IT- und Medienrecht

Rechtsweg für Anspruch auf Akteneinsicht im Konzessionsverfahren

Aktenzeichen  M 24 K 16.3633

Datum:
2.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG BayStrWG § 14 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 1, Art. 29 Abs. 1 S. 1
EnWG EnWG § 46, § 102, § 106 Abs. 1
FernStrG § 8 Abs. 10
GVG GVG § 13, § 17 Abs. 2 S. 1, § 17b Abs. 2, § 94
GWB GWB § 18, § 87
GWG GWG § 99
RDGEG RDGEG § 3, § 5
VwGO VwGO § 40 Abs. 1, § 67
VwVfG VwVfG § 13 Abs. 1, § 29
ZPO ZPO § 17 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Der Akteneinsichtsanspruch eines unterlegenen Mitbewerbers im Rahmen eines Konzessionsvergabeverfahrens zur Wegenutzung ist ein akzessorischer Auskunftsanspruch, der die bürgerlichrechtliche Rechtsnatur der Ansprüche aus § 46 Abs. 2 bis 4 EnWG teilt (Anschluss an BVerwG BeckRS 2016, 111168).  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für den Anspruch eines Beteiligten an einem Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG auf Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG analog ist ebenfalls der ordentliche Rechtsweg eröffnet. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Das Verwaltungsgericht München erklärt den Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für unzulässig und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht …, Kammer für Handelssachen.

Gründe

I.
Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist der Umfang eines Anspruchs auf Akteneinsicht der unterlegenen Mitbewerberin in einem Konzessionsverfahren nach § 46 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), die die Vergabeentscheidung nicht angreift, in die Akten des Konzessionierungsverfahrens für die Wegenutzung für Gasversorgungsanlagen der vergebenden Kommune. Die vergebende Kommune hat die Akteneinsicht in der Handlungsform des Verwaltungsaktes abgelehnt.
Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Die Klägerin und die Beklagte waren Vertragspartner des zum 20. Juni 2016 endenden Wegenutzungsvertrags für das Gasnetz der allgemeinen Versorgung (Gaskonzessionsvertrag) im Stadtgebiet der Beklagten. Die Beklagte hat eine Ausschreibung zum Neuabschluss des Gaskonzessionsvertrages durchgeführt; die Klägerin war in diesem Vergabeverfahren unterlegene Mitbewerberin. Im Nachgang zur Beschlussfassung des Konzessionie-rungsausschusses der Beklagten in seiner öffentlichen Sitzung am 1. März 2016 teilte die Beklagte ihre Vergabeentscheidung der Klägerin als unterlegener Mitbewerberin unter Darlegung der Angebotsbewertung mit Schreiben vom 16. März 2016 mit. Der neue Konzessionierungsvertrag wurde am 9. März 2016 zwischen der Beklagten und der obsiegenden Mitbewerberin (neue Konzessionärin – Stadtwerke … GmbH) geschlossen.
Mit Schreiben vom … März 2016, wiederholt mit Schreiben vom … April 2016, begehrte die Klägerin von der Beklagten, ihr Einsicht in alle Akten über die Konzessio-nierungsverfahren [neben Gas auch Strom] gemäß § 46 Abs. 3 EnWG zu gewähren. Die Klägerin habe begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Konzessionie-rungsverfahrens. Ihre abschließende Beurteilung erfordere die Akteneinsicht. Ihr Anspruch auf Akteneinsicht ergebe sich aus ihrem Anspruch auf Teilnahme an einem ordnungsgemäßen, diskriminierungsfreien und transparenten Konzessionierungsver-fahren. Sie müsse insofern überprüfen können, ob die Beklagte ihre Auswahlkriterien richtig angewandt habe und ihre Entscheidung sachgerecht und fair als Ergebnis eines ordnungsgemäßen Verfahrens getroffen habe. Auch der Rechtsgedanke von Art. 29 Abs. 1 S. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) bestätige ihren Akteneinsichtsanspruch. Die Beklagte sei als Teil der öffentlichen Verwaltung auch dann an den Grundsatz aus Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG gebunden, wenn ihr Verfahren auf den Abschluss eines zivilrechtlichen Wegenutzungsvertrags gerichtet sei.
