IT- und Medienrecht

Ruhendstellung des Ehrenamtes als Ansprechpartnerin, Sucht im …, wegen Mitgliedschaft im Gesamtpersonalrat

Aktenzeichen  M 21b E 21.1647

Datum:
30.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46012
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die als … im Dienst der Antragsgegnerin steht, wendet sich gegen die Ruhendstellung des ihr übertragenen Ehrenamtes als Ansprechpartnerin Sucht.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2019 wurde die Antragstellerin unter Anwendung der Dienstvereinbarung zur Suchtprävention, zum Umgang mit suchtgefährdeten und – kranken Beschäftigten sowie suchtbedingten Auffälligkeiten im … vom 23. Mai 2012 (DV Sucht) zur Ansprechpartnerin Sucht am Standort M. … des … (im Folgenden: …) bestellt und für diese Tätigkeit von ihrer dienstlichen Tätigkeit im erforderlichen Umfang (laut DV Sucht bis zu 30%) freigestellt. Die Bestellung erfolgte zeitlich befristet auf vier Jahre mit der Option einer anschließenden Erneuerung der Bestellung um weitere vier Jahre. Zum Zeitpunkt der Bestellung waren bereits drei weitere Ansprechpartner Sucht am Standort M. … vorhanden.
Im März 2020 wurde die Antragstellerin in den Gesamtpersonalrat des … gewählt und für diese Tätigkeit zu 15% freigestellt. Die neue Wahlperiode begann am 1. Juni 2020 und endet am 31. Mai 2024.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2021 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihre Tätigkeit als Ansprechpartnerin Sucht „auf ihren Wunsch“ ab sofort bis auf weiteres ruhe, nachdem sie zuvor bereits am 1. Februar 2021 mündlich über die aufgrund eines Interessenkonflikts erfolgte Ruhendstellung ihres Ehrenamtes informiert worden war.
Unter dem … und … Februar 2021 führte die Antragstellerin daraufhin aus, dass es unzutreffend sei, dass sie den Wunsch geäußert habe, ihr Ehrenamt ruhen zu lassen. Einen Interessenkonflikt mit ihrem Amt als Mitglied im Gesamtpersonalrat im … gebe es nicht. Sie wolle ihr Amt als Ansprechpartnerin Sucht weiterhin ausüben, vor allem, da sie sich den Kollegen, die sich vertrauensvoll an sie gewandt hätten, verpflichtet fühle. Durch die Ruhendstellung sehe sie sich beschwert und in ihren in § 4 Abs. 3 DV Sucht garantierten Zusicherungen verletzt. Ferner sehe sie sich als Personalratsmitglied unzulässig benachteiligt, da ihr in der mündlichen Begründung ihrer Ruhendstellung als Grund für diese einzig ihre Personalratstätigkeit genannt worden sei.
Mit E-Mail vom 4. März 2021 wurde gegenüber der Antragstellerin klargestellt, dass sie die Formulierung „auf Ihren Wunsch“ in dem Schreiben vom 18. Februar 2021 als gegenstandslos betrachten könne. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass der rechtliche Gehalt des Schreibens, nämlich die Ruhendstellung des Ehrenamtes als Ansprechpartnerin Sucht, uneingeschränkt fortgelte.
