Aktenzeichen 7 O 5321/18
PatG § 10 Abs. 1, § 139 Abs. 1, § 140b Abs. 1, Abs. 3
ZPO § 148
Leitsatz
1. Die angegriffene Ausführungsform (Software) verletzt das Klagepatent mittelbar: Die angegriffene Anwendung ist objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet, insbesondere werden die streitigen Merkmale 1.1, 1.2 und 1.6 verwirklicht; die subjektive Bestimmung des Abnehmers zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung ist offensichtlich, weil die angegriffene Ausführungsform die patentverletzende Funktionalität vorsieht und davon auszugehen ist, dass sie entsprechend ausgeführt wird, auch weil sie entsprechend beworben wird. (Rn. 40 – 53 und 63 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beklagte bietet die angegriffene Software zur Benutzung im Inland an, indem sie diese im App-Store zum Herunterladen und zur Installation anbietet. (Rn. 57 – 62) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Aussetzung des Rechtsstreits war nicht veranlasst, da der Gegenstand des Klagepatents in der erteilten Fassung patentfähig ist. (Rn. 75 – 94) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen.
1. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
– nämlich die Kommunikationsanwendung M. F. oder kerngleiche Ausführungsformen – die geeignet ist zur Anwendung eines Verfahrens, welches es ermöglicht, ein Spiel auf einer elektronischen Vorrichtung zu spielen, das Verfahren umfassend:
Erlauben einer Spielanwendung auf der elektronischen Vorrichtung, eine Kontaktliste einer Sofortnachrichten (IM)-Anwendung zu verwenden, um Spiele mit Kontakten aus der Kontaktliste zu spielen;
während des Spielverlaufs mit einem bestimmten Kontakt aus der Kontaktliste, Kapselung von an den bestimmten Kontakt zu sendenden Spielnachrichten durch Einbeziehen von Spielfortschrittsdaten in eine Sofortnachrichten (IM) mit einem Bezeichner, um die Spielfortschrittsdaten mit der Spielanwendung in Verbindung zu bringen;
Kommunizieren von zumindest einer Spielnachricht während des Spielverlaufs mit dem bestimmten Kontakt unter Verwendung des durch die Sofortnachrichtenanwendung verwendeten Sofortnachrichtensystems;
Anzeigen von zumindest einer Sofortnachricht in einer Sofortnachrichten (IM)- Konversation in Zusammenhang mit dem bestimmten Kontakt, die auf einen Spielfortschritt hinweist,
wobei es die Sofortnachrichten (IM)-Konversationsbenutzeroberfläche (UI) ermöglicht, zusätzliche Sofortnachrichten an den bestimmten Kontakt zu senden, zusätzlich zu den Sofortnachrichten, die auf den Spielverlauf hinweisen; und als Reaktion auf das Detektieren einer Auswahl in der IM-Konversationsbenutzeroberfläche dahingehend, zu dem laufenden Spiel zu wechseln, Anzeigen einer laufenden Spiel-Benutzeroberfläche (UI) in Zusammenhang mit dem Spielverlauf.
(EP … 799 B 1, Anspruch 1, mittelbare Verletzung)
2. Software im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
– nämlich die Kommunikationsanwendung M. F. oder kerngleiche Ausführungsformen – die geeignet ist zur Anwendung eines Verfahrens auf einer elektronischen Vorrichtung, die einen Prozessor, eine Anzeige, eine Sofortnachrichten (IM)- Anwendung und einen Speicher aufweist,
wobei der Speicher computer-ausführbare Anweisungen, die das Spielen eines Spiels auf der elektronischen Vorrichtung ermöglichen, speichert,
wobei die computer-ausführbaren Anweisungen, wenn sie von einem Prozessor ausgeführt werden, den Prozessor dazu konfigurieren, ein Verfahren durchzuführen umfassend:
Erlauben einer Spielanwendung auf der elektronischen Vorrichtung, eine Kontaktliste einer Sofortnachrichten (IM)-Anwendung zu verwenden, um Spiele mit Kontakten aus der Kontaktliste zu spielen;
während des Spielverlaufs mit einem bestimmten Kontakt aus der Kontaktliste, Kapselung von an den bestimmten Kontakt zu sendenden Spielnachrichten durch Einbeziehen von Spielfortschrittsdaten in eine Sofortnachricht (IM) mit einem Bezeichner, um die Spielfortschrittsdaten mit der Spielanwendung in Verbindung zu bringen;
Kommunizieren von zumindest einer Spielnachricht während des Spielverlaufs mit dem bestimmten Kontakt unter Verwendung des durch die Sofortnachrichtenanwendung verwendeten Sofortnachrichtensystems;
Anzeigen von zumindest einer Sofortnachricht in einer Sofortnachrichten (IM)- Konversation in Zusammenhang mit dem bestimmten Kontakt, die auf einen Spielfortschritt hinweist,
wobei es die Sofortnachrichten (IM)-Konversationsbenutzeroberfläche (UI) ermöglicht, zusätzliche Sofortnachrichten an den bestimmten Kontakt zu senden, zusätzlich zu den Sofortnachrichten, die auf den Spielverlauf hinweisen; und als Reaktion auf das Detektieren einer Auswahl in der IM-Konversationsbenutzeroberfläche dahingehend, zu dem laufenden Spiel zu wechseln, Anzeigen einer laufenden Spiel-Benutzeroberfläche (UI) in Zusammenhang mit dem Spielverlauf.
