IT- und Medienrecht

Schadensersatz, Leistungen, Erfindung, Patentverletzung, Eintragung, Patentanspruch, Schadensersatzanspruch, Klagepatent, Technik, Verletzung, Werbung, Herausgabe, Berechnung, Schadensberechnung, Stand der Technik, technische Lehre, gesamtschuldnerische Haftung

Aktenzeichen  21 O 6928/15

Datum:
16.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 165017
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
7.819.244,92 € zu bezahlen nebst 5% Zinsen aus 390.576,86 € seit dem
01.01.1997, aus 688.955,97 € seit dem 01.01.1998, aus 944.861,01 € seit dem 01.01.1999, aus 1.035.541,55 € seit dem 01.01.2000, aus 1.162.463,16 € seit dem 01.01.2001, aus 990.280,50 € seit dem 01.01.2002, aus 530.512,90 € seit dem 01.01.2003 und aus 2.076.052,96 € seit dem 01.01.2004.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 60% und die Beklagten als Gesamtschuldner 40% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags, für die Beklagten hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.041.590,79 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg.
1. Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick darauf bestritten hat, dass die Klägerin erst am 28. Juni 2001 als Inhaberin des Klagepatents im Patentregister eingetragen wurde, hat das OLG München mit Urteil vom 15. November 2012 rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin samtverbindlich allen Schaden zu ersetzen haben, welcher der Firma H. GmbH seit dem 1. Mai 1993 bis zum 29. Oktober 1999 und der Klägerin seit dem 30. Oktober 1999 entstanden ist oder noch dadurch entsteht, dass die Beklagten in die Bundesrepublik Deutschland streitpatentgemäße Chromatographieapparate importieren bzw. dort anbieten oder in den Verkehr bringen. Damit ist die Klägerin hinsichtlich des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der streitgegenständlichen Art aktivlegitimiert.
2. Soweit die Beklagten vorbringen, die Beklagte zu 1) sei auf dem deutschen Markt nicht tätig gewesen, kann dem kein Erfolg beschieden sein, nachdem das OLG München mit Urteil vom 15. November 2012 rechtskräftig die gesamtschuldnerische Haftung auch der Beklagten zu 1) für sämtliche Schäden aus der Verletzung des Klagepatents festgestellt hat.
3. Durch das im Vorprozess ergangene rechtskräftige Urteil steht ferner die Schadenersatzpflicht der Beklagten für die Verletzung des Klagepatents fest (§ 139 Abs. 2 PatG).
4. Der Klägerin steht wegen des Vertriebs der streitgegenständlichen Chromatographie-Apparate (Erstmarkt) ein Schadenersatzanspruch in Höhe von insgesamt 5.743.191,96 € (40% von 14.357.979,90 €) zu.
Der durch die Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts zu kompensierende Schaden ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits in der Beeinträchtigung des absoluten Rechts und der mit diesem verbundenen, allein dem Inhaber zugewiesenen Nutzungsmöglichkeiten zu sehen (BGH GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger Tz. 15 m.w.N.). Der Schaden besteht darin, dass der Verletzer die von dem immateriellen Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht.
Zur Kompensation ihres Schadens hat sich die Klägerin von den drei möglichen methodischen Ansätzen zur Schadensberechnung für die Herausgabe des Verletzergewinns entschieden.
a. Die Beklagten haben einen Umsatz mit patentverletztenden XYZ-Geräten in Höhe von 21.144.983,82 € angegeben (Anlage K 5). Die Klägerin hat hiervon die von den Beklagten in der Spalte „Extended Actual Cost Euros“ ausgewiesenen Kosten in Höhe von 6.787.003,92 € abgezogen und hieraus einen Gewinn der Beklagten in Höhe von 14.357.979,90 € errechnet.
Weitere Kostenabzüge waren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vorzunehmen.
Abzugsfähig sind den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zurechenbare Kosten dann, wenn der Verletzer deren Entstehung darlegt und unter Beweis stellt (BGH GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil).