Am … März 2021 beantragte die Antragstellerin daraufhin beim Verwaltungsgericht München einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, mich mein Ehrenamt als Ansprechpartnerin Sucht im … wieder ausführen zu lassen, das ohne mein Einverständnis ruhend gestellt wurde. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor, dass sie sich als Ansprechpartnerin Sucht in mehreren Fortbildungsmaßnahmen qualifiziert habe. Derzeit betreue sie einen schweren Fall und stehe als Ansprechpartnerin für mehrere suchtgefährdete Beschäftigte zur Verfügung. Trotz mehrfacher Rückfragen sei ihr kein konkreter Grund für die Ruhendstellung ihrer Funktion als Ansprechpartnerin Sucht genannt worden, welche nach ihrer Auffassung einen schweren Eingriff in die in § 4 Abs. 3 DV Sucht zugesicherte behinderungsfreie Ausübung ihres Ehrenamtes darstelle. Die lediglich mündlich geäußerten Bedenken hinsichtlich eines Interessenkonflikts zwischen ihrer Tätigkeit als Mitglied des Gesamtpersonalrats und dem Amt als Ansprechpartnerin Sucht seien nie konkret begründet worden, jedenfalls nicht mit einem Fehlverhalten ihrerseits. Nach der aufwendigen Ausbildung, die besonderes und auch viel persönliches Engagement sowie Freizeit gefordert habe und noch immer fordere, sehe sie sich entgegen der Regelung in § 8 BPersVG (mittlerweile § 10 BPersVG) auch aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Gesamtpersonalrat benachteiligt. Besonders schwerwiegend sei, dass sie nicht nur selbst geschädigt werde, sondern auch die von ihr betreuten Mitarbeiter, wie ein suizidgefährdeter abhängiger Beschäftigter, der zu ihr ein besonderes Vertrauen gefasst habe. Wechsel von Ansprechpartnern seien gerade bei schwer kranken Mitarbeitern besonders kritisch, da ein Aufbau von Vertrauen zu weiteren Personen kaum gelinge. Ferner brachte sie unter Vorlage einer E-Mail vom 15. Februar 2021 der Ansprechpartner Sucht und eines Schreibens des Gesamtpersonalrats beim … vom 2. März 2021 vor, dass auch die Ansprechpartner Sucht und der Gesamtpersonalrat sich in dieser Angelegenheit bereits an die Amtsleitung gewandt hätten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass der Antrag weder zulässig noch begründet sei. Es fehle bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis, da nicht ersichtlich sei, inwiefern die Antragstellerin in den von ihr geltend gemachten Rechten aus § 4 Abs. 3 DV Sucht und § 8 BPersVG (mittlerweile § 10 BPersVG) verletzt sein sollte. Vorliegend stehe nicht das „Wie“, sondern das „Ob“ der Ausübung des Ehrenamtes des Ansprechpartners Sucht in Rede. Der Antragstellerin stehe aber bereits kein Anspruch auf Übertragung und Ausübung des streitgegenständlichen Ehrenamtes zu. Einen derartigen Anspruch räumten weder Art. 33 Abs. 2 GG noch eine gesetzliche Regelung oder die DV Sucht ein, sodass im Ergebnis auch keine Behinderung oder Benachteiligung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 DV Sucht vorliege, wenn das Ehrenamt von Seiten der Dienststelle ruhend gestellt werde. Insbesondere sei das Ehrenamt gerade nicht entzogen, sondern lediglich für eine gewisse Dauer ausgesetzt worden. Die Antragstellerin werde auch nicht in ihrer Personalratstätigkeit behindert oder wegen dieser benachteiligt. Als Nachteile i.S.d. § 8 BPersVG (mittlerweile § 10 BPersVG) könnten nur solche Schlechterstellungen verstanden werden, die mit dem Beruf des Betroffenen, z.B. der Arbeitszuteilung und dem beruflichen Fortkommen, unmittelbar zusammenhingen. Dies sei hier offensichtlich nicht der Fall, da es sich bei der Funktion des Ansprechpartners Sucht lediglich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handele, die nicht in Bezug zur dienstlichen Tätigkeit stehe. Zudem fehle es auch am Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls die Reaktion der Amtsleitung auf das Schreiben des Gesamtpersonalrats vom 2. März 2021 hätte abwarten können. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Wie bereits in Zusammenhang mit den Ausführungen zur Antragsbefugnis dargelegt, fehle es bereits an einer einschlägigen Rechtsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin. Unabhängig davon sei die Ruhendstellung auch rechtmäßig. In formeller Hinsicht habe kein Einvernehmen mit der Personalvertretung hergestellt werden müssen, da es sich nicht um eine Abbestellung handele. Materiellrechtlich sei die Ruhendstellung zur Vermeidung von Interessenkonflikten und somit aufgrund eines sachlichen Grundes erfolgt. Die Gefahr einer Interessenkollision bestehe insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin einerseits in ihrer Funktion als Ansprechpartnerin Sucht Kenntnis von hochsensiblen Gesundheitsdaten der Betroffenen erhalte und andererseits in ihrer Funktion als Personalratsmitglied in einzel- und kollektivrechtlichen (Personal-)Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte habe. Weiter sei zu beachten, dass die DV Sucht in erster Linie der Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn diene, welcher dieser nachkomme, indem er die Führungskräfte als seine Vertreterinnen und Vertreter in die Pflicht nehme. Als Personalratsmitglied würde die Antragstellerin aber nicht selten als „Gegenspieler“ des Dienstherrn in Erscheinung treten. Es könne sein, dass die Antragstellerin ihre Rolle gegenüber der Führungskraft bei Ausübung ihrer Tätigkeit als Ansprechpartner Sucht nicht vollumfänglich ablegen könne, sodass eine uneingeschränkte und unvoreingenommene Beratung der Führungskraft im Sinne des § 4 DV Sucht nicht mehr gewährleistet wäre. Dies erlange umso mehr Bedeutung, da Ziel der DV Sucht nicht nur eine wirksame Suchtprävention sei, sondern auch der Handlungswille des Dienstherrn aufgezeigt werden solle, erforderlichenfalls dienst- bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen einzuleiten. Überdies berge auch das Ziel der Prävention eine Kollisionsgefahr. Auch hier bestünde das Risiko, dass insbesondere in Zeiten von Wahlen, Interessen vermengt würden. Gerade die Suchtprävention eigne sich nicht für eine solche „Politisierung“. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin liege auch weder eine verbotene Benachteiligung i.S.d. § 8 BPersVG (mittlerweile § 10 BPersVG) noch eine Benachteiligung i.S.d. § 4 Abs. 3 DV Sucht vor. Schließlich sei auch kein Anordnungsgrund gegeben, da eine besondere Eilbedürftigkeit nicht ersichtlich sei. Es seien weiterhin drei Ansprechpartner Sucht für den Standort M. … bestellt und aktiv, sodass eine Betreuung neuer Fälle sichergestellt sei. Dem von der Antragstellerin erwähnten, besonders schutzwürdigen Betroffenen könne diese im Bedarfsfall weiterhin als sonstige Person des Vertrauens (etwa nach § 6 Abs. 1 DV Sucht bzw. Anlage 1 zur DV Sucht) unterstützend zur Seite stehen. Es entstünde somit weder für die Antragstellerin noch den Betroffenen ein Schaden. Im Übrigen sei das Ehrenamt nicht entzogen, sondern lediglich ruhend gestellt worden. Die Antragsgegnerin habe weder eine neue Ansprechpartnerin Sucht bestellt noch sei Entsprechendes beabsichtigt. Es stehe der Antragstellerin auch jederzeit frei, ihre Personalratstätigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG niederzulegen und ihre Tätigkeit als Ansprechpartnerin Sucht wiederaufzunehmen.
