IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag für eine Zweitwohnung

Aktenzeichen  W 3 K 15.675

Datum:
30.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Gesetz unterscheidet in § 2 Abs. 1 RBStV nicht zwischen Haupt,- Neben-, Zweit- oder Ferienwohnung, sondern bestimmt, dass generell für jede Wohnung ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist. Beim Innehaben mehrerer Wohnung ist deshalb für jede Wohnung ein Rundfunkbeitrag zu zahlen, auch wenn der Betroffene das Programmangebot selbst nur einmal in Anspruch nehmen kann. (redaktioneller Leitsatz)
Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht bei einem besonderen Härtefall (§ 4 Abs. 6 S. 1 RBStV) setzt eine atypische Fallkonstellation voraus. Der Gesetzgeber hat aber bewusst davon abgesehen, eine Ausnahme von § 2 Abs. 1 RBStV in das Gesetz aufzunehmen bzw. eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit für berufsbedingte Zweitwohnungen vorzusehen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags – RBStV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl. S. 258, ber. S. 404) in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach Melderecht gemeldet ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV).
Mit der Neuregelung der Rundfunkfinanzierung durch den 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge erfolgte eine Abkehr von dem bisherigen Finanzierungsmodell, bei dem eine Gebühr für das Bereithalten von Rundfunkgeräten erhoben wurde. Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen der Neuregelung war die statistisch belegte Tatsache, dass durch das Konglomerat von herkömmlichen Geräten, neuartigen Geräten (z. B. internetfähige PCs), stationären und mobilen Geräten in Deutschland in nahezu allen Wohnungen und Betriebsstätten die Möglichkeit zum Rundfunkempfang besteht (Gall/Schneider in Hahn/Vesting, Beck´scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., vor RBStV Rn. 25). Die Rundfunkbeitragspflicht knüpft allein an das Innehaben einer Wohnung an. Das Gesetz unterscheidet in § 2 Abs. 1 RBStV nicht zwischen Haupt,- Neben-, Zweit- oder Ferienwohnung, sondern bestimmt, dass generell für jede Wohnung ein Rundfunkbeitrag zu entrichten ist. Somit ist der Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung berechtigt, von der Klägerin für jede Wohnung, die sie innehat, einen Rundfunkbeitrag zu erheben.
Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag begegnet insgesamt keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 15. Mai 2015 auf zwei Popularklagen hin (Az.: Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) unanfechtbar und für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend (Art. 29 Abs. 1 des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof – VfGHG -) insbesondere entschieden, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RBStV über die Erhebung eines Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung mit der bayerischen Verfassung vereinbar ist (Leitsatz Nr. 1; die Entscheidung ist im Volltext veröffentlicht unter www.bayern.verfassungsgerichtshof.de). Die Kammer geht daher von der Verfassungsmäßigkeit der im vorliegenden Zusammenhang allein inmitten stehenden Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 RBStV aus.
Darüber hinaus hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2015 ausdrücklich Folgendes festgestellt (Rnrn. 115 bis 117):
„cc) Es stellt keine willkürliche Gleichbehandlung verschiedener Sachverhalte dar, dass die Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV an das Innehaben einer Wohnung anknüpft, ohne zwischen Haupt- und Zweitwohnung zu unterscheiden.
Schon nach dem früheren Rundfunkgebührenstaatsvertrag waren Empfangsgeräte in Zweitwohnungen einer Rundfunkgebührenpflicht unterworfen (vgl. BVerwG vom 20.9.2010 Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 57). Wenn nunmehr der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag die Beitragspflicht generalisierend und typisierend an die Möglichkeit der Rundfunknutzung durch die einer Wohnung zugeordneten Personen ohne Rücksicht auf die Anzahl der Bewohner und die Art oder Dauer des Wohnens anknüpft, ist es folgerichtig, auf eine Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitwohnung zu verzichten (a.A. Korioth/Koemm, DStR 2013, 833/837). Denn unabhängig von dieser Zuordnung bildet jede Wohnung einen privaten Raum, in dem Rundfunknutzung in der Lebenswirklichkeit gewöhnlich stattfindet oder jedenfalls stattfinden kann. Dass aufgrund dieser Typisierung eine alleinstehende Person, die mehrere Wohnungen innehat, entsprechend viele Rundfunkbeiträge zu entrichten hat, obwohl sie das Programmangebot selbst nur einmal in Anspruch nehmen kann, ist als unvermeidliche Folge hinzunehmen. Solche auf Einzelfälle beschränkte Härten sind nicht zuletzt durch die vom Gesetzgeber in legitimer Weise verfolgten Ziele gerechtfertigt, Ermittlungen in der Privatsphäre möglichst zu vermeiden und den Verwaltungsvollzug in einem Massenverfahren zu erleichtern sowie gegen Umgehungsmöglichkeiten oder Missbrauch abzusichern.“
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht; insbesondere liegt kein besonderer Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV vor. Ein Härtefall würde eine atypische Fallkonstellation voraussetzen, die – obwohl mit den im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag geregelten Fällen vergleichbar – vom Gesetzgeber nicht erkannt und nicht geregelt worden ist. Dies kann jedoch hinsichtlich berufsbedingter Zweitwohnungen nicht angenommen werden. Dem Gesetzgeber war diese Konstellation bekannt. Denn auch nach dem Rundfunkgebührenrecht, das eine Befreiung von der Rundfunkgebühr für Zweitgeräte in einer Wohnung vorsah, war für Rundfunkempfangsgeräte in mehreren Wohnungen für jede Wohnung eine Rundfunkgebühr zu entrichten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag – RGebStV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 2001, GVBl. S. 561). Diese Regelung war Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu entschieden, dass diese Regelung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts über die Zweitwohnungssteuer nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstößt (BVerwG, B.v. 20.9.2010 – 6 B 22/10 – juris). Der Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, eine Ausnahme von § 2 Abs. 1 RBStV in das Gesetz aufzunehmen bzw. eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit für berufsbedingte Zweitwohnungen vorzusehen.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 187,80 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

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