Aktenzeichen 4 N 18.86
BayGO Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
BayBestG Art. 7, Art. 20 Abs. 1 Nr. 3
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Leitsatz
Wird eine bisher vom Friedhofsträger wahrgenommene Aufgabe den Grabnutzungsberechtigten übertragen, die sich dazu privater Unternehmen zu bedienen haben, so liegt allein darin noch kein faktischer Eingriff in deren Berufsausübungsfreiheit. (Rn. 18 – 22)
Tenor
I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antrag, § 1 Nr. 3 der Änderungssatzung vom 2. Mai 2017 zur Friedhofs- und Bestattungssatzung der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären, ist bereits unzulässig.
1. Bei der auf Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GO, Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BestG gestützten Änderungssatzung handelt es sich zwar im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift. Der Normenkontrollantrag ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.
2. Der Antragstellerin, die auf dem Friedhof der Antragsgegnerin als Bestattungsunternehmen tätig ist, fehlt aber die für einen Normenkontrollantrag erforderliche Antragsbefugnis. Sie kann nicht geltend machen, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Subjektive Rechte der Antragstellerin, insbesondere ihre grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), waren weder bei der Entscheidung über den Erlass der Änderungssatzung zu beachten, noch können sie durch deren Vollzug nachteilig berührt werden. Die streitgegenständliche Regelung hat die gewerblichen Betätigungsmöglichkeiten der Antragstellerin nicht eingeschränkt, sondern vielmehr erweitert.
Nach der früheren Fassung des § 16 Abs. 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung wurden der Aushub der Grabstätten und deren Schließung nach der Beisetzung von der Friedhofsverwaltung veranlasst; die Arbeiten durften ausschließlich von der Antragsgegnerin oder einem von ihr beauftragten Bestattungsunternehmen ausgeführt werden. Die betreffenden Tätigkeitsfelder waren damit vollständig in gemeindliche Regie übernommen und jeder Einflussnahme seitens der Hinterbliebenen wie auch dem freien Wettbewerb entzogen. Darin lag nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein – zumindest mittelbarer – Eingriff nicht nur in die allgemeine Handlungsfreiheit der Grabnutzungsberechtigten, sondern ebenso in die Berufsausübungsfreiheit der von den Arbeiten ausgeschlossenen Unternehmen, der allerdings durch den vom Friedhofsträger verfolgten Anstaltszweck und durch die Erfordernisse eines geordneten Ablaufs der Bestattung zu rechtfertigen war (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.1994 – 4 B 92.1872 – BayVBl 1994, 629; U.v. 13.2.1985 – 4 N 82 A.2254 – VGH n.F. 38, 23/25 f. = BayVBl 1985, 463; B.v. 12.6.1969 – 10 IV 68 – VGH n.F. 22, 53/57 = BayVBl 1970, 70; s. auch Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 12. Aufl. 2019, 499 ff.; Klingshirn, Bestattungsrecht in Bayern, Stand Juni 2018, B 14 Rn. 19 f.).
Die im Normenkontrollverfahren angegriffene Änderung des § 16 Abs. 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung nimmt die mit der Bestattung verbundenen Erdarbeiten (Grabaushub, Einfüllen und Herrichten von Erd- und Urnengräbern, Abfuhr des nicht einfüllbaren Erdmaterials) aus dem Katalog der vom Friedhofsträger erbrachten Leistungen heraus und macht dafür den jeweiligen Inhaber des Grabnutzungsrechts verantwortlich, der die Aufgaben einem von der Antragsgegnerin zugelassenen Bestattungsunternehmen oder Gewerbetreibenden übertragen muss. In der Auferlegung dieser Handlungspflicht, die gegenüber der Antragsgegnerin zu erfüllen ist, liegt ein Rechtseingriff allein zu Lasten der Grabnutzungsberechtigten. Für jene Unternehmen, die wie die Antragstellerin auf dem Friedhofsgelände gewerblich tätig sind, wirkt sich dagegen die Entkommunalisierung und Privatisierung des genannten Tätigkeitsbereichs nicht belastend, sondern wegen des Wegfalls einer Berufsausübungsschranke freiheitserweiternd aus. Konnten sie sich bisher aufgrund des in der Satzung vorgesehenen Nachfragemonopols nur bei der Antragsgegnerin darum bewerben, mit dem Ausheben und Wiederverfüllen von Gräbern und den damit zusammenhängenden Arbeiten beauftragt zu werden, so stehen ihnen nunmehr alle Inhaber von Grabnutzungsrechten als potentielle Auftraggeber zur Verfügung.
