IT- und Medienrecht

Schadensersatz, Annahmeverzug, Abgasskandal, Software, Motorsteuerungssoftware

Aktenzeichen  51 O 2152/18

Datum:
20.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52958
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EG-FGV § 27 Abs. 1
BGB § 31, § 249 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826, § 831

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.474,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.474,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.11.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A4 mit der Fahrgestellnummer W…8 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 29.11.2018 mit der Rücknahme des unter 1. Bezeichneten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 22.474,18 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV. Weiter besteht ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf Zahlung von Verzugszinsen auf die Hauptforderung in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Der Annahmeverzug war festzustellen. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
I.
Der klägerische Anspruch ergibt sich schon aus § 826 BGB. Die Beklagte hat der Klägerpartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
1. Die Handlung, durch die die Beklagte die Klagepartei geschädigt hat, war das Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte. Wie mittlerweile allgemein bekannt ist, waren die Fahrzeuge aus dem VW-Konzern, damit auch das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet. Obwohl die Hersteller teilweise bereits das Vorliegen eines Mangels bestreiten und die Abschaltvorrichtungen teilweise als „Motorenschutzmaßnahmen“ etc. beschönigen, ist an der Unzulässigkeit der installierten Einrichtungen spätestens seit dem am 15.10.2015 vom KBA gegenüber der VW AG angeordneten Rückrufaktion (abzurufen unter https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/VW/vw_inhalt.html?nn=1633522) der betroffenen Fahrzeuge mit EA 189-Motoren nicht mehr an der Unzulässigkeit der verbauten Einrichtungen zu zweifeln.
2. Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen. Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben zunächst die unzulässige Software aufgespielt und in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typenzulassung wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die damit einhergehenden Täuschungshandlung sind nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin sowie Herstellerin des Motors die Kenntnis der Programmierung ihrer eigenen Fahrzeuge sowie der für sie einschlägigen Rechtsnormen unterstellt werden kann. Jedenfalls liegt insofern aufgrund der substanziierten Darlegung der Klagepartei eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, welcher die Beklagte nicht genügt hat.
Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt über eine entsprechende Anwendung von § 831 BGB sowie § 31 BGB. Dabei muss im Rahmen der Rechtsprechung zur Repräsentantenhaftung auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet werden, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung, bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen satzungsgemäß oder (nur) im Rechtsverkehr die juristische Person vertreten, da letztere nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (vgl. BGH III ZR 296/11).
Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist.
3. Die Beklagte hat der Klagepartei den Schaden vorsätzlich zugefügt. Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte, § 291 ZPO.
4. Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten. Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (siehe zum Ganzen statt vieler LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017, Az. 3 O 139/16, VuR 2017, 111).
5. Der Klagepartei ist nach Überzeugung der Kammer durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs auslöst gemäß §§ 249 ff. BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Klägerpartei hier, infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätte deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen. Dabei spielt es keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend gewesen wäre. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert darauf gelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Aber nach Ansicht der Kammer waren zumindest alle Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterlag. Jedenfalls lässt sich nach Überzeugung der Kammer keinem der Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig gewesen, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug war deshalb aus Sicht der Erwerber jedenfalls zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße bei den Fahrzeugerwerbern geführt hat.
Nach Ansicht der Kammer liegt hierin auch kein allgemeiner Vermögensschutz, der im Deliktsrecht ja gerade nicht gelten soll, sondern es wird konkret auf den Vertragsschluss als Schadenabgestellt. Durch die Rückabwicklung des Vertrages soll vorwiegend der Sinn und Zweck der EG-FGV effektiv umgesetzt werden. Dass dies auch die Rückzahlung des Kaufpreises nach sich zieht, ist die konsequente Wirkung dieser Rechtsfolge. Dass das Vermögen allein aber nicht geschützt wird, ist auch aus der anzurechnenden Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer ersichtlich, welche sich manche Kläger unter Berufung auf den rechtswidrigen Zustand nicht anrechnen lassen wollen.
Die Klagepartei hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Anrechnung von Gebrauchsvorteilen im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB.
6. Im Rahmen der Rückabwicklung muss sich die Klagepartei den Abzug von Gebrauchsvorteilen in Form einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen, welche sie auch bereits selbst in ihrem Klageantrag berücksichtigte. Allerdings hat sie den Nutzungsersatz im Termin nicht beziffert.
Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zugum-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall auf 17.986,55 € festzusetzen. Die Berechnung nimmt die Kammer dabei nach folgender Formel vor:
Bruttokaufpreis (€) x gefahrene Strecke (km)
Restleistung bei Vertragsschluss unter Ansatz einer Gesamtkilometerleistung von 300.000 (km)
Da die Klagepartei das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 0 erworben hat, hat sie bei einem unbestritten gebliebenen Kilometerstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung von 133.363 Nutzungsentschädigung für 133.363 gefahrene Kilometer zu leisten.
Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15).
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 40.460,73 € (Kaufpreis) x 133.363 (gefahrene km) : 300.000 (Restlaufzeit bei Kauf) = 17.986,55 €.Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an die Klagepartei in Höhe von 40.460,73 € – 17.986,55 € = 22.474,18 €.
II.
Der klägerische Anspruch ergibt sich vorliegend außerdem auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, §§ 249 ff. BGB (vgl. beispielsweise LG Ingolstadt, Urteil vom 08.04.2019, Az. 53 O 1520/17; a.A. OLG München, Beschluss vom 03.09.2019, Az. 21 U 1896/19).
III.
Der klägerische Anspruch ist nach fruchtloser Mahnung gemäß § 286, 288 BGB zu verzinsen.
Die Rückforderung des Kaufpreises ist wie aus dem Tenor ersichtlich erst ab wirksamer Inverzugsetzung zu verzinsen (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB). Den Beklagten wurde eine erfolglose Frist zur Rückabwicklung des Kaufvertrags spätestens zum 28.11.2018 gesetzt, die den Verzug begründet. Die Frist wurde nicht als unangemessen kurz gerügt von Beklagtenseite.
In dem Schreiben wurde auch die Rückgabe des Fahrzeugs Zugum-Zug und die Anrechnung eines Nutzungsersatzes für die bis dahin gefahrenen Kilometer angeboten.
IV.
Das Feststellungsinteresse und die materiellen Voraussetzungen des Annahmeverzugs gemäß dem Antrag zu 2) nach §§ 293 ff. BGB liegen vor.
VI.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten wären nach § 249 BGB, sowie die geltend gemachten Verzugszinsen hieraus, dem Grunde nach zu ersetzen, da bei deliktischer Haftung der Beklagten die Klagepartei die Hilfe eines Anwaltes zur Durchsetzung der Ansprüche bereits vorgerichtlich in Anspruch nehmen durfte.
Allerdings wurde beklagtenseits bestritten, dass diese überhaupt bezahlt wurden, und falls ja, dann sei davon auszugehen, dass diese Kosten von einer Rechtschutzversicherung übernommen und bezahlt worden seien, so dass die Klagepartei wegen des Übergangs des Erstattungsanspruchs auf die Rechtschutzversicherung nicht mehr aktivlegitimiert sei. Trotz des ausdrücklichen Bestreitens durch die Beklagte hat die Klagepartei ihre Aktivlegitimation für diesen Schadensposten nicht näher dargelegt oder nachgewiesen, etwa durch eine Zahlungsbeleg oder eine Ermächtigung der Versicherung zur klageweisen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs. Der Anspruch war daher abzuweisen.
B.
Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
I.
Bezüglich des Klageantrags zu 1) war Nutzungsersatz anzusetzen und in Abzug zu bringen (siehe hierzu oben). Diesen hat die Klagepartei jedoch im Antrag und im Termin mit 0 beziffert, weshalb die Klage in Höhe des vom Gericht festzusetzenden Nutzungsersatzes abzuweisen und in der Kostenentscheidung zu berücksichtigen war.
II.
Zinsen nach § 849 BGB ab Kaufvertragsschluss bzw. Bezahlung des Kaufpreises schuldet die Beklagte nicht. § 849 BGB ist bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Die Beklagte hat weder eine Sache der Klagepartei entzogen noch beschädigt. Der Kaufpreis ging vielmehr an den Verkäufer. Außerdem ist § 849 BGB zwar über den bloßen Wortlaut hinaus auch auf die Entziehung von Geldmitteln anzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 26. 11. 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084), allerdings ist der Anwendungsbereich auf die Überlassung von Geldern ohne gleichzeitig nutzbare Gegenleistung zu beschränken. Der Zinsanspruch nach § 849 BGB soll nämlich mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte eine nutzbare Gegenleistung erhalten hat, auch wenn diese später im Rahmen eines Schadensersatzanspruches an den Schädiger übereignet wird. Denn durch einen Fahrzeugkauf, den die Klagepartei in jedem Fall beabsichtigte und nach dem sie das Fahrzeug auch nutzte, hätte sie auch ohne die Täuschung der Beklagten den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen können. Ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass Schadensersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu verzinsen seien, ist dem deutschen Recht fremd (Wagner, in: MüKo, § 849 Rn. 4).
Soweit eine weitere Verzinsung nach § 849 BGB gefordert wurde, war der Antrag daher abzulehnen. Die Sondervorschrift des § 849 BGB gilt nur für die z. B. betrügerisch erlangte Entziehung einer Sache oder deren Beschädigung mit Eintritt einer Wertminderung bei Unterstellung, dass keine entsprechende Gegenleistung erbracht wurde.
Vorliegend ist als Schaden aber nicht die Entziehung des Kaufpreises anzusehen, sondern das Eingehen eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrags, der dann erst auf Verlangen hinsichtlich der gegenseitig gewährten Leistungen rückabzuwickeln ist. Die Sache war auch nicht beschädigt dergestalt, dass eine Gebrauchs- oder Wertminderung nachweislich eingetreten wäre, die es rechtfertigen könnte, ausnahmsweise von einem Vorteilsausgleich abzusehen. Der Geldbetrag wurde zwar auf Grundlage eines bemakelten Vertrags hingegeben, jedoch in Abwicklung des zunächst wirksam geschlossenen Vertrags (keine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts im Sinne von § 134 oder § 138 BGB!).
Bei der Vorschrift des § 849 BGB handelt es sich gerade nicht um einen allgemeinen Rechtsgedanken im Schadensrecht, der großzügig ausweitend auszulegen wäre (Pal. 78. Aufl. § 849 – Sprau – Rz. 1 mit Hinweis auf BGH NJW 18, 2479 Rz. 45). Eine Ausweitung dieser Sondervorschrift mit Ausnahmecharakter im Deliktsrecht ist auch nicht geboten, denn im Deliktsrecht ist die Frage, ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, nach der sogenannten Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Dabei ist der deliktische Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse beschränkt (vgl. BGH Urteil vom 25.11.1997, Az. VI ZR 402/96; Pal. BGB 78. Aufl. Einf. Vor § 823 Rn. 24). Damit kann der Kläger lediglich fordern so gestellt zu werden, wie er ohne die Täuschung stünde. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass er damals zwar nicht das betreffende Fahrzeug, aber ein vergleichbares anderes Fahrzeug gegebenenfalls auch eines anderen Herstellers erworben hätte, da davon auszugehen ist, dass der Kläger auf jeden Fall ein Fahrzeug für seine beruflichen und privaten Zwecke benötigt hätte. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er dieses Geld dann alternativ angelegt und damit Zinseinkünfte erwirtschaftet hätte. Ein genereller Verzinsungsanspruch des ursprünglich bezahlten Kaufpreises aus dem Kaufvertrag mit einem Dritten kann somit auch aus § 849 BGB, bei der es sich vielmehr um einen eng begrenzten Ausnahmetatbestand im Deliktsrecht handelt, nicht entnommen werden.
Dies erscheint auch im Hinblick darauf, dass dem Kläger umgekehrt eine Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs vom Kaufpreis in Abzug gebracht wird, nicht unbillig. Denn anders als der Kaufpreis, der im vorliegenden Fall auch nicht an die Beklagte, sondern an einen Händler bezahlt wurde, wird das streitgegenständliche Fahrzeug durch die bestimmungsgemäße Nutzung tatsächlich „verbraucht“ und verliert dadurch zunehmend an Wert, während der abstrakte Geldwert als solcher nicht „verbraucht“ wird, und allenfalls einer möglichen, aber nicht zwingenden Inflation unterfällt. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte den irgendwann aufgrund eines eigenen Vertragsverhältnisses unabhängig vom Kläger als späteren Endkunden erhaltenen Händlereinkaufspreis zur gewinnbringenden Nutzung zur Verfügung hatte, da von diesem Preis zunächst ihre eigenen 51 O 2152/18 – Seite 11 – Aufwendungen für die Entwicklung, Produktion und Vertrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs abzuziehen wären, so dass allenfalls ein hier nicht näher bekannter möglicher Gewinnanteil der Beklagten verbleiben würde, aus dem diese einen wirtschaftlichen Nutzen gezogen haben könnte.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Von einer Berücksichtigung des Unterliegens der Klagepartei hinsichtlich der Zinsforderung ab Kaufzeitpunkt wurde bei der Ermittlung der Kostenquote abgesehen, da die Höhe des insoweit vorliegenden Unterliegens des Klägers maßgeblich davon abhängig ist, dass der Fahrzeugkauf bereits längere Zeit zurück liegt und die Beklagte die Manipulation am Motor über diesen Zeitraum geheim hielt. Es wäre unbillig über die Berücksichtigung eines Unterliegens wegen der über diesen Zeitraum hinweg zu berücksichtigenden Nutzungsentschädigung hinaus auch die nicht zuzusprechenden Deliktszinsen in Anrechnung zu bringen.
D.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
E.
Der Streitwert bemisst sich allein nach der Höhe des Leistungsantrags zu 1), wie er in der Klageschrift zum Ausdruck kam. Mangels Angabe zur damaligen Höhe eines abzuziehenden Nutzungsersatzes und aufgrund der Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung mit Bezifferung der Nutzungsentschädigung auf 0 verbleibt es bei der Höhe des Kaufpreises. Der Feststellungsantrag zum Annahmeverzug hat keinen messbaren Wert, die Nebenforderungen aus Zinsen und vorgerichtlichen Kosten bleiben unberücksichtigt.

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