 87 Abs. 1, Abs. 5
VGG § 92 Abs. 2, § 105 Abs. 3 S. 2, § 128 Abs. 1, § 129 Abs. 1
UrhWG § 14c Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Weiterleitung von Rundfunkprogrammen an Online-Videorecorder ist eine Weitersendung iSd §§ 87 I, 20 UrhG. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Weitersendung von Fernsehprogrammen an Online-Videorecorder ist schon deswegen keine Kabelweitersendung iSd §§ 20b, 87 V UrhG, weil zu den Nutzern keine vollständigen Programme weitergesendet werden, sondern nur die einzelnen zur Aufzeichnung bestellten Sendungen. Entsprechende „Rosinenprogramme“ sind unvollständig.  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Damit steht den Betreibern von Online-Videorecordern gegen Sendeunternehmen kein Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages gem. § 87 V UrhG zu. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4 Werden lediglich einzelne Werke oder ein unvollständiges Programm und nicht das Programm als solches bzw. die in ein Programm eingebetteten Sendungen per Kabel an eine Öffentlichkeit weitergeleitet, liegt eine Kabelweitersendung nicht vor. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
5 Eine Kabelweitersendung (§ 87 Abs. 5, § 20b UrhG) setzt voraus, dass eine Weiterübertragung der empfangenen Sendesignale auf der gesamten relevanten Übertragungsstrecke (von der Empfangsantenne bis zum individuellen Speicherplatz des Kunden) kabelgebunden erfolgt; das Betreiben einer solchen Kabelweitersendung kann nicht festgestellt werden, wenn nicht dargetan ist, dass das Sendesignal über die gesamte relevante Strecke bis zu den Kundenfächern auf dem File-Server via Kabelsystem weitergeleitet wird. (Rn. 32 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zutragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Widerklage der Beklagten ist zulässig, führt aber in der Sache weder im Hauptantrag, noch im Hilfsantrag zum Erfolg. Die Klägerin unterliegt nicht dem Kontrahierungszwang des § 87 Abs. 5 UrhG, da dem Streitfall keine Kabelweitersendung im Sinne von § 20b UrhG zugrunde liegt, nachdem bei ihrem streitgegenständlichen Produktangebot eine kabelgebundene, zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weitersendung nur bis zum den individuellen Speicherplätzen vorgelagerten Aufnahmeserver des PVR des Nutzers erfolgt. Im Einzelnen:
1. Hauptantrag zur Widerklage
1. Zulässigkeit
a) Zur Entscheidung über Streitfülle nach § 92 Abs. 2 VGG ist der Senat als am Sitz der Schiedsstelle ausschließlich zuständiges Gericht im ersten Rechtszug berufen (§ 129 Abs. 1 VGG).
b) Die auf Abschluss des Lizenzvertrages betreffend die Kabelweitersendung des von der Klägerin veranstalteten Programms „R“ gerichtete Widerklage – die Beklagte hat insoweit im Termin vor dem Senat klargestellt, dass vom Streitgegenstand des Widerklageverfahrens lediglich dasjenige Angebot umfasst sei, das den Gegenstand des Schiedsstellenverfahrens bildete (Anl. K 7); ob hierunter die (vormalige) Angebotsversion „Shift.TV“, das Angebot „YouTV“ oder wie klägerseits vorgetragen die nunmehrige Version „YouTV aktuell“ fällt, bedarf bei dieser Sachlage keiner gesonderten Beurteilung – ist zulässig, soweit die Beklagte ihr Begehren auf den Kontrahierungszwang des § 87 Abs. 5 UrhG stützt. Die nach § 128 Abs. 1 VGG erforderliche Prozessvoraussetzung eines der gerichtlichen Geltendmachung vorangegangenen, die streitgegenständliche Lizenzierung betreffenden Schiedsstellenverfahrens (§ 92 Abs. 2 VGG) ist erfüllt. Unter dem Az. Sch-Urh 11/14 ist ein Schiedsstellenverfahren durchgeführt worden, in dem die Schiedsstelle am 14.06.2016 den Parteien einen Einigungsvorschlag unterbreitet hat (Anlage K 7), gegen den die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.06.2016 rechtzeitig (§ 105 Abs. 3 Satz 2 VGG) Widerspruch eingelegt hat (Anl. K 8).
c) Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit des Widerklageantrags rügt, hat die Beklagte dem mit der Stellung des Hauptantrags zu I. zur Widerklage, mit dem der Abschluss eines dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 14.07.2016 entsprechenden Lizenzvertrages begehrt wird, Rechnung getragen
2. Begründetheit
Der Widerklage der Beklagten ist in ihrem Hauptantrag in der Sache allerdings kein Erfolg verbeschieden.
a) Gemäß § 87 Abs. 5 Satz 1 UrhG sind Sendeunternehmen (wie die Klägerin) und Kabelunternehmen gegenseitig verpflichtet, einen Vertrag über die Kabelweitersendung im Sinne des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG zu angemessenen Bedingungen abzuschließen, sofern nicht ein die Ablehnung des Vertragsabschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht. Die mit diesem Kontrahierungszwang einhergehende Einschränkung der Vertragsfreiheit steht nach allgemeiner Ansicht (vgl. v. Ungern-Sternberg in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl. 2010, § 87 Rn. 48; s.a. Nachweise bei Dreier in: Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 87 Rn. 26) im Einklang mit der (durch § 20b Abs. 1 Satz 2 UrhG umgesetzten) Richtlinie 93/83/EWG Satellit und Kabel, die in Erwägungsgrund 30 sowie spezifisch in Art. 12 dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich die Förderung vertraglicher Vereinbarungen über die Kabelweiterverbreitung aufgibt. Voraussetzung für den Kontrahierungszwang ist indes, dass die Beklagte im Zusammenhang mit ihrem Internet-Videorecorder eine Kabelweitersendung vornimmt. Dieses als Unterfall des Weitersenderechts (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. UrhG) in § 20b UrhG geregelte Nutzungsrecht setzt nach der Legaldefinition des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG voraus, dass das von einem Sendeunternehmen (im Rahmen einer Erstsendung, vgl. Dreier a.a.O., § 20b Rn. 6) gesendete Werk, welches in ein (von dem Sendeunternehmen zusammengestelltes und verantwortetes) Programm eingebettet ist (Dreier a.a.O., § 20b Rn. 7), zeitgleich, unverändert und vollständig (v. Ungern-Sternberg a.a.O., § 20b, Rn. II; Dreier a.a.O,, § 20b Rn. 8) durch Kabelsysteme {Dreier a.a.O., § 20b Rn. 9) weitergeleitet wird. Fehlt es an einer Einbettung in ein Programm, werden mithin lediglich einzelne Werke per Kabel an eine Öffentlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG weitergeleitet, liegt eine Kabelweitersendung nicht vor (Dreier a.a.O., § 20b Rn. 7). Gleiches gilt, sofern die Weitersendung des Programms unvollständig ist; denn derjenige, der sich auf die Weiterleitung der beliebtesten Sendungen aus – einem oder mehreren – fremden Programmen beschränkt und auf diese Weise gleichsam sein eigenes „Rosinenprogramm“ (Dustmann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl. 2014, § 20b, Rn. 12; Dreier a.a.O., § 20b Rn. 8) zusammenstellt, soll nach der ratio legis (vgl. Erwägungsgrund 30 der Richtlinie 93/83/EWG) nicht in den Genuss des nach § 87 Abs. 5 UrhG erleichterten Rechtserwerbs kommen.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat in seinem Urteil vom 03.06.2015 – 6 Seh 7/14 WG (Anlage K 12 = ZUM 2016,658) betreffend den unter der Bezeichnung „SaveTV“ angebotenen Online-Videorecorder der Beklagten das Vorliegen einer Kabelweitersendung im Sinne von § 87 Abs. 5, § 20b UrhG verneint und hierzu auszugsweise ausgeführt (Senat a.a.O., S. 20 f. unter,,2.a.”):
