Aktenzeichen AN 9 K 18.00652
Leitsatz
1. Die Nutzung von Räumen als Wettbüro ist baurechtlich genehmigungspflichtig, wenn dadurch die Bandbreite einer ursprünglich genehmigten Nutzung als Laden/Ausstellungsraum durch den Betrieb einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte überschritten wird. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verwendung des Begriffs des Wettbüros in einer Nutzungsuntersagung ist nicht zu unbestimmt, weil dieser weder missverständlich noch unklar ist. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die vorherige oder gleichzeitige Inanspruchnahme des Zustandsstörers – hier die Vermieterin – vor dem Handlungsstörer – hier die Mieterin – erscheint aus Effektivitätsgründen ausnahmsweise als angemessen und rechtmäßig, wenn nur hierdurch die Durchsetzung einer bestandskräftigen Nutzungsuntersagung erreicht werden kann. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Aufgrund der beiderseitigen Verzichtserklärungen der Parteien konnte das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid vom 21. März 2018 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. März 2018 hat die Beklagte die Klägerin als Vermieterin der Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Anwesens …, in denen die ebenfalls von der Beklagten in Anspruch genommene … ein Wettbüro betreibt, verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Nutzung als Wettbüro beendet wird und auch eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitigen Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro untersagt. Diese Anordnung ist rechtmäßig, da der Betrieb eines Wettbüros in den gegenständlichen Räumen bereits gegenüber der Rechtsvorgängerin der derzeitigen Betreiberin bestandskräftig untersagt wurde, die Gründe, aus denen sich die Unzulässigkeit dieser Nutzung ergibt, weiter bestehen und nach wie vor nicht davon ausgegangen werden kann, dass die derzeit betriebene Nutzung der Räume als Wettbüro offensichtlich genehmigungsfähig wäre. Auch besteht hier kein Anlass, von der ständigen Rechtsprechung auch der Kammer, bei einer Nutzungsuntersagung nur dann von einem unverhältnismäßigen Vorgehen auszugehen, wenn die betriebene, nicht genehmigte, aber genehmigungspflichtige Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist, abzuweichen. Schließlich ist auch die Heranziehung der Klägerin rechtmäßig erfolgt.
Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe im angefochtenen Bescheid verwiesen, insbesondere im Hinblick auf die Einwendungen des Klägervertreters wird folgendes ergänzend ausgeführt:
Dass die Nutzung der gegenständlichen Räume als Wettbüro im derzeit und seit längerem betriebenem Umfang nicht genehmigt, aber genehmigungspflichtig ist, da die Bandbreite der ursprünglich genehmigten Nutzung als Laden/Ausstellungsraum durch den Betrieb einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte überschritten wird, ergibt sich bereits aus den Entscheidungen der Kammer vom 1. Juli 2015 (AN 9 K 14.00355 und AN 9 K 14.01140) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 18. April 2017 (9 ZB 15.1846), mit denen die Klage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung bzgl. des gegenständlichen Wettbüros gegen die frühere Betreiberin, die …, abgewiesen wurden. Daran hat sich bis heute nichts geändert, insbesondere auch nicht dadurch, dass die bei Erlass des Bescheids vom 6. Juni 2014 geltende Veränderungssperre mittlerweile abgelaufen und der Bebauungsplan, zu dessen Sicherung die Veränderungssperre erlassen worden war, nunmehr in Kraft getreten ist. Denn an der entscheidenden Frage, ob die Nutzung der gegenständlichen Räume als Wettbüro und kerngebietstypische Vergnügungsstätte offensichtlich planungsrechtlich zulässig ist, ändert sich dadurch nichts: Der Bebauungsplan schließt die Zulässigkeit von Nutzungen wie dem gegenständlichen Wettbüro gerade ausdrücklich aus. Ob diese Festsetzung oder der gesamte Bebauungsplan tatsächlich unwirksam sein sollte oder nicht ist ebenso wenig offensichtlich wie die Frage, ob die von der Klägerin ausgeübte Nutzung als Wettbüro bei einem Wegfall der entsprechenden Festsetzung genehmigungsfähig wäre; denn dies setzt gegebenenfalls weitere Feststellungen und möglicherweise sogar eine Beweisaufnahme durch Augenschein voraus. Ebenso wenig führten hier der Normkontrollantrag gegen den Bauungsplan oder ein Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich früherer Baugenehmigungsverfahren zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage. Damit lagen nach Überzeugung der Kammer die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO vor, auf die die Beklagte zu Recht die gegenständliche Anordnung gegen die Klägerin gestützt hat.
