Aktenzeichen 29 U 910/16
Leitsatz
1 Ein Rechtsmissbrauch bei Versendung von zahlreichen Abmahnungen ist anzunehmen, wenn bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann. (red. LS Dirk Büch)
2 Liegt eine umweltfreundliche Werbeaussage vor, so muss in ihr zum Ausdruck kommen, in welcher Hinsicht die umworbene Ware oder Leistung einen umweltbezogenen Vorzug aufweist. (red. LS Dirk Büch)
3 Die Kosten für Testkäufe können einen nach § 9 UWG ersetzbaren Schaden darstellen. (red. LS Dirk Büch)
Verfahrensgang
2 HK O 3883/15 2016-02-25 Endurteil LGMUENCHENII LG München II
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 25.02.2016 aufgehoben.
II.
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs Produkte im Marktsegment Postkästen und Zeitungsrollen in den Verkehr zu bringen
a) mit der Formulierung:
„Umweltfreundlich produziert“,
wie aus den nachfolgend eingeblendeten Anlagen FN 5 und FN 6 ersichtlich geschehen;
„Anlage“
„Anlage“
„Anlage“
wie aus der nachfolgend eingeblendeten Anlage FN 7 ersichtlich geschehen.
„Anlage“
„Anlage“
2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen in Ziffer 1.a)-1.b) ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.
3. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 984,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2015 zu erstatten.
4. Die Beklagte zu 7) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 23,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2016 zu erstatten.
5. Die Beklagte zu 8) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 37,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2016 zu erstatten.
6. Die Beklagte zu 10) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 19,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2016 zu erstatten.
7. Die Beklagte zu 11) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 31,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.06.2016 zu erstatten.
III.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin, in beiden Instanzen zu tragen. Die Streithelferin trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar:
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie Abmahn- und Testkaufkosten geltend.
Die Beklagten und die Streithelferin sind der Auffassung, dass die Abmahnungen und die Klage rechtsmissbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG seien.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 25.02.2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie beantragt mit der Maßgabe, dass die Anlagen FN5 – FN 7 in den Tenor einzublenden sind, das Urteil des LG München II abzuändern und die Beklagten zu verurteilen:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Produkte im Marktsegment Postkästen und Zeitungsrollen in den Verkehr zu bringen
a) mit der Formulierung:
„umweltfreundlich produziert“,
wie aus Anlage FN 5 oder FN 6 ersichtlich geschehen;
b) mit „geprüfte Qualität“ wie folgt abgebildet:
„Anlage“
wie aus Anlage FN 7 ersichtlich geschehen;
2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen im Antrag zu 1a) – 1b) ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.
3. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 984,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2015 zu erstatten.
4. Die Beklagte zu 7) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 31,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
5. Die Beklagte zu 8) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 23,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
6. Die Beklagte zu 10) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 19,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
7. Die Beklagte zu 11) wird verurteilt, der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 31,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
Die Beklagten beantragen:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 25.02.2016 zum Aktenzeichen 2 HK O 3883/15 wird zurückgewiesen.
Die Streithelferin beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2016 Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sowie die Ansprüche auf Zahlung der Abmahn- und Testkaufkosten zu. Insbesondere ist das Vorgehen der Klägerin nicht missbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4UWG.
1. Die Klage, auch die sachdienliche Klageerweiterung hinsichtlich der Testkaufkosten, ist zulässig. Die Abmahnungen vom 12. und 13.08.2015 (Anlagen FN 18a-e,18g-j) und die Weiterverfolgung der geltend gemachten Ansprüche mit der Klage sind nicht missbräuchlich gemäß § 8 Abs. 4 UWG.
Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen und Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Eine Abmahnung kann missbräuchlich sein, wenn sich die Abmahntätigkeit verselbstständigt hat und in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht. Maßgebend ist die Sichtweise eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers (BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner). Ein Missbrauch ist anzunehmen, wenn bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8, Rn. 4.12a m. w. N.).