“a. Eine Kabelweitersendung i.S.d. §§ 87 Abs. 5, 20b UrhG setzt zunächst voraus, dass eine Weiterübertragung der empfangenen Sendesignale auf der gesamten relevanten Übertragungsslrecke kabelgebunden erfolgt. Bereits dies hat die Klägerin, wie die Beklagte zu Recht moniert, nicht schlüssig dargelegt, wenn sie ausführt, jedenfalls bis zu den TV-Karten am Aufnahmeserver erfolge die Weitersendung per Kabel. Denn die der Beurteilung zugrunde zu legende (an den Satellitenschüsseln beginnende) Übertragungsstrecke endet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht etwa – mit der Erstellung der „Masterkopie“ einer vom Nutzer zur Aufnahme programmierten Sendung – auf dem Aufnahmeserver der Klägerin, sondern erst (nach Weiterleitung der kundenspezifischen Datei auf einen Encoding-Server, (Umwandlung des Dateiformats und neuerliche Weiterleitung) auf dem File-Server als demjenigen Ort, an dem der Nutzer (per Internet) tatsächlichen Zugriff auf die von ihm aufgenommene Sendung hat, sie mithin (per Streaming) ansehen oder auf seinen PC herunterladen kann, widrigenfalls es bereits am Merkmal der Weilersendung an eine Öffentlichkeit fehlt. Wenn die Klägerin demgegenüber als relevante Übertragungsstrecke lediglich den Abschnitt zwischen den Einrichtungen, die das von der Beklagten ausgestrahlte Satellitensignal empfangen (Satellitenschüsseln), und dem (vom Nutzer durch vorhergehendes Programmieren einer Sendung aktivierten) Aufnahmeserver mit der Erwägung für ausschlaggebend hält, dieser stehe dem Bildschirm des Nutzers im Fall einer üblichen Übertragung oder Kabelweitersendung (ohne Recording) gleich, da in beiden Fällen allein er (der Nutzer) darüber entscheide, welche der (am Aufnahmeserver wie am Bildschirm) vollständig eingehenden Sendesignale er aufnehmen bzw. sich ansehen möchte, teilt der Senat diese Gleichsetzung nicht: denn der Nutzer, der sich entschlossen hat, eine Sendung am Bildschirm zu verfolgen, kann dies bei der herkömmlichen Kabelweitersendung – nach Einschalten des Geräts – unverzüglich tun. Im Fall des Online-Videorecorders genügt es hingegen nicht, dass das Sendesignal auf dem Aufnahmeserver angekommen ist. Denn hierauf hat der Kunde als Teil der Öffentlichkeit, an welche das Sendesignal weitergeleitet wird (ungeachtet des Umstands, dass allein er eine Speicherung des Signals auf dem Aufnahmeserver auslöst) keinen Zugriff: Mit dem bloßen Veranlassen der Speicherung steht ihm der Dateiinhalt noch nicht zum Genuss zur Verfügung. Betrachten kann er die von ihm vorab zur Aufnahme programmierte Sendung vielmehr erst dann, wenn sie – nach Weiterleitung auf den Encoding-Server zur Umwandlung in ein entsprechendes Dateiformat – in seinem Kundenfach auf dem File-Server der Klägerin abgelegt ist. Der Klägerin ist mithin insoweit zuzustimmen, als nicht der (willkürlich wählbare) Zeitpunkt ausschlaggebend ist, zu dem der Nutzer seine gespeicherte Kopie abruft; die Weiterleitung des Sendesignals endet indes erst dann, wenn der Nutzer seine Kopie abrufen kann. In dieser Beurteilung sieht sich der Senat im Übrigen bestätigt durch die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der zweiten Revisionsentscheidung ZUM-RD 2013, 314 Tz. 56, wenn er dort (Tz. 56 Satz 2 und Satz 3) ausdrücklich von einer Weitersendung nach vorheriger Zwischenspeicherung des empfangenen Signals spricht.
