Aktenzeichen 1 HK 0 7131/16
EnEV EnEV § 16a
Leitsatz
1 Allein die Anzahl der Abmahnungen indiziert jedenfalls dann kein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG, wenn diese zur Kernaufgabe des abmahnenden Verbandes gehören. (red. LS Dirk Büch)
2 Ein Immobilienmakler ist kein Normadressat im Sinne des § 16a Abs. 1 EnEV, so dass er aus diesem Grund nicht verpflichtet ist, Angaben aus dem Energieausweis in eine Immobilienanzeige aufzunehmen. (red. LS Dirk Büch)
3 Werden im Rahmen einer Immobilienanzeige durch einen Immobilienmakler die Angaben aus dem Energieausweis nicht genannt, werden wesentliche Informationen gemäß § 5a Abs. 2 UWG vorenthalten. (red. LS Dirk Büch)
Tenor
1. Das Versäumnisurteil vom 11.7.2016 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 11.7.2016 darf nur fortgesetzt werden hinsichtlich Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 €, hinsichtlich Ziffer 2 und 3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Das Endurteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags.
Gründe
Die Klage war in vollem Umfang begründet. Das Versäumnisurteil war daher zu bestätigen. Der Unterlassungsanspruch beruht auf § 5 a Abs. 2, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens einer wesentlichen Information. Der Kostenerstattungsanspruch beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
a) Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert. Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 Unterlassungsklagegesetz eingetragen.
Die Eintragung in die Liste wurde erst im Januar 2016 (K 3) bestätigt, sodass kein Anlass besteht, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesamt für Justiz vorzulegen. Im übrigen würde ein solches Vorgehen des Gerichts eine Amtsermittlung zum Zwecke der Ausforschung darstellen, die in der ZPO nicht vorgesehen ist.
b) Der Kläger handelt nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Der Sachvortrag der Beklagten hierzu stützt sich lediglich darauf, dass der Kläger eine Vielzahl von Zeitungsinserenten wegen eines Verstoßes gegen § 16 a Abs. 1 EnEV in Anspruch nimmt, ferner auf einen Artikel vom 28.05.2016 in der „FAZ“ zum Komplex „Toyota“, der mit der Frage der Pflichtangaben im Immobilienbereich gar nichts zu tun hat. Allein die Anzahl der Abmahnungen indiziert noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Die Abmahnungen des Klägers als Umweltverband bei Verstößen gegen die EnEV gehören zur Kernaufgabe dieses Umweltverbandes. Ob und wann welche Änderung der EnEV durch den deutschen Gesetzgeber erfolgen werden, ist völlig unklar. Es kann daher dem Kläger nicht per se unterstellt werden, dass er noch kurz vor Änderung der EnEV Abmahnungen vornimmt, um sich entsprechende Abmahngebühren zu sichern. Die Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale von 229 € für die Abmahnung ist moderat und soll die durchschnittlich anfallenden Kosten darstellen. Wenn der Gesetzgeber Vorschriften wie die §§ 16 a Abs. 2 EnEV, § 8 Absatz 3 Nr.3 UWG für sinnvoll erachtet hat, dann liegt es neben den betroffenen Konkurrenzunternehmen gerade auch im Aufgabenbereich eines Umweltschutzverbandes, die Einhaltung der gesetzgeberischen Vorgaben zu überwachen und gegebenenfalls zur Selbstregulierung der Branche beizutragen. Da Immobilienanzeigen „massenhaft“ vorkommen, sind auch „massenhafte“ Verstöße vorprogrammiert. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann daher in der Abmahnung zahlreicher Einzelverstöße mit moderaten Abmahnkosten nicht gesehen werden.