(EP … 799 B 1, Anspruch 9, mittelbare Verletzung)
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und schriftlich in einer geordneten Aufstellung (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, (1) in welchem Umfang die Beklagte seit dem 27. Mai 2016 die unter Ziff. I bezeichneten Handlungen begangen hat, (2) in welchem Umfang die … Ltd. seit dem 27. Mai 2016 die unter Ziff. I bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar jeweils unter Angabe
a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, einschließlich der Rechnungsnummer und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote (unter Vorlage schriftlicher Angebote), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) entsprechende Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte nicht-gewerbliche Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind.
III. Es wird festgestellt, dass (1) die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch seit dem 27. Mai 2016 begangene Handlungen der Beklagten gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird und (2) die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit der … Ltd. verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch seit dem 27. Mai 2016 begangene Handlungen der … Ltd. gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffern I., II. und IV. gegen Sicherheitsleistung wie folgt vorläufig vollstreckbar:
Ziffer I: 1.000.000 €, Ziffer II: 250.000 €, Ziffer IV: in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet und das Verfahren mit Blick auf die anhängige Nichtigkeitsklage nicht auszusetzen.
A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG München I nach § 32 ZPO analog (i. V. mit § 38 Nr. 1 BayGZVJu) international und örtlich sowie nach § 143 PatG ausschließlich sachlich zuständig. Das Feststellungsinteresse liegt für die Schadensersatzklage vor, § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin kann ohne Auskunft und Rechnungslegung ihre Ansprüche nicht beziffern.
B.
Die Klage ist begründet.
I.
Das Klagepatent betrifft eine Schnittstelle zwischen einer in einer Sofortnachrichten-Anwendung geführten Unterhaltung und einem laufenden Computerspiel. Die Patentschrift bezeichnet den Gegenstand des Klagepatents mit „Eintrag einer IM-Kontaktliste als Zeichen für ein laufendes Spiel“. Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 ist das Verfahren und gemäß Patentanspruch 9 die entsprechende elektronische Vorrichtung.
1. Der Gegenstand des Klagepatents betrifft die Übermittlung von Informationen zum Spielfortschritt mittels einer (Sofort-)Nachrichtenanwendung. Der Nutzer einer solchen Nachrichtenanwendung wird durch eine in eine Sofortnachricht eingekapselte Spielnachricht („game message“) über den Spielfortschritt („game progress“) informiert. In der Sofortnachricht sind dafür Spielfortschrittsdaten („game progress data“) eingebunden, die den Empfänger auf den aktuellen Spielfortschritt hinweisen. Die übermittelte Nachricht ermöglicht ihm das Wechseln zu dem laufenden Spiel unmittelbar aus der Sofortnachrichtenanwendung. Hierdurch bleibt es dem Nutzer erspart, immer wieder zwischen beiden Anwendungen hin und her zu wechseln, um zu wissen, wie der Spielfortschritt ist. Beide Anwendungen werden über diese Funktion miteinander verknüpft.
2. Das Klagepatent erläutert, dass es im Stand der Technik bekannt gewesen sei, Kontakte mittels einer Nachrichtenanwendung zu laden und ein Spiel daraus zu starten.
Bekannt gewesen ist eine Mitteilung über den Spielerstatus. So beschreibt das Klagepatent, dass in der US 2002/086732 das Anzeigen des Spielerstatus eines Nutzers aus der Kontaktliste einer Nachrichtenanwendung betroffen sei, wobei angegeben werde, ob der Nutzer gerade verfügbar sei oder spiele (Beschreibungsstelle [0006] der Klagepatentschrift). Ebenso zeige die europäische Patentanmeldung 1 207 651 Schnittstellen, um zwischen zwei Modi (1:1-Kommunikation oder Gruppenchat hin und her zu schalten). Außerdem zeige die europäische Patentanmeldung 1 475 939 eine Schnittstelle für Sofortnachrichten und Sofortnachrichtenspiele.
3. Die Klagepatentschrift kritisiert den beschriebenen Stand der Technik nicht ausdrücklich. Als Problemstellung lässt sich aber ableiten, dass Spielen eines Computerspiels mit einem echten Gegner für den Nutzer zu verbessern und komfortabler zu gestalten.
Hierfür schlagen Patentanspruch 1 und 9 in merkmalsmäßiger Gliederung vor:
1. Verfahren, welches es ermöglicht, ein Spiel auf einer elektronischen Vorrichtung zu spielen, das Verfahren umfassend:
1.1 Erlauben einer Spielanwendung auf der elektronischen Vorrichtung, eine Kontaktliste einer Sofortnachrichten (IM)-Anwendung zu verwenden, um Spiele mit Kontakten aus der Kontaktliste zu spielen;
1.2 während des Spielverlaufs mit einem bestimmten Kontakt aus der Kontaktliste, Kapselung („encapsulating“) von an den bestimmten Kontakt zu sendenden Spielnachrichten („game message“) durch Einbeziehen von Spielfortschrittsdaten („game progress data“) in eine Sofortnachricht (IM) mit einem Bezeichner, um die Spielfortschrittsdaten mit der Spielanwendung in Verbindung zu bringen;
1.3 Kommunizieren von zumindest einer Spielnachricht während des Spielverlaufs mit dem bestimmten Kontakt unter Verwendung des durch die Sofortnachrichtenanwendung verwendeten Sofortnachrichtensystems;
1.4 Anzeigen von zumindest einer Sofortnachricht in einer Sofortnachrichten (IM)- Konversation in Zusammenhang mit dem bestimmten Kontakt, die auf einen Spielfortschritt hinweist,
1.5 wobei es die Sofortnachrichten (IM)-Konversationsbenutzeroberfläche (UI) ermöglicht, zusätzliche Sofortnachrichten an den bestimmten Kontakt zu senden, zusätzlich zu den Sofortnachrichten, die auf den Spielverlauf hinweisen; und
1.6 als Reaktion auf das Detektieren einer Auswahl in der IM-Konversationsbenutzeroberfläche dahingehend, zu dem laufenden Spiel („game-in-progress“) zu wechseln, Anzeigen einer laufenden Spiel-Benutzeroberfläche (UI) („displaying a game-in-progress UI“) in Zusammenhang mit dem Spielverlauf.