Soweit die Beklagten vorbringen, die in Spalte 9 und 10 der Anlage K 4 ausgewiesenen Kosten seien im Lichte der Angaben gemäß Anlage B 15 unmittelbar und eindeutig dem Umsatz der Beklagten mit den beauskunfteten Vorrichtungen zuzuordnen, ist dies deshalb ohne Belang, da die Klägerin mehrfach – auch schon vorgerichtlich – ohne Erfolg die Spezifikation dieser Kosten moniert und Belege hierfür gefordert hat. Die Beklagten sind dem nicht nachgekommen, so dass ein Abzug dieser Kostenpositionen nicht erfolgen konnte, weil deren Entstehung nicht dargelegt wurde. Es mag sein, dass einzelne Kostenpositionen entsprechend dem Vortrag der Beklagten bestimmten Artikelnummern zuordenbar sind; es fehlt aber an Darlegungen dazu, wie sich diese Beträge ergeben sowie entsprechende Nachweise hierfür. Letztlich erschöpft sich der Vortrag insoweit in schlichten Behauptungen. Exemplarisch für die unzureichenden Darlegungen der Entstehung der geltend gemachten Kostenpositionen ist etwa der Vortrag zum Ansatz von „Standardkosten“, wobei es sich nach den Ausführungen der Beklagten um „zu Beginn eines Jahres geplante (!) Kosten“ handeln soll, die für das gesamte Geschäftsjahr für die Berechnung des Wareneinsatzes und für die Bewertung der Fertigerzeugnisse verwendet werden. Auch in der als Anlage B 16 vorgelegten Auflistung von verschiedensten Kostenpositionen für das B Separation Module mit der Artikelnummer … fehlt jeder Nachweis dafür, dass den Beklagten diese Kosten auch tatsächlich erwachsen sind.
b. Auf Grundlage von § 287 ZPO ist ausgehend von einem Gewinn der Beklagten in Höhe von 14.357.979,90 € ein Kausalitätsabzug in Höhe von 60% vorzunehmen. Ein solcher Abzug ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Beklagten sind verpflichtet, den durch die Verletzungshandlungen erzielten Gewinn vollständig insoweit – aber auch nur insoweit – herauszugeben, als er auf der Benutzung des Klagepatents beruht. Denn der Schaden, den die Beklagte auszugleichen verpflichtet ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass beim Vertrieb der rechtsverletzenden Pumpeinrichtungen die technische Lehre des Klagepatents benutzt worden ist.
Dass ermittelt werden muss, inwieweit der Verletzergewinn auf der Rechtsverletzung beruht, ist in denjenigen Fällen offensichtlich, in denen der geschützte Gegenstand nur eine Einzelheit des in den Verkehr gebrachten größeren Gegenstands betrifft. In einem solchen Fall kann regelmäßig jedenfalls nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der erzielte Gesamtgewinn gerade auf der Benutzung des Schutzrechts beruht. Selbst dann, wenn der in den Verkehr gebrachte Gegenstand insgesamt vom Schutzrecht erfasst und durch dieses jedenfalls mitgeprägt wird, beruht der erzielte Gewinn nicht notwendigerweise nur auf der Benutzung des verletzten Immaterialgüterrechts. Für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstands ist regelmäßig neben der ästhetischen Gestaltung auch die technische Funktionalität von Bedeutung. Es kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der durch die identische Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten Gebrauchsgegenstands erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass jeder Kaufentschluss und damit der gesamte Gewinn allein durch das imitierte Aussehen und nicht durch andere wesentliche Umstände wie etwa die technische Funktionalität oder den niedrigen Preis verursacht worden ist. Entsprechendes gilt für die Benutzung einer patentgeschützten technischen Lehre: Neben den technischen Vorteilen der erfindungsgemäßen Lösung können hier die Formgestaltung des Produkts, sein Hersteller oder die verwendete Marke und damit verbundene Qualitätserwartungen, der Preis und andere vom Patent unabhängige Faktoren die Marktchancen beeinflussen (BGH GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger Tz. 18).
Im Streitfall ist der von der Beklagten vertriebene Gegenstand als teilweise durch die technische Lehre des Klagepatents mitgeprägt anzusehen. Dies folgt schon aus den patentgemäß bestehenden Vorteilen. Diese liegen darin, dass mit konstruktiv einfachen Mitteln die nachteiligen Auswirkungen von Pulsationen in dem besonders kritischen Bereich der niedrigeren Flußraten reduziert werden. Gleichwohl kann hieraus nicht gefolgert werden, dass der mit den streitgegenständlichen Pumpeinrichtungen erzielte Gewinn in vollem Umfang auf der Benutzung dieser Erfindung beruht.
In welchem Umfang der erzielte Gewinn auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführen ist, lässt sich regelmäßig – zumindest mit praktisch vertretbarem Aufwand – nicht genau ermitteln, sondern nur abschätzen. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ist daher nicht im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen. Vielmehr ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstands oder anderen Faktoren beruht (BGH a.a.O. – Flaschenträger Tz. 20). Der Tatrichter hat daher gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, ob zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn der ursächliche Zusammenhang im Rechtssinne besteht und wie hoch der danach herauszugebende Gewinnanteil zu beziffern ist (BGH a.a.O. – Flaschenträger Tz. 20 m.w.N.). Die Grundlagen dieser Schätzung sind – soweit möglich – objektiv zu ermitteln; über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen ist Beweis zu erheben. Die Gesamtheit aller Umstände ist sodann abzuwägen und zu gewichten.