Mit Schreiben vom … April 2021 und vom … Mai 2021 hat die Antragstellerin hierauf erwidert, dass ausgehend von der Argumentation der Antragsgegnerin allen Personalräten der Weg in das Ehrenamt des Ansprechpartners Sucht verstellt werde, was eine klare Benachteiligung ausschließlich aufgrund der Personalratstätigkeit bedeute. Das Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG (mittlerweile § 10 BPersVG) gelte auch für die berufliche Entwicklung, auf welche sich ein Ehrenamt positiv auswirken könne, da es in der dienstlichen Regelbeurteilung Erwähnung finde. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Unzulässigkeit des Antrags seien nicht nachvollziehbar. Die Ruhendstellung des Ehrenamtes stelle die größtmögliche Behinderung desselben dar. Einen Suchtkranken in einer akuten Krise zu unterstützen sei sehr herausfordernd. Wenn der Dienstherr dies durch den Entzug der Unterstützung zusätzlich erschwere, führe dies für die Antragstellerin in einer bereits belastenden Situation zu einer kaum erträglichen Zusatzbelastung. Die Rechte des Ansprechpartners Sucht ergäben sich aus der DV Sucht. Das … verstoße gegen die geltende Dienstvereinbarung, die eine verbindliche und ausreichende Rechtsgrundlage darstelle. Soweit die Antragsgegnerin mit dem Zugang des Ansprechpartners Sucht zu Gesundheitsdaten argumentiere, verhalte es sich so, dass der Ansprechpartner Sucht von Amts wegen keinen Zugang zu diesen Daten habe, sondern nur zu den Daten, die ihm der Betroffene zugänglich mache. Sollte die Antragstellerin in einem seltenen Einzelfall Zugang zu Unterlagen haben, welche Grundlage einer Entscheidung im Personalrat seien, müsse sie sich für befangen erklären. Dies sei ein etablierter und von der Rechtsprechung abgedeckter Prozess. Die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass Dienststelle und Personalvertretung häufig divergierende Interessen vertreten würden, nehme die Antragstellerin verwundert zur Kenntnis und verweise auf § 2 Abs. 1 BPersVG. Ferner führte die Antragstellerin unter Vorlage einer E-Mail vom … April 2021, welche eine auf die Kliniken Dritter Orden gGmbH lautende Signatur aufweist, und einer E-Mail einer Frau K., welche eine auf das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz lautende Signatur aufweist, aus, dass sie sich an Kollegen in Behörden und Firmen des Freistaats Bayern und der Bundesrepublik Deutschland gewandt habe, welche beide Funktionen wahrnehmen würden und sich dies habe bestätigen lassen. Antworten habe sie von Kollegen der Unternehmen TÜV Süd, Preussen Elektra und Kliniken Dritter Orden gGmbH erhalten. Folgte man der Argumentation der Antragsgegnerin, so wären diese Bestellungen rechtswidrig. Dass es keine Rechtsprechung gebe, welche das Vorgehen der Antragsgegnerin stütze, weise darauf hin, dass die Argumente der Antragsgegnerin zumindest von der Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung nicht geteilt würden. Betreffend die Vereinbarkeit von Personalratstätigkeit und dem Ehrenamt Konfliktberater habe sich am 24. April 2021 auch der Hauptpersonalrat beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, zu dessen Geltungsbereich auch das … gehöre, an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gewandt. Die Staatssekretärin beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz habe mit Schreiben vom 18. Mai 2021 dem Hauptpersonalrat mitgeteilt, dass das … dem Ministerium gegenüber betont habe, dass es im Hinblick auf eine Konfliktberatung keine Gefahr einer Interessenkollision sehe und sich so auch nicht gegenüber der Personalvertretung geäußert habe. Die Antragstellerin gehe daher davon aus, dass beim … ein Überdenken der Positionen stattgefunden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Kammer ist für die Entscheidung über den Eilantrag zuständig, da es sich vorliegend um keine personalvertretungsrechtliche Streitigkeit i.S.d. § 108 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG handelt.
Zwar bringt die Antragstellerin zur Begründung ihres Begehrens auch vor, dass sie aufgrund ihrer Stellung als Personalratsmitglied benachteiligt sei. Mit ihrem Antrag wendet sie sich jedoch gegen die Ruhendstellung einer ihr übertragenen Funktion beim … und bezieht sich hierfür insbesondere auch auf die beim … einschlägige Dienstvereinbarung, auf welcher ihre Bestellung zur Ansprechpartnerin Sucht beruht. Die aufgeworfene Rechtsfrage betreffend die Rechtmäßigkeit der Ruhendstellung ergibt sich mithin nicht (allein) aus der personalvertretungsrechtlichen Stellung der Antragstellerin, sodass keine personalvertretungsrechtliche Streitigkeit, sondern vielmehr eine beamtenrechtliche Streitigkeit vorliegt. Denn § 108 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG erfasst nur solche Streitigkeiten, die sich allein und ausschließlich aus der Rechtsstellung von Personalratsmitgliedern ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 28.9.2010 – 1 WB 41/09 – juris Rn. 28 (noch zu § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG)).