Die neue Konzessionärin wandte sich mit Schreiben vom 1. April 2016 an die Netzgesellschaft (Tochtergesellschaft) der Klägerin zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen wegen der beabsichtigten zeitnahen Übernahme der Gasverteilungsanlagen von der Klägerin im Konzessionsgebiet (Netzübernahme). Die Netzgesellschaft machte gegenüber der neuen Konzessionsnehmerin ihre Verhandlungsbereitschaft von der vorgängigen Überzeugungsfindung der Klägerin zur Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens nach erfolgter Überprüfung im Wege der Akteneinsicht abhängig.
Die Beklagte teilte der Klägerin am 18. April 2016 mit, zur Wahrung etwaiger Geheimhaltungsinteressen der übrigen Bewerber würden diese über den Antrag auf Akteneinsicht der Klägerin informiert und um Mitteilung gebeten, ob und in welchem Umfang sie einer Akteneinsicht zustimmten.
Mit Anschreiben vom 14. Juni 2016 übersandte die Beklagte der Klägerin die „Auswertung der verbindlichen Angebote – Konzessionierungsverfahren Gas“ mit Schwärzungen (Anlage zu K 19; daneben laut Anschreiben auch bzgl. Strom). Die Einsichtnahme in diese Anlage gewähre die Akteneinsicht, soweit die Bewerber einer Einsichtnahme in diese Inhalte unter Verweis auf ihre zu wahrenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht widersprachen und soweit die Inhalte sich nicht auf das Angebot eines nicht bestplazierten und auch hinsichtlich des betreffenden (Unter-)Kriteriums nicht bestbewerteten Bieters beziehen. Die Gewährung einer weitergehenden Einsichtnahme sei mangels Darlegung eines entsprechenden Interesses nicht beabsichtigt. Die Klägerin erhalte unter Fristsetzung Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme; nach Fristablauf werde nach Aktenlage entschieden.
Die Klägerin nahm Stellung. Die vorgenommene Beschränkung der Akteneinsicht sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Einsicht in alle Akten, welche die Konzessionierungsverfahren beträfen. Dieser Anspruch ergebe sich u.a. aus Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG, wonach die Behörde den Beteiligten Einsicht in die einzelnen Teile der das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten habe, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich sei. Vorliegend müsse die Klägerin nachvollziehen können, ob die Nichtigkeit der neu abgeschlossenen Konzessionsverträge bereits nach den Verfahrensunterlagen der Beklagten feststehe. Ferner müsse die Klägerin Klarheit über die möglichen Ansprüche gegen die Beklagte gewinnen. Derartige Ansprüche könnten bestehen, soweit es zu Verfahrensfehlern gekommen sei. Für die Prüfung, ob es zu Verfahrensfehlern gekommen sei, genüge nicht die Einsicht in die Auswertungsvermerke, da es auch in anderen Stadien der Konzessio-nierungsverfahren zu Fehlern gekommen sein könnte. Solche seien nicht den Auswertungsvermerken zu entnehmen, sondern nur aus anderen Unterlagen ersichtlich. Eine Beschränkung der Akteneinsicht sei vor diesem Hintergrund nicht zulässig. Die umfassende Gewährung von Akteneinsicht erfordere nicht die Darlegung eines entsprechenden Interesses. Die beabsichtigte Beschränkung der Akteneinsicht verstoße auch gegen § 46 EnWG.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 8. Juli 2016, adressiert an die Bevollmächtigten der Klägerin, gewährte die Beklagte der Klägerin mit Ausnahme betroffener Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie mit Ausnahme der Angebote der Mitbewerber Einsichtnahme in die Verfahrensakten zu den Konzessionierungsverfahren Strom und Gas der Beklagten (Nr. 1) und wies im Übrigen den Antrag auf Einsichtnahme zurück. Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen. Der als Anlage K21 vorgelegte streitgegenständliche Bescheid trägt den Eingangsstempel 14. Juli 2016 der Bevollmächtigten der Klägerin.
