Aktenzeichen S 38 KA 2001/14
Leitsatz
1. Verletzt ein am Hausarztvertrag (§ 73b SGB V) teilnehmender Arzt seine Pflichten, ist er zum Schadenersatz verpflichtet (in Bayern: § 15 Abs. 4 S. 5 HzV-V in Verbindung mit § 280 BGB). (Rn. 31)
2. Während der Gestaltungsdauer eines Hausarztvertrages nach § 73 b SGB V eintretende Änderungen des Vertrages werden für den teilnehmenden Arzt nur dann verbindlich, wenn der /die Vertragspartner des Hausarztvertrages bei im Vertrag geregelter Informationspflicht dieser Pflicht in ausreichendem Umfang nachgekommen sind. (Rn. 18)
3. Für die Auslegung einer solchen Informationsmitteilung kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten an. Es gilt wie bei den “Allgemeinen Geschäftsbedingungen” (§§ 305 ff. BGB) das Transparenzgebot (vgl. Palandt, Komment. zum BGB, Rn 20 zu § 307). (Rn. 22 und 29)
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.484,81 Euro zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens, der Beklagte trägt 1/4 der Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zum Sozialgericht eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich aber nur zum Teil als begründet.
Die Klägerin hat keinen Rückzahlungsanspruch bezüglich der Substitutionsleistungen (GOP´s 01950, 01951 und 01952).
Als Anspruchsgrundlage kommt § 15 Abs. 4 S. 5 Hausarztvertrag (HzV-V) i.V.m. § 280 BGB in Betracht. Danach steht der Klägerin ein weitergehender Schadensersatzanspruch zu. Die Regelung des § 15 Abs. 4 S. 1 HzV-V kommt nicht zum Tragen, weil dieser Anspruch lediglich auf die Erstattung von zu viel erhaltener HzV-Vergütung gerichtet ist (vgl. SG München, Urteil vom 22.03.2017, Az. S 21 KA 1924/14). Der ursprüngliche Anspruch des Beigeladenen wurde wirksam an Erfüllung statt gem. § 15 Abs. 5 S. 3 HzV-V i.V.m. § 364 BGB an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin hat die Abtretung angenommen.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch liegen hinsichtlich der Substitutionsleistungen (GOP´s 01950, 01951 und 01952) nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Beklagte gegen § 12 Abs. 2 HzV-V i.V.m. Anlage 10 verstoßen hätte. Danach dürfen Leistungen, die gemäß Anlage 10 vergütet werden, nicht zusätzlich gegenüber der KVB abgerechnet werden. Anlage 10 enthält einen sog. „Ziffernkranz“, d.h. in einer Tabelle sind die EBM-Leistungen aufgeführt, die dem Hausarztvertrag zugeordnet und die im Rahmen dessen meist durch Pauschalen bzw. Zuschläge abgegolten sind. Die Anlage 10, die ab 01.01.2010 gültig ist, enthält auch die Substitutionsleistungen nach den GOP´s 01950, 01951 und 01952, soweit es sich um eigene Versicherte handelt. Substitutionsleistungen bei überwiesenen Versicherten sind nach wie vor über die KVB abrechenbar. Es handelt sich um Regelungen, die im HzV-V bzw. dessen Anlage 10 vorher nicht enthalten waren. Die Änderungen sind nach Auffassung des Gerichts für den Beklagten nicht verbindlich, da sie nicht wirksam wurden. Während der Geltungsdauer eines Hausarztvertrages nach § 73b SGB V eintretende Änderungen des Vertrages werden für den teilnehmenden Arzt nur dann verbindlich, wenn der/die Vertragspartner des Hausarztvertrages bei im Vertrag geregelter Informationspflicht dieser Pflicht in ausreichendem Umfang nachgekommen sind.
Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin geltend gemachte Rückforderung gegen das Gebot von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) und/oder gegen Rechtstaatsprinzip verstößt. Denn auf diese allgemeinen Rechtsgedanken muss grundsätzlich nur dann zurückgegriffen werden, wenn speziellere Regelungen nicht zur Anwendung gelangen.