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Er ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft. Die Antragstellerin tritt der Antragsgegnerin als Träger einer Funktion innerhalb der Behörde entgegen und sieht im Verhalten der Antragsgegnerin eine Verletzung ihrer innerorganisatorischen Kompetenzen. Im Kern geht es demnach um ein organisationsinternes Rechtsverhältnis, sodass sich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO richtet.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Für die Bejahung der Antragsbefugnis muss es nach dem Vortrag der Antragstellerin zumindest möglich erscheinen, dass diese in eigenen Rechten verletzt ist oder ihr eine solche Verletzung droht. Dies ist vorliegend der Fall.
Zwar wurde eine Antrags- bzw. Klagebefugnis bei bestimmten Rechten von Beauftragten und abhängig von den jeweils zu Grunde liegenden Regelungen in der Rechtsprechung teilweise verneint (vgl. OVG SH, U.v. 14.2.2019 – 2 LB 98/18 – juris (keine Klagebefugnis für Gleichstellungsbeauftragte bezüglich ihrer Beteiligungs- und Mitwirkungsaufgaben nach dem schleswigholsteinischen Gleichstellungsgesetz; HessVGH, B.v. 30.8.1996 – 1 TG 3381/96 – NVwZ-RR 1998, 186 (betreffend das Beteiligungsrecht der Frauenbeauftragten bei Personalmaßnahmen)). Allerdings betraf dies andere Konstellationen. Insbesondere geht es vorliegend aufgrund der Ruhendstellung des Ehrenamtes nicht (nur) um bestimmte Beteiligungs- und/oder Mitwirkungsrechte, sondern um die Ausübung der Funktion als solcher.
Gleichwohl stimmt die Kammer mit der Antragsgegnerin jedenfalls insoweit überein, als eine Antragsbefugnis im vorliegenden Fall zumindest kritisch zu hinterfragen ist. Diesbezüglich weist die Antragsgegnerin zunächst zutreffend darauf hin, dass vorliegend jedenfalls keine Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG in Betracht kommt. Eine solche scheidet aus, da die Bestellung der Ansprechpartner Sucht nicht nach den Maßgaben des beamtenrechtlichen Leistungsprinzips erfolgt. Ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten Auswahlvermerks vom 18. Februar 2019 kam es bei der Bestellung neuer bzw. weiterer Ansprechpartner Sucht vielmehr auf solche Interessen und Kenntnisse sowie Fähigkeiten an, die für die Wahrnehmung der speziellen Funktion besonders wichtig sind. Ebenso zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die DV Sucht vor allem der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, aber auch dem Aufzeigen des Handlungswillens des Dienstherrn zur Ergreifung dienst- bzw. arbeitsrechtlicher Konsequenzen dient. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Ansprechpartner Sucht wehrfähige Rechte eingeräumt werden sollten.
Dennoch erscheint eine Verletzung von eigenen Rechten der Antragstellerin angesichts ihrer umfassenden Ausführungen, in denen sie sich unter anderem auch auf ihr aus ihrer Sicht entstehende berufliche Nachteile beruft, jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern zumindest als möglich. Ihr ist daher nicht bereits die Antragsbefugnis abzusprechen. Die Frage, ob tatsächlich eine Rechtsverletzung bzw. ein Anordnungsanspruch gegeben ist, bleibt – ebenso wie die Frage des tatsächlichen Vorliegens eines Anordnungsgrundes – vielmehr der Prüfung der Begründetheit des Antrags vorbehalten.
Dem Antrag mangelt es auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragstellerin eine Reaktion der Amtsleitung auf das Schreiben des Gesamtpersonalrats vom 2. März 2021 nicht abgewartet hat. Denn die Antragsgegnerin hatte bereits zuvor eindeutig zu erkennen gegeben, dass sie an der Ruhendstellung der Tätigkeit der Antragstellerin als Ansprechpartnerin Sucht festhalten würde. Für ein etwaiges Überdenken dieser Auffassung war gerade nichts ersichtlich. Zudem hat die Antragsgegnerin nunmehr auch im gerichtlichen Verfahren deutlich gemacht, dass sie dem Begehren der Antragstellerin nicht entsprechen wird.