Dies zugrunde gelegt, hat die Klägerin – wie die Beklagte zutreffend moniert – bereits nicht dargetan, dass das Sendesignal über die gesamte relevante Strecke bis zu den Kundenfächern auf dem File-Server via Kabelsystem weitergeleitet wird, so dass der Senat bereits aus diesem Grund nicht zu konstatieren vermag, dass die Klägerin eine Kabelweitersendung betreibt.
b. Eine Qualifizierung des von der Klägerin unterhaltenen Dienstes als Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG scheitert darüber hinaus auch daran, dass die Klägerin lediglich einzelne, aus dem Programm verschiedener Sendeunternehmen wie der Beklagten isolierte Sendungen (oder gar Sendungsteile, vgl. das Gutachten gemäß Anlage K 17, dort S. 5, wonach der Nutzer nicht nur eine Sendung, sondern lediglich ein Segment daraus anfordern kann und im Übrigen – so das Beispiel S. 18 des Gutachtens – auch die Aufnahme einer Sendung beliebig abbrechen kann) und nicht, wie dies nach allgemeiner Ansicht (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr.7; Dustmann in: Fromm/Nordemann, UrhG, 11. Aufl., § 20b Rdnr. 11) erforderlich ist, das von der Beklagten gestaltete (vgl. Dustmann, a.a.O., § 20b Rdnr. 11) Programm als solches bzw. die in ein Programm eingebetteten Sendungen an eine Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG weiterleitet. Eine solche Übernahme und Weiterleitung bloßer Programmteile oder gar einzelner Sendungen bzw. Sendungsteile ist aus dem Anwendungsbereich der Norm des § 20b UrhG, die nach ihrem Schutzzweck auf die rein technische Einspeisung eines laufenden Sendeprogramms in ein Kabelnetz beschränkt ist, ausgenommen (Dustmann, a.a.O., § 20b Rdnr. 12). Dass das vollständige Sendesignal an dem Aufnahmeserver der Klägerin anliegt, ist, wie die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag ausgeführt hat, in diesem Zusammenhang nicht von Belang. Denn auf den (für den Zugriff des Nutzers auf die gespeicherte Sendung – und damit für die Herstellung einer Öffentlichkeit – maßgeblichen) File-Server geleitet werden nicht die vollständigen an dem Aufnahmeserver ankommenden Sendesignale, sondern nur diejenigen, die der Kunde zur Aufnahme programmiert hat (vgl. auch Dustmann, a.a.O, § 20b Rdnr. 12 a.E.). Ein derartiges vom Nutzer selbst nach eigenem Gusto zusammengestelltes „Rosinenprogramm “ ist von der Privilegierung des § 87 Abs. 5 UrhG nicht erfasst.”
c) Diese Beurteilung, an der der Senat festhält, trifft auch auf den streitgegenständlichen PVR zur Aufzeichnung von Fernsehsendungen zu, den die Beklagte ihren Nutzern anbietet, auf dem das von der Klägerin gesendete Fernsehprogramm „R“ aufgenommen und von den Kunden der Beklagten abgerufen werden kann.
aa) Da nach Vorstehendem von einer Kabelweitersendung im Streitfall nur dann auszugehen ist, wenn in Richtung auf die gesamte Strecke von der Empfangsantenne bis zum individuellen Speicher Platz des Kunden der Beklagten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG vorliegen (also kabelgebundene, zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weitersendung eines Werks, hier des Programms „R“ der Klägerin), nicht hingegen insoweit nur auf den Weg von der Empfangsantenne bis zum Aufnahmeserver abzustellen ist, macht es in rechtlicher Hinsicht keinen Unterschied, dass beim streitgegenständlichen Produktangebot „YouTV“ die vom Kunden ausgewählten Sendungen nutzerindividuell auf dem Aufnahmeserver aufgezeichnet und anschließend in ein nutzerindividuelles Verzeichnis auf dem „Storage Cluster“ des PVR verschoben werden (vgl. auch BGH GRUR 2013, 618 Tz. 13 – Internet-Videorecorder II), wohingegen bei „Save.TV“ die vom Nutzer programmierte Sendung auf dem Aufnahmeserver – mit oder ohne Zwischenspeicherung im Wege der Anfertigung einer „Masterkopie“ – aufgezeichnet und sodann auf einem Encoding Server in ein Dateiformat umgewandelt wird, das die Zuordnung der Aufnahmedateien in kundenspezifische Verzeichnisse auf einem File-Server erlaubt (vgl. Senat a.a.O – 6 Sch 7/14WG, S. 4). Dem Umstand, dass die für eine Kabelweitersendung im Sinne von § 20b UrhG maßgebliche Übertragungsstrecke hiernach erst mit der Zugriffsmöglichkeit des Kunden auf den „Storage Cluster“ endet, entnimmt die Schiedsstelle insoweit zutreffend, dass die in tatsächlicher Hinsicht bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Ablage bzw. Speicherung der einzelnen Kundenkopien der aufgezeichneten Sendungen auf dem Storage-Cluster (bei „YouTV“) bzw. dem File-Server (bei „Save.TV“) nicht zu einer unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung führten (Einigungsvorschlag, Anl. K 7, S. 17).
