IT- und Medienrecht

Rückforderung der für Kraftfahrzeuge geleisteten Rundfunkbeiträge

Aktenzeichen  M 6 K 18.422

Datum:
27.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15518
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, § 10 Abs. 3, § 4 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückerstattung von 44.271,12 EUR.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Rundfunkbeiträgen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 RBStV.
Erstattungsvoraussetzung ist, dass ein Rundfunkbeitrag ohne rechtlichen Grund entrichtet wurde. Die Regelung über die Erstattung rechtsgrundlos entrichteter Rundfunkbeiträge ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage auszugleichen ist (BayLT-Drs. 16/7001, S. 22).
Die Klägerin ist jedoch nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV zur Entrichtung von jeweils einem Drittel des Rundfunkbeitrags für die auf die GmbH zugelassenen Kraftfahrzeuge verpflichtet.
1.1 Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 letzter Hs. für Omnibusse, die für den öffentlichen Personennahverkehr nach § 2 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs – RegG – eingesetzt werden ist nicht einschlägig. Die Klägerin betreibt keine Omnibusse im öffentlichen Personennahverkehr.
Nach § 2 RegG ist öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Dies entspricht Art. 2a) der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste aus Schiene und Straße. „Öffentlicher Personenverkehr“ in diesem Sinne bezeichnet Personenbeförderungsleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei und fortlaufend erbracht werden.
Nach dem unstreitigen Vorbringen betreibt die Klägerin Beförderungen mit Kraftfahrzeugen durch oder für Schulträger zum und vom Unterricht, von körperlich, geistig oder seelisch behinderten Personen mit Kraftfahrzeugen zu und von Einrichtungen, die der Betreuung dieser Personenkreise dienen und mit Kraftfahrzeugen durch oder für Kindergartenträger zwischen Wohnung und Kindergarten i.S.d. § 1 Nr. 4 d, g, i Freistellungs-Verordnung. Es handelt sich bei ihren Kraftfahrzeugen somit gerade nicht um allgemein zugängliche Beförderungsmittel sondern um die Beförderung ganz bestimmter Nutzerkreise.
Der Gesetzesbegründung zum 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 letzter Hs. RBStV kann nicht entnommen werden, dass die Ausnahme von der Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch Beförderungsmittel erfassen soll, die nicht für den öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt werden (BayLT Drs. 16/7001 v. 21.1.2011, Seite 17 f.).
Die von der Klägerin durchgeführten Beförderungen sind zwar nach § 1 Nr. 4 von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt. Der RBStV enthält jedoch keine Regelung dahingehend, dass für Kraftfahrzeuge, die im Rahmen der Freistellungs-Verordnung eingesetzt werden, kein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist oder diese Beförderungen öffentlichen Personennahverkehr darstellen oder diesem gleichstehen.
1.2 Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Abgeltungsregelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 RBStV berufen, wonach für Kraftfahrzeuge gemeinnütziger Einrichtungen, Vereine und Stiftungen, wenn diese ausschließlich für Zwecke der Einrichtung genutzt werden, der Beitrag mit einem Drittelbeitrag abgegolten ist. Sie trägt selbst vor, nicht gemeinnützig zu sein.
Die von der AG Rundfunkgebührenrecht im Rahmen einer Telefonschalte getroffene Vereinbarung, dass auch Fahrzeuge, die im sogenannten Freistellungsverkehr eingesetzt werden, als beitragsfrei behandelt werden, findet keine Stütze im Gesetzeswortlaut. Sie ist auch nicht durch Gesetzesauslegung des RBStV zu erzielen.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Rundfunkbeitrag als im Wesentlichen mit der Verfassung vereinbar erklärt (Ausnahme Zweitwohnungen; U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris = NVwZ 2018, 1293). § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV bietet keine Handhabe, das Regelungskonzept des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu korrigieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.2.2018 – 6 C 48,16 6 C, BVerwGE 161, 224 Rn. 10 zur Härtefallregelung des § 4 Abs. 1 RBStV).
Die typisierenden Tatbestände für Ausnahmen von der Rundfunkbeitragspflicht sind abschließend im RBStV geregelt. Der Katalog ist im Hinblick auf die gebotene enge Auslegung auch nicht durch Analogien erweiterbar.
Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht gegeben. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (BVerwG, U.v. 30.10.2019 – 6 C 10.18 – juris – Rn. 19).
Diese Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke sind nicht erfüllt.