Der zulässige Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO) auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind zudem auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gilt nach § 123 Abs. 3 VwGO u.a. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, d.h. der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
Vorliegend hat die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein solcher wäre dann zu bejahen, wenn dem Betroffenen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere Nachteile drohten, die sich auch bei einem späteren Erfolg in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichen ließen. Davon ist jedoch vorliegend nicht auszugehen, weil die Antragstellerin gerade nicht Gefahr läuft, in der Zwischenzeit einen endgültigen Rechtsnachteil zu erleiden. Ihr Ehrenamt als Ansprechpartnerin Sucht wurde von der Antragsgegnerin lediglich ruhend gestellt. In diesem Zusammenhang führt die Antragsgegnerin zudem aus, dass auch nicht beabsichtigt sei, eine neue Ansprechpartnerin Sucht zu bestellen. Mithin ist vorliegend auch gerade keine Konstellation gegeben, in welcher eine (endgültige und nicht wieder rückgängig zu machende) Besetzung einer (Funktions-)Stelle bzw. des Ehrenamtes mit einem anderen Interessenten in Rede steht.
Soweit die Antragstellerin mit einer Eilbedürftigkeit angesichts zu befürchtender Nachteile bzw. Schäden für die von ihr betreuten Personen argumentiert, ergibt sich hieraus ebenfalls kein Anordnungsgrund. Die Antragsgegnerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass weiterhin drei Ansprechpartner Sucht für den Standort M. … bestellt und aktiv seien und dass zudem für die Antragstellerin auch die Möglichkeit bestünde, besonders schutzwürdigen Betroffenen im Bedarfsfall weiterhin als sonstige Person des Vertrauens unterstützend zur Seite stehen. Ein Anordnungsgrund ist nach alledem nicht gegeben.
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen zum Fehlen eines Anordnungsgrundes kann der Antrag aber auch deshalb keinen Erfolg haben, da auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht bzw. ersichtlich ist. Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags dargestellt, ergibt sich ein solcher nicht aus einer Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG. Aber auch aus § 4 DV Sucht bzw. einer Verletzung etwaiger der Antragstellerin von der DV Sucht eingeräumter Rechte lässt sich ein solcher nicht herleiten. Die Regelungen in der DV Sucht und insbesondere auch in deren § 4 dienen erkennbar der Sicherstellung eines einwandfreien und reibungslosen Funktionsablaufs innerhalb der Gesamtorganisation und damit der Wahrung öffentlicher Interessen. Der Ansprechpartner Sucht ist nicht als Repräsentant eines mit den Interessen der Dienststelle kollidierenden Fremdinteresses konzipiert. Anhand der DV Sucht ist insbesondere nichts dafür ersichtlich, dass er mit wehrfähigen Rechtspositionen ausgestattet werden sollte. Soweit die Antragstellerin sich auf § 4 Abs. 3 DV Sucht beruft, wonach die Ansprechpartner Sucht bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht weisungsgebunden sind und in der Erfüllung ihres Ehrenamtes nicht behindert oder benachteiligt werden dürfen, soll dies die sachliche Unabhängigkeit der Ansprechpartner Sucht gewährleisten. Daraus folgt aber nicht, dass sie die von ihnen zu vertretenden Belange als eigene Rechte ausüben. Eine wehrfähige Rechtsposition wird durch die Regelung nicht begründet und ergibt sich auch nicht aus den übrigen Regelungen der DV Sucht.