9. Elektronische Vorrichtung aufweisend einen Prozessor, eine Anzeige, eine Sofortnachrichten (IM)- Anwendung, und einen Speicher,
9.1 wobei der Speicher computer-ausführbare Anweisungen, die das Spielen eines Spiels auf der elektronischen Vorrichtung ermöglicht, speichert,
9.2 wobei die computer-ausführbaren Anweisungen aufweisen, die, wenn sie von einem Prozessor ausgeführt werden, den Prozessor dazu konfigurieren, das Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7 durchzuführen.
4. Diese Lehre bedarf in drei Punkten näherer Betrachtungen:
a) Merkmal 1.1 betrifft den ersten Verfahrensschritt, wonach einer Spielanwendungen auf einer elektronischen Vorrichtung erlaubt wird, eine Kontaktliste einer Sofortnachrichtenanwendung zu verwenden.
aa) Spielanwendung und Sofortnachrichtenanwendung sind für den angesprochenen Fachmann funktional zwei unterschiedliche Anwendungen. Relevanter Fachmann ist ein Dipl.-Ing. der Informatik mit Schwerpunkt Software-Engineering und Datenübertragung mit Kenntnissen in der Anwendungsprogrammierung und Erfahrung auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikation, insbesondere auch von Instant Messaging. Ferner kennt er die veröffentlichten Übertragungs- und Nachrichtenstandards in diesem Bereich. Die eine Anwendung dient der Kommunikation (Sofortnachrichtenanwendung), die andere dient dem Spielen eines (Computer-)Spiels (Spielanwendung). Ziel des klagepatentgemäßen Verfahrens ist es, dem Nutzer zu ermöglichen, mit seinen Kontakten aus der Sofortnachrichtenanwendung (Computer-)Spiele spielen zu können und hierbei die Sofortnachrichtenanwendung zu benutzen.
Dieses Merkmal offenbart lediglich, dass einer Spielanwendung erlaubt wird, eine Kontaktliste einer anderen Anwendung zu verwenden. Wo und wie die Spielanwendungen auf dem Gerät des Nutzers gespeichert ist, wird vom Wortsinngehalts des Anspruchs nicht adressiert.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann aus dem Teilmerkmal „auf einer elektronischen Vorrichtung“ nicht entnommen werden, dass die Spielanwendung dauerhaft und vollständig auf dem lokalen Speicher der elektronischen Vorrichtung (des Endgeräts) installiert sein muss. Ein derartiger Wortsinn ergibt sich weder aus dem Anspruch noch aus der Beschreibung, er widerspricht vielmehr dieser. Ein dauerhaftes Speichern auf der elektronischen Vorrichtung ist bereits deshalb nicht erforderlich, weil die Beschreibung auch ein flüchtiges Laden in den Zwischenspeicher (RAM-Speicher) betrifft, vgl. [0028, 0030, 0036]. Ebenso braucht die Spielanwendung nicht vollständig auf der elektronischen Vorrichtung gespeichert zu sein, weil auch ein indirekter Zugriff über die Sofortnachrichtenanwendung auf die Spielanwendungen ausreichend ist. Dies ergibt sich aus Merkmal 9.1. Daraus lässt sich ableiten, dass jegliche computer-ausführbare Anweisungen ausreichen, die das Spielen eines Spiels auf der elektronischen Vorrichtung ermöglichen.
bb) Sofern die Verwendung einer Kontaktliste beansprucht wird, braucht die Spielanwendung auf diese Kontaktliste weder vollständig noch unbeschränkt zugreifen zu können. Aus der Funktion dieses Merkmals ergibt sich, dass der Zugriff auf die Kontaktliste nur insofern möglich sein muss, um das Ziel erreichen zu können, mit den dort hinterlegten Kontakten über die Spielanwendung ein (Computer-)Spiel spielen zu können. Inwiefern ein selektiver oder teilweiser Zugriff auf die Kontaktliste ausreicht, ist an dieser Funktion zu messen. Funktional ist ein teilweiser Zugriff jedenfalls nicht per se ausgeschlossen, noch ist es technisch zwingend erforderlich, einen vollständigen und unbeschränkten Zugriff der Spielanwendung auf die Kontaktliste der Nachrichtenanwendung zu ermöglichen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus den begrifflichen Unterschieden zwischen Kontaktliste („contact list“) und Kontaktlisteneinträgen („contact list entries“, vgl. [0036, 0037] und Unteransprüche 3, 4 und 6) oder Kontaktlistenelement („contact list element“) (vgl. [0060]) nicht ableiten, dass ein vollständiger Zugriff auf die Kontaktliste erforderlich sein muss. Denn wenn auch nur auf einen Eintrag oder auf ein Element der Kontaktliste zugegriffen wird, ist (technisch) ein Zugriff auf die Kontaktliste gegeben.
b) Im zweiten Verfahrensschritt werden nach Merkmal 1.2 Spielfortschrittsdaten („game progress data“) eingekapselt.