Die Akteneinsicht fand am 28. Juli 2016 in den Räumlichkeiten der Beklagten statt. Hierbei habe die Klägerin festgestellt, dass die Verfahrensakten unvollständig gewesen seien und hinter dem von der Beklagten angekündigten Umfang zurückgeblieben seien. Insbesondere habe sämtlicher interner Schriftverkehr der Beklagten mit ihren Beratern gefehlt. Der Kämmerer der Beklagten habe erklärt, die Unterlagen seien aus Anlass der Akteneinsicht gesondert zusammengestellt worden. Nach Ansicht der Beklagten gehöre der interne Schriftverkehr nicht zur Verfahrensakte, weshalb er auch nicht beigefügt worden sei.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom … August 2016, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am selben Tag, erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 8. Juli 2016 Klage und beantragte mit Schriftsatz vom … November 2016:
Der Bescheid vom 8. Juli 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Einsicht in sämtliche Verfahrensakten zu dem Kon-zessionierungsverfahren Gas der Beklagten zu gewähren.
Zwischen den Beteiligten sei der Umfang der Akteneinsicht, die sich auf Verwaltungsvorgänge beziehe, welche die Beklagte zum Konzessionierungsverfahren angelegt habe, streitig. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Einsicht in sämtliche Unterlagen. Dieser ergebe sich aus Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG. Insoweit liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Die Durchführung eines Konzessionierungsver-fahrens einer Gemeinde des Freistaats Bayern sei nicht privatrechtliches, sondern öffentlich-rechtliches Handeln. Unter Zugrundelegung der Sonderrechtstheorie, also ob ein Sachverhalt Rechtssätzen unterworfen ist, die für jedermann gelten oder einem Sonderrecht des Staates oder Gemeinden, das im Interesse der Erfüllung öffentlicher Aufgaben das allgemeine bürgerliche Recht durch die Einführung einer für den konkreten Normenkomplex neuen Rechtsfigur abändere, unterliege, liege eine öffentlichrechtliche Streitigkeit vor. Den Rahmen für Konzessionierungsverfahren gebe § 46 EnWG vor, mithin liege ein Sonderrecht der Gemeinden vor; sie regeln die Wegebenutzung für die Verlegung und den Betreib von Energieversorgungsnetzen abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Grundstücksnutzung. Dementsprechend stelle die Durchführung der Konzessionierungsverfahren eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Beklagten dar.
Die Bevollmächtigten der Beklagten zeigten ihre Vertretung an. Bislang stellten sie keinen Antrag und äußerte sich nicht zum Klagebegehren.
Das Gericht hat die Verfahrensbeteiligten zur Verweisung angehört. Auf die Äußerungen der Verfahrensbeteiligten wird verwiesen.
II.
Der Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit (§ 40 Abs. 1 VwGO) ist nicht eröffnet. Der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet. Der Rechtsstreit ist an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht …, Kammer für Handelssachen zu verweisen (§ 17a Abs. 2, § 13 GVG, § 102 EnWG, § 94 GVG i.V.m. Art. 4 Nr. 15 GerOrg (Bayern), § 2 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz (GZVJu Bayern), § 17 Abs. 1 ZPO).
Es handelt sich nicht um eine der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterliegende öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO. Vielmehr liegt eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor, für die nach § 13 GVG der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist. Die vorliegend einschlägige Bestimmung des § 102 EnWG ist eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwGO (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 16.2.2016 – 7 OB 13/16 – juris Leitsatz, Rn. 4 mit Bezugnahme auf BGH, B.v. 27.11.2013 – III ZB 59/13 – juris Ls. 1, Rn 12).
Entgegen der Auffassung der Beklagten greift anstelle des einschlägigen § 102 EnWG§ 87 GWB als Zuweisungsnorm nicht Platz; ebenso wenig findet in Folge § 33 GZVJu Bayern Anwendung; § 106 Abs. 1 EnWG i.V.m. § 34 GZVJu Bayern beinhaltet eine Zuständigkeitskonzentration für den Zuständigkeitsbereich der Oberlandesgerichte. Für den Zuständigkeitsbereich der Landgerichte ist keine Konzentration vorgesehen.
