IT- und Medienrecht

Kostenfestsetzung zugunsten der Beklagtenseite bei Klageerhebung gegen eine bereits verstorbene Person

Aktenzeichen  11 W 155/19

Datum:
3.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9835
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91 Abs. 1, § 104, § 233
BGB § 242, § 817 S. 2

 

Leitsatz

1 Im Verfahren der Kostenfestsetzung kann sich die Notwendigkeit ergeben, einer nicht bzw. nicht mehr existierenden Partei einen Erstattungsanspruch zuzubilligen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Antrag des Klägers auf Aufhebung eines zugunsten der Beklagtenseite ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses ist treuwidrig, wenn der Kläger zum Landgericht Klage gegen eine Person erhoben hat, deren Versterben ihm bekannt war. In einem solchen Fall musste der Kläger damit rechnen, dass sich für die Beklagtenseite Rechtsanwälte bestellen und hierdurch anwaltliche Gebührenansprüche ausgelöst werden. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt € 958,19.

Gründe

I.
Mit Klageschrift vom 22.03.2018 hat die Klägerin die „Beklagte“ auf die Erstattung von Kosten aus einem vor dem Landgericht Traunstein durchgeführten Rechtsstreit in Anspruch genommen.
Für die Beklagte bestellten sich hierauf am 02.05.2018 Prozessbevollmächtigte, die deren Verteidigungsabsicht anzeigten und mit näherer Begründung Abweisung der Klage beantragten. Das Landgericht wies die Klage mit Endurteil vom 27.08.2018 ab; es bestehe kein materiell-rechtlicher Anspruch der Klägerin auf die streitgegenständlichen Kosten. Dem Kostenfestsetzungsgesuch der nach diesem Urteil vollumfänglich erstattungsberechtigten Beklagten gab der Rechtspfleger mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss statt.
Die Klägerin legte gegen das Urteil am 01.10.2018 Berufung ein. Am 31.10.2018 beantragten sodann die Prozessbevollmächtigten der Beklagten – unter Vorlage einer Todesanzeige – Aussetzung des Verfahrens gem. § 246 ZPO, weil die Beklagte bereits am 24.06.2017 verstorben sei. Angesichts dessen wies der Senat darauf hin, die Klage sei von Anfang an unzulässig gewesen, wenn die „Beklagte“ tatsächlich bereits lange vor deren Erhebung verstorben sei; im Übrigen habe man Zweifel, ob den Beklagtenvertretern eine wirksame Vollmacht für den vorliegenden Rechtsstreit erteilt worden sei. Auf diesen Hinweis nahm die Klägerin ihre Berufung zurück. Allerdings beantragte sie, die Kosten des Verfahrens den gegnerischen Prozessbevollmächtigten, hilfsweise den Erben der Beklagten, aufzuerlegen, weil man nicht auf das Versterben der Beklagten hingewiesen habe. Hätten die Prozessbevollmächtigten einen solchen Hinweis erteilt, hätte die Klägerin die Klage nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Erben gerichtet. Der Senat legte die Kosten des Berufungsverfahrens – in Anwendung von § 516 Abs. 3 ZPO – gleichwohl der Klägerin auf.
Verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag legte die Klägerin hierauf sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ein, im Wesentlichen mit der Begründung, die Prozessbevollmächtigten der „Beklagten“ hätten nicht auf deren Tod hingewiesen, andernfalls die Klage gegen die Erben erhoben werden wäre. Dem traten die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 21.12.2018 entgegen: Zum einen gebe es im Parteiprozess keine derartige „Hinweisverpflichtung“, zum anderen habe die Klägerin eines solchen Hinweises auch gar nicht bedurft; ihr sei nämlich das Versterben der Beklagten „seit langem“ bekannt gewesen, insbesondere habe die Klägerin sogar persönlich an den Beerdigungsfeierlichkeiten teilgenommen. Im Übrigen sei der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren an die Kostengrundentscheidung des Landgerichts gebunden.
Mit Verfügung vom 13.02.2019 gab der nunmehr zuständige Senat des Beschwerdegerichts der Klägerin auf, zu der Behauptung der Beklagtenvertreter Stellung zu nehmen, wonach ihr das Ableben der „Beklagten“ bekannt gewesen sei, vor allem dazu, die Klägerin habe sogar an der Beerdigung teilgenommen.
Diese ließ hierauf erklären, ihrer Ansicht nach spiele es keine Rolle, ob sie von dem Tod der Beklagten Kenntnis gehabt habe; die Kosten seien nur deshalb angefallen, weil sich die Prozessbevollmächtigten für die Beklagte bestellt hätten.
II.
1. Die gem. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO an sich statthafte sofortige Beschwerde ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO bereits unzulässig; eine Wiedereinsetzung scheitert hier schon daran, dass von einem fehlenden Verschulden der Klägerin im Sinne von § 233 ZPO nicht ausgegangen werden kann: Die von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Beklagtenvertreter vom 27.11.2017 und vom 11.12.2017 sind zwar insofern erstaunlich, als dort auf eine „Rücksprache mit der Mandantschaft“ verwiesen wird, deren Zustandekommen nicht leicht verständlich ist, wenn die Beklagte bereits am 24.06.2017 verstorben ist. Andererseits hat die Klägerin – auf ausdrückliche Nachfrage des Senats – ihre Kenntnis vom Ableben der Beklagten nicht bestritten, ebenso wenig die Teilnahme an deren Beisetzung. Diese Kenntnis ist damit unstreitig, weshalb an einem Verschulden der Klägerin im Sinne von § 233 ZPO nicht vorbeizukommen ist.
2. Im Übrigen wäre die sofortige Beschwerde auch unbegründet:
a) Im Verfahren der Kostenfestsetzung kann sich durchaus die Notwendigkeit ergeben, einer nicht bzw. nicht mehr existierenden Partei einen Erstattungsanspruch zuzubilligen, siehe etwa BGH, Beschl. v. 10.10.2007 – XII ZB 26/05; Beschl. v. 27.09.2007 – VII ZB 23/07; Beschl. v. 12.05.2004 – XII ZB 226/03; Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 2 a.E.; Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rn. 11 vor § 50).
Die Beklagtenseite hat sich hier, wenngleich nicht von Anfang an, auf das Ableben der Beklagten auch berufen.
b) Davon abgesehen wäre der Antrag auf Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses jedoch auch treuwidrig.
Ein Verstoß gegen § 242 BGB bzw. das Vorliegen von Rechtsmißbrauch ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch im Verfahren der Kostenfestsetzung beachtlich, vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 11.09.2012 – VI ZB 59/11 Tz 9, = NJW 12, 1314. Davon ist hier auszugehen, wenn Klage gegen eine Person erhoben wird, deren Versterben der Klägerin bekannt ist. Diese Kenntnis ist hier unstreitig. Richtig mag sein, dass die beschwerdegegenständlichen Kosten (auch) deshalb angefallen sind, weil sich die Prozessbevollmächtigten für die Beklagte bestellten. Die eigentliche Ursache liegt jedoch in der Klageerhebung gegen eine Verstorbene: Bei Klageerhebung zum Landgericht muss damit gerechnet werden, dass sich für die Beklagtenseite Rechtsanwälte bestellen und hierdurch anwaltliche Gebührenansprüche ausgelöst werden. Aus diesem Grunde geht nach Ansicht des Senates das Risiko, im Falle der Klageerhebung gegen eine Tote mit Kosten belastet zu werden, mit der Klägerin „heim“. Ob sich dieses Ergebnis auch mit dem Rechtsgedanken von § 817 Satz 2 BGB begründen ließe, mag offen bleiben (vgl. etwa Palandt-Sprau, BGB, 78. Aufl., § 817 Rn. 11).
3. Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.

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