IT- und Medienrecht

Keine Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist

Aktenzeichen  19 U 2641/16

Datum:
18.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 122394
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 85 Abs. 2, § 233, § 517

 

Leitsatz

Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Dies setzt zum einen voraus, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Ferner gehört hierzu die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

35 O 16068/15 2016-05-11 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Antrag des Klägers vom 25. August 2016 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.05.2016, Aktenzeichen 35 O 16068/15, wird verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 80.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Das klageabweisende Urteil des Landgerichts München I vom 11.05.2016 wurde dem Klägervertreter ausweislich seines eigenen Vortrages am 18.05.2016 (Bl. 92 und 117 d. A.) und ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 23.05.2016 zugestellt (Bl. 78/84 d. A.). Mit Faxschreiben vom 20.06.2016, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (Bl. 93/94 d. A.) legte der Klägervertreter namens seines Mandanten Berufung ein. Die Frist zur Begründung der Berufung lief somit ausgehend vom Klägervortrag am 18.07.2016, ausgehend vom Empfangsbekenntnis spätestens am 23.07.2016 ab. Eine Berufungsbegründungsschrift ging bis 24.08.2016 nicht ein, so dass der Senat den Kläger mit Verfügung vom 25.08.2016 darauf hinwies (Bl. 98 d. A.), dass er beabsichtige, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Mit Faxschreiben vom 25.08.2016, eingegangen am 25.08.2016 (Bl. 117/121 d. A.), beantragte der Klägervertreter, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren und legte mit ergänzendem Schriftsatz vom 25.08.2016 (Bl. 99/116 d. A.), ebenfalls eingegangen am 25.08.2016, eine Berufungsbegründungsschrift vor.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trägt der Klägervertreter unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Rechtsanwaltsfachangestellten . vor, die Fristnotierung sei in der Kanzlei so organisiert, dass Frau ., die seit 22 Jahren als Rechtsanwaltsfachangestellte und seit 01.12.2013 in der Kanzlei der Klägervertreter tätig sei und seit 01.04.2015 die Verantwortung aller Fristen der Rechtsanwälte … und … in der Kanzlei trage, die Posteingänge – nach Öffnen und Anbringen des Eingangsstempels durch den Empfang – auf Fristen hin sichte, diese auf dem Schriftstück neben dem Eingangsstempel notiere und in den Fristenkalender und die Akte eintrage. Eine Überprüfung der Fristen erfolge zudem durch die Rechtsanwälte. Fristenlöschungen nehme Frau . erst vor, nachdem sie sich anhand der Akte vergewissert habe, dass zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei. Jeden Abend prüfe Frau . anhand des elektronischen Fristenkalenders, ob alle Fristen erledigt wurden. Über die Regelungen der Fristenkontrolle und deren Bedeutung wurde insbesondere auch Frau … regelmäßig, zuletzt am 01.08.2016 belehrt. So sei am 01.04.2015 angeordnet worden, die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders nochmals und abschließend selbständig zu prüfen, wobei diese Anordnung in nur wenigen Wochen wiederholt worden sei. Zudem sei sie in diesen Abständen auch angewiesen worden, die notierten Fristen in den Akten stichprobenartig zu überprüfen. Im konkreten Fall habe Frau ., der bislang nie ein Fehler unterlaufen sei, die Berufungseinlegungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist auf der Urteilsausfertigung, im zentralen Fristenkalender und in der Akte notiert. Die Frist für die Begründung der Berufung in dieser Sache habe sie jedoch versehentlich mit der Frist für die Einlegung der Berufung in dieser 19 u 2641/16 – Seite 3 Sache aus dem Computersystem gelöscht und in der Akte gestrichen. Erst bei einer stichprobenartigen Überprüfung am 25.08.2016 sei der Fehler bemerkt worden. Aufgrund der klaren Anweisungen und des bislang beanstandungsfreien Verhaltens der Mitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten, sei deren Fehler unverschuldet im Sinne von § 233 ZPO, und dem Kläger nicht zuzurechnen. Schließlich trägt der Klägervertreter vor, habe es im gesamten Jahr 2016 in den Widerrufsfällen den Regelfall dargestellt, dass sowohl Rechtsanwalt . als auch Rechtsanwalt . die Berufungsbegründung gleich zusammen mit der Berufungsschrift erstellt und eingereicht haben.
Der Senat hat mit Verfügung vom 08.09.2016 (Bl. 126 d. A.) darauf hingewiesen, dass sich aus den dem Senat vorgelegten Abschriften des erstinstanzlichen Urteils die im Schriftsatz vom 25.08.2016 und der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin . geschilderte Vorgehensweise – nach Eingang des landgerichtlichen Urteils sei die Berufungseinlegungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist auf der Urteilsausfertigung neben dem Eingangsstempel sowie in dem – bisher nicht vorgelegten – Fristenkalender – notiert worden – gerade nicht ergebe.
Mit Schriftsatz vom 29.09.2016 haben die Klägervertreter eine Kopie der beglaubigten Abschrift des erstinstanzlichen Urteils mit handschriftlichen Fristvermerken und einen Ausdruck des Fristprogramms Datev vorgelegt.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung war zurückzuweisen, weil der Kläger die Begründungsfrist nicht unverschuldet versäumt hat, § 233 ZPO.
1. Der am 25.08.2016 beim Oberlandesgericht eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist zwar form- und fristgerecht gestellt worden, §§ 234 Abs. 1 S. 1, 236 ZPO.
2. Die Wiedereinsetzung ist jedoch zu versagen, da dem Kläger ein Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
Das Mittel der Wiedereinsetzung dient zum Ausgleich der Tatsache, dass Menschen nicht immer und ausnahmslos fehlerfrei arbeiten können, die strikte Fristenbindung ein stets und ausnahmslos fehlerfreies Arbeiten jedoch erfordern würde. Mit der Wiedereinsetzung sollen daher solche Fehler wirkungslos gemacht werden können, die bei einem auf korrekte und gewissenhafte Abläufe hin ausgerichteten Betrieb wegen der Fehlbarkeit des Menschen unvermeidlich vorkommen können. Die Wiedereinsetzung dient nicht zum Ausgleich von Fehlern, die auf unsorgfältiger Gestaltung des Betriebs oder ein entschuldbares Maß übersteigende Nachlässigkeit im Einzelfall zurückzuführen sind.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hat der Kläger, der sich die fehlerhafte 19 u 2641/16 – Seite 4 Verhaltensweise seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung.
a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – XI ZB 23/08, XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 11 mwN). Dies setzt zum einen voraus, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 – VI ZB 78/11, aaO Rn. 10 mwN; vom 16. Dezember 2013 – II ZB 23/12, juris Rn. 9 mwN). Ferner gehört hierzu die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird (BGH, Beschlüsse vom 2. März 2000 – V ZB 1/00, NJW 2000, 1957 unter II; vom 13. September 2007 – III ZB 26/07, FamRZ 2007, 1879 Rn. 15; vom 17. Januar 2012 – VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; vom 26. April 2012 – V ZB 45/11, juris Rn. 12; vom 16. Dezember 2013 – II ZB 23/12, aaO; vom 11. März 2014 – VIII ZB 52/13, juris Rn. 5; jeweils mwN). Eine solche zusätzliche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt.
Der Rechtsanwalt hat also die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2013 – II ZB 23/12, aaO Rn. 10). Bei der allabendlichen Kontrolle fristgebundener Sachen ist eine nochmalige, selbständige Prüfung erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 13. September 2009 – III ZB 26/07, aaO; vom 26. April 2012 – V ZB 45/11, juris aaO; jeweils mwN). Sie muss gewährleisten, dass am Ende eines jeden Arbeitstages von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschluss vom 2. März 2000 – V ZB 1/00, aaO mwN).
Entscheidend ist dabei, dass die allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleichs mit dem Fristenkalender nicht allein dazu dient, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben. Dies stellt zwar eine wichtige Funktion der Ausgangskontrolle am Ende 19 u 2641/16 – Seite 5 jeden Arbeitstages dar. Darin erschöpft sich der Sinn und Zweck dieser zusätzlichen Ausgangskontrolle jedoch nicht. Vielmehr soll die erneute und abschließende Überprüfung auch dazu dienen, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH, Beschluss vom 2. März 2000 – V ZB 1/00, aaO mwN). Zu diesem Zweck sind Fristenkalender so zu führen, dass auch eine gestrichene Frist noch erkennbar und bei der Endkontrolle überprüfbar ist. Darüber hinaus ist zur Erreichung dieses Zwecks, gegebenenfalls anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – VI ZB 15/15, juris Rn. 8; Beschluss vom 26. Februar 2015 – III ZB 55/14, WM 2015, 782 Rn. 17 f.).
b) Dass in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten diese Anforderungen an die Büroorganisation durch die entsprechende Anordnungen an das Personal sichergestellt sind, ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht. Der Klägervertreter hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag schon nicht umfassend dargelegt, dass er die erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Büroorganisation, insbesondere im Rahmen der Ausgangskontrolle getroffen hat, und dass bei einem normalen Verlauf der Dinge die versäumte Berufungsbegründungsfrist – trotz eines Versehens – mit Sicherheit gewahrt worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 1984 – IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226; vom 6. Dezember 1995 – VIII ZR 12/95, NJW 1996, 998, 999; vom 15. Februar 2006 – XII ZB 215/05, NJW 2006, 1205, 1206 Rn. 11). Dies ergibt sich weder aus dem Sachvortrag noch aus den zur Glaubhaftmachung dargelegten Beweismittel.
So ergibt sich aus dem nachgereichten Ausdruck aus dem Fristenkalender nur, dass für den streitgegenständlichen Fall verschiedene Fristen mit einer ersten und einer zweiten Vorfrist notiert wurden und dass einige davon als Notfrist oder als erledigt vermerkt sind. Dieser Ausdruck vermag aber nicht darzulegen, wann welche Frist eingetragen wurde und vor allem zu welchem Zeitpunkt der Friststatus als „erledigt“ eingetragen wird und wie dies kontrolliert wird. Einen Ausdruck aus dem Gesamtfristenkalender für einzelne Tage, wie z. B. für den 20.06.2016, an dem die Berufungseinlegungsfrist notiert war, oder für den 18.07.2016, an dem die Berufungsbegründungsfrist ablief, und aus dem sich jeweils ergeben würde, zu welchem Zeitpunkt die in dem hier relevanten Verfahren laufenden Fristen auch tatsächlich gestrichen wurden, legt der Klägervertreter nicht vor. Aus dem lediglich für das einzelne Verfahren vorgelegten Ausdruck aus dem Fristenkalender ist für den Senat nicht erkennbar, dass die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geforderten Vorkehrungen getroffen wurden. Damit ist aber schon der Vortrag, die Berufungsbegründungsfrist sei versehentlich zusammen mit der Berufungseinlegungsschrift gelöscht worden (Schriftsatz vom 25.08.2016, S. 4, Bl. 120 d. A.), nicht nachvollziehbar. Aus dem dem Senat vorgelegten Auszug sieht man 19 u 2641/16 – Seite 6 hingegen nur, dass einige Fristen als „erledigt“ bezeichnet werden, aber nicht, wann diese „gelöscht“, also als „erledigt“ gekennzeichnet werden. Ebensowenig hat der Klägervertreter durch Vorlage eines Auszuges des allabendlichen Fristenkalenders für den Senat nachvollziehbar dargetan, wie die zweite Fristenprüfung am Ende des Tages – die allabendliche Ausgangskontrolle – abläuft und dass bzw. wie nochmals erneut überprüft wird, ob eine bereits gestrichene Frist tatsächlich erledigt wurde.
c) Hinzu kommt, dass – ausweislich des Vortrages im Wiedereinsetzungsantrag und der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin Dagmar Kühn – es wohl lediglich eine Anweisung gab, die notierten Fristen anhand des Fristenkalenders zu überprüfen. Die Akten selbst sollten nur „stichprobenartig“ überprüft werden.
Dies entspricht aber nicht den Anforderungen der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die erneute und abschließende abendliche Ausgangskontrolle auch dazu dienen soll, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht (BGH, Beschluss vom 2. März 2000 – V ZB 1/00, aaO mwN), was gegebenenfalls anhand der Akten zu überprüfen ist, nämlich, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind oder nicht (BGH, Beschluss vom 15.12.2015 VI ZB 15/15, Rn. 8). Eine derartige Anweisung haben die Klägervertreter jedoch an ihre Mitarbeiter schon gar nicht erteilt, zumindest fehlt entsprechender Vortrag. Die angeordnete lediglich stichprobenartig erforderliche Kontrolle, ob die Fristen richtig notiert sind, genügt insoweit nicht
d) Schließlich scheint der klägerische Vertreter nach eigenem Vortrag im vorliegenden Fall von seiner eigenen Praxis im Jahre 2016, in den Widerrufsfällen die Berufungsbegründung zugleich mit der Berufungsschrift einzureichen, abgewichen zu sein. In einem solchen Sonderfall, der von den allgemeinen Anweisungen nicht gedeckt zu sein bzw. für den es keine Sonderanweisungen zu geben scheint, muss er aber selbst dafür sorgen, dass die Fristen eingehalten werden oder eben die Büroorganisation entsprechend regeln. Beides ist hier nicht geschehen.
e) Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO muss sich der Kläger sowohl das Organisationsverschulden als auch den durch Abweichungen vom Regelfall entstandenen Fehler seines anwaltlichen Vertreters zurechnen lassen. Beides war auch ursächlich für die Fristversäumung, denn die Berufungsbegründungsfrist wäre eingehalten worden, wenn die Frist nicht fälschlicherweise gestrichen worden wäre oder der Klägervertreter – wie scheinbar in seiner Kanzlei in Widerufsfällen im Jahre 2016 üblich – die Berufung zeitgleich mit ihrer Einlegung begründet hätte.
III.
Wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, § 517 ZPO, war die erst mit Schriftsatz vom 25.08.2016 begründete Berufung als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläifuge Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 3 ZPO, §§ 40, 47 GKG bestimmt.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15), der sich der Senat anschließt, ist in den Fällen, in denen der klagende Verbraucher die Feststellung, der Darlehensvertrag sei „beendet“ bzw. habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, begehrt, das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dieser Feststellung unter Berücksichtigung der gegeneinander abzuwägenden Vor- und Nachteile bei Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Widerrufs nach § 3 ZPO zu schätzen. Liegt dem Verbraucherdarlehensvertrag wie hier kein verbundener Vertrag zugrunde (§ 358 BGB), kann der Wert der Beschwer nicht mit dem Nettodarlehensbetrag gleichgesetzt werden. Vielmehr sind in solchen Fällen, wenn das Schuldverhältnis gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) nach den §§ 346 ff. BGB rückabzuwickeln ist, die Leistungen maßgeblich, die der Kläger gemäß §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meint. Das sind nach § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen (BGH, Beschluss vom 22.09.2015 – XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441 Rn. 7 mwN). Hier hat der Kläger ausweislich des Darlehensvertrages seit 01.01.2006 eine monatliche Rate von 612,50 Euro bezahlt. Ein Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB bleibt als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO außer Betracht. Bei der Schätzung des Wertes des klägerischen Interesses ist – auch wie hier bei der Feststellungsklage – ein Abschlag nicht vorzunehmen (BGH, Urteil vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15).

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