Für einen Missbrauch könnte sprechen, dass die Klägerin sich nicht darauf beschränkt hat, gegen die … Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG (im Folgenden: …-Zentrale) vorzugehen, sondern auch über 200 Abmahnungen gegen die einzelnen Gesellschafter ausgesprochen hat. Durch die Abmahnungen sind bei der Klägerin Anwaltskosten in sechsstelliger Höhe entstanden, die die Klägerin bisher nicht gezahlt hat und die die Klägerin wirtschaftlich überfordern könnten. Von einer Verselbstständigung der Abmahntätigkeit kann im vorliegenden Fall gleichwohl nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat sich nicht unmittelbar an die Gesellschafter gewandt, sondern zunächst mit Schreiben vom 03.08.2015 (Anlage FN 13) ausschließlich an die …-Zentrale. Das Schreiben vom 03.08.2015 diente gerade dazu, eine Abmahnung der einzelnen Gesellschafter entbehrlich zu machen. Die …-Zentrale ist aber nach Rücksprache mit der Streithelferin auf den Vorschlag der Klägerin nicht eingegangen, sondern hat ihrerseits vorgeschlagen, den „rechtskräftigen“ Ausgang des Verfügungsverfahrens der Klägerin mit der Streithelferin abzuwarten, was zur Folge gehabt hätte, dass die Ware mit der streitgegenständlichen Werbung bis auf Weiteres in den Märkten der Gesellschafter weiter abverkauft hätte werden können, was für die Klägerin, wie von ihr bereits mit Schreiben vom 03.08.2015 mitgeteilt, nicht akzeptabel war. Gleichzeitig hat die …-Zentrale im Hinblick auf die rege Abmahntätigkeit der Klägerin bereits eine mögliche Missbräuchlichkeit des Vorgehens gegen die Gesellschafter ins Spiel gebracht. Die …-Zentrale ist daher in Absprache mit der Streithelferin zumindest unter anderem deshalb dem Lösungsvorschlag der Klägerin zur schnellen und kostengünstigen Regelung der Angelegenheit nicht näher getreten, weil sie darauf spekuliert hat, dass der Klägerin, soweit sie tatsächlich gegen die Gesellschafter selbst vorgehen sollte, aufgrund der Vielzahl der Abmahnungen der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden könne. Von einer Verselbstständigung der Abmahntätigkeit der Klägerin kann hier nicht ausgegangen werden, weil die zahlreichen Abmahnungen seitens der Klägerin nur darauf zurückzuführen sind, dass die …-Zentrale in Absprache mit der Streithelferin sich auf die von der Klägerin angestrebte Lösung, die die umfangreiche Abmahntätigkeit entbehrlich gemacht hätte, nicht eingelassen hat. Eine im Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit sehr umfangreiche Abmahntätigkeit ist dann kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch, wenn der Abmahnende sich zuvor bemüht hat, die Wettbewerbsverstöße ohne ausufernde Abmahntätigkeit einfach und kostengünstig abzustellen.
Dem kann vorliegend nicht entgegengehalten werden, die Klägerin sei gar nicht ernsthaft an der von ihr vorgeschlagenen Lösung interessiert gewesen, was sich aus den von ihr viel zu kurz bemessenen Fristen ergebe. Die Klägerin hat das Schreiben vom 03.08.2015 nicht nur per Post, sondern auch per Fax und per E-Mail versandt. Sie hat die zunächst nur bis 07.08.2015 gesetzte Frist bis 12.08.2015 verlängert und mitgeteilt, dass, wenn noch weiterer Fristbedarf sein sollte, um telefonische Rücksprache gebeten werde. Sie hat ebenfalls mitgeteilt, dass den Filialleitern eine kurze Aufbrauchfrist einvernehmlich eingeräumt werden könne. Aus diesen Fristsetzungen kann nicht geschlossen werden, dass die Klägerin an der vorgeschlagenen Lösung gar nicht wirklich interessiert gewesen sei. Die …-Zentrale hätte die E-Mail mit der Musterunterwerfungserklärung mit wenigen „Klicks“ praktisch zeitgleich mithilfe der elektronischen Kommunikationsmittel an die Gesellschafter weiterleiten können. Die Streithelferin war seit Monaten mit der Problematik vertraut, so dass es auch dieser möglich war, sehr zeitnah zu dem Schreiben Stellung zu nehmen. Abgesehen davon, dass die Klägerin ohnehin noch die Einräumung einer „Aufbrauchfrist“ angeboten hatte, wäre es jedem einzelnen Gesellschafter möglich gewesen, die streitgegenständliche Ware zeitnah aus dem Verkauf zu nehmen. Die von der Klägerin gesetzten Fristen standen der vorgeschlagenen Lösung nicht entgegen.