bb) Soweit dem die Beklagte entgegenhält, das vorgefundene Ergebnis stehe nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dieser trage vielmehr der Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 14.06.2017 Rechnung, demzufolge im Streitfall von einer Zwangslizenzierungspflichtigen Kabelweitersendung auszugehen sei (Anlage K 7, Seite 15 ff; ebenso Spindler, ZUM 2017, 11,13 = Anlage B 4; a.A. Haedicke, ZUM 2016, 594, 596 = Anlage K 14), vermag sich der Senat dieser Beurteilung nicht anzuschließen.
(1) Mit Beschluss vom 16.06.2016 (somit in zeitlicher Hinsicht nach dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 14.06.2016, Anl. K 7) hat der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten (damals als Save.TV Ltd. firmierend) gegen das Senatsurteil vom 03.06.2015 -6 Sch 7/14WG zurückgewiesen. Der Zurückweisungsbeschluss ist zwar nicht mit Gründen versehen. Indes kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Senat in seinem Save.TV-Urteil in seiner Hauptbegründung darauf gestützt hat, dass die Weiterleitung des Sendesignals erst dann ende, wenn der Nutzer seine Kopie abrufen könne, was noch nicht mit dem bloßen Veranlassen der Speicherung auf dem Aufnahmeserver der Fall sei, sondern erst nach Weiterleiten der programmierten Sendung auf den Encoding-Server zur Umwandlung auf ein entsprechendes Dateiformat und der Ablage in seinem Kundenfach auf dem File-Server der Klägerin (Senat a.a.O., S. 21). Soweit darüber hinaus die (ohnehin nur das Produktangebot „Save.TV“, nicht hingegen das weitere damals verfahrensgegenständliche Produkt „Save.TV XL“, Senat a.a.O., S. 23, betreffende) Anfertigung einer „Masterkopie“ bzw. das Herausschneiden von Werbeeinblendungen aus der Sendung durch die Klägerin als weitere gegen eine tatbestandsmäßige Kabelweitersendung sprechende Gesichtspunkte angeführt wurden, handelte es sich lediglich um Hilfsbegründungen. Dass der Bundesgerichtshof die Hauptbegründung des Senats nicht für durchgreifend erachtet habe, lässt sich dem Beschluss vom 16.06.2016 über die Nichtzulassung der Revision im „Save.TV’-Verfahren entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht entnehmen.
(2) Der Beklagten – und auch der Schiedsstelle – kann nicht darin gefolgt werden, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil Internet-Videorecorder II (GRUR 2013,618) vom Vorliegen einer Kabelweitersendung in Bezug auf „Shift.TV“ (bzw. nunmehr „YouTV“) ausgegangen sei und lediglich Veranlassung bestehe, in tatsächlicher Hinsicht zu den Voraussetzungen des Zwangslizenzeinwands Feststellungen zu treffen. Insoweit zutreffend hat die Schiedsstelle im Einigungsvorschlag vom 14.06.2016 ausgeführt, der BGH habe nur über das Vervielfältigungsrecht entschieden und die Frage der Weitersendung offen gelassen (Anl. K 7, S. 17). Der Bundesgerichtshof hat klarstellend ausgeführt, dass die Frage, ob die Parteien dem Kontrahierungszwang des § 87 Abs. 5 UrhG unterliegen, „in entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 UrhWG [nunmehr § 92 Abs. 2, § 128 Abs. 1 VGG] auch dann zunächst von der Schiedsstelle zu beantworten ist, wenn sie nicht im Wege der Klage, sondern im Rahmen einer Klage im Wege des Zwangslizenzeinwands aufgeworfen wird1. Über die Frage, ob im Streitfall von einer Kabelweitersendung auszugehen ist, hat der Bundesgerichtshof hiernach nicht befunden, sondern der Wertung des Gesetzgebers folgend der Zuständigkeit der Schiedsstelle – und im Falle der Widerspruchseinlegung nach Ergehen eines Einigungsvorschlags des Senats – zugeordnet.
