IT- und Medienrecht

Mitverschulden bei zweckwidriger Nutzung eines defekten Scheibenwäschers zur Reinigung der Motorhaube

Aktenzeichen  15 C 1783/17

Datum:
13.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 46405
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 254  Abs. 1, § 280 Abs. 1

 

Leitsatz

Verwendet der Kunde einer Tankstelle einen dort bereitgestellten Handscheibenwäscher, dessen Schwammteil optisch erkennbar nicht mehr fest in der Metallschiene verankert ist, in einer völlig unüblichen Schrägstellung um Verschmutzungen auf dem Lack der Motorhaube zu entfernen, so ist eine mögliche Haftung des Tankstellenbetreibers wegen eines alleiverursachenden Mitverschuldens des Kunden ausgeschlossen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 249 ff. BGB zu.
Es kann dahinstehen, inwieweit – beklagtenseits bestritten – der Kläger den Lackschaden tatsächlich am 29.07.2017 mit einem auf dem Tankstellengelände des Beklagten vorhandenen Scheibenwäscher verursacht hat.
Selbst den klägerischen Sachvortrag hierzu als richtig unterstellt, ergibt sich kein Schadensersatzanspruch oder ist dieser zumindest infolge Mitverschuldens gemäß § 254 BGB vollständig untergegangen.
Den insoweit vom Gericht gefolgten Ausführungen des Klägers nach will dieser als Vorbereitungshandlung für die spätere Nutzung der Waschanlage auf dem Tankstellengelände des Beklagten einen dort im Wassereimer vorhandenen Scheibenwäscher dazu benutzt haben, um auf der Motorhaube Vogelkot zu entfernen. Hierzu ist bereits dieser Scheibenwäscher nicht das richtige Werkzeug. Es ist gerichtsbekannt, dass zur Vorbereitung des Waschvorgangs in der Portalwaschanlage sich unmittelbar bei der Einfahrt ein eigenes Sprühsystem befindet, mit welchem – nach Einwurf einer Münze von 50 Cent – zum Lösen von festen Verschmutzungen eine Sprüheinrichtung befindet, mit welcher auch Scheiben, Anhaftungen von Bremsstaub an den Felgen und auch feste Stoffe wie Mücken oder Vogeldreck am Lack angesichts der chemischen Substanz gelöst wird und sodann beim Wasch straßenvorgang leichter zu entfernen sind. Auf diese Sprüheinrichtung hat der Kläger offenbar verzichten wollen und den naturgemäß zunächst zum Reinigen der Windschutzscheibe bereitgestellten Scheibenwäscher verwendet, um damit zweckwidrig Verschmutzungen auf dem Lack der Motorhaube zu entfernen. Dies wäre für sich gesehen noch nicht zu beanstanden. Jedoch hat der Kläger hierzu einen Scheibenwäscher benutzt, der bereits optisch erkennbar mit dem orangenen Schwammteil nicht mehr fest in der Metallschiene verankert war. So wurde unstreitig gestellt, dass der vom Kläger benutzte Scheibenwäscher optisch so war, wie dies auf Abbildung 7 im Gutachten des Sachverständigen … auf Seite 8 oben zu sehen ist. Hierbei ist jedoch deutlich, dass das eine Schwammeck sich bereits aus der Schiene gelöst hat. Wer jedoch trotz optischer Erkennbarkeit einer möglichen Gefahrenquelle einen derartigen Scheibenwäscher zumal zweckentfremdet auf der Lackierung benutzt, muss sich das eigene Verschulden insoweit anrechnen lassen. Vorliegend kommt jedoch für den Kläger erschwerend hinzu, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen das gezeigte Schadensbild auf der Motorhaube nur dadurch hat entstehen können, dass nur bei schräger Handhabung ein Kontakt mit der Lackoberfläche entstehen kann. Hierzu führt der Sachverständige nachvollziehbar und anhand der gefertigten Lichtbilder auch anschaulich aus, dass mit einem neuwertigen Scheibenwäscher sich gezeigt hat, dass durch die überstehende Gummilippe und den überstehenden Schwamm auch bei schräger Handhabung kein Kontakt des Metalls mit der Lackoberfläche entstehen kann. Der vom Sachverständige in Augenschein genommene Scheibenwäscher zeigte, dass die Metallklammer, die Schwamm und Lippe hält, frei lag und das Schadensbild identisch mit dem beim klägerischen Pkw nur dann erzeugen kann, wenn der Scheibenwäscher mit der Schwammseite in einem Winkel von ca. 45° mit mittelstarkem Druck auf eine Lackoberfläche aufgesetzt wird. Der Kläger muss also bei seiner Vorgehensweise den Schwammwäscher nicht nur zweckwidrig auf dem Lack eingesetzt haben, sondern – unbeschadet einer möglichen Erkennbarkeit des bereits teilweise gelösten Schwammteils – diesen auch noch in einem völlig unüblichen Winkel zum Abwaschen der Motorhaube aufgesetzt haben, so dass nur dadurch die Metallschiene Kratzspuren im Lack verursacht haben kann. Oder anders ausgedrückt: Wenn schon der Kläger einen Scheibenwäscher zweckwidrig auf der Motorhaube einsetzt, wäre selbst bei „natürlichem geraden Aufsetzen“ kein Verkratzen des Lacks eingetreten, sondern nur durch die völlig unübliche Schrägstellung und das offenbar durch eine Vielzahl von ausgeführten Bewegungen fotografisch auf Abbildung 24 (Seite 16 des Gutachtens) dargestellte Schadensbild entstanden. Bei dieser Ausgangslage ist das Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB des Klägers als alleinverursachend zugrunde zu legen, so dass eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten bei der zur Verfügungsstellung eines „teilweise auseinanderfallenden“ Scheibenwäschers vollständig zurücktritt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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