Mit Schreiben der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft e.G. (HÄVG) vom 26.10.2009 wurde darüber informiert, der HzV-V vom 12.01.2009 werde geändert und „folgende Anpassungen der vertraglichen Pflichten im Rahmen des HzV-Vertrages mit Wirkung zum 01.04.2009 und für die Zukunft durch die 1. Änderungsvereinbarung würden vorgenommen“. Zur Wirksamkeit müsse den Anpassungen zugestimmt werden. Es ist nicht abschließend geklärt, ob der Beklagte eine Zustimmungserklärung abgegeben hat. Darauf kommt es aber nicht an. Denn dieses Informationsschreiben enthält keinen Hinweis auf die Änderung des Ziffernkranzes, insbesondere nicht den Einschluss der GOP´s 01950, 01951 und 01952. Soweit sich im Rahmen des Verfahrens ergab, waren bis zuletzt Änderungen des Ziffernkranzes zwischen den Vertragspartnern umstritten. Die Änderung des Ziffernkranzes konnte allein zeitlich nicht von einer Zustimmung des Beklagten umfasst sein, selbst wenn sie vorliegen würde. Dies erklärt, warum zunächst von einer konkreten Änderung des Ziffernkranzes nicht die Rede war, sondern erst durch den BHÄV am 22.12.2009 in dem Infoschreiben Nr. 10 darüber informiert wurde.
Allerdings ist die Information in dem Infoschreiben Nr. 10 als unzureichend anzusehen. Unter „2. Hinweise Abrechnung Quartal 1/2010“ wird darüber informiert, man habe sich auf neue Vergütungspositionen im HZV-V geeinigt und die Anlage 10 sowie deren Ziffernkranz entsprechend angepasst. Darunter sind bestimmte „neue Vergütungspositionen allgemein, neue Vergütungspositionen aufgrund Angleichung an den Kinderarztvertrag (PzV-Vertrag) und neue Vergütungspositionen aufgrund bestehender Netzverträge“ genannt. Des Weiteren wird wie folgt ausgeführt: „Diese neuen Leistungen gelten ab dem 01.01.2010, können aber erst ab dem 01.04.2010 rückwirkend für das Quartal 1/2010 über die Vertragssoftware abgerechnet werden. Informationen über Vergütungshöhe, Leistungsumfang, Abrechnungsausschlüsse finden Sie in der aktualisierten Fassung der Anlage 10 HzV-Vertrag (Honoraranlage). Diese und der aktualisierte EBM-Ziffernkranz sind unter www.hausärztebayern.de und www.hausärzteverband.de in der Rubrik Hausarztvertrag AOK Bayern inkl. der überarbeiteten Schreibtischvorlage eingestellt.“
Für die Auslegung einer solchen Informationsmitteilung kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten an (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2017, Az. L 32 AS 1605/15). Substitutionsleistungen sind in dem Infoschreiben konkret nicht genannt. Auch die Wortwahl deutet auf eine abschließende Aufzählung im Infoschreiben Nr. 10 hin, zumal dort bestimmte Leistungen aufgeführt sind, ohne dass durch Zusätze wie „insbesondere“ oder „u.a.“ klargestellt wird, dass es darüber hinaus noch andere Leistungen gibt, die in Abänderung des ursprünglichen Hausarztvertrages nunmehr vom Ziffernkranz erfasst sind. Daran ändert auch der Hinweis auf die Homepage unter www.hausärztebayern.de und www.hausärzteverband.de im Infoschreiben nichts. Denn ausgehend von einem verständigen, objektiven Erklärungsempfänger beziehen sich die Informationen über Vergütungshöhe, Leistungsumfang und Abrechnungsanschlüsse, die in der Homepage abrufbar sind, auf die zuvor im Infoschreiben genannten neuen Vergütungspositionen. So ist explizit die Rede von „Diese neuen Leistungen…“, was nicht anders zu interpretieren ist, als dass es weitere neue Vergütungspositionen im Hausarztvertrag, so auch Substitutionsleistungen nicht gibt. Nach Auffassung des Gerichts bestand daher für den Beklagten keine Veranlassung, diesbezüglich die Homepage aufzurufen und durchzusehen. Die farbliche Hervorhebung der geänderten Ziffern im Ziffernkranz der Anlage 10 konnte somit ebenfalls nicht zum Tragen kommen.