Schon die enumerative Aufzählung der Betriebsstätten, für die höchstens 1/3 des Rundfunkbeitrags zu entrichten ist, in Verbindung mit der Abgeltungsregelung für Kraftfahrzeuge in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 RBStV spricht gegen eine erweiternde Auslegung und Anwendung auf Betriebsstätten die nicht zu den genannten Einrichtungen gehören. Der Wortlaut der Regelung ist abschließend.
Die von der Abgeltungsregelung erfassten Tatbestände sind aber auch aufgrund des Normzwecks als abschließend anzusehen.
In § 5 Abs. 3 RBStV wird eine Ausnahme von der Staffelregelung für bestimmte Betriebsstätten festgelegt. Es handelt sich um eine Nachfolgeregelung zu § 5 Abs. 7,8 und 10 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags -RGebStV -, der auf Antrag eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Rundfunkempfangsgeräte vorsah. Gem. § 5 Abs. 8 RGebStV trat die Gebührenbefreiung nur ein, wenn der Rechtsträger gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken im Sinne der §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung diente. Desgleichen, wenn bei dem Betrieb oder der Einrichtung eines Rechtsträgers diese Voraussetzungen vorliegen. Bei Krankenhäusern, Altenwohnheimen, Altenheimen und Altenpflegeheimen genügte es, wenn diese Einrichtungen gemäß § 3 Nr. 20 des Gewerbesteuersgesetzes von der Gewerbesteuer befreit sind. Nach § 5 Abs. 10 RGebStV waren Zweitgeräte, die in öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen, staatlich genehmigten oder anerkannten Ersatzschulen oder Ergänzungsschulen, soweit sie auf gemeinnütziger Grundlage arbeiten, von dem jeweiligen Rechtsträger der Schule zu Unterrichtszwecken zum Empfang bereitgehalten werden, von der Rundfunkgebühr befreit.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 RBStV tritt anstelle einer unterschiedlichen Behandlung – komplette oder teilweise Befreiung – die einheitliche Obergrenze von einem Drittel des Rundfunkbeitrags. Nur für die in Satz 1 genannten Betriebsstätten sind mit dem Betriebsstättenbeitrag gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 RBStV sämtliche Beitragspflichten für auf die Einrichtung zugelassene Kraftfahrzeuge abgegolten. Durch den Entfall des Gerätebezuges fällt die Unterscheidung zwischen Geräten zur Nutzung durch die Beschäftigten, zu Einrichtungszwecken oder durch Dritte weg. Die genannten Träger haben damit für Ihre Einrichtungen eine berechenbare Belastungsgrenze (BayLT Drs. 16/7001 v. 21.1.2011, Seite 18). Aus dieser Gesetzesbegründung geht klar hervor, dass nur die genannten Einrichtungen privilegiert sein sollen, nicht jedoch andere Betriebe, die – wie die Klägerin – mit diesen Einrichtungen in geschäftlichem Kontakt stehen, aber selbst gerade nicht privilegiert sind. Mit der gleichen Begründung, wie sie für die Klägerin vorgebracht wird – kalkulatorische Umlegung der für die Kraftfahrzeuge anfallenden Rundfunkbeiträge auf die gemeinnützigen Einrichtungen – könnten ansonsten andere Betriebe (beispielsweise Cateringfirmen, Hausmeisterdienste), soweit sie solche gemeinnützigen Einrichtungen bedienen, die Privilegierung für ihre dafür eingesetzten Kraftfahrzeuge in Anspruch nehmen.
Der abschließende Charakter der Ausnahmetatbestände ist ferner nicht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedenklich. Die Abgeltungsregelung für die Kraftfahrzeuge gemeinnütziger Einrichtungen stellt ein zulässiges, nicht willkürliches Differenzierungskriterium dar. Die Einbeziehung eines Unternehmens in die Privilegierung, das – wie die Klägerin – weder gemeinnützig noch für die im Gesetz genannten bestimmten Zwecke (wie z.B. Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr usw.) tätig ist, würde diesem gegenüber Konkurrenten einen gleichheitswidrigen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die von der AG Rundfunkgebührenrecht getroffene erweiternde Gesetzesauslegung widerspricht auch deshalb nach Auffassung des Gerichts dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung.
Darüber hinaus ist, wie auch der vorliegende Fall zeigt, der Nachweis, dass ausschließlich solche Beförderungen vorgenommen werden, in der Praxis schwierig und unter Umständen mit hohem verwaltungstechnischen Aufwand verbunden.
Vom Gericht wird nicht infrage gestellt, dass sich die sogenannte AG Rundfunkgebührenrecht in einer Telefonschalte am 30. Oktober 2012 auf eine erweiternde Gesetzesauslegung dahingehend, dass Kraftfahrzeuge, die unter § 1 Nr. 4 Freistellungsverordnung fallen beitragsfrei sein sollen, geeinigt haben mag. Es liegt jedoch nicht in der Kompetenz der Rundfunkanstalten, sondern des Landesgesetzgebers (Art. 70 Abs. 1 GG), bestimmte Kraftfahrzeuge beitragsfrei zu stellen.
Die Klägerin hat die Rundfunkbeiträge für die Kraftfahrzeuge ihres Betriebes somit nicht ohne Rechtsgrund bezahlt. Eine Erstattungspflicht des Beklagten nach § 10 Abs. 3 Satz 1 RBStV besteht daher nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO §§ 708 ff der Zivilprozessordnung.
4. Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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