Nach allem kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass 40% des von den Beklagten erzielten Gewinns auf der Patentverletzung beruht. Maßgebend hierfür sind die nachfolgend genannten Faktoren:
aa. Mit dem Klagepatent wird eine Erfindung geschützt, die sich mit Blick auf den relevanten Stand der Technik als eine Detailverbesserung eines bedeutsamen Teils (Pumpeinrichtung) der Gesamtvorrichtung (XYZ-System) darstellt und mangels gleichwertiger Alternativen für die Kaufentscheidung bedeutsam ist.
Die Ermittlung des Abstands der geschützten Erfindung gegenüber dem Stand der Technik lässt Schlüsse darauf zu, in welchem Maß die Nachfrage des Produkts auf die mit der Verwendung des Patents zusammenhängenden technischen Eigenschaften des veräußerten Gegenstands zurückzuführen ist. Sie spiegelt wider, dass die Verkaufs- und Erlösaussichten des erfindungsgemäßen Produkts davon abhängen, ob und in welchem Umfang gleichwertige Alternativen und damit Umgehungsmöglichkeiten des Patents im Verletzungszeitraum zur Verfügung standen (vgl. BGH GRUR 1995, 578 – Steuereinrichtung II). Ergibt sich, dass gegenüber dem erfindungsgemäßen Produkt im Wesentlichen gleichwertige Alternativen existieren, da es sich lediglich um eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts handelt, ist eher anzunehmen, dass der Kaufentschluss nicht allein auf der Verwendung der technischen Lehre, sondern auf weiteren Faktoren beruht (vgl. BGHZ 181, 98 Tz. 52 – Tripp-Trapp-Stuhl). Handelt es sich demgegenüber um ein neues Produkt, das neue Einsatzgebiete erschlossen hat und zu dem es keine solchen Alternativen gab, kann eher angenommen werden, dass der Kaufentschluss gerade auf die Verwendung des Patents zurückzuführen ist.
Die durch den Patentanspruch 1 geschützte Pumpeinrichtung weist folgende Merkmale auf:
Pumpeinrichtung zum Fördern von Flüssigkeit unter hohem Druck, bei dem sich die Kompressibilität der Flüssigkeit bemerkbar macht, mit einer wählbaren Flussrate, umfassend
1. eine erste Pumpenkammer (7),
1.1 in der ein erster Kolben (10) eine Hubbewegung vollführt und
1.2 die eine Einlassöffnung und eine Auslassöffnung aufweist,
2. eine zweite Pumpenkammer (18),
2.1 in der ein zweiter Kolben (20) eine Hubbewegung vollführt und
2.2 die eine Einlassöffnung und eine Auslassöffnung aufweist,
3.eine Verbindungsleitung (12, 14) zwischen der Auslassöffnung der ersten Pumpenkammer und der Einlassöffnung der zweiten Pumpenkammer,
4.ein Einlassventil (4)
4.1 das an die Einlassöffnung der ersten Pumpenkammer angeschlossen ist und
4.2 durch das ein Flüssigkeitsstrom in die erste Pumpenkammer eintreten kann und eine Strömung in entgegengesetzter Richtung verhindert wird,
5. ein Auslassventil (13),
5.1 das an den Auslass der ersten Pumpenkammer angeschlossen ist und
5.2 durch das Flüssigkeit in die zweite Pumpenkammer einströmen kann und eine Strömung in entgegengesetzter Richtung verhindert wird,
6. Antriebsmittel (30, 34; 31, 33; 32, 36)
6.1 für die Hubbewegung des ersten und des zweiten Kolbens, 6.2 wobei die Flüssigkeit in der ersten Pumpenkammer auf einen hohen Druck komprimiert wird, bevor die komprimierte Flüssigkeit in die zweite Pumpenkammer gefördert wird,
7. mit den Antriebsmitteln (30, 34; 31, 33; 32, 36) gekoppelte Steuermittel (41, 42, 43, 44, 35)
7.1 zur Einstellung der Hublängen der Kolben (10, 20) zwischen ihrem jeweiligen oberen und unteren Totpunkt
7.2 in Abhängigkeit von der gewünschten Flussrate der geförderten Flüssigkeit am Ausgang der Pumpenvorrichtung,
7.3 wobei das Hubvolumen (d.h. die während eines Pumpzyklus verdrängte Flüssigkeitsmenge) mit abnehmender Flussrate verringert wird und umgekehrt,
7.4 derart, dass Pulsationen in dem an den Ausgang der Pumpeinrichtung geförderten Flüssigkeitsstrom verringert werden („such that pulsations … are reduced“).
Patentgemäß wird also die Flussrate sowohl durch Veränderung der Hubfrequenz als auch durch Veränderung des Hubvolumens beeinflusst. Dadurch ergeben sich folgende Vorteile (vgl. auch BGH GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung):
– Zum einen wird mit – bei kleinerer Flussrate – kleiner werdendem Hubvolumen auch das Volumen kleiner, das vor Beginn des Förderns auf den Enddruck zu komprimieren ist, was die Kompressionsphase verkürzt und zu geringeren Pulsationen führt;
– zum anderen bedeutet ein geringeres Hubvolumen eine höhere Hubfrequenz und damit eine entsprechend höhere Frequenz der verbleibenden Pulsationen. Diese wirkt sich günstig aus, weil hochfrequente Pulsationen eher wie ein gleichmäßiges Hintergrundsignal wirken, welches das gesamte Chromatogramm im Wesentlichen gleichmäßig beeinflusst.