Eine über diese partielle Marktfreigabe hinausgehende faktische Lenkungswirkung oder berufsregelnde Tendenz lässt sich der angegriffenen Änderungsbestimmung nicht entnehmen. Sie eröffnet den auf dem Friedhof der Antragsgegnerin zugelassenen Gewerbetreibenden lediglich die Chance, privatrechtliche Verträge über die beim Anlegen von Gräbern anfallenden Erdarbeiten abzuschließen, stellt aber nicht zugleich Anforderungen an die Art und Weise der Erfüllung dieser Arbeiten. Anders als solche Satzungsvorschriften, die sich ausdrücklich an die auf dem Friedhof tätigen Gewerbetreibenden richten (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.2.1999 – N 98.1181 – VGH n.F. 52, 63/65 = BayVBl 2000, 21) oder ihnen zumindest faktisch ein bestimmtes Verhalten abverlangen und damit als Berufsausübungsregelungen gelten können (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 CN 1.12 – BVerwGE 148, 133 Rn. 24; s. auch VGH BW, U.v. 28.6.2016 – 1 S 1244/15 – NVwZ-RR 2016, 945/946), zielt die Verpflichtung der Grabstätteninhaber, die notwendigen Grabungs-, Auffüllungs- und Entsorgungsarbeiten einem zugelassenen Gewerbebetrieb zu übertragen, nicht auf eine Änderung der wirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu Lasten dieser Betriebe. Mit der Vorschrift wird allein das Benutzungsverhältnis zwischen den Inhabern der Nutzungsrechte und der Antragsgegnerin ausgestaltet; die sich daraus mittelbar ergebenden Folgen für die untereinander konkurrierenden Gewerbetreibenden sind ein bloßer Reflex der nicht berufsspezifisch ausgerichteten Regelung (vgl. BVerfG, U.v. 17.12.2002 – 1 BvL 28/95 – BVerfGE 106, 275/299; B.v. 11.7.2006 – 1 BvL 4/00 – BVerfGE 116, 202/222).
Auch die von der Antragstellerin als rechtswidrig angesehene Verpflichtung der Grabnutzungsberechtigten, für die Abfuhr des nicht einfüllbaren Erdmaterials zu sorgen, besitzt keinen so engen Bezug zur Berufstätigkeit der damit beauftragten Gewerbetreibenden, dass ein mittelbarer Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG anzunehmen wäre. Der Satzungsgeber will mit der Bestimmung erreichen, dass der bei der Herstellung von Gräbern anfallende Überschuss an Erde, der durch das (in der Friedhofsgenehmigung geforderte) Zufügen von Sand zum Rückfüllmaterial entsteht, vom Friedhofsgelände entfernt wird, da ein dauerhaftes Ablagern solcher Restbestände dort nicht vorgesehen ist und nicht geduldet werden soll. Über diese die Gestaltung der gemeindlichen Einrichtung betreffende Zielsetzung hinaus werden mit dem Gebot, das nicht einfüllbare Erdmaterial abzufahren, keine weiteren Zwecke verfolgt. Die angegriffene Satzungsbestimmung schreibt weder vor, wann und mit welchen Fahrzeugen der Abtransport zu erfolgen hat, noch wird der Ort angegeben, an den das Transportgut verbracht werden soll. Diesbezügliche Anforderungen können sich für die betreffenden Unternehmen allenfalls aus anderen Rechtsvorschriften bzw. aus entsprechenden behördlichen Einzelanordnungen ergeben.
Die angegriffene Regelung hindert die Antragstellerin auch nicht daran, am Wettbewerb um Bestattungsaufträge uneingeschränkt teilzunehmen. Dass sie nach eigenem Bekunden mangels Fachkunde nicht in der Lage ist, die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Entsorgung des den Grabstellen entnommenen überschüssigen Erdmaterials zu übernehmen, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Das den Grabinhabern auferlegte und mit Hilfe zugelassener Unternehmen zu erfüllende Abfuhrgebot stellt keine objektiv unerfüllbare Verpflichtung dar; das folgt schon daraus, dass diese Aufgabe zuvor von einem (von der Antragsgegnerin beauftragten) privaten Dienstleister erfüllt werden konnte. Ob und inwieweit der Antragstellerin infolge ihrer fehlenden Bereitschaft, die mit der Anlegung von Gräbern verbundene Entsorgungsaufgabe zu übernehmen, mögliche Aufträge entgehen, kann hier dahinstehen. Der kommunale Satzungsgeber muss bei der Neuregelung der Verantwortungsbereiche auf einem Friedhof nicht dafür sorgen, dass den bisher dort gewerblich tätigen Unternehmen ihr bisheriger Kundenkreis erhalten bleibt. Weder aus der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch aus der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) ergibt sich ein Recht auf Erhaltung des bisherigen Geschäftsumfangs oder auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, U.v. 17.12.2002 – 1 BvL 28/95 u.a. – BVerfGE 106, 275/299 m.w.N.). Auch im vorliegenden Fall obliegt es daher den Gewerbetreibenden, die nicht zum originären Benutzerkreis der Einrichtung gehören (vgl. BayVGH, U.v. 8.3.1968 – 214 IV 64 – VGH n.F. 21, 47/49; Brüning, WiVerw 2016, 37/41; Klingshirn, a.a.O., B 14 Rn. 44 f. m.w.N.), sich mit ihrem Leistungsangebot den aufgrund der Satzungsänderung gestiegenen fachlichen Anforderungen anzupassen (vgl. VGH BW, U.v.28.6.2016 – 1 S 1244/15 – NVwZ-RR 2016, 945/946).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.