Aktenzeichen M 10 S 17.1167
BayKAG BayKAG Art. 1, Art. 6
AO AO § 12
Leitsatz
1 Aus dem Territorialitätsprinzip folgt, dass die Gemeinden durch Abgabensatzungen (nur) solche Personen verpflichten können, die in ihrem Gebiet Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, ein Gewerbe ausüben oder sonstige Tatbestände erfüllen, durch die sie in nähere Beziehungen zur Gemeinde treten und sich damit in die Abgabenhoheit der Gemeinde begeben (Anschluss an BayVGH BeckRS 9998, 81962). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das ist nur dann der Fall, wenn der Betroffene zu der Gemeinde in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung steht. Eine solche Beziehung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn in der Gemeinde eine Betriebsstätte gem. § 12 AO unterhalten wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Unterhaltung einer Betriebsstätte genügt es für sich allein nicht, dass die von einem Gewerbetreibenden verwalteten Objekte im Gebiet der fremdenverkehrsbeitragserhebenden Gemeinde gelegen sind (Anschluss an BayVGH BeckRS 9998, 81962). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 6. März 2017 gegen die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide betreffend die Jahre 2011 und 2012, jeweils vom 30. März 2016, sowie für das Jahr 2013 vom 28. Juni 2016 und für das Jahr 2014 vom 5. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 3. Februar 2017 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens
III. Der Streitwert wird auf 1.648,13 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeiträgen für die Jahre 2011 bis 2014 und zu Vorauszahlung auf den Fremdenverkehrsbeitrag für die Jahre 2016 und 2017 durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller betreibt eine Ferienhausagentur in der Gemeinde … und betreut im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit auch Ferienwohnungen im Gemeindegebiet der Antragstellerin. Im Rahmen dieser Tätigkeit wird er von den jeweiligen Eigentümern beauftragt, deren Ferienwohnungen zu vermieten und zu betreuen. Der Antragsteller übernimmt die Werbung für die Wohnungen sowie die Bereitstellung, die Korrespondenz mit Interessenten und den Abschluss der Mietverträge sowie den Empfang, die Betreuung und die Verabschiedung der Gäste.
Für die Jahre ab 2007 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller wiederholt auf zur Abgabe einer jährlichen Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2016 ließ der Antragsteller mitteilen, er zahle in der Gemeinde … Fremdenverkehrsbeitrag. Es sei unklar, warum er auch an die Antragsgegnerin zahlen solle.
Mit Schreiben vom 15. März 2016 ließ der Antragsteller der Antragsgegnerin eine Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages 2012 zukommen mit Angaben zu Gewinn und Umsatz. Im Übrigen wandte er sich in weiteren Schreiben gegen einen Fremdenverkehrsbeitrag.
Mit Bescheiden jeweils vom 30. März 2016 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller Fremdenverkehrsbeiträge fest, und zwar für das Jahr 2011 einen Betrag in Höhe von 750 Euro sowie einen Verspätungszuschlag von 75 Euro und für das Jahr 2012 einen Betrag in Höhe von 800 Euro. Beide Festsetzungen beruhen auf Schätzungen.
Gegen beide Bescheide ließ der Antragsteller mit Telefax vom 2. Mai 2016 Widerspruch erheben sowie durch anwaltliches Schreiben vom 10. Mai 2016. Der Antragsteller sei kein „örtlicher Unternehmer“ im Sinne der Fremdenverkehrsbeitragssatzung.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2016 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller aufgrund einer Schätzung einen Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2013 in Höhe von 900 Euro sowie einen Verspätungszuschlag in Höhe von 90 Euro fest. Hiergegen ließ der Antragsteller mit Schreiben vom 18. Juli 2016 Widerspruch erheben.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2016 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller aufgrund einer Schätzung einen Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2014 in Höhe von 925 Euro, einen Verspätungszuschlag in Höhe von 92,50 Euro und Vorauszahlungen für 2016 und 2017 in Höhe von jeweils 1.480 Euro fest. Hiergegen ließ der Antragsteller mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 Widerspruch erheben.
Die Anträge des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2017, den Bevollmächtigten des Antragstellers gegen Empfangsbekenntnis am 8. Februar 2017 zugestellt, wies das Landratsamt … die Widersprüche zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Mit Telefax vom 6. März 2017 erhob der Antragsteller Klage gegen die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide der Antragsgegnerin für die Jahre 2011 und 2012, jeweils vom 30. März 2016, sowie für das Jahr 2013 vom 28. Juni 2016 und für das Jahr 2014 vom 5. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts … vom 3. Februar 2017 (Az. M 10 K 17.931). Mit Telefax vom 20. März 2017 beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Er ist der Auffassung, dass er kein „örtlicher Unternehmer“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Fremdenverkehrsbeitragssatzung sei. Die Tätigkeit des Antragstellers umfasse im Wesentlichen die Vermittlung der Ferienwohnungen und die Übergabe an Feriengäste. Teilweise hätten die Eigentümer ein Eigenbelegungsrecht, teilweise nicht. Diese Tätigkeit als Ferienhausagentur begründe keine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. Die Ferienwohnungen würden nicht der Vermittlung dienen, sie würden vermittelt. Der Antragsteller habe auch keine Verfügungsmacht über die Wohnungen, sondern nur eine Vertretungsmacht. Er habe auch kein eigenes Nutzungsrecht. Die Wohnungen dürften ausschließlich an Dritte vermittelt werden. Die Dienstleistungen, die der Antragsteller vor Ort erbringe, seien untergeordneter Art. Mit Ausnahme der Reinigung der Ferienwohnungen würden Dienstleistungen nur auf Einzelauftrag erfolgen. Die Tätigkeit des Antragstellers gleiche insoweit der Tätigkeit von auswärtigen Lieferanten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Altern. 1 VwGO gegen die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide ist zulässig und auch begründet.