Auch die Inanspruchnahme der Klägerin neben der… als Betreiberin des Wettbüros geschah hier nach Überzeugung der Kammer rechtmäßig. Wie von der Beklagten in der ergänzenden Begründung des Bescheides vorgetragen, hat die Beklagte zunächst ohne Erfolg versucht, den Betrieb des Wettbüros durch Verfügungen an die direkten Betreiber zu unterbinden. Zugleich hat hier die derzeitige Betreiberin des Wettbüros, die … die Nutzung als Wettbüro nahtlos von der früheren Betreiberin, der Fa. …, übernommen, so dass hier trotz untersagter Nutzung ein Betreiberwechsel erfolgte. Dass die Beklagte insofern im Rahmen der Betätigung ihres Auswahlermessens zu dem Schluss kam, hier sei auch ein Vorgehen gegen die Klägerin als Mieterin der Räume zum Zweck des Betriebs eines Wettbüros und Vermieterin dieser Räume an die … notwendig, um die Durchsetzung der bestandskräftigen Nutzungsuntersagung zu erreichen, erscheint der Kammer aus Effektivitätsgründen als angemessen und rechtmäßig. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägervertreter hält die Kammer auch den Tenor in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids für hinreichend bestimmt, der Klägerin wurde dort aufgegeben, als Vermieterin der Räumlichkeiten dafür zu sorgen, dass die Nutzung als Wettbüro beendet wird, zugleich wurde ihr eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro untersagt. Daraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer mit hinreichender Bestimmtheit aus Sicht des Empfängers, dass jede Nutzung der gegenständlichen Räume im untersagten Sinne, nämlich als Wettbüro, soweit er auf einer Mitwirkung der Klägerin beruht, dieser gegenüber untersagt wurde. Zugleich ist der Begriff des Wettbüros nach Auffassung der Kammer nicht missverständlich und unklar, sondern wird von der Rechtsprechung seit langem verwandt. Ebenso wenig gibt es nach Auffassung der Kammer Zweifel daran, dass es sich bei der derzeit ausgeübten Nutzung um ein Wettbüro im Sinn einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte, allein schon wegen der von der Klägerin zu diesem Zweck ge- und vermieteten Fläche von 271 m². Ob und gegebenenfalls welche anderen Nutzungen in den gegenständlichen Räumen zulässig sein könnten, war hier von der Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht darzulegen, zumal sich bei der Klägerin auch angesichts ihrer Vertretung durch auf dem Gebiet des Glücksspiel- und Wettrechts erfahrene Rechtsanwälte insofern keine Zweifelsfragen ergeben dürften.
Die der Klägerin in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids zugestandene Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids stellt sich nach Auffassung der Kammer nicht als unzulässig dar, da im Hinblick die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages und entsprechendem zivilrechtlichen Vorgehen, eventuell in Form einer einstweiligen Verfügung, insofern eine objektive Unmöglichkeit zur Erfüllung der Verpflichtung nicht ersichtlich ist.
Auch das angedrohte Zwangsgeld in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig ergangen. Die Anwendung von Zwangsgeld als im Regelfall mildestes Zwangsmittel erscheint hier angemessen, auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 15.000,00 EUR ist im Hinblick darauf, dass bereits ein Zwangsgeld von 10.000,00 EUR gegen die frühere Betreiberin ohne Erfolg blieb und gegen die Betreiberin ein weiteres Zwangsgeld von 15.000,00 EUR zeitgleich angedroht wurde, nicht zu beanstanden, insbesondere auch angesichts des Umfangs der hier durchgeführten unzulässigen Nutzung. Das Zwangsgeld entspricht somit den Voraussetzungen in Art. 31 Abs. 1 und 2 BayVwZVG.
Auch der Sofortvollzug ist rechtmäßig angeordnet worden. Das der langjährige Weiterbetrieb bestandskräftig untersagter und jedenfalls formell illegaler Nutzungen gerade auch, wenn es wie hier um lukrative Betriebe der Glücksspiel- oder Wettbranche geht, die Gefahr der Ermutigung Dritter zu einem entsprechenden baurechtswidrigen Verhalten mit sich bringt, ist offenkundig.
Soweit der Klägervertreter einen Verstoß gegen EU-Recht behauptet und der Beklagten einen insgesamt rechtswidrigen Umgang mit Wettbüros bzw. deren Betreibern oder wie hier dazwischen geschalteten Vermietern vorwirft, so handelt es sich nach Auffassung der Kammer hier nur um die schlichte Beendigung einer baurechtswidrigen Nutzung, für die weder ein Europarechtsbezug noch eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ersichtlich ist, weshalb auch eine Zulassung der Berufung wegen einer eventuellen besonderen Bedeutung der Hauptsache ausscheidet. Die Klägerin hat hier die gegenständlichen Räume angemietet und weiter vermietet, als bereits das genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigte Wettbüro betrieben wurde, auch deshalb erscheint es als nicht unzulässig, dass die Beklagte neben der Vollstreckung der bestandskräftig verfügten Nutzungsuntersagung gegen die unmittelbare Betreiberin auch den gegenständlichen Bescheid an die Klägerin erlassen hat.
Damit war die Klage abzuweisen.
Die Zulassung der Berufung ist hier nicht angezeigt, da die Kammer im gegenständlichen Urteil weder von der maßgeblichen obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht noch der vorliegende Einzelfall eine über die Untersagung einer nicht genehmigten, aber genehmigungspflichtigen Nutzung hinaus gehende Bedeutung besitzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.