Ein Rechtsmissbrauch ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Klägerin „ins Blaue hinein“ abgemahnt hätte. Nach ihrem Vortrag hat die Klägerin durch ihren Geschäftsführer und ihren Prozessbevollmächtigten vor den Abmahnungen 100 der 203 abgemahnten Baumärkte besucht und die entsprechenden Verstöße jeweils festgestellt. Aufgrund des Schreibens vom 12.08.2015 (Anlage FN 15) in dem die jetzigen Prozessbevollmächtigten der hiesigen Beklagten ausführen
„Die von uns Vertretenen haben die streitgegenständlichen Briefkästen und Zeitungsrollen mit den von Ihrer Partei zu Recht oder zu Unrecht inkriminierten Hinweisen geliefert bekommen. …
durfte die Klägerin davon ausgehen, dass der Vertrieb der Ware mit der angegriffenen Werbung nicht streitig werden würde. Von Abmahnungen „ins Blaue hinein“ kann keine Rede sein. Soweit die Klägerin nach Eingang des Schreibens vom 12.08.2015 noch in allen Märkten Testkäufe durchgeführt hätte und dadurch erhebliche Reise- und Testkaufkosten verursacht hätte, wäre fraglich, ob diese noch zur Durchsetzung der Ansprüche als notwendig anzusehen gewesen wären.
Im vorliegenden Fall ist es auch kein Indiz für einen Rechtsmissbrauch, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an der Ermittlung der Verstöße selbst beteiligt war. In Anbetracht der Vielzahl der Baumärkte, die aufzusuchen waren, liegt hier ein arbeitsteiliges Handeln des Geschäftsführers der Klägerin und des Prozessbevollmächtigten nahe.
Auch die zahlreichen im Zusammenhang mit den Prozessen seitens der Klägerin gestellten Strafanzeigen deuten nicht auf ein missbräuchliches Handeln hin, sondern sind aus Sicht der Klägerin durchaus verständlich. In zahlreichen Parallelverfahren wurde, wie auch im hiesigen Verfahren, der Vertrieb der Ware mit der angegriffenen Werbung bestritten, obwohl der Vertrieb außergerichtlich eingeräumt worden war. Zahlreiche sodann durchgeführte Testkäufe haben jedoch ergeben, dass die Ware mit der inkriminierten Werbung tatsächlich geführt wurde. Ohne den Sachverhalt abschließend strafrechtlich würdigen zu wollen, liegt es vorliegend nahe, dass die Klägerin, der der Ausspruch von Abmahnungen „ins Blaue hinein“ vorgeworfen wurde, ihrerseits mit dem Vorwurf des Prozessbetrugs kontert, zumal seitens der Beklagten anhand ihres Warenwirtschaftssystems unschwer festgestellt werden kann, ob sie die Ware tatsächlich geführt haben.
Auch, dass die 203 Abmahnungen innerhalb weniger Tage und bereits ab dem 12.08.2015 versendet wurden, lässt ebenfalls nicht auf eine Missbräuchlichkeit der Abmahnungen schließen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Abmahnungen bereits vor Eingang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.08.2015 versandt wurden. Die Versendung nahezu gleichlautender Schreiben an diverse Adressaten ist mit Hilfe der modernen EDV ohne weiteres innerhalb kurzer Zeit möglich.
Für eine Missbräuchlichkeit der streitgegenständlichen Abmahnung spricht hier auch nicht, dass die Klägerin bereits im Schreiben vom 03.08.2015 erklärt hat, „hiermit“ alle Betreiber von …märkten abzumahnen und es daher der dann nachfolgend gegenüber den einzelnen Gesellschaftern ausgesprochenen Abmahnungen gar nicht mehr bedurft hätte. Die Klägerin konnte die einzelnen Gesellschafter nicht über die …-Zentrale, sondern nur dadurch abmahnen, dass sie diesen selbst entsprechende Abmahnschreiben zukommen ließ. Eine Abmahnung der einzelnen Gesellschafter über die …-Zentrale wäre nur dann möglich gewesen, wenn die …-Zentrale, wie von der Klägerin vorgeschlagen, bereit gewesen wäre, das Schreiben vom 03.08.2015 an alle Gesellschafter weiterzuleiten. Da die …-Zentrale dem Lösungsvorschlag der Klägerin aber gerade nicht näher getreten ist, musste die Klägerin, wie von ihr angekündigt, die Abmahnschreiben einzeln an die Gesellschafter richten.