Sofern die Beklagten der Ansicht sind, die patentgemäßen Vorteile bestünden nicht darin, dass Pulsationen reduziert werden, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes im Nichtigkeitsverfahren (BGH X ZR 115/99, BeckRS 2003, 00089) genau das Gegenteil; dort heißt es:
„Mit konstruktiv einfachen Mitteln werden damit die nachteiligen Auswirkungen von Pulsationen in dem besonders kritischen Bereich der niedrigeren Flußraten reduziert.“
Im Stand der Technik war eine Pumpeinrichtung mit Steuermitteln, mit denen im vorstehend erläuterten Sinne das Hubvolumen mit abnehmender Flußrate derart verringert wird, dass störende Pulsationen in dem an den Ausgang der Pumpeinrichtung geförderten Flüssigkeitsstrom verringert werden (Merkmale 7.3 und 7.4), nicht bekannt (vgl. nur BGH X ZR 115/99, BeckRS 2003, 00089). Wörtlich heißt es in vorgenanntem Urteil mit Blick auf die dem Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren entgegengehaltene US-Patentschrift,
„…, daß die Schrift auch keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß die Verringerung des Hubvolumens bei dem Übergang von einem „gröberen“ zu einem „feineren“ Analysebereich an der Zielsetzung orientiert wäre, Pulsationen zu reduzieren (Merkmal 7.4), oder dieses Ziel auch nur objektiv zu erreichen geeignet wäre.“
Die Behauptung der Beklagten betreffend die Nähe des Klagepatents zum Stand der Technik ist damit als widerlegt anzusehen. Auch für ihre Behauptung, der Erfindungswert des Klagepatents sei gering, da dessen Schutzbereich einfach umgangen habe werden können (Entfernung des Menü-Punkts „Auto Mode“), ist die Beklagte eine tragfähige Begründung schuldig geblieben; es fehlt jeder Vortrag dazu, weshalb sich der Anwender veranlasst gesehen haben sollte, diesen Menüpunkt zu entfernen und was ihn hierzu in die Lage versetzt haben sollte.
Nach allem handelt es sich hier um eine Detailverbesserung eines bedeutsamen Teils (Pumpeinrichtung) der Gesamtvorrichtung (XYZ-System); dass es sich bei der Pumpeinrichtung um ein bedeutsames Teil der Gesamtvorrichtung handelt, ergibt sich etwa daraus, dass verschiedene von der Klägerin aufgeführte Publikationen aus der Fachliteratur die Pumpe als Herzstück des XYZ-Systems bezeichnen. Die genannten Vorteile dieser Detailverbesserung haben letztlich auch die Beklagten als bedeutsamen Gesichtspunkt für die Kaufentscheidung angesehen. Zwar haben sie vorgetragen, die patentgemäße Funktion sei für die überwiegende Mehrheit der Anwender ohne praktische Bedeutung gewesen, da mit Flussraten von 1,0 oder 1,2 ml/min gearbeitet worden sei, so dass es zu keiner automatischen Veränderung des Hubvolumens gekommen sei. Gleichwohl haben sie – etwa mit dem als Anlage B 6 vorgelegten Werbeprospekt – gerade die patentgemäßen Vorteile als neue und innovative Technik beworben, indem sie das Eliminieren von Pulsationen deutlich herausgestellt hat. Wörtlich heißt es dort:
„… This sophisticated, softwaredriven mechanism produces pulsefree eluent delivery, …”
Bezogen auf die patentgemäße Innovation haben die Beklagten die Existenz gleichwertiger Alternativen nicht vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten während des Verletzungszeitraumes über Umgehungslösungen verfügt haben, die als den patentgemäßen Vorteilen gleichwertig zu qualifizieren wären.