Vielmehr besteht für den Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV) eine Informationspflicht, die sich aus § 7 Abs. 2 HzV-V ergibt. Danach hat der BHÄV über Änderungen und Ergänzungen des HzV-V und/oder einer Anlage die Hausärzte schriftlich zu informieren. Dies ist nicht in ausreichendem Umfang geschehen. Diese Informationspflicht gibt es in dieser Form nicht im kollektivvertraglichen Bereich. Dort ist zwar in § 3 Abs. 1 der Satzung der KVB eine „Beratungs- und Unterstützungspflicht“ der KVB vorgesehen. Außerdem ist das Rechtsinstitut des „Sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruchs“, das auf einem besonderen Sozialrechtsverhältnis zwischen Sozialleistungsempfänger und Sozialleistungsträger beruht und im Bereich der Rentenversicherung entwickelt worden ist, im Verhältnis des Vertragsarztes zur Kassenärztlichen Vereinigung nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003, Az. B 4 RA 38/02 R; Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 15.05.2005, Az. L 4 KA 41/05; SG München, Urteil vom 01.10.2014, Az. S 38 KA 1035/13). Denn Vertragsärzte sind nicht in gleicher Weise schutzwürdig wie ein Großteil der Leistungsempfänger im Sinne der §§ 11 ff. SGB I. Die in § 7 Abs. 2 HzV-V geregelte Informationspflicht geht somit eindeutig über die normalen „Beratungs- und Unterstützungspflichten“ im kollektivvertraglichen Bereich hinaus, indem konkret eine Informationspflicht des BHÄV formuliert wird.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der am Hausarztvertrag teilnehmende Arzt habe seinerseits die Obliegenheit, sich ständig über den aktuellen Inhalt des Vertrages und dessen Anlagen auf dem „Laufenden“ zu halten. Es trifft zu, dass der Vertragsarzt im Kollektivvertragsrecht nicht damit rechnen kann, die einmal bestehende rechtliche Situation bleibe unangetastet, die Gesetzeslage, Verträge und Abrechnungsbestimmungen änderten sich nicht. Ein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage gibt es nicht. Insofern besteht für den Vertragsarzt die Pflicht, sich selbst zu informieren. Für ihn sind die jeweils geltenden Regelungen verbindlich, wie sich aus § 95 Abs. 3 S. 3 SGB V ergibt, ohne dass es einer Zustimmung seinerseits oder einer Information durch Dritte bedarf. § 95 Abs. 3 S. 3 SGB V ist jedoch im Selektivvertragsrecht nicht anwendbar. Denn diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Zulassung des Vertragsarztes, die damit verbundenen Rechte und Pflichten des Vertragsarztes und bezieht sich daher nur auf das Kollektivvertragsrecht, nicht aber auf das Selektivvertragsrecht (vgl. Kassler Kommentar, Band 2, Kommentar zum Sozialgesetzbuch, Rn 79 zu § 95 SGB V). Die Klägerin kann sich daher nicht auf § 95 Abs. 3 S. 3 SGB V berufen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Teilnahmeerklärung bzw. § 6 Abs. 1 S.2 HzV-V. Es trifft zwar zu, dass nach der Teilnahmeerklärung und nach § 6 Abs. 1 S.2 HzV-V die im HzV-V und seinen Anlagen getroffenen Regelungen für den teilnehmenden Arzt verbindlich sind. Dies kann aber nur insoweit gelten, als der BHÄV BBHÄVBÄV seiner Informationspflicht im erforderlichen Umfang nach § 7 Abs. 2 HzV-V nachgekommen ist. Ansonsten würde nicht nur die ausdrücklich geregelte Informationspflicht des BHÄV, sondern auch das dem teilnehmenden Arzt zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 7 Abs. 2 S.2 HzV-V ins „Leere“ laufen. Die Informationspflicht ist ein sog. „essentialia negotii“, wie sich auch daraus ergibt, dass erst mit der Mitteilung über Änderungen ein Fristenlauf für das Sonderkündigungsrecht beginnt – Kündigung muss innerhalb von sechs Wochen nach Mitteilung über die Vertragsänderung erfolgen -. Ansonsten tritt eine Genehmigungsfiktion ein, d.h. die Änderungen gelten als genehmigt (§ 7 Abs. 2 S. 3, 4 HzV-V). Der teilnehmende Arzt kann nur von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, wenn er ausreichend informiert ist.
Nicht geteilt wird in diesem Zusammenhang die Auffassung der Klägerin, es sei unschädlich, dass die GOP´s 01950, 01951 und 01952 in der Information nicht inhaltlich gesondert ausgewiesen seien. Denn im einleitenden Satz, dem EBM-Ziffernkranz in der Anlage 10 vorangestellt, sei darauf hingewiesen worden, der Leistungsumfang der Pauschalen sowie der entsprechenden Zuschläge und Einzelleistungen bestimme sich „anhand dieses „EBMZiffernkranzes“, der während der Laufzeit der Honoraranlage bei Anpassungen des EBM regelmäßig von den Vertragspartnern überarbeitet wird“. Wie sich aus dem Wortlaut ergibt, ist in dem einleitenden Satz die Rede von Überarbeitungen bei Anpassungen des EBM, nicht aber von Überarbeitungen des Ziffernkranzes losgelöst vom EBM. Was die Substitutionsleistungen betrifft, hat diesbezüglich gerade keine Änderung des EBM stattgefunden, die sich auf den Ziffernkranz auswirken würde. Der Umstand, dass Leistungen im medizinischen Bereich oder deren Bewertung einer dynamischen Entwicklung unterliegen, trifft zu, führt aber nicht dazu, dass Änderungen des HzV-V aus diesem Grund für den teilnehmenden Arzt verbindlich werden.