1. Der Antrag ist statthaft gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Altern. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, da es sich bei den von der Antragsgegnerin erlassenen Beitragsbescheiden um die Anforderung einer öffentlichen Abgabe (Art. 1, 6 KAG) handelt, hinsichtlich der Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.
Der Antragsteller hat auch zuvor bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, welchen die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 abgelehnt hat.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Altern. 1 VwGO ist auch begründet.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Altern. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung der Verwaltungsakte überwiegt. Dies ist in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für die Abgabenpflichtige eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 und für die Vorauszahlungen für die Jahre 2016 und 2017.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Fremdenverkehrsbeiträge ist Art. 6 KAG i.V.m. der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin. Nach Art. 6 KAG können Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt, zur Deckung ihres Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung von den selbständig tätigen, natürlichen und den juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Davon hat die Antragsgegnerin durch den Erlass ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 31. Juli 2001 Gebrauch gemacht, die mit Wirkung ab 1. Januar 2016 durch die Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 2. April 2015 ersetzt wurde. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Satzungen bestehen nicht und werden auch nicht vorgetragen, so dass im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren von der Gültigkeit der Satzungen auszugehen ist.
Nach § 1 Abs. 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin wird von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Der Antragsteller ist von der Beitragspflicht nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil seine Vermittlungsagentur nicht im Gemeindegebiet liegt. Gemeindliche Beitragssatzungen sind in ihrem Geltungsbereich als Ortsgesetze auf das Gebiet der Gemeinde begrenzt. Aus dem Territorialitätsprinzip folgt, dass die Gemeinden durch Abgabensatzungen (nur) solche Personen verpflichten können, die in ihrem Gebiet Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, ein Gewerbe ausüben oder sonstige Tatbestände erfüllen, durch die sie in nähere Beziehungen zur Gemeinde treten und sich damit in die Abgabenhoheit der Gemeinde begeben (s. hierzu und zum folgenden BayVGH, U.v. 9.4.1987 – 4 B 85 A.435 – NVwZ-RR 1989, 156f.). Das ist nur dann der Fall, wenn der Betroffene zu der Gemeinde in einer nicht nur vorübergehenden, objektiv verfestigten Beziehung steht. Eine solche Beziehung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn in der Gemeinde eine Betriebsstätte gem. § 12 AO unterhalten wird. Der Antragsteller unterhält keine Betriebsstätte im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin. Gemäß § 12 Satz 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Unter einer Geschäftseinrichtung – nur diese Alternative kommt vorliegend in Betracht – ist jeder der Tätigkeit eines Unternehmens dienende körperliche Gegenstand und jede der Tätigkeit eines Unternehmens dienende Zusammenfassung körperlicher Gegenstände zu verstehen (Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 12, Rn. 4). Erforderlich ist, dass der Unternehmer eine gewisse Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung hat. Das bloße Tätigwerden in fremden Räumen reicht hierzu nicht aus (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 12 Rn. 12). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Ferienwohnungen „dienen“ nicht der Tätigkeit des Unternehmens des Antragstellers, sondern ihre Verwaltung ist der Gegenstand dieses Unternehmens, das Objekt, auf das sich die unternehmerische Tätigkeit des Antragstellers richtet. Wie sich aus dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers ergibt, unterhält er im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin keine Geschäfts- oder Büroräume und keine sonstigen Anlagen. Es hält sich kein von ihm angestelltes Personal ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Ferienwohnungen auf. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Gerätschaften, die er zur Ausübung seiner Verwaltungstätigkeit benötigt, dauerhaft in den von ihm verwalteten Ferienwohnungen untergestellt hat. Es genügt für sich allein nicht, dass die von einem Gewerbetreibenden verwalteten Objekte im Gebiet der fremdenverkehrsbeitragserhebenden Gemeinde gelegen sind (BayVGH, U.v. 9.4.1987 – 4 B 85 A.435 – NVwZ-RR 1989, 156f.; Engelbrecht in Schieder/Happ, BayKAG, 3. Aufl., Art. 6 Rn. 26). Da es an einer objektiv verfestigten Beziehung des Antragstellers zum Gemeindegebiet der Antragstellerin in dem dargelegten Sinn fehlt, ist eine Fremdenverkehrsbeitragspflicht nicht gegeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 3.1, 1.5 des Streitwertkatalogs. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO beträgt der Streitwert ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes. Im Abgabenrecht ist als Streitwert der Wert der streitigen Abgabe anzusetzen.