Soweit die Beklagten vorgetragen haben, im schadensrelevanten Zeitraum sei in der Praxis in 80 – 90% der Fälle mit Flussraten von entweder 1,0 oder 1,2 ml/min und Trennsäulen mit einem Innendurchmesser von 3,9 oder 4,6 mm gearbeitet worden, so dass die patentgeschützte Lehre keine Bedeutung gehabt und die Kaufentscheidung nicht habe beeinflussen können, ist dies schwerlich zu vereinbaren damit, dass die Beklagten trotz dieser angeblich praktisch nicht relevanten Lehre diese übernommen haben, zumal die streitgegenständlichen Geräte unstreitig einen Flussratenbereich zwischen 0,1 ml/min und 10 ml/min aufwiesen, so dass mit der Klägerin davon auszugehen ist, dass dieses Spektrum und damit die patentgemäßen Vorteile auch genutzt wurden oder – was ebenfalls ausreichend ist – benutzt werden konnten.
bb. Der hohe Stellenwert der Erfindung für die Beklagten zeigt sich auch daran, dass sie selbst nach der Erhebung der Verletzungsklage im Jahr 2000 die patentverletzenden Handlungen weiter fortgesetzt hat, obwohl das Bundespatentgericht die gegen das Streitpatent gerichtete Nichtigkeitsklage bereits mit Urteil vom 16. April 1999 abgewiesen hatte. Dieses Verhalten lässt erkennen, dass die Beklagten auf jeden Fall mit den angegriffenen Gegenständen kontinuierlich auf dem Markt vertreten bleiben wollten. Dies war ihnen derart wichtig, dass sie nicht bereit waren, den Vertrieb der angegriffenen Gegenstände bis zur gerichtlichen Klärung der Verletzungsfrage vorübergehend einzustellen, obwohl nach dem Urteil des Bundespatentgerichts von der Schutzfähigkeit des Klagepatentes ausgegangen werden musste. Mit dem Verhalten der Beklagten wird der hohe Stellenwert der Erfindung dokumentiert; die Kammer hält den im Wege der Schätzung zu ermittelnden Anteil der erfindungsgemäßen Ausgestaltung am Verletzergewinn der Beklagten mit 40% auch und gerade unter diesem Gesichtspunkt für angemessen.
cc. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, für die Kaufentscheidung seien folgende besondere Merkmale maßgeblich gewesen, nämlich
– die Ausstattung des Systems mit einer völlig neuartigen und technisch höchst anspruchsvollen Kolbenantriebseinrichtung („…this is the world’s first XYZ solvent management System which completely independent digitally controlled piston drives …“) und
– die Vereinigung der für ein XYZ-System maßgeblichen Systemkomponenten, d.h. das Lösungsmittel-Management-System und das Proben-ManagementSystem, in einem einzigen kompakten Modul, welches die benutzerfreundliche Verbringung an einen anderen Standort erlaubt habe, ist festzustellen, dass auch das Klagepatent eine Ausführungsform mit separat angetriebenem Kolben vorsieht (Klagepatent Seite 6 Absatz 3). Hinsichtlich der Modulbauweise ist nicht ersichtlich, dass diese Eigenschaft der XYZ-Systeme der Beklagten auch werblich in irgendeiner Form herausgestellt wurden (die Anlage K 13 stellt keine Werbung der Beklagten, sondern eine Marktanalyse der Fa. … dar), so dass auch von einer Relevanz dieses Merkmals für die Kaufentscheidung nicht ausgegangen werden kann. Auch für die Vereinigung der für ein XYZ-System maßgeblichen Systemkomponenten ist eine besondere werbliche Herausstellung nicht dargetan.
dd. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, die Bedeutungslosigkeit der verletzungsrelevanten Merkmale für die Kaufentscheidung zeige sich auch daran, dass die Beklagte zu 2) in der Zeit zwischen Juni 1996 und August 2002 ihre Umsätze mindestens zu 68% mit Bestandskunden erzielt habe, hat die Klägerin zwar vorgetragen, die hohe Wertschätzung der Kunden gehe auf die Rechtsverletzung und die Markteinführung der B Systeme zurück. Gleichzeitig kann die Klägerin den auch im Falle der Beklagten geltenden Grundsatz, dass für die Produktvermarktung neben der technischen Funktionalität auch andere Faktoren wie die mit der Marktstellung des Anbieters im Zusammenhang stehende Kundenbindung von Bedeutung sind, nicht überzeugend in Abrede stellen. Da die Beklagten unbestritten bis zur Rechtsverletzung bereits eine starke Marktstellung innehatten und ihre Umsätze – auch mit den rechtsverletzenden – Produkten daher auch hieraus und der damit zusammenhängenden Kundentreue resultieren, muss dieses Moment im Rahmen der Kausalitätsbewertung berücksichtigt werden.
ee. Nicht gefolgt werden kann dem Beklagtenvortrag allerdings insoweit, als fehlende Umsatzrückgänge nach der Eliminierung der automatischen Hubanpassung durch die Betriebssoftware Version 2.02 zeigen sollen, dass ein Einfluss der Patentverletzung auf die Kaufentscheidung gleichsam ausgeschlossen werden könne.