Letztendlich spricht auch für die Rechtsauffassung des Gerichts der Umstand, dass es sich bei der Substitutionsbehandlung nicht lediglich um singuläre Leistungen handelt, sondern um eine Therapie über einen längeren Zeitraum. Ziel der Substitution ist, dass im Ergebnis der Patient suchtmittelfrei wird, insbesondere aber sein Überleben gesichert, der Gesundheitszustand gebessert und stabilisiert sowie die Behandlung von Begleiterkrankungen unterstützt wird (§ 5 Abs. 2 der Verordnung über das Verschreiben, die Abgabe und den Nachweis des Verbleibs von Betäubungsmitteln (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung-BtMVV). Nicht umsonst kommt in den „Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs-und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) zum Ausdruck, dass das alleinige Auswechseln des Opiats durch ein Substitutionsmittel keine geeignete Behandlungsmethode darstellt (vgl. Präambel zur BtMVV) und die Substitution Bestandteil eines umfassenden Therapiekonzeptes ist (vgl. § 3 Abs. 1, 4 BtMVV). Darüber hinaus ist Beginn und Ende der Substitution unverzüglich der zuständigen KV und der leistungspflichtigen Krankenkasse anzuzeigen. Nach Ablauf von jeweils 5 Behandlungsjahren sind die patientenbezogenen Dokumentationen an die Qualitätssicherungskommission zur Prüfung zu übermitteln (§ 9 Abs. 5 BtMVV). Daraus folgt, dass die Substitution auf längere Dauer angelegt ist. Nachdem die Vergütung von Substitutionsleistungen im Bereich des Kollektivvertragsrechts (nach Angaben des Prozessbevollmächtigen: ca. 250.-€ pro Quartal und Patient) für den Substitutionsarzt ungleich lukrativer ist als im Bereich des Hausarztvertrages (nach Angaben des Prozessbevollmächtigten: 47,50 € pro Quartal und Patient) wäre damit zu rechnen gewesen, dass die am Hausarztvertrag teilnehmenden Substitutionsärzte nach der gebotenen Information durch den BHÄV in großem Umfang von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht hätten. Dies hätte fatale Auswirkungen für die Patienten nach sich gezogen, da die Substitutionsbehandlung während der langfristig angelegten Therapie dann zumindest zeitweise unterbrochen (evtl. mit Behandlerwechsel) und im ungünstigsten Fall die Substitution gänzlich abgebrochen worden wäre. Somit ginge unweigerlich eine Kollision mit den Zielen der Substitution einher, was vom Verordnungsgeber nicht gewollt sein kann. Für bereits laufende Behandlungen über einen längeren Zeitraum, wie bei Substitutionsbehandlungen hätten daher entsprechende großzügige Übergangsfristen im Hausarztvertrag vorgesehen werden müssen.
Selbst wenn man diese Sichtweise nicht teilen würde, besteht angesichts der nach Änderung des Ziffernkranzes und Einschluss der Substitutionsleistungen deutlich ungünstigeren Honorarsituation sogar eine gesteigerte Informationspflicht durch den BHÄV. Auch wenn der Hausarztvertrag eine Informationspflicht durch die klagende Krankenkasse nicht vorsieht, wäre diese ebenfalls nicht gehindert, eventuell als Vertragspartnerin des Hausarztvertrages sogar verpflichtet gewesen, ihrerseits die teilnehmenden Ärzte über derartige Änderungen zu informieren, was wohl in den nachfolgenden Zeiträumen praktiziert wurde.
Soweit die Klägerin ausführt, die Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) seien entgegen der Darstellung der 21. Kammer des SG München (Urteil vom 22.01.2017, Az S 21 KA 1924/14) nicht anwendbar, ist einzuräumen, dass auch nach hiesiger Auffassung keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegen, so dass die Regelungen der §§ 305 ff. BGB nicht direkt gelten. Die Ausführungen der 21. Kammer sind aber auch nicht in dieser Richtung zu interpretieren. Es ist nie solches ausgeführt worden. Vielmehr ist lediglich die Rede davon, dass „die Situation vergleichbar ist mit derjenigen, in denen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bzw. geänderte AGB Gegenstand des Vertrages werden sollen“. Denn in beiden Fällen geht es darum, unter welchen Voraussetzungen eintretende Änderungen Vertragsbestandteil und damit für den Vertragspartner verbindlich werden. Hier wie da kommt es auf den ausdrücklichen Hinweis an (vgl. S. Roloff, in: BGB-Kommentar, 14. Auflage 2014, Rn 43 zu § 305). Es gilt wie bei den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (§§ 305 ff. BGB) das Transparenzgebot (vgl. Palandt, Komment. zum BGB, Rn 20 zu § 307).