Es spricht auch nicht für die Missbräuchlichkeit der Abmahnungen, dass die Klägerin gegen die Streithelferin bereits am 10.07.2015 im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Urteil bezüglich der Unterlassung des Inverkehrbringens von Briefkästen mit der streitgegenständlichen Werbung erwirkt hatte. Zwar war aufgrund dieses Urteils zu erwarten gewesen, dass die Streithelferin nicht nur keine Ware mit der streitgegenständlichen Werbung mehr ausliefert, sondern auch, dass sie darauf hinwirkt, dass die bereits ausgelieferte Ware mit der streitgegenständlichen Werbung auf der Vertriebsebene nicht mehr angeboten wird (vgl. BGH Urteil vom 19.11.2015, Az. I ZR 109/14, juris, Tz. 35 – Hot Sox). Genau dies hat die Streithelferin aber zumindest bis zum Ausspruch der Abmahnungen nicht getan. Die Klägerin, der beim Vertrieb von Waren mit unlauterer Werbung ein Unterlassungsanspruch nicht nur gegen den Hersteller, sondern auch die Händler zusteht, kann nicht vorgehalten werden, dass sie sich darauf zu beschränken gehabt hätte, zu versuchen, den Hersteller durch Ordnungsmittelverfahren dazu zu bringen, die inkriminierte Ware auch auf der Vertriebsebene aus dem Markt zu nehmen. Die Klägerin musste damit rechnen, in den Ordnungsmittelverfahren einen schuldhaften Verstoß der Herstellerin möglicherweise nicht darlegen zu können, da ihr nicht bekannt ist, inwieweit die Herstellerin nach Auslieferung der Ware noch Einfluss auf die Händler hat, dass diese die Waren nicht vertreiben. Es stand der Klägerin daher frei, einen Abverkauf der Ware dadurch zu verhindern zu versuchen, dass sie die ihr gegen die Händler zustehenden Unterlassungsansprüche gegen diese auch geltend macht.
Auch bei der gebotenen Gesamtwürdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die streitgegenständlichen Abmahnungen missbräuchlich waren.
2. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG zu. Die von der Klägerin beanstandete Werbung auf der Verpackung der Briefkästen und Zeitungsrollen ist irreführend.
a) Die Werbung mit der Aussage „umweltfreundlich produziert“ ist irreführend, da offen bleibt, in Bezug auf welchen konkreten Aspekt des Produktionsprozesses eine Umweltfreundlichkeit vorliegen soll (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 02.09.2016, Az. 2 U 57/16, Anlage FN 263). Liegt eine umweltfreundliche Werbeaussage vor, so muss in ihr zum Ausdruck kommen, in welcher Hinsicht die umworbene Ware oder Leistung einen umweltbezogenen Vorzug aufweist, wobei der Inhalt und der Umfang der Aufklärung von der Art der Ware oder Dienstleistung sowie von dem Grad und dem Ausmaß der Umweltfreundlichkeit abhängen (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 5 Rn. 4.167; BGHZ 105, 277, 281 – Umweltengel).
Dies gilt auch, soweit es bei der in der Anlage FN 6 dargestellten konkreten Verletzungsform heißt „umweltfreundlich produziert – lösungsmittelfrei“. Die beiden Angaben stehen selbstständig nebeneinander. Zumindest erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs werden die Werbung nicht dahingehend verstehen, dass das Produkt umweltfreundlich produziert wurde, da die Produktion lösungsmittelfrei erfolgte, sondern die Angabe „umweltfreundlich produziert“ als eine nicht näher spezifizierte Angabe zum gesamten Produktionsprozess und die „Angabe „lösungsmittelfrei“ als eine zusätzliche Information über die Produkteigenschaften.
b) Ebenso ist das Prüfzeichen mit der Aufschrift „geprüfte Qualität“ gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend. Das Prüfzeichen liefert dem Verbraucher in kompakter und vereinfachter Form eine Information zu dem damit gekennzeichneten Produkt. Es ist ein Zeichen dafür, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien geprüft hat. Der Verbraucher erwartet deshalb, dass das mit dem Prüfzeichen versehene Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016, Az. I ZR 26/15, juris, Tz. 39 – LGA tested mit zahlreichen Nachweisen). Dass dies vorliegend der Fall ist, wird auch seitens der Beklagten und der Streithelferin nicht behauptet.