Der Verweis auf nach dem Verletzungszeitraum vertriebene, nicht schutzrechtsverletzenden XYZ-Systeme ist unbeachtlich, weil es hier alleine um die Frage geht, ob sich bei den konkreten Umsatzgeschäften im Verletzungszeitraum die schutzrechtsverletzende Gestaltung auswirkte (vgl. BGH a.a.O. – Flaschenträger Tz. 33 m.w.N.). Ein Produkt, das im Verletzungszeitraum tatsächlich nicht vertrieben wurde, ist für die Beurteilung der Marktchancen der Erfindung in diesem Zeitraum und damit auch für die Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unerheblich. Die Herausgabe des Verletzergewinns zielt auf eine Kompensation des Umstands, dass sich der Verletzer bei Umsatzgeschäften die erfindungsgemäße Lehre zu Nutze gemacht und damit die von der Rechtsordnung dem Schutzrechtsinhaber zugewiesene Marktchance für sich genutzt hat. Ausgangspunkt ist daher die Verletzung des Schutzrechts. Die Berücksichtigung des genannten Einwands des Verletzers stünde im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Kompensation der Rechtsbeeinträchtigung in der Form der Herausgabe des Verletzergewinns und insbesondere zu dem Gedanken, dass der Verletzte durch die Herausgabe des Verletzergewinns so zu stellen ist, als hätte er ohne die Rechtsverletzung den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt.
ff. Insgesamt erweist sich damit für die Schätzung als maßgeblich, dass die streitgegenständliche Erfindung mit Blick auf den relevanten Stand der Technik eine Detailverbesserung eines bedeutsamen Teils (Pumpeinrichtung) der Gesamtvorrichtung (XYZ-System) darstellt, deren Bedeutung für die Kaufentscheidung mangels gleichwertiger Alternativen für diese Detailverbesserung – nicht aber für das Produkt als solches – durchaus hoch einzuschätzen ist. Auf der anderen Seite sind mit Blick darauf, dass mit der Erfindung zwar eine Verbesserung erreicht, aber keine neuen Einsatzgebiete erschlossen wurden, Abschläge vorzunehmen, da im Falle von Detailverbesserungen – auch an wesentlichen Teilen – zu berücksichtigen ist, dass auch – letztlich nicht messbare – Faktoren wie Kundenbindung, Preisgestaltung, Vertriebsanstrengungen etc. den Kaufentschluss beeinflusst haben.
5. Wegen der Folgeumsätze aus dem Vertrieb der streitgegenständlichen Chromatographie-Apparate steht der Klägerin ein Schadenersatzanspruch in Höhe von insgesamt 2.076.052,96 € zu.
Der Verletzer ist dem Verletzten nach § 139 PatG zum Ersatz des aus der Verletzung entstandenen Schadens verpflichtet. Für den Schadensersatzanspruch gelten grundsätzlich die Regelungen in den §§ 249 ff. BGB (Keukenschrijver in Busse, PatG, 8. Auflage 2016, § 139 Rn. 130). Demzufolge sind auch solche Umsätze in die Schadensberechnung einzuschließen, die durch die Patentverletzung überhaupt erst ermöglicht wurden, etwa das Geschäft mit Zubehör- und Ersatzteilen, Kundendienst und Wartung für patentverletzende Gegenstände (so auch Kamlah in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 1. Auflage 2012, § 10 Rn. 123). Auch bei den vom Hersteller der patentverletzenden Grundprodukten erwirtschafteten Umsätze mit dem nachgelagerten Zubehör- und Ersatzteilgeschäft handelt es sich regelmäßig um Schäden, die aus der Verletzung resultieren, da sie durch die vorausgegangene Verletzung erst ermöglicht wurden. Dabei ist die Frage der Marktstrukturen betreffend der nachgelagerten Geschäftschancen insbesondere mit Blick auf die Herstellerbindung und das Auftreten Dritter auf diesem Markt im Rahmen eines möglichen Kausalitätsabschlags zu berücksichtigen.
Für die Entscheidung über die Schadenshöhe reicht eine erhebliche, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die richterliche Überzeugungsbildung aus (BGH NJW 2013, 2584). Dabei kommt dem Geschädigten die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute. § 287 ZPO gilt für alle Schadensersatzansprüche gleichermaßen, ohne dass es auf die konkrete Anspruchsgrundlage (Vertrag, Delikt, Gefährdungshaftung) ankommt (Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 249, Rn. 499). Mit der Anwendung von § 287 ZPO wird insbesondere den Schwierigkeiten Rechnung getragen, die sich daraus ergeben, dass der Geschädigte immer auch einen hypothetischen Kausalverlauf beweisen muss (hier: In welcher Höhe wären ohne die Patentverletzung weitere Folgeumsätze durch die Klägerin generiert worden?). Dem Geschädigten obliegt es allerdings, tragfähige Anknüpfungstatsachen vorzutragen, damit die Schätzung auf einer gesicherten tatsächlichen Grundlage ruht und nicht mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte „völlig in der Luft“ hängt (Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., 7Rn. 499). Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, so ist es gleichwohl in aller Regel nicht gerechtfertigt, dem Geschädigten jeden Ersatz zu versagen; der Tatrichter muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist (ständige Rechtsprechung, siehe etwa BGH NJW 2013, 2584 m.w.N.).