c) Der Unterlassungsanspruch beruht nicht auf § 16 a EnEV i.V.m. § 3a UWG. Nach dem Urteil des OLG München vom 08.12.2016 (6 U 4725/15, Landgericht München II 2 HK O 3089/15) ist der Immobilienmakler kein Normadressat im Sinne des § 16 a Abs. 1 EnEV. Die Vorschrift des § 16 a Abs. 1 EnEV richtet sich an den Verkäufer im rechtsgeschäftlichen Sinn. § 16 a Abs. 1 EnEV ist nicht dahingehend auszulegen, dass auch ein Makler unter dem Begriff des „Verkäufers“ fallen soll, sofern dieser auftragsgemäß eine Immobilienanzeige schaltet. Bei § 16 a EnEV handelt es sich um die Umsetzung von Artikel 12 Abs. 4 der Richtlinie 2010/31/EU. Die nationale Vorschrift des EnEV ist zwar im Lichte des Wortlauts und der Ziele des Unionsrechts auszulegen und anzuwenden. Dies bedeutet nicht nur eine Auslegung im engeren Sinn, sondern, wo dies erforderlich ist, auch eine richtlinienkonforme Fortbildung. Eine solche Rechtsfortbildung nach nationalem Recht setzt allerdings eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem kommt nicht in Betracht. Nach den Feststellungen des OLG München (a.a.O., II, 1. c, bb, Seite 21) lasse sich den Gesetzesmaterialien zu § 16 a EnEV entnehmen, dass der nationale Verordnungsgeber bewusst davon abgesehen habe, Makler in den Kreis der nach § 16 a EnEV Verpflichteten aufzunehmen. Es fehle daher an einer planwidrigen Regelungslücke. Nach der Meinung des Gesetzgebers solle allein der Verkäufer (bzw. Vermieter, Verpächter und Leasinggeber) die Verantwortung dafür tragen, dass die Anzeige die notwendigen Pflichtangaben nach § 16 a EnEV enthalte.
Die hilfsweise beantragte Aussetzung des Verfahrens nach Art. 267 AEUV durch das Landgericht als 1. Instanz kommt schon allein deshalb nicht in Betracht, da die Entscheidung nicht auf diese Vorschrift gestützt wird.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf § 5 a Abs. 2 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorenthaltens wesentlicher Informationen. Die spezielle Regelung des § 16 a EnEV führt nach den Ausführungen des OLG München nicht zu einer Sperrwirkung der Anwendbarkeit des in § 5 a Abs. 2 UWG weiter gefassten Unlauterkeitstatbestands, auch nicht über § 5 a Abs. 4 UWG (OLG München, a.a.O. II 1 c (wohl d) Seite 24). Bei den im Energieausweis anzugebenden Informationen für die Heizung der Immobilie handle es sich um wesentliche Informationen, die der Verbraucher benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Die Information benötige der Verbraucher, um beurteilen zu können, ob das angebotene Objekt seinen Erwartungen in energetischer Hinsicht entspreche. Die unzureichende Information könnte den Verbraucher dazu veranlassen, aufgrund der Immobilienanzeige Kontakt zu dem Makler aufzunehmen, diese Entscheidung hätte der Verbraucher gegebenenfalls nicht getroffen, wenn er über die energiebezogenen Eigenschaften der Immobilie informiert gewesen wäre.
Eine Information, die wesentlich im Sinne des § 5 a Abs. 2 UWG ist, ist auch spürbar im Sinne des § 3 UWG. Ob das exakte Baujahr (1708 oder 1908 nach den Umbauten) der streitgegenständlichen Immobilie in energetischer Hinsicht und der wesentliche Energieträger nicht unbedingt die ausschlaggebenden Informationen sein mögen, die ein Interessent für ein Anwesen im Wert von ca. 10 Mio. Euro benötigt, um sich näher mit dieser Immobilie zu befassen, kann dahingestellt bleiben: der Gesetzgeber unterscheidet bei den Informationspflichten in § 16 a EnEV nicht nach der Bedeutung für die konkrete Immobilie, sondern hat sich pauschal für eine Sanktionierung bei entsprechendem Unterlassen entschieden.
d) Kostenerstattungsanspruch: Der Kostenerstattungsanspruch beruhtauf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Beklagte hat Einwendungen zur Kalkulation der Abmahnkosten geltend gemacht. Der Kostenerstattungsanpruch kann jedoch nach § 287 ZPO geschätzt werden, ohne dass es auf die vorgetragene Kalkulation im Detail ankommt. Ein Betrag von 229,34 € erscheint auf jeden Fall als angemessen und entspricht in dieser Größenordnung den üblicherweise von Verbänden geltend gemachten Kosten.
e) Kosten: § 91 Abs. 1, 344 ZPO
f) vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1 und 2 sowie Satz 3 ZPO.