Dies sind Daten, die den Fortschritt des Spiels („game progress“) betreffen. Die Kammer teilt insofern die Auffassung der Klägerin, dass zwischen Spielfortschrittsdaten („game progress data“) und Spieldaten („game-in-progress data“) zu unterscheiden ist. Dies ergibt sich sowohl aus Unteranspruch 2 als auch aus der Beschreibungsstelle [0066].
aa) Spieldaten („game-in-progress data“) sind die Daten, die von der Spielanwendung selbst benötigt werden, um den konkreten Spielstand des laufenden Spiels herzustellen, wie er durch die Spielnachricht wiedergegeben wird. Insofern sind es funktionale Daten, die sich an die Software bzw. an das zugrunde liegende System richten ([0038] und Unteransprüche 2 und 5). Eine Übertragung dieser Spieldaten („game-in-progress data“) wird nicht beansprucht.
bb) Hingegen sind Spielfortschrittsdaten („game progress data“) im Anspruch und in der Beschreibung genannt, aber nicht definiert. Ihr Sinngehalt ergibt sich funktional und systematisch in Abgrenzung zu Spieldaten („game-in-progress data“).
(A) Funktional verdeutlicht dies die Beschreibungsstelle [0066], indem dort in Satz 2 die Spieldaten („game-in-progress data“) adressiert werden und in Satz 3 die Spielfortschrittsdaten („game progress data“) betroffen sind. Diese werden als Teil der Sofortnachricht in diese eingekapselt und in der Spielnachricht („game message“) übermittelt. Spielfortschrittsdaten („game progress data“) dienen dazu, dass der Empfänger über den Spielfortschritt informiert wird. Diese Daten richten sich in Abgrenzung zu Spieldaten („game-in-progress data“) nicht an das System, sondern an den Empfänger und visualisieren ihm den konkreten Spielfortschritt und damit den Stand der Datenverarbeitung innerhalb der Spielanwendung. Sie bilden damit die Grundlage für eine Entscheidung des Nutzers auf Basis der (übermittelten und empfangenen) (Sofort-)Nachricht, zur Spielanwendung zu wechseln oder nicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus [0066] und der Erteilungsgeschichte des Klagepatents nicht, dass der Hinweis auf den Spielfortschritt eine Alternative zur Verlinkung aus Satz 2 sei. Stattdessen stellt er eine gesonderte Möglichkeit dar, um dem Nutzer – unabhängig von einer Verlinkung – unmittelbar in der Nachricht selbst eine Indikation durch entsprechende Visualisierung hinsichtlich des Spielfortschritts zu geben. Dies bietet ihm den Vorteil, selbst entscheiden zu können, ob ein Spielfortschritt gemacht wurde und ob er deswegen zur Spielanwendung wechseln möchte. Technischfunktional geht es in dieser Beschreibungsstelle, anders als die Beklagten meinen, nicht um die Offenbarung einer Speicherstruktur für systemrelevante Daten, sondern zutreffender Weise um die Verknüpfung zwischen Spielanwendung und Sofortnachrichtenanwendung. Sofern in Satz 3 „binary data“ angesprochen sind, weist dies entgegen der Beklagten nicht auf ihre Eigenschaft als systemrelevante Daten hin. Offenbart wird damit vielmehr lediglich, dass die digitale Sofortnachricht in maschinenlesbarem Format vorliegen muss, damit sie verarbeitet und angezeigt werden kann.
(B) Auch aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Merkmale 1.4 und 1.5 folgt, dass sich die Spielfortschrittsdaten („game progress data“) nicht auf das System beziehen, sondern an den Empfänger gerichtet sind. Denn ein System wird durch eine Bildschirmanzeige auf nichts hingewiesen.
Unteranspruch 2 weist insofern in keine andere Richtung. Der Anspruch verhält sich nicht dazu, wie die Daten aufrechterhalten („maintaining“) werden sollen, wenn sie nie übertragen worden sind. Denn der Anspruch regelt die Übertragung dieser Spieldaten („game-in-progress data“) nicht. Die Übertragung der Spieldaten („game-in-progress data“) liegt außerhalb des beanspruchten Verfahrens und hat mit der zu lösenden Aufgabe nichts zu tun.
(C) Gleichfalls bedingt die in der Beschreibung angeführte Zugmeldung („notification“, vgl. [0050]) kein anderes Verständnis von Spieldaten („game progress data“). Hieraus ergibt sich kein Gegensatzpaar von Spieldaten („game progress data“) und von Zugmeldung („notification“).
c) Der letzte Verfahrensschritt liegt in Merkmal 1.6 darin, dass zwischen der grafischen Benutzungsoberfläche der Sofortnachrichtenanwendung und der Spielanwendung gewechselt werden kann.