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Die Beklagte des Rechtsstreits handelte in Betreff des vorliegenden Streitgegenstandes nicht als Trägerin hoheitlicher Gewalt. Beim Abschluss von Konzessionsverträgen handelt die Gemeinde (bzw. Stadt) als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts, wobei ihr eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 18 GWB zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris Leits., Rn 3-9; OLG Brandenburg Kartellsenat, U.v. 19.7.2016 – Kart U 1/15 – juris Leits., Orientierungss. 2, Rn. 43).
Der Rechtstreit betrifft den Umfang des Akteneinsichtsrechts eines unterlegenen Mitbewerbers im Rahmen eines Konzessionsvergabeverfahrens zur Wegenutzung, das die Beklagte durchgeführt hat. Der Umstand, dass sich die Kommune bei der Ablehnung der (weitergehenden) Akteneinsicht der Handlungsform des Verwaltungsaktes bediente in einem Rechtsbereich, in dem sie nicht als Trägerin hoheitlicher Gewalt agiert, ändert nicht die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Der vorliegend von der Klagepartei geltend gemachte Akteneinsichtsanspruch ist ein akzessorischer Auskunftsanspruch, der die bürgerlichrechtliche Rechtsnatur der Ansprüche aus § 46 Abs. 2 bis 4 EnWG teilt (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris Rn. 9).
1. Die Durchführung und die abschließende Vergabe eines energierechtlichen Wegenutzungsvertrages nach § 46 EnWG, also die Benutzung von Straßen für Versorgungsleitungen, sind bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten. Die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an Straßen richtet sich, wenn – wie hier infolge der regelmäßig unterirdischen Verlegung von Erdgasleitungen – der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird, nach bürgerlichen Recht (vgl. § 14 Abs. 1 BayStrWG und § 8 Abs. 10 FernStrG). Auch der Umstand, dass für die Inanspruchnahme des Straßeneigentums an die jeweilige Kommune Konzessionsabgaben zu zahlen sich, führt nicht zum Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. Konzessionsabgaben sind – entgegen ihrer Bezeichnung als „Abgaben“ – privatrechtliche Entgelte für die Benutzung öffentlicher Verkehrswege zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas in einem Gemeinde- bzw. Stadtgebiet. Die Vergütung steht der Stadt bzw. Gemeinde als Wegeeigentümerin zu, nicht aber auf Grund ihrer Stellung als Wegeherrin für die Erteilung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen. Ein Wegenutzungsvertrag nach § 46 EnWG zwischen der Gemeinde und einem Energieversorgungsunternehmen ist daher insgesamt dem bürgerlichen Recht zuzuordnen (OVG NW, B.v. 10.2.2012 – 11 B 1187/11 – juris Rn. 9-13 m.w.N. der Rechtsprechung). Die in § 46 EnWG vorgesehenen Wegenutzungsverträge sind nicht als öffentliche Aufträge im Sinne des § 99 GWG einzuordnen, da ihnen keine entgeltliche Beschaffung durch die öffentliche Hand zugrunde liegt (vgl. LG Leipzig, U.v. 16.11.2012 – 5 O 2822/12 – juris Rn. 26). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. November 2016 – 10 AV 1/16 (- juris Rn. 7) darüber hinaus klargestellt, dass es für die bürgerlich-rechtliche Rechtsnatur der in § 46 EnWG geregelten Rechtsverhältnisse, auch der Anbieter mit den Gemeinden, unerheblich ist, ob der Konzessionsvertrag selbst bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist. Die Regelungen des § 46 EnWG gehören zum Bundesrecht und gehen deshalb etwa entgegenstehendem Landesrecht vor (Art. 31 GG). Für die sich aus dem EnWG ergebenden bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten ist in § 102 EnWG der Rechtsweg zu den Zivilgerichten vorgesehen.
Da Wegenutzungsverträge ihrem gesamten Inhalt nach dem Zivilrecht unterfallen, sind auch Rechtsstreitigkeiten betreffend den Abschluss solcher Verträge zur Nutzung kommunalen Wegeeigentums nicht vor den Verwaltungsgerichten, sondern von den Zivilgerichten zu entscheiden. § 46 EnWG enthält keine detaillierten gesetzlichen Vorgaben für die Auswahl des Vertragspartners eines neu abzuschließenden Kon zessionsvertrages (vgl. OVG NW, B.v. 10.2.2012 – 11 B 1187/11 – juris Rn. 15), ebenso wenig Regelungen zum Umfang der Akteneinsicht im Rahmen der Durchführung eines Konzessionierungsverfahrens.