Aus dem Vortrag der Parteien ergeben sich hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen dafür, dass die Beklagten aufgrund der Patentverletzung unmittelbare Folgeumsätze erzielt haben.
a. Unstreitig ist, dass für die streitgegenständlichen Geräte typischerweise Reparatur- und Wartungsarbeiten anfallen, die regelmäßig im Rahmen dauerhafter ServiceVerträge erbracht werden; die mechanischen Teile der Geräte bedürfen zur Aufrechterhaltung der vollen Funktionsfähigkeit der Überprüfung und Einstellung, die XYZ-Geräte steuernde Software bedarf der Aktualisierung. Ferner müssen Verschleißteile bei bestimmter Betriebsdauer erneuert werden, auftretende Schäden oder Fehler durch Ersatzteile korrigiert werden. Des Weiteren werden beim Einsatz von XYZ-Geräten gerätespezifische Verbrauchsmaterialien benötigt, etwa sog. Trennsäulen, Reagenzien und Probenglasfläschchen. Es liegt demnach ein typischer Fall vor, in dem die Herstellung patentverletzender Grundprodukte nachgelagerten Umsätze im Zubehör- und Ersatzteilgeschäft gerade ermöglicht.
Begründete Zweifel daran, dass diese als Folgeumsätze oder „Aftermarket“ bezeichneten Leistungen zumindest von einem Teil der Käufer bzw. Nutzer von XYZGeräten bei dem gleichen Lieferanten bezogen werden, von dem auch das XYZGerät stammt, bestehen aus Sicht der Kammer nicht. Es stellt sich – gerade bei gewerblichen Abnehmern – als geradezu typisches Verhalten dar, entsprechende Leistungen aufgrund der durch den Erwerb bereits bestehenden Verbindung zum Hersteller eben bei diesem nachzufragen. Angesichts dessen, dass beide Parteien ihre Umsätze in diesem Marktsegment im Verhältnis zum „Erstmarkt“ zunächst mit über 30% angegeben haben, kann entgegen dem Vortrag der Beklagten auch nicht davon ausgegangen werden, dass Aftermarket-Leistungen nur deshalb von den Beklagten bezogen wurden, weil sich die Angebote der Beklagten gegenüber jenen der Mitbewerber der Aftermarket-Leistungen durchsetzten. Nach dem Vortrag der Parteien besteht aber auch kein Grund zur Annahme, dass die Folgeleistungen aufgrund technischer Notwendigkeit praktisch vollständig beim Hersteller abgerufen werden müssen, dass also Wartung, Reparatur und Software-Updates nur von den Technikern des entsprechenden Herstellers erbracht werden können sollen. Gleiches gilt für Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien; diese müssen zwar gerätespezifisch und kompatibel sein, dafür aber nur dann vom Original-Hersteller stammen, wenn hierfür rechtliche (z.B. Patentschutz) oder tatsächliche Gründe (z.B. geheimes Know-How) bestehen; hierfür ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nichts. Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien für das streitgegenständliche B System konnten nach dem Vortrag der Beklagten im Betrachtungszeitraum von zahlreichen herstellerunabhängigen Unternehmen bezogen werden, die auch Wartungs-/Reparaturleistungen für jedwede XYZ-Systeme anboten. So waren etwa Anschlusseinrichtungen („fittings“) für Trennsäulen unstreitig herstellerübergreifend normiert, so dass Trennsäulen jeglicher Provenienz damals wie heute in allen XYZ-Systemen verwendet werden konnten. Die Beklagten haben ferner zahlreiche Unternehmen benannt (Anlage B11), die entsprechende Chemikalien wie mobile Phasen und Lösungsmittel zum Einsatz in den fraglichen ChromatographieGeräten angeboten haben. Von einer Herstellerbindung von praktisch 100% kann angesichts dessen entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht ausgegangen werden, dies insbesondere auch im Hinblick auf das aus dem …-Bericht (von der Klägerin vorgelegt als Anlage K 21, dort insbesondere Seite 136 ff.) hervorgehende Zahlenmaterial. Der Vortrag, nur die Streitparteien hätten den sog. High-End-Markt bedienen können, bleibt eine nicht weiter substantiierte Behauptung, die von den Beklagten – etwa mit Blick auf herstellerunabhängige Normierungen – widerlegt wurde. Dass es Drittanbieter gab, räumt letztlich auch die Klägerin ein.
Es kann daher mit für die richterliche Überzeugungsbildung hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass von den Beklagten als unmittelbar kausale Folge der Patentverletzung auch Aftermarket-Umsätze generiert wurden.
b. Es ergeben sich aus dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien auch hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen für die Bemessung eines Mindestschadens.