Betroffen ist ein Wechsel („switch“) zum Spielverlauf („game-in-progress“). Dieser Wechsel bezieht sich auf die Anzeige. Hierbei ist unerheblich, ob die Spielanwendung neu aufgerufen werden muss oder tatsächlich im Hintergrund läuft. Insofern die Beklagte meint, aus dem Teilmerkmal „zu dem laufenden Spiel“ entnehmen zu können, dass dieses software-technisch laufen müsse und nicht erst geöffnet werden dürfe, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Denn das Merkmal betrifft lediglich die Anzeige, wie die weitere Klarstellung verdeutlicht („displaying a game-in-progress UI“), und nicht die konkrete software-technische Umsetzung der Spielanwendung auf der elektronischen Vorrichtung.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten ergibt sich auch aus der Beschreibungsstelle [0050] das Gegensatzpaar Wechseln („switch“) und Öffnen („open“) nicht mit dem von der Beklagten intendierten Bedeutungsgehalt. Stattdessen folgt vor allem aus Unteranspruch 5, dass das dort beschriebene Verhalten nur dann einen Sinn ergibt, wenn das Wechseln („switching“) auch solche Fälle erfasst, bei denen die Spielanwendung zunächst geschlossen gewesen ist und erst wieder gestartet werden muss. Denn bei einer im Hintergrund laufenden Anwendung bleiben auch die Daten des laufenden Spiels erhalten.
II.
Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent, weil eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG vorliegt.
1. Eine angegriffene Ausführungsform ist z. B. der M. F. (Version 152.0) zusammen mit dem Betriebssystem iOS (Version 10.1.1 bzw. 10.2).
2. Die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind gemäß § 10 Abs. 1 PatG erfüllt. Der Gefährdungstatbestand nach § 10 PatG wird objektiv und subjektiv verwirklicht.
a) Mittel ist die angegriffene Ausführungsform (der M.F.) als Software, weil sie ein Gegenstand ist, der selbst noch nicht die Lehre des Patentanspruchs (wortsinngemäß oder äquivalent) verwirklicht, aber geeignet ist, zur unmittelbaren Benutzung der Erfindung (in wortsinngemäßer oder äquivalenter Form) verwendet zu werden. Mittel können auch nicht körperliche Gegenstände sein, eine Beschränkung auf körperliche Gegenstände ist nicht gerechtfertigt.
b) Dieses Mittel bezieht sich auf ein wesentliches Element der Erfindung. Der M.F. steuert die elektronische Vorrichtung, die als solche in den Ansprüchen nur allgemein erwähnt wird und lässt sie den beanspruchten Gegenstand ausführen. In dem die in den Ansprüchen 1 und 9 enthaltenen Merkmale maßgeblich durch den M. F. verwirklicht werden, trägt die angegriffene Ausführungsform damit zum erfindungsgemäßen Leistungsergebnis maßgeblich bei.
c) Die angegriffene Anwendung „S…“ ist objektiv zur unmittelbaren Patentbenutzung geeignet. Wird die angegriffene Anwendung „S…“ von dritter Seite bestimmungsgemäß auf einem elektronischen Gerät genutzt, sind die Voraussetzung zur Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 und der geschützten Vorrichtung nach Anspruch 9 hergestellt. Das angegriffene Mittel ist geeignet, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Nach der objektiven Beschaffenheit des angegriffenen „S…“ und seiner Einbindung in iOS ist dies der Fall, weil eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Nutzer möglich ist. Dass diese Nutzung auch stattgefunden hat, ist unstreitig.
aa) Patentanspruch 1 wird durch die Nutzer wortsinngemäß benutzt.
Auch hinsichtlich der streitigen Merkmale 1.1, 1.2 und 1.6 verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent. Die Benutzung der übrigen Merkmale von Patentanspruch 1 ist zu Recht unstreitig.
(A) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 1.1.
Die Spielanwendung wird bei der angegriffenen Ausführungsform in einem Container innerhalb der Anwendung „S…“ ausgeführt. Die Spielanwendung ist mithilfe einer Anwendungsprogrammierschnittstelle („API“) mit dem angegriffenen „S…“ verknüpft. Es sind zwei Anwendungen gegeben. Denn anderenfalls bedürfte es keiner solchen Anbindungsschnittstelle. Die Spielanwendung wird unstreitig beim ersten Laden im lokalen Speicher des Endgeräts abgelegt.
Die Spielanwendungen verwendet zudem die Kontaktliste des „M.F. s“. Dies ermöglicht des dem Nutzer, Spiele mit den Kontakten zu spielen. Unstreitig hat die Spielanwendung Zugriff auf bestimmte Informationen aus der Kontaktliste. Betroffen sind zum Beispiel Namen und Profilbilder aus der Kontaktliste des „M.F. s“.
(B) Durch die angegriffene Ausführungsform wird auch Merkmal 1.2 verwirklicht.
Bei der angegriffenen Ausführungsform werden Nachrichten als Sofortnachrichten über den „S…“ versendet. Diese Nachrichten enthalten die entsprechenden Spielfortschrittsdaten. Aus ihnen ist für den Empfänger erkennbar, dass es einen Fortschritt innerhalb des Spiels gegeben hat. Sie geben ihm sogar an, wie der genaue Spielstand ist.
Im untersuchten Fall wird der Spielfortschritt in eine Nachricht innerhalb der Nachrichtenanwendung eingebettet. Die Nachricht enthält eine Abbildung des aktuellen Spielstands und zeigt an, um welches Spiel es sich handelt. Dies stellt sich auf dem Gerät des empfangenden Nutzers wie folgt dar:
…
(C) Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht außerdem Merkmal 1.6.
Durch die Auswahl der Schaltfläche „Spielen“ in der Nachricht, die den Spielfortschritt wiedergibt, findet ein Wechsel unmittelbar in das laufende Spiel und dessen grafische Benutzeroberfläche statt.
bb) Unter Zugrundelegung der oben ausgeführten Auslegung wird auch Patentanspruch 9 verwirklicht.
Merkmal 9.1 wird benutzt, weil sämtliche Vorrichtungen (Endgeräte), auf denen die angegriffene Ausführungsform ausgeführt werden kann, einen Speicher aufweisen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Anwendung „S…“ kann durch den Nutzer auf dem jeweiligen Endgerät installiert werden. Die Installation bewirkt eine entsprechende Speicherung und ermöglicht das Spielen von Spielen auf diesem Gerät.
Merkmal 9.2 wird schließlich ebenfalls verwirklicht, weil die Verfahrensschritte des Verfahrensanspruchs 1 durch die angegriffene Ausführungsform benutzt werden.
d) Das Angebot oder die Lieferung im Inland zur Benutzung der Erfindung im Inland ist erfolgt.
Die Beklagte bietet das Programm „S…“ im Inland zur Benutzung im Inland und damit die angegriffene Ausführungsform an, indem zum Beispiel im App Store von Apple die Anwendung „S…“ zum Herunterladen und zur Installation auf iOS-Geräten dargeboten wird.
Zwar bestreitet die Beklagte, dass sie die angegriffene Ausführungsform für den deutschen Markt anbietet, verweist darauf, dass der Eintrag im App Store von Apple unzutreffend sei, und sieht vielmehr ihre irische Tochtergesellschaft, … Ltd., als verantwortlich an. Dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert. Besonders wenn man berücksichtigt, dass die Einträge im App-Store von Apple geändert werden können und seit Klageerhebung und den ganzen Prozess hinüber unverändert geblieben sind, reicht das Vorbringen der Beklagten nicht aus, um den Vorwurf der Klägerin zu entkräften.
Unabhängig hiervon und unterstellt, die … Ltd. ist für die inländischen Vertriebshandlungen allein verantwortlich, handeln beide Gesellschaften als Mittäter und die Beklagte muss sich das Handeln ihrer Mittäterin zurechnen lassen. Die Mittäterschaft besteht, weil ein arbeitsteiliges Vorgehen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans (den M. F. mit der angegriffenen Funktionalität auch in Deutschland zu vertreiben) gegeben ist. Die irische Tochtergesellschaft der Beklagten ist eine weisungsgebundene Gesellschaft und wird von der Mutter, der hiesigen Beklagten, kontrolliert und beherrscht. Hierin liegt ihr Tatbeitrag. Dass die … Ltd. weisungsgebunden gegenüber der Beklagten ist, bestreitet die Beklagte nicht hinreichend substantiiert. Sie zieht sich allgemein darauf zurück, dass die Klägerin ihrerseits nur pauschal vorgetragen habe, wenn sie unter anderem Strategieaussagen aus einem Jahresbericht vorlegt, der von der Beklagten selbst bei der US-Börsenaufsichtsbehörde eingereicht worden ist. Aus diesem ergibt sich unstreitig, dass die Beklagte den angegriffenen M.F. als „ihr“ Produkt bezeichnet und Einnahmen hieraus als „ihre Einnahmen“ bewertet. Überdies trägt die Beklagte im Rahmen des Vollstreckungsschutzantrags selbst vor, dass sie anbietet. Sie führt dort wie folgt aus: Bei einer Vollstreckung dürfte die Beklagte die Spielefunktionalität des M.F. s jedenfalls zeitweise nicht mehr in Deutschland anbieten.
Die Beklagte trifft eine sekundäre Darlegungslast, weil die Klägerin alle ihr zur Verfügung stehenden – öffentlich verfügbaren – Erkenntnismöglichkeiten über die rechtliche und tatsächliche Einbindung der Beklagten in die Handlungen der … Ltd. sowie über eine entsprechende Weisungsgebundenheit dieser Gesellschaft gegenüber der Beklagten ausgeschöpft hat. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die von der Klägerin vorgelegten Informationen nicht ausdrücklich Deutschland betreffen. Im Rahmen dieser sekundären Darlegungslast wären nach Überzeugung der Kammer der Beklagten nähere Angaben zu den genannten Umständen ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen.
Auf Grundlage des Vortrags der Beklagtenseite war auch die Einvernahme des von der Beklagten angebotenen Zeugen S. nicht erforderlich. Sie hätte nur der Ausforschung gedient. Ebenso wenig brauchte die Kammer dem Antrag der Klägerin auf Vorlage der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nachzugehen.
e) Auch der subjektive Tatbestand ist (unstreitig) gegeben.
Die subjektive Bestimmung des Abnehmers zur unmittelbaren patentverletzten Verwendung ist offensichtlich, weil die angegriffene Ausführungsform die patentverletzende Funktionalität vorsieht und davon auszugehen ist, dass sie entsprechend ausgeführt wird, auch weil sie entsprechend beworben wird. Die objektive Eignung und die Verwendungsbestimmung der Abnehmer sind für die Beklagte offensichtlich. Der M.F. ist von der Beklagten auf die patentgemäße Benutzung zugeschnitten und wird hierfür explizit angeboten. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin unter Verweis auf folgenden Auszug aus der Website der Beklagten:
…
III. Die Beklagte ist passivlegitimiert (s. o.).
IV.
