IT- und Medienrecht

Schadensersatz, Berufung, Marke, Fahrzeug, Mangel, Ermessen, Berichterstattung, Zulassung, Streitwert, Minderwert, Pkw, Medien, Zahlung, Zinsen, Zug um Zug, Ermessen des Gerichts, Aussicht auf Erfolg

Aktenzeichen  15 O 18610/18

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50588
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 32.430,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
I.
Der Anspruch ist verjährt. Die am 24.12.2018 eingegangene Klage wurde der Beklagten am 04.04.2019 zugestellt, nachdem der am 18.01.2019 angeforderte Gerichtskostenvorschuss erst am 22.03.2019 bei der Landesjustizkasse eingegangen ist. Damit ist die Zustellung der Klageschrift nicht alsbald im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.
Verjährung ist am 31.12.2018 eingetreten.
Das OLG München hat am 03.12.2019 (20 U 5741/19) folgenden Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt (ZVertriebsR 2020, 51, beck-online):
„Zwar weist die Berufung zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich diejenige Partei, die sich auf Verjährung beruft, die Voraussetzungen für den Verjährungseintritt darzulegen und zu beweisen hat. Dies kann der Berufung allerdings selbst dann, wenn ihr Vortrag zuträfe, dass die Beklagte vorliegend nichts zur Begründung ihrer Einrede vorgebracht habe, nicht zum Erfolg verhelfen.
Denn vorliegend besteht die Besonderheit, dass der individuelle Verjährungsbeginn, d.h. der Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners, § 199 Abs. 1 BGB, regelmäßig mit dem unstreitigen Zeitpunkt des allgemeinen Bekanntwerdens des „Dieselskandals“ übereinstimmt. Denn über die der Beklagten vorgeworfene Täuschung wurde ab Herbst 2015 umfassend in sämtlichen Medien berichtet; dass ein in Deutschland lebender Kunde des Konzerns hiervon keine Kenntnis gehabt haben sollte, ihm jedenfalls nicht grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorzuwerfen wäre, ist nicht vorstellbar.“
Den ausführlichen Sachvortrag der Beklagten dazu, in welcher Weise seit dem 22.09.2015 über den Dieselskandal in den Medien berichtet wurde, hat der Kläger nicht bestritten. Die Klagepartei hat im Gegenteil selbst frühe Berichterstattung der Presse vorgetragen, z.B. den News-Ticker von focus-online am 20.09.2015, die Online-Berichterstattung der Bild-am-Sonntag am 27.09.2015 und der FAZ-Online am 26.09.2015, S. 11 ff. der Klageschrift. Die Beklagte hat ausführlich vorgetragen, dass in den Medien mit unterschiedlichstem Nutzerkreis – in Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Radio und in Onlinemedien – ausführlich über den Dieselskandal berichtet wurde. Auf die Ausführungen des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 26.04.2019, ab Seite 5 wird Bezug genommen. Auch Audi hat online die Möglichkeit der Abfrage über die … ob das Fahrzeug betroffen ist, eingerichtet und die Presse am 02.10.2015 informiert (S. 12 des Beklagtenvertreterschriftsatzes vom 26.04.2019).
Der von der Beklagten zum Beweis angebotenen Parteieinvernahme des Klägers zu ihrer Behauptung, der Kläger habe schon im Jahr 2015 gewusst, dass sein Fahrzeug betroffen sei, bzw. die Anhörung des Klägers zu seiner Einlassung, er habe erst im Februar 2016 davon erfahren, bedarf es nicht. Denn unterstellt, dies trifft zu, so ist dennoch Verjährung eingetreten, § 199 Abs. 1 Nr. 2 a.E. BGB, da es nach Überzeugung des Gerichts auf grober Fahrlässigkeit beruht, wenn der Kläger nicht bereits im Jahr 2015 davon erfahren hat, dass auch sein Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist, auch wenn es sich dabei um einen Audi und kein Fahrzeug der Beklagten handelt. Denn es ist allgemein bekannt, dass es sich um verbundene Konzerne handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist maßgeblich für den Verjährungsbeginn, ob der Gläubiger auf Grund der ihm bekannten Tatsachen Klage erheben kann – sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage -, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen so viel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 28 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die von der Klagepartei zur Begründung ihres Anspruchs herangezogenen Tatsachen waren im Jahr 2015 bekannt, insbesondere das Vorhandensein der Manipulationssoftware im Motor EA 189 und die Unkenntnis der Zulassungsbehörde hiervon bei Erteilung der Zulassung. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob damals bekannt war, dass auch Organe der Beklagten oder andere gleich zu behandelnde Vertreter von der Manipulationssoftware wussten. Denn die Argumentation der Klagepartei, eine Täuschung dieses Ausmaßes sei ohne Kenntnis des Vorstandes nicht denkbar, war auch auf der Basis des Wissensstandes vom Herbst 2015 möglich.
Die Verjährungsfrist endete daher mit dem Schluss des Jahres 2018, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.
Die am 24.12.2018 bei Gericht eingegangene Klage konnte die Verjährung nicht gemäß § 204 BGB hemmen. Gemäß § 204 Nr. 1 BGB hemmt die Erhebung der Klage*die Verjährung. Erhebung der Klage bedeutet jedoch nicht die Anhängigkeit der Klage durch Einreichung eines Klageschriftsatzes bei Gericht, sondern gemäß § 253 Abs. 1 ZPO die Zustellung der Klage an den Gegner. Diese ist erst am 04.04.2019 erfolgt.
Die Zustellung wirkt auch nicht gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück, da sie nicht demnächst erfolgt ist. Die Verzögerung ist vom Kläger zu vertreten und nicht vom Gericht. Der bereits am 18.01.2019 angeforderte Gerichtskostenvorschuss ist erst am 22.03.2019 bei der Landesjustizkasse eingegangen. Nach der Rechtsprechung des BGH steht dem Kläger nach der Aufforderung für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses eine Frist von 14 Tagen oder unter Umständen auch bis zu drei Wochen zu (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1992, IV ZR 13/91, beckonline). Diese Frist war auch bei Zugrundelegung selbst einer großzügigen Postlaufzeit (innerhalb und außerhalb des Gerichts) von 10 Tagen am 22.03.2019 längst überschritten. Dass die Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses beim Kläger eingegangen ist, ergibt sich daraus, dass ausweislich der Zahlungsanzeige der die Zahlung leistende Rechtsschutzversicherer den zutreffenden Verwendungszweck bzw. die zutreffende Rechnungsnummer angegeben hat. Wenn die Gerichtskostenanforderung den Kläger nicht erreicht haben sollte, hätte er sich spätestens nach dem Ablauf von 7 Wochen seit Einreichung der Klage nachfragen müssen (Palandt/Ellenberger, § 204 Rn 7 BGB). Etwaige Verzögerungen, weil die Zahlung nicht durch den Kläger, sondern durch dessen Rechtsschutzversicherer erfolgte, sind dem Kläger zuzurechnen.
II.
Zudem hat der Kläger auch nach Hinweis des Gerichts am 04.10.2019 (vgl. auch OLG München Urteil vom 04.12.2019, 3 U 2943/19), dass er darlegungs- und beweisbelastet sei, dass Organe der Beklagten oder diesen Gleichgestellte Vorsatz bzgl. der sittenwidrigen Schädigung hatten, keinen tauglichen Beweis angeboten. Der Kläger hat zwar Zeugen benannt (Dorenkamp, Hadler, Gottweiß, Neußer). Diese sollen jedoch zu Behauptungen im Zusammenhang mit der Manipulation von in den USA vertriebener Fahrzeuge Angaben machen. Die Beweistatsachen, zu denen die Zeugen gehört werden sollen, entnimmt der Klägervertreter der Anklageschrift der US-Strafverfolgungsbehörden. Sie beziehen sich auf eine Umgehung amerikanischer Abgastests (S. 4 bis 6 des Schriftsatzes vom 25.11.2019). Da der Kläger seinen Anspruch jedoch auf eine Täuschung der deutschen Zulassungsbehörden im Zulassungsverfahren in Deutschland und auf den Verstoß gegen EU-Vorgaben stützt, kann der erforderliche Beweis für eine diesbezügliche Kenntnis und Vorsatz mit dem angebotenen Zeugenbeweis nicht geführt werden. Eine Vernehmung der Zeugen ist daher nicht veranlasst.
III.
Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf € 32.430,00 festgesetzt. Die Hilfsanträge gehen wirtschaftlich nicht über den Hauptantrag 1 hinaus. Die Anträge 2 und 3 erhöhen als Nebenforderungen den Streitwert nicht.

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