Hintergrund des § 46 EnWG mit dem dort ausdrücklich normierten Diskriminierungsverbot ist aber der gesetzgeberische Wille, die Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen „in Zukunft in dem mit der Gesamtreform geschaffenen neuen wettbewerblichen System“ zu ermöglichen, d.h. einen Wettbewerb um die Netze zu gewährleisten (vgl. OVG NW, B.v. 10.2.2012 – 11 B 1187/11 – juris Rn. 29 mit Verweis u.a. auf BT-Drs. 13/7274, S. 21 – Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (Artikelgesetz), dort zu Art. 1 – EnWG – § 9; nunmehr § 46 EnWG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (Artikelgesetz) – vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 67 zu § 46 EnWG: lediglich an die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen angepasste Form – ohne Änderung des gesetzgeberischen Willens zur Ermöglichung wirksamen Wettbewerbs bei Strom und Gas unter den Marktteilnehmern, vgl. a.a.O. S. 1). Das Verfahren und die Auswahlentscheidung beim Neuabschluss eines Konzessionsvertrages ist an den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen auszurichten, zu denen insbesondere die Gebote der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz zählen (vgl. OVG NW, B.v. 10.2.2012 – 11 B 1187/11 – juris Rn. 31f.; LG Leipzig, U.v. 16.11.2012 – 5 O 2822/12 – juris).
2. Gleichermaßen wie bei Rechtsstreitigkeiten, die die Durchführung und die abschließende Vergabe eines energierechtlichen Wegenutzungsvertrages nach § 46 EnWG betreffen, ist für den Anspruch eines Beteiligten an einem Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG auf Akteneinsicht nach Art. 29 BayVwVfG analog ebenfalls der ordentliche Rechtsweg eröffnet.
Das Akteneinsichtsrecht nach Art. 29 BayVwVfG (analog) ist ein Annex zu den Hauptrechten der Beteiligten eines Verfahrens, vorliegend eines Konzessionierungs-verfahrens nach § 46 EnWG. Eine für Letzteres geltende Rechtswegzuweisung (§ 102 EnWG) ist daher auch auf die Geltendmachung des Akteneinsichtsrechts zu erstrecken (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris; vorausgehend OVG Lüneburg, B.v. 16.2.2016 – 7 OB 13/16 – juris Leitsatz, Rn.3, 4). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. November 2016 – 10 AV 1/16 (- juris Rn. 9) klargestellt, dass der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Akteneinsicht die bürgerlich-rechtliche Natur der Ansprüche aus § 46 Abs. 2 bis 4 EnWG teilt. Er ist als akzessorischer Auskunftsanspruch und damit als Annex untrennbar mit diesen Hauptansprüchen verbunden. Dies ergibt sich zum einen aus der Verfahrensabhängigkeit des Anspruchs, zum anderen daraus, dass die begehrte Akteneinsicht dazu dient, die weitere Verfolgung oder Verteidigung materieller Rechtspositionen der Klägerin als Altkonzessionärin aus § 46 EnWG vorzubereiten. Angesichts dessen, dass die begehrte Akteneinsicht umfassend dazu dient, die weitere Verfolgung oder Verteidigung materieller Rechtspositionen der Klägerin als Altkonzessionärin aus § 46 EnWG vorzubereiten, ist es unerheblich, dass vorliegend der Konzessionsvertrag mit dem Neukonzessionär bereits abgeschlossen ist.