(3) Dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichende Anhaltspunkte für die Aussage biete, der nach Empfang des Signals erfolgende Vervielfältigungsvorgang durch den Nutzer (von der Einigungsstelle als „Vervielfältigungsstrecke“ bezeichnet) sei vom Vorgang der Kabelweiterleitung nicht mehr umfasst (sondern mit Beendigung der „Sendestrecke“ abgeschlossen, vgl. Anl. K 7, S. 18), vermag der Senat nicht zu erkennen. Auf die Tz. 10 bis 14 der vorgenannten Entscheidung lässt sich die Feststellung der Schiedsstelle, bei der Kabelweitersendung und der Vervielfältigung einer abgespeicherten Sendung handle es sich um zwei Vorgänge, die in rechtlicher Hinsicht voneinander abzugrenzen seien und einander ausschließen würden, nicht stützen.
(4) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Bundesgerichtshof als Hersteller der auf dem PVR erfolgenden Aufzeichnungen/Vervielfältigungen den Nutzer angesehen und den PVR deren Bereich zugeordnet hat (vgl. BGH GRUR 2009, 845 Tz. 30 – Internet-Videorecorder I; BGH a.a.O. – Internet-Videorecorder II, Tz. 42). Wie bereits ausgeführt hat der BGH in den genannten Entscheidungen die in Rede stehende Technologie zwar als Eingriff in das Senderecht der Klägerin (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt., § 20 UrhG) qualifiziert, nicht hingegen eine Entscheidung darüber getroffen, ob auch die Voraussetzungen einer Kabelweitersendung im Sinne von § 20b UrhG vorlagen (vgl. auch Senat a.a.O. – 6 Sch 7/14 WG, S. 20).
d) Stellt demnach der von der Beklagten zur Verfügung gestellte Online-Videorecorder keine Kabelweitersendung im Sinne des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG dar, kann sie sich auf einen Lizenzierungszwang nach § 87 Abs. 5 UrhG unabhängig davon nicht berufen, ob der Klägerin ein sachlich rechtfertigender Grund für ihre Weigerung, der Beklagten die Rechte zur Kabelweitersendung ihres Programmes einzuräumen, zur Seite steht. Aus den vorstehenden Gründen bedarf es ebenfalls keiner Entscheidung über die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei der Kabel weitersendung und der Weitersendung an Online-Videorecorder um unterschiedliche Nutzungsarten handle und es nach Auffassung der Klägerin daher schon von vorneherein an den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Zwangslizenzierungspflicht im Sinne von §§ 20b,87 Abs. 5 UrhG fehle (vgl. auch Senat a.a.O. – 6 Sch 7/14 WG, S. 19)
II. Hilfsantrag zur Widerklage
1. Der Hilfsantrag der Beklagten zur Widerklage entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, auch wenn dieser nicht auf den Abschluss eines dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle in allen Punkten entsprechenden Lizenzvertrages gerichtet ist. In seinem Beschluss vom 12.06.2003 – 6 Sch 1/03 WG (ZUM-RD 2003, 423) hat der Senat diesbezüglich ausgeführt (Seant a.a.O., nachgewiesen in juris, Tz. 9): „… Vielmehr hat das OLG den Inhalt der Gesamtverträge, insb. Art und Höhe der Vergütung, nach eigenem billigem Ermessen festzusetzen, § 16 Abs. 4 S. 3 UrhWG, wofür der Einigungsvorschlag der Schiedsstelle eine Entscheidungshilfe bietet, weil er einen Textvorschlag für den festzusetzenden Gesamtvertrag enthalten muss, § 14c Abs. 1 S. 1 UrhWG“. Entsprechendes gilt auch für den Streitfall; insoweit ist auf die Regelung in § 130 VGG zu verweisen, derzufolge der Senat von Gesetzes wegen dazu berufen ist, den Inhalt von Gesamtverträgen (zur entsprechenden Wertung bei vergleichbaren Verträgen – wie auch solchen über die Kabelweitersendung – vgl. Gerlach in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 4. Aufl. 2014, § 17 WahrnG, Rn. 13)-nach billigem Ermessen festzusetzen.
2. Aus den vorstehenden Gründen zu I. hat aber auch der Hilfsantrag der Widerklage der Beklagten in der Sache keinen Erfolg, weil im Streitfall die Tatbestandsvoraussetzungen einer Kabelweitersendung im Sinne von § 20b UrhG nicht erfüllt sind, die Klägerin daher dem Kontrahierungszwang des § 87 Abs. 5 UrhG nicht unterliegt.
III. Nebenentscheidungen
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Soweit die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten ihre negative Feststellungsklage im Termin vom 23.02.2017 im Hinblick auf die von letzterer erhobene Widerklage (als positive Leistungsklage) übereinstimmend für erledigt erklärt hat (vgl. Bl. 153 d.A.), waren der Beklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil sie bei Fortsetzung des Rechtsstreits auch insoweit unterlegen wäre (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die negative Feststellungsklage der Klägerin zulässig. Auch insoweit gilt, dass der Senat gemäß § 92 Abs. 2 VGG i.V.m. § 129 Abs. 1 VGG, § 87 Abs. 5 UrhG zur Entscheidung über den Streit der Parteien betreffend die Verpflichtung der Klägerin zum Abschluss des beklagtenseits begehrten Lizenzvertrages über die Kabelweitersendung ausschließlich zuständig ist, unabhängig davon, ob dieser im Wege der negativen Feststellungsklage oder einer Leistungsklage ausgetragen wird. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Oberlandesgericht Dresden hierzu im Berufungsverfahren 14 U 1071/06 berufen sei, nachdem der Zwangslizenzeinwand dort nur einredeweise erhoben worden sei. Hieraus ergibt sich keine vorrangige Entscheidungszuständigkeit des OLG Dresden, bei dem der Anspruch der Beklagten im Wege des Einwands geltend gemacht wird und folglich nur eine Vorfrage ist. Dementsprechend besteht auch keine anderweitige Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), da der Streitgegenstand des Verfahrens vor dem OLG Dresden sich von dem Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens unterscheidet. Entscheidungen über eine im Prozess erhobene Einwendung oder Einrede, auch wenn ihnen einen Gegenanspruch zugrunde liegt, nehmen auch nicht an der Rechtskraft teil (Thomas/Putzo/Tte/c/jo/c/, ZPO, 37. Aufl., § 322 Rn. 30 m.wN.). Für die negative Feststellungsklage wäre auch ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen gewesen, denn die Beklagte berühmt sich eines Anspruchs auf Abschluss eines Vertrages über die Kabelweitersendung, den sie im Verfahren vor dem OLG Dresden dem Unterlassungsanspruch der Klägerin entgegenhält (vgl. auch die Vertragsangebote der Beklagten vom 18.10.2010 und 11.2.2014, Anlage B 3; Schiedsstellenantrag vom 25.9.2014, Anlage B 1; vgl. auch Senat, GRUR 1993, 509 zur Berühmung in Gestalt einer Hilfswiderklage).
Dass die negative Feststellungsklage der Klägerin bei Fortsetzung des Rechtsstreits auch in der Sache Erfolg gehabt hätte, folgt aus dem nicht bestehenden Anspruch der Beklagten auf Abschluss eines Lizenzvertrages über die Kabelweitersendung wie vorstehend ausgeführt.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

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