Was die Rückforderungen im Zusammenhang mit der Doppelabrechnung von Substitutionsleistungen betrifft, besteht folglich keine Pflichtverletzung, so dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 4 S. 5 Hausarztvertrag (HzV-V) i.V.m. § 280 BGB nicht zusteht und die Klage abzuweisen war (vgl. auch SG München, Urteil vom 22.01.2017, Az S 21 KA 1924/14; Urteil vom 22.03.2017, Az S 21 KA 1902/14; Urteil vom 23.10.2017, Az S 28 KA 2016/14).
Anders verhält es sich bezüglich der Rückforderungen im Zusammenhang mit den übrigen Leistungen (GOP´s 02300, 03111, 03212, 03321, 03322, 03324, 03330, 03331, 32001, 32030, 32040, 32042, 32057, 32066, 32089, 32141-32146, 32150, 33042, 35100, 35110, 40106, 40144). Anspruchsgrundlage ist § 15 Abs. 4 S. 5 Hausarztvertrag (HzV-V) i.V.m. § 280 BGB. Vorauszusetzen ist eine schuldhafte Pflichtverletzung, die zu einem kausalen Schaden geführt hat. Diese Leistungen waren von Anfang an vom Ziffernkranz in Anlage 10 des Hausarztvertrages umfasst, so dass ein Verstoß gegen die Informationspflicht des BHÄV bei Änderungen des HzV-V und/oder dessen Anlagen gemäß § 7 Abs. 2 HzV-V keine Rolle spielt. Es handelt sich um Leistungen, die vom Ziffernkranz des HzV-V erfasst sind, trotzdem zum einen über den BHÄV und zum anderen auch gegenüber der KVB abgerechnet wurden.
Der Beklagte hat gegen § 12 Abs. 2 HzV-V i.V.m. dessen Anlage 10 (Anlage 10, Abschnitt B II, Abs. 1 S. 4) verstoßen. Danach dürfen Leistungen, die gemäß Anlage 10 vergütet werden, nicht zusätzlich gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abgerechnet werden. Die genannten Leistungen sind vom Hausarztvertrag mitumfasst und durch Pauschalen und Zuschläge (Z 03, Z 06, Z 07, Z 08, Z 10, Z 11 und Z 12) abgegolten.
Diese Verletzung hat insofern zu einem Schaden geführt, als die Klägerin durch die KVB auf Ersatz dieser unzulässigen Abrechnungen in Anspruch genommen wird (vgl. Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 Abs. 4 SGB V zur Ermittlung des zu bereinigenden Behandlungsbedarfs gemäß § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V bei Beitritt eines Versicherten zu einem Vertrag gemäß §§ 73b, 73c und 140d SGB V in der 16. und 17. Sitzung am 09.12.2009 mit Wirkung zum 01.10.2009 bis zum 31.12.2010 bzw. mit Wirkung zum 01.01.2010 bis zum 31.12.2010, jeweils Abschnitte II.1.5 Nr. 4 und 8 in Verbindung mit den Vereinbarungen zur Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Abs. 3 S. 2 SGB V für Verträge nach §§ 73b, 73c und 140d zwischen der KVB und der Klägerin).
Im Hinblick auf die „Verschuldensvermutung“ in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist auch von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Anhaltspunkte für eine unverschuldete Pflichtverletzung sind nicht vorhanden.
Insoweit stehen der Klägerin Ansprüche gegen den Beklagten zu.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin aber keinen Anspruch auf Erstattung der begehrten Zinsen nach §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Vom Bundessozialgericht wurden wiederholt Zinsansprüche im Verhältnis der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Vertragsarzt abgelehnt. Dagegen wurden Zinsansprüche im Verhältnis zwischen Krankenkassen und der KV bzw. der KZV zugesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 65/11 B; BSG, Urteil vom 28.09.2005, Az. B 6 KA 71/04 R). Es ist kein Grund ersichtlich, davon abweichend im Verhältnis Krankenkasse und am Hausarztvertrag teilnehmender Arzt Prozesszinsen zuzusprechen. Denn auch hier handelt es sich um Leistungsbeziehungen nach dem Vierten Kapitel des SGB V.
Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Kostenteilung entspricht dem Ausmaß des Obsiegens.