Darüber hinaus wäre die Ruhendstellung der Tätigkeit der Antragstellerin als Ansprechpartnerin Sucht selbst dann nicht zu beanstanden, wenn man unterstellte, dass mit dieser Funktion wehrfähige Rechtspositionen einhergehen. Zwar regelt die DV Sucht weder einen Widerruf der Bestellung noch eine Ruhendstellung des Ehrenamtes. Auch ohne entsprechende ausdrückliche Regelung muss eine Ruhendstellung aber jedenfalls – wie auch von der Antragsgegnerin angenommen – aus einem sachlichen oder wichtigen Grund möglich sein.
Der Antragstellerin wurde bereits außergerichtlich mitgeteilt, dass die Ruhendstellung aufgrund einer Interessenkollision mit der Tätigkeit als Personalratsmitglied erfolgte. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat die Antragsgegnerin umfassende Ausführungen zu der von ihr gesehenen Interessenkollision getätigt und das Vorliegen eines sachlichen bzw. wichtigen Grundes für die Ruhendstellung des Ehrenamtes der Antragstellerin nachvollziehbar dargelegt. Dass die Antragsgegnerin die Gefahr einer Interessenkollision insbesondere darin begründet sieht, dass die Antragstellerin einerseits in ihrer Funktion als Ansprechpartnerin Sucht Kenntnis von hochsensiblen Gesundheitsdaten der Betroffenen erhält und andererseits in ihrer Funktion als Personalratsmitglied in einzel- und kollektivrechtlichen (Personal-)Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte hat, erschließt sich ohne weiteres.
Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, ist zudem anzumerken, dass auch die Verfasserin der von der Antragstellerin selbst vorgelegten E-Mail vom … April 2021, welche beide in Rede stehenden Ämter innehat, ausführt, dass man die eigene Befangenheit berücksichtigen müsse, wenn man an einem „Fall“ in verschiedenen Funktionen beteiligt sei und dass man nicht gleichzeitig als Suchtbeauftragter und Personalrat an einer konkreten Person „dran“ sein könne. Dass die Antragstellerin selbst die Situation anders einschätzt als die Antragsgegnerin und dabei unter anderem auf die Möglichkeit hinweist, sich im Einzelfall für befangen zu erklären, ändert nichts am Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Entscheidung der Antragsgegnerin. Vor diesem Hintergrund kann dem Antrag auch nicht zum Erfolg verhelfen, dass die Antragstellerin für sich durch die Ruhendstellung ihres Ehrenamtes Nachteile für ihre dienstliche Beurteilung befürchtet. Unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin allein das Innehaben der Funktion als Ansprechpartner Sucht tatsächlich zum Anlass für eine bessere Beurteilung nehmen würde oder dürfte oder ob mit dem Innehaben dieser Funktion sonstige berufliche Vorteile einhergingen, kann sich hieraus jedenfalls kein Anspruch der Antragstellerin auf (unveränderte) Beibehaltung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit ergeben. Hierfür spricht auch, dass Besonderheiten des bisherigen Aufgabenbereichs, unter anderem auch das Wahrnehmen einer etwaigen Leitungsfunktion, nicht einmal im Falle einer die dienstliche Tätigkeit betreffenden Umsetzung eine das Ermessen des Dienstherrn einschränkende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2013 – 3 CE 13.1374 – juris Rn. 25; vgl. auch BVerwG, U.v. 28.11.1991 – 2 C 41/89 – NVwZ 1992, 572).
Soweit die Antragstellerin schließlich noch vorbringt, dass die Antragsgegnerin im Falle der Konfliktberatung keine Interessenkollision bei einer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Personalrat sehe, ergibt sich hieraus ebenfalls kein Anordnungsanspruch. Denn mit ihrem Vorbringen zeigt die Antragstellerin keine greifbaren Anhaltspunkte dafür auf, dass die Ruhendstellung ihrer Tätigkeit als Ansprechpartnerin Sucht durch die Antragsgegnerin nicht auf sachlichen, sondern vielmehr auf sachfremden Erwägungen beruhen könnte und die umfassenden Ausführungen der Antragsgegnerin zu den Gründen für ihre Entscheidung nur vorgeschoben sein könnten. Auch im Übrigen ist nichts hierfür erkennbar.
Der Antrag ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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