Aus dem Vortrag beider Parteien ergibt sich, dass der Aftermarket für die Hersteller von XYZ-Geräten ein wichtiges Geschäftsfeld und einen bedeutenden Umsatzträger darstellt. Während die Klägerin vorträgt, im mehrjährigen Durchschnitt entfielen bei dem Geschäft mit XYZ-Geräten 40% des Gesamtumsatzes auf die Lieferung der Geräte und 60% des Gesamtumsatzes auf den Aftermarket (vgl. nur Anlage K 21, Seite 68), beziffern die Beklagten den entsprechenden Anteil des Aftermarkets an ihrem Gesamtumsatz mit XYZ-Systemen mit 31,8% bzw. – zuletzt für die Jahre 1998 bis 2002 – mit durchschnittlich 33,02%. Damit ist als gesicherte Ausgangsgröße zur Schätzung eines Mindestschadens zumindest von einem Anteil von 31,8% Aftermarket-Anteil am Gesamtumsatz der Beklagten auszugehen.
Damit ergeben sich für den Zeitraum 6/1996 bis 8/2002 auf das streitgegenständliche System bezogene Aftermarket-Umsätze bei den Beklagten in Höhe von mindestens 9.859.391,00 € (21.144.983,82 € : 68,2; Erg. x 31,8), wobei Bezugsgröße für diesen Anteil der Gesamtumsatz der Beklagten ist mit den streitgegenständlichen Geräten ist. Legt man die von der Klägerin vorgelegten Zahlen zum Verhältnis Erstmarkt – Aftermarket (Anlage K 21, S. 39) zugrunde, ist sogar von einem Anteil des Aftermarket am Gesamtumsatz von etwa 61% auszugehen.
Angesichts dessen, dass die Beklagten selbst die Bedeutung der Kundenbindung für den Aftermarket herausstellen, ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb gerade bei den Beklagten der Anteil am Aftermarket trotz ihrer starken Marktstellung und Kundenbindung in diesem Bereich hinter den allgemeinen Marktverhältnissen, wie sie von der Klägerin unter Vorlage einer Marktanalyse (Anlage K 21) dargelegt wurden, zurückbleiben sollten. Die Kammer schätzt den Anteil der Folgeumsätze am Gesamtumsatz daher auf Basis des Vortrags beider Parteien zu den Marktverhältnissen auf 45%, so dass sich Aftermarket-Umsätze der Beklagten in Höhe von geschätzt 17.300.441,30 € ergeben (21.144.983,82 € : 55 Erg. x 45). Soweit die Beklagten mit der Duplik vorgetragen haben, die Folgeumsätze beliefen sich lediglich auf 4.647.308,00 €, ist dies mit dem Vortrag in der Klageerwiderung (Gesamtumsatz mit XYZ-Systemen 129.224.000 €, Umsätze mit Aftermarket-Leistungen 41.151.000,00 €) nicht in Einklang zu bringen und kann der hier vorzunehmenden Schätzung daher nicht zugrunde gelegt werden.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Gewinnspanne (operative Marge) bei den Umsätzen mit Aftermarket-Leistungen sei typischerweise eher höher, jedenfalls aber nicht niedriger als bei den Umsätzen mit dem Verkauf der XYZ-Geräte. Mangels konkreter Zahlenangaben schätzt die Kammer das Verhältnis Umsatz/ Gewinn ausgehend von den Verletzungsgegenständen mit etwa 60%, was einerseits in etwa den von den Beklagten erzielten Gewinnmargen beim Gesamtumsatz, andererseits der für den Erstmarkt errechneten Gewinnmarge von 66% entspricht. Somit ergibt sich ein geschätzter Gewinn in Höhe von 10.380.264,78 € (60% von 17.300.441,30 €).
Hiervon ist ein Kausalitätsabschlag in Höhe von 80% vorzunehmen. Die Höhe dieses Abschlags liegt darin begründet, dass die für die Kaufentscheidung maßgeblichen Faktoren – im Vergleich zum Vertrieb der Systeme selbst -wesentlich abweichend: Während für die Kaufentscheidung hinsichtlich der Systeme vor allem die technische Innovation als bedeutsamer Faktor anzusehen war, spielt dieser für die Kaufentscheidung betreffend Service und Ersatzteile allenfalls mittelbar eine Rolle, denn diese Leistungen können grundsätzlich unabhängig von der patentgemäßen Lehre erfolgen. Dementsprechend muss auch von einer Wettbewerbssituation mit mehreren Marktteilnehmern ausgegangen werden, so dass der Vertriebserfolg in diesem Bereich nur noch insoweit durch die Herstellereigenschaft (System) bedingt ist, als die Kundenbindung an den Hersteller für die Kaufentscheidung bedeutsam ist. Diese wird von den Beklagten aber gerade als hoch beschrieben, so dass davon auszugehen ist, dass Kunden, die das System bei den Beklagten bezogen haben, in relevantem Maße auch die Ersatzleistungen über diese beschafft haben. Der vorzunehmