Aktenzeichen M 2 K 17.1131
LStVG Art. 9 Abs. 2
Leitsatz
1. Art. 16 BayStrWG stellt eine Regelung des besonderen Sicherheits- und Ordnungsrechts dar und enthält zum Themenfeld “Beseitigung von Verunreinigungen öffentlicher Straßen” Sonderregelungen zur unmittelbaren Ausführung und zur Kostenerhebung durch einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (ebenso BayVGH BeckRS 2014, 45267 Rn. 6). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Beteiligter eines Verkehrsunfalls kann nach Art. 16 BayStrWG für die Kosten der insoweit anfallenden Straßenreinigung unabhängig von seinem zivil- und straßenverkehrsrechtlichen Verursachungs- und Verschuldensanteil allein aufgrund seiner sicherheitsrechtlichen Verantwortlichkeit in Anspruch genommen werden (ebenso BayVGH BeckRS 2014, 45267 Rn. 8). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zum Beleg für die Höhe der Straßenreinigungskosten reicht regelmäßig die Vorlage der Rechnung des beauftragten Fachunternehmens aus (vgl. BGH BeckRS 2013, 19685 Rn. 26). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. Die Beklagte hat die im Bescheid vom 20. Februar 2017 ursprünglich geforderte Verwaltungsgebühr i.H.v. 25 EUR nach entsprechendem Hinweis des Gerichts um 20 EUR reduziert und macht diese nunmehr nur noch i.H.v. 5 EUR geltend (vgl. dazu die Protokollerklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2017). Über die Verfahrenskosten ist vom Gericht einheitlich unter Berücksichtigung des noch streitig zu entscheidenden Teils der Sache (dazu nachfolgend unter II.) zu befinden.
II.
Hinsichtlich der verbleibenden Kostenforderung der Beklagten gegen den Kläger i.H.v. 1.206,76 EUR, die sich aus den Beseitigungskosten der Straßenverunreinigung i.H.v. 1.201,76 EUR und einer Verwaltungsgebühr i.H.v. 5 EUR zusammensetzt, ist die zulässige (vgl. zutreffend zur Unanwendbarkeit von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGVwGO auf den Erstattungsanspruch nach Art. 16 Hs. 2 BayStrWG: Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, 14. Aufl. 2013, Art. 16 Nr. 2.3) Klage unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2017 ist in der Fassung der Protokollerklärung vom 27. Oktober 2017 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte geht zutreffender Weise von der Kostenschuld des Klägers in der noch geltend gemachten Höhe von insgesamt 1.206,76 EUR aus und macht diese streitgegenständlich gegen ihn geltend.
1. Der Kläger ist als Halter und Führer des am Sonntag, dem 18. Dezember 2016, an einen Verkehrsunfall im Stadtgebiet der Beklagten auf einer in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straße (vgl. Art. 46, 47 Abs. 1 BayStrWG bezüglich des … Rings und Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG hinsichtlich der …straße als Ortdurchfahrt der St … bzw. in ihrem weiteren Verlauf ebenfalls gemäß Art. 46, 47 Abs. 1 BayStrWG) beteiligten Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen … … Schuldner der von ihr auf der Grundlage von Art. 16 Hs. 2 BayStrWG geltend gemachten Kostenforderung (Auslagenersatz) i.H.v. 1.201,76 EUR für die Beseitigung der unfallbedingt entstandenen Straßenverunreinigung.
1.1 Art. 16 BayStrWG enthält zum Themenfeld „Beseitigung von Verunreinigungen öffentlicher Straßen“ eine Regelung zur unmittelbaren Ausführung sowie zur Kostenerhebung durch einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die Vorschrift ist insoweit eine Sonderregelung gegenüber Art. 7 Abs. 3 LStVG sowie, was die Kostenerhebung durch Leistungsbescheid angeht, auch gegenüber Art. 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 10 und Art. 20 KG. Es handelt sich um eine Regelung des besonderen Sicherheits- und Ordnungsrechts.
In Literatur und ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der das Gericht folgt, ist anerkannt (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2013 – 8 ZB 12.2576 – juris; Wiget in: Zeitler, BayStrWG, Stand Mai 2017, Art. 16 Rn. 9 m.w.N.), dass ein Beteiligter eines Verkehrsunfalls nach Art. 16 BayStrWG auch dann für die Kosten der insoweit anfallenden Straßenreinigung in Anspruch genommen werden kann, wenn sein Verursachungsbeitrag bei einem Unfall im öffentlichen Straßenverkehr unklar ist. Wer Verursacher i.S.d. Art. 16 Hs. 2 BayStrWG ist, entscheidet sich nicht nach zivilrechtlichen Verschuldensmaßstäben. Wesentlich ist vielmehr allein, wer Verantwortlicher (Störer) im Sinn des Art. 9 LStVG ist. Diese Frage beurteilt sich wiederum danach, wer durch sein Verhalten, seinen Zustand oder den Zustand einer ihm gehörenden Sache eine Gefahr hervorgerufen hat. Dabei genügt es, dass dem Verantwortlichen (Störer) eine unmittelbare Verursachung im Rahmen des Gemeingebrauchs an der Straße (Art. 14 BayStrWG) zugerechnet werden kann.
Vorliegend ist der Kläger mit seinem Pkw unstreitig an dem Verkehrsunfall vom 18. Dezember 2016 im öffentlichen Straßenraum der Beklagten beteiligt gewesen und damit als Verschmutzer der Fahrbahn zumindest Zustandsstörer i.S.d. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG. Durch seine Unfallbeteiligung hat er eine unmittelbare Ursache für die Verunreinigung der Gemeinde Straße gesetzt. Dies entspricht dem bei den Akten der Beklagten befindlichen polizeilichen Unfallbericht, der zudem auf einen Rotlichtverstoß des Klägers hinweist. Da der zivilbzw. straßenverkehrsrechtliche Verschuldensanteil des Klägers von der Beklagten als zuständiger Straßenbaubehörde im Rahmen des Vollzugs von Art. 16 BayStrWG nicht zu klären ist, hat sie ihn zu Recht als Zustandsstörer und Kostenschuldner gemäß Art. 16 Hs. 2 BayStrWG in Anspruch genommen.
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten war weder die Zuziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte noch eine Beweisaufnahme zur Klärung der Verschuldensbeiträge am Verkehrsunfall vom 18. Dezember 2016 erforderlich. Auch musste die Beklagte mit ihrer Entscheidung nach Art. 16 Hs. 2 BayStrWG nicht bis zu einer Klärung der zivil- und straßenverkehrsrechtlichen Fragen der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zuwarten. Ob den Kläger ein entsprechendes Verschulden trifft, ist – über das Vorgenannte hinaus – gerade auch deswegen unerheblich, weil sich die entsprechenden Fragen zumeist – wie auch hier – erst auf der Grundlage eines Verfahrens vor den Zivilgerichten oder im Strafverfahren klären lassen. Die daraus herrührenden Unsicherheiten dürfen nicht in das öffentlich-rechtliche Verfahren der unmittelbaren Ausführung und entsprechenden Kostenerstattung nach Art. 16 BayStrWG und damit systemwidrig in das Recht der Gefahrenabwehr hineingetragen werden. Die Beklagte als Trägerin der Straßenbaulast brauchte insbesondere keine Prognose über den Ausgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens oder eines etwaigen Zivilrechtsstreits zwischen den Unfallbeteiligten anstellen. Zudem spielen insoweit auch Fragen der Effektivität der Gefahrenabwehr und der Verwaltungspraktikabilität eine erhebliche Rolle. Die Kostenlast für die Wiederherstellung einer sauberen und verkehrssicheren Straße nach Art. 16 BayStrWG soll im Interesse der Funktionsfähigkeit des Straßenverkehrs nicht der Straßenbaulastträger in dem Sinne tragen müssen, dass er die entsprechenden Kosten vorzuschießen hätte, um diese sodann erst in einem aufwendigen und für ihn mit Prozessrisiken behafteten Verfahren wieder einzutreiben. Vielmehr entspricht es der sicherheitsrechtlichen Zielrichtung des Art. 16 BayStrWG, dieses Risiko auf die an einer Verschmutzung beteiligten Verkehrsteilnehmer zu verlagern und die Kostenerstattung maßgeblich an der Störereigenschaft auszurichten. Dem verantwortlichen Kostenschuldner bleibt sodann die Möglichkeit, einen Ausgleich im Wege des Rückgriffs nach § 426 BGB gegenüber gegebenenfalls anderen, nach Art. 9 LStVG (Mit-)Verantwortlichen zu suchen. Dies ist auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht unangemessen (vgl. Art. 8 LStVG), da es sich vorliegend um eine sicherheitsrechtlich radiziert Form der Risikozurechnung im Rahmen des Rechts der Gefahrenabwehr handelt, die gerade nicht an der Frage des Verschuldens festzumachen ist.
1.2 Was die Höhe der Kosten für die Beseitigung der unfallbedingten Verunreinigung (vgl. Rechnung der W. U. GmbH vom 19.12.2016) angeht, ist ebenfalls in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass bei der Geltendmachung der entstandenen Aufwendungen für die Straßenreinigung grundsätzlich die Vorlage der Rechnung des beauftragten Fachunternehmers ausreicht (vgl. BGH, U.v. 15.10.2013 – VI ZR 471/12 – juris LS. 3; Wiget, aaO Rn. 10 m.w.N.). Dem Straßenbaulastträger kommt bei den für die Beseitigung der Verschmutzung zu veranlassenden Maßnahmen ein weites Ermessen zu. Beispielsweise fallen dabei auch solche Maßnahmen, die bei vorausschauender Sicht als vernünftig und notwendig erscheinen, nicht deshalb aus dem zu erstattenden Aufwand heraus, weil sie sich im Nachhinein als nicht zwingend notwendig erweisen. Die tatsächliche Rechnungshöhe eines Fachunternehmens bildet bei der nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 ZPO anzustellenden gerichtlichen Schätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung der zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes der verschmutzen Straße erforderlichen Betrags.
Nachdem weder von Seiten des Klägers konkrete Bedenken gegen die Höhe der angefallenen Reinigungskosten geltend gemacht wurden noch solche für das Gericht mit Blick auf die Rechnung des von der Beklagten aufgrund eines Rahmenvertrags zur Beseitigung von Verunreinigungen nach Verkehrsunfällen auf städtischen Verkehrsflächen beauftragten Fachunternehmens W. U. GmbH vom 19,. Dezember ersichtlich sind – sämtliche Einzelposten erscheinen inhaltlich und in ihrer jeweiligen Höhe stimmig, der Gesamtbetrag i.H.v. 1.201,76 EUR erweist sich zudem als rechnerisch richtig –, ist der streitbefangene Bescheid auch insoweit nicht zu beanstanden.
2. Die noch geltend gemachte Verwaltungsgebühr i.H.v. 5 EUR ist ebenfalls rechtmäßig.
Auch wenn die Beklagte für diese von ihr erhobene Verwaltungsgebühr nach wie vor keine Begründung angegeben hat – eine solche findet sich weder im streitigen Bescheid noch wurde eine solche in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärt –, begegnet dies mit Blick auf die damit lediglich noch geltend gemachte Mindestgebührenhöhe i.S.d. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 der Kostensatzung der Beklagten i.V.m. Nr. 7030 des kommunalen Kostenverzeichnisses (in der hier maßgeblichen Fassung vom 28.4.2016, MüABl. S. 202) keinen rechtlichen Bedenken. Eine noch geringere Gebührenforderung gegen den Kläger, der als Veranlasser der Amtshandlung (§ 4 der Kostensatzung der Beklagten i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG) Kostenschuldner ist, wäre nach Nr. 7030 nicht möglich gewesen, da dort ein Gebührenrahmen von 5 EUR bis 25 EUR für Amtshandlungen nach Art. 16 BayStrWG vorgesehen ist. Daraus folgt, dass eine Begründung zur Ermittlung der Gebühr innerhalb des von Nr. 7030 vorgesehenen Rahmens, wie sie auch § 2 Abs. 1 Satz 4 der Kostensatzung vorsieht, im Lichte von Art. 39 Abs. 1 und 2 Nr. 4 BayVwVfG bei der allein noch geltend gemachten Mindestsumme entbehrlich war.
3. Soweit die Beklagte den streitbefangenen Bescheid schließlich ohne vorherige Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erlassen hat, ist dies jedenfalls nach Art. 46 BayVwVfG unerheblich. Im Lichte des vom Kläger im gerichtlichen Verfahren Vorgetragenen und des vorstehend hierzu Ausgeführten (keine Prüfung der Verschuldensfrage im Verfahren nach Art. 16 BayStrWG, keine sonstigen Rechtsfehler erkennbar) steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch im Fall einer ordnungsgemäßen vorherigen Anhörung des Klägers durch die Beklagte in der Sache nicht anders entschieden worden wäre und der Anhörungsmangel die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat. Ob aufgrund der Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten vom 12. Mai 2017 Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG eingetreten ist (vgl. kritisch zur Frage, ob allein Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren zur Heilung eines Anhörungsmangels ausreichen: BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 7 C 5.14 – juris Rn. 17), kann daher hier offenbeleiben.
Die Klage war sonach mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 und § 161 Abs. 2 VwGO abzuweisen. Das Unterliegen der Beklagten lediglich in einer Höhe von 20 EUR ist mit Blick auf den Gesamtstreitwert von 1.226,76 EUR so stark untergeordnet, dass es im Rahmen der zutreffenden einheitlichen Kostenentscheidung billigem Ermessen entsprach, dem Kläger die Kosten in Gänze aufzuerlegen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.