Soweit die Streithelferin der Auffassung ist, das Prüfzeichen sei nicht irreführend, weil sie für die Herstellung der Briefkästen und Zeitungsrollen ein nach ISO 9001 zertifiziertes Unternehmen sei, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Zertifizierung bezieht sich auf das Unternehmen und betrifft dessen Organisation. Die Zertifizierung bezieht sich nicht auf die Qualität der Produkte.
c) Die Angabe, dass ein Produkt „umweltschonend produziert“ wurde, bzw., dass dessen Qualität geprüft wurde, sind auch Aspekte, die durchaus geeignet sind, Verbraucher zu einem Kauf zu veranlassen, den sie andernfalls nicht vorgenommen hätten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG).
d) Hinsichtlich des angegriffenen Werbung liegt jedenfalls bezüglich der Beklagten zu 7), zu 8), zu 10) und zu 11) teilweise Wiederholungsgefahr vor. Die Klägerin hat durch Vorlage der Belege zu den Testkäufen vom 09.12.2015 (Anlage FN 108ad)) nachgewiesen, dass diese Beklagten Briefkästen bzw. Zeitungsrollen mit dem angegriffenen Prüfzeichen bzw. der Aussage „umweltschonend produziert“ vertrieben haben. Soweit das Landgericht der Auffassung ist, der Vortrag zu den Testkäufen sei verspätet, kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat hierzu, unmittelbar nachdem klargestellt wurde, dass der Vertrieb der Ware mit der angegriffenen Werbung bestritten wird, vorgetragen. Ein früherer Vortrag war nicht veranlasst. Zudem sind die Testkäufe auch erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vorgenommen worden, so dass ein früherer Vortrag gar nicht hätte erfolgen können.
Im Übrigen bestehen die Unterlassungsansprüche zumindest aufgrund Erstbegehungsgefahr. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schreiben vom 12.08.2015 (Anlage FN 15) ausdrücklich ausgeführt, dass „Die von uns Vertretenen“, zu denen auch die hiesigen Beklagten gehörten, „die streitgegenständlichen Briefkästen und Zeitungsrollen mit den von Ihrer Partei zu Recht oder zu Unrecht inkriminierten Hinweisen geliefert bekommen“ haben. Er hat die Belieferung somit außergerichtlich unstreitig gestellt und es daher zumindest nicht für erforderlich gehalten, zwischen tatsächlicher Belieferung und nur potentieller Belieferung zu differenzieren, was dafür spricht, dass der Vertrieb dieser Produkte aus dem Basissortiment jedenfalls hinsichtlich aller Gesellschafter jederzeit drohte.
3. Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Abmahnungen waren jedenfalls aufgrund Erstbegehungsgefahr berechtigt. In Anbetracht des Umstandes, dass ein Teil der Beklagten Ware mit der inkriminierten Werbung sogar noch im Februar 2016 vertrieben haben und die Streithelferin nach ihrem Vortrag angeblich Produkte mit den streitgegenständlichen Werbeaussagen bereits seit Mitte Juni 2015 nicht mehr ausgeliefert hat, spricht zudem viel dafür, dass diese Beklagten die Ware mit der streitgegenständlichen Werbung auch bereits vor dem Ausspruch den Abmahnung vertrieben haben. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
4. Die Kosten für die Testkäufe stellen einen nach § 9 UWG ersetzbaren Schaden dar (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 9 Rn. 1.29). Die Kosten sind kausal auf die Wettbewerbsverletzungen der Beklagten zurückzuführen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.
III. Zu den Nebenentscheidungen:
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO. Die Verteilung nach Kopfteilen entspricht den identischen Teilstreitwerten von jeweils 20.000,00 €.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.