Zwar sieht das EnWG für diesen Akteneinsichtsanspruch keine gesonderte Rechtsgrundlage vor, so dass sich die Klagepartei auf Art. 29 BayVwVfG i.V.m. Art. 1 BayVwVfG in analoger Anwendung stützt. Im Fall des § 102 Abs. 1 S. 2 EnWG muss sich die Anspruchsgrundlage jedoch nicht unmittelbar aus dem EnWG ergeben. Dafür spricht – neben dem Wortlaut – die Gesetzesbegründung. Zwar wird in den Gesetzesbegründung lediglich darauf verwiesen, dass § 102 EnWG dem § 87 GWB entspreche (vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 75, sowie zur systematischen Abstimmung des GWB zum EnWG schon bei der 6. Novellierung des GWB, vgl. BT-Drs. 13/9720, S. 78, dort Nr. 16). § 87 GWB wurde geschaffen, um die Kartellrechtspflege durch Kon zentration bei bestimmten Gerichten zu vereinheitlichen. Die vom Gesetzgeber hiernach gewollte Vereinheitlichung der Rechtsprechung zum EnWG steht daher einer zu engen Auslegung des § 102 EnWG, etwa dass sich der geltend gemachte Anspruch als solcher unmittelbar aus dem EnWG ergeben müsste, entgegen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 16.2.2016 – 7 OB 13/16 – juris Leitsatz, Rn.3).
§ 102 EnWG umfasst damit auch die mit den Rechtsstreitigkeiten nach dem EnWG in Zusammenhang stehenden Nebenverfahren. Nach dieser Maßgabe unterfällt auch der auf Art. 29 BayVwVfG (analog) gestützte Akteneinsichtsanspruch der (abdrängenden) Sonderzuweisung. Das Akteneinsichtsrecht eines Beteiligten an dem Gas-konzessionierungsverfahren nach § 46 EnWG steht in einem engen Zusammenhang mit dem betreffenden Verfahren selbst, für welches die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 102 EnWG begründet ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris Rn. 9). Insoweit ist unmaßgeblich und die Anwendung des § 102 EnWG nicht beschränkend, dass vorliegend der Akteneinsichtsanspruch der unterlegenen Mitbewerberin nicht im Zusammenhang mit der Unterlassung einer Unterzeichnung des Gaskonzessionsvertrages steht, sondern als nachgängige Akteneinsichtnahme, wie die Klagepartei vorträgt, zur Überprüfung bzw. Feststellung der Nichtigkeit des Gaskonzessionsvertrages insbesondere im Zusammenhang mit dem Netzübergang von der Tochtergesellschaft der unterlegenen Mitwerberin als Altkon-zessionärin auf die Neukonzessionärin geltend gemacht wird. Das nach § 46 EnWG begründete Rechtsverhältnis verpflichtet zur Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens; dazu zählt auch die Gewährung von Akteneinsicht. Das Akteneinsichtsrecht dient zur Verwirklichung der Rechte des Beteiligten und ist im Verhältnis zu diesen Rechten nur ein Annex. Insoweit ist nicht erforderlich, dass der Wahrnehmung der Nebenansprüche ein Verfahren hinsichtlich des Hauptrechts folgen müsste, denn die Wahrnehmung der Nebenansprüche ergibt sich aus der Stellung als Beteiligter des Konzessionsvergabeverfahrens. Nebenansprü che, die nur einen Annex zu dem Hauptrecht des Beteiligten darstellen, folgen indes in der Rechtswegfrage denselben Regeln wie das Hauptrecht. Eine für Letzteres geltende Rechtswegzuweisung ist daher auch auf die Geltendmachung des Akteneinsichtsrechts zu erstrecken (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2016 – 10 AV 1/16 – juris mit expliziter Abschichtung zum Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz unter Rn. 10-12; OVG Lüneburg, B.v. 16.2.2016 – 7 OB 13/16 – juris Leitsatz, Rn. 4 mit Bezugnahme auf BGH, B.v. 27.11.2013 – III ZB 59/13 – juris Ls. 1, 2, Rn 12, 15 unter Verneinung einer rechtswegüberschreitenden Entscheidungskompetenz gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 GVG durch Abschichtung zum auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Anspruch auf Informationszugang als zum Akteneinsichtsrecht auf der Grundlage des §§ 29, 13 Abs. 1 VwVfG zum dort zugrundeliegenden Fachgesetz des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes als anderem Streitgegenstand).
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht …, Kammer für Handelssachen vorbehalten (§ 17b Abs. 2 GVG).

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