Wegen der Patentverletzung hat die Klägerin die folgenden Ansprüche:
1. Der Anspruch auf Unterlassung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform besteht Wiederholungsgefahr mit Blick auf die Tathandlungen anbieten und liefern. Denn die Wiederholungsgefahr wird durch die festgestellten rechtswidrigen Benutzungshandlungen indiziert. Ein Schlechthinverbot ist gerechtfertigt. Die angegriffene Ausführungsform kann technisch und wirtschaftlich sinnvoll nur in patentverletzende Weise verwendet werden. Die Spielfunktion ohne die patentverletzende Verwirklichung der Anspruchsmerkmale zu verwenden scheidet aus.
2. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB.
Die Beklagte ist auch verpflichtet, über die Nutzungshandlungen der … Ltd. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Möglichkeit hat, über Nutzungshandlungen der … Ltd. Auskunft zu erteilen. Die (insoweit darlegungs- und beweisbelastete) Beklagte hat jedenfalls nicht dargetan, dass ihr eine solche Auskunft unmöglich ist, § 275 BGB. Sie hat auch die mittels des Jahresberichtes K-C …4 substantiierte Behauptung der Klägerin, die Beklagte kontrolliere die …Ltd., nicht substantiiert bestritten (s. o.).
3. Der Schadensersatzanspruch folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG.
a) Hinsichtlich der Handlungen der Beklagten folgt dies aus dem oben Gesagten.
b) Soweit die Beklagte auch gesamtschuldnerisch für Handlungen der … Ltd. in Anspruch genommen wird, folgt ihre Haftung aus § 840 Abs. 1 BGB.
Die … Ltd. ist für sich gesehen passivlegitimiert. Die Klägerin hat dargelegt, dass in den Nutzungsbedingungen der angegriffenen Ausführungsform – für sich gesehen unstreitig – auf die … Ltd. als Anbieterin verwiesen wird. Als Anbieterin ist auch sie verantwortlich für die mittelbare Patentbenutzung durch die angegriffene Ausführungsform. Daher ist sie neben der Beklagten als Täterin anzusehen. Beide haften nach § 840 Abs. 1 BGB mithin als Gesamtschuldner.
Auf die Frage der Verantwortlichkeit der Beklagten für die … Ltd. als ihre Tochtergesellschaft kommt es an dieser Stelle nicht an.
C.
Eine Aussetzung mit Blick auf die von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage ist nach § 148 ZPO nicht veranlasst.
I.
Die Einleitung eines Einspruchsverfahrens oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellen als solches keinen Grund dar, das Verfahren auszusetzen. Anderenfalls würde man dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beimessen, die ihm nach dem Gesetz gerade fremd ist (BGH GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug). Bei der gebotenen Interessenabwägung hat grundsätzlich das Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung des ihm erteilten Patents Vorrang (siehe Cepl/Voß-Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 148 ZPO Rn. 106 mwN). Denn das Patent bietet nur eine beschränkte Schutzdauer. Für die Dauer der Aussetzung ist das Schutzrecht mit Blick auf den Unterlassungsantrag, der einen wesentlichen Teil des Schutzrechts darstellt, noch zusätzlich praktisch aufgehoben. Daher kommt eine Aussetzung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Vernichtung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Cepl/Voß-Cepl, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Auflage, § 148 ZPO Rn. 107 mwN).
II.
Das Verfahren ist nach diesen Maßstäben nicht auszusetzen.
Nach Auffassung der Kammer ist der Gegenstand des Klagepatents in der erteilten Fassung patentfähig. Die von der Beklagten im Rahmen ihres Aussetzungsantrags geltend gemachten Nichtigkeitsargumente greifen nicht durch. Der Gegenstand des Klagepatents ist insbesondere neu und wird durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
1. Der Gegenstand der entgegengehaltenen Druckschrift WO 01/31476 A1 („Crane“) steht der Patentfähigkeit des Gegenstands des Klagepatents nicht entgegen.
a) Diese Druckschrift offenbart ein E-Mailbasiertes Verfahren zum Spielen rundenbasierter Spieler über ein Netzwerk, wobei die Spieler die Spielzüge auch außerhalb des Spiels und ohne Beteiligung des Spielservers aneinander senden können. Die Übermittlung findet in dem Fall grundsätzlich als Anhang einer E-Mail statt. Alternativ offenbart die Schrift die Übermittlung über ein „instant messaging protocoll“ (dort S. 19 Zeile 19).
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und damit auch von Patentanspruch 9 wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart.
Es werden nicht sämtliche beanspruchte Merkmale gezeigt. So offenbart „Crane“ unter anderem kein Einkapseln der an den bestimmten Kontakt zu sendenden Spielnachrichten („game message“) durch Einbeziehen von Spielfortschrittsdaten („game progress data“) in eine Sofortnachricht.
c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und Patentanspruch 9 des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen gleichfalls nicht nahegelegt.
aa) Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von denjenigen Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen.
bb) Nach diesen Maßstäben hat für den Fachmann keine Veranlassung bestanden, die Lehre aus „Crane“ in Richtung des Klagepatents fortzuentwickeln.
Zwar findet sich ein Hinweis auf ein Sofortnachrichtenprotokoll (S. 19 Zeile 19 ff.), zudem dass eine Textnachricht in eine E-Mail aufgenommen werden kann (S. 14 Zeile 20 f.) und dass die Spielanwendung den Spieler informieren wird, dass ein neuer Spielzug auf ihn wartet, falls das „game packet“ nicht unverzüglich aufbereitet („parse“) wird (S. 13 Zeile 25 ff.). Womöglich konnte der Fachmann damit das System so weiterentwickeln, dass der Gegenspieler zusätzlich in derselben E-Mail eine diesbezügliche Textnachricht verschickte, aus der sich der Spielfortschritt ergibt oder das genannte Icon so modifizieren, dass es zugleich den Spielfortschritt anzeigt. Einen Anlass oder einen Hinweis, diese Lehre in Richtung jener des Klagepatents fortzuentwickeln, ergibt sich hieraus aber nicht und hat die Beklagte auch nicht aufgezeigt. Vielmehr hat sie lediglich dargelegt, dass der Fachmann hiervon ausgehend (in die Nähe der Erfindung) gelangen konnte. Dies genügt jedoch nicht, um zu der Annahme zu kommen, dass der Gegenstand des Streitpatents des Schutzes nicht würdig ist. Auch hat die Beklagte nicht dargetan, warum sich unter Beachtung sämtlicher Kriterien aus der Entscheidung „Farbversorgungssystem“ des BGH aus dem allgemeinen Fachwissen eine Veranlassung ergeben habe, die klagepatentgemäße Lösung zu entwickeln.
2. Der Gegenstand der entgegengehaltenen Druckschrift US 2002/0160838 A1 („Kim“) steht der Patentfähigkeit des Gegenstands des Klagepatents gleichfalls nicht entgegen.
a) Gegenstand dieser Druckschrift ist ein System zur Unterstützung von Onlinespielen, was hierfür einen „instant M.F. server“ und einen „game content server“ verbindet. Ein Spieler, der sich bereits bei dem „instant M.F. server“ registriert hat, braucht sich dann nicht auch noch beim „game content server“ zu registrieren. Er kann nach potentiellen Gegnern suchen, die er über ein „friend menu“ auswählen kann. Hierfür kann er Parameter eingeben. Nach diesen wird dann in einer Mitgliederdatenbank („member data base“) gesucht. Spiele können über den „instant M.F. server“ gestartet werden. Zudem enthält das beschriebene Spiel „Tankmania“ eine zweite Komponente. Der Spieler kann mit einem weiteren Mitspieler „item“ tauschen bzw. von diesem erwerben und seinen Panzer damit ausrüsten. Um mit dem neu ausgerüsteten Panzer zu kämpfen, sucht er sich einen (potentiellen) Mitspieler. Insofern kann der Spieler seine Einladung als Sofortnachricht versenden. Der eingeladene Mitspieler kann diese Aufforderung mittels des „approve button“ akzeptieren.
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und damit auch von Patentanspruch 9 wird durch diese Entgegenhaltung nicht offenbart.
Es werden nicht sämtliche beanspruchte Merkmale gezeigt. Besonders wird nicht offenbart, dass der Spielanwendung Zugriff auf die Kontaktliste einer Sofortnachrichtenanwendung im Sinne des Merkmals 1.1 erlaubt wird und es sich hierbei funktional um zwei unterschiedliche Softwareanwendungen handelt. Vielmehr handelt es sich lediglich um Spielerlisten.
Außerdem wird kein Wechsel aus einer Sofortnachrichtenkonversation zu einem laufenden Spiel im Sinne des Merkmals 1.6 offenbart, sondern der Spieler kann den anderen Spieler lediglich einladen und wenn dieser die Einladung annimmt, wird das Spiel gestartet. Insofern ist dies aber ein neues Spiel im Sinne des Klagepatents, weil der Handel mit den Ausrüstungsgegenständen dem eigentlichen Spiel (Panzerkampf) auch software-technisch nebengeordnet ist. Es sind zwei unterschiedliche Komponenten.
c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und Patentanspruch 9 des Klagepatents wird durch diese Entgegenhaltung in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen gleichfalls nicht nahegelegt. Er beruht vielmehr auf erfinderische Tätigkeit. Denn die Beklagte hat nicht aufgezeigt, warum für den Fachmann ein Anlass bestanden habe, die in dieser Entgegenhaltung enthaltene Lehre in Richtung des Klagepatents fortzuentwickeln. Es fehlt insoweit an Darlegung, warum der Fachmann dies getan hätte.
3. Der Gegenstand der weiterhin von der Beklagten vorgebrachten Entgegenhaltung (US 2006/0135259 A1 „Nancke-Krogh“) liegt im Verhältnis zum Gegenstand des Klagepatents nicht näher als die bereits diskutierten Entgegenhaltungen und vermag insofern ebenfalls die Patentfähigkeit nicht zu erschüttern.
4. Entgegen der Annahme der Beklagten fehlt dem Gegenstand des Klagepatents schließlich nicht die Technizität. Dieser soll erfindungsgemäß durch eine elektronische Vorrichtung ausgeführt werden.
D.
I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten des Rechtsstreits waren vollumfänglich der Beklagten aufzuerlegen.
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 und 3 ZPO. Sie gliedert sich wie erkannt. Die Sicherheitsleistung ist dabei an dem Streitwert zu orientieren. Der Feststellungsantrag ist nicht vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Kosten ist nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
E.
Dem Antrag nach § 712 ZPO der Beklagten ist nicht stattzugeben. Die Beklagte hat nur eine wirtschaftliche Belastung behauptet, ohne Tatsachen vorzubringen, die das Tatbestandsmerkmal „nicht zu ersetzender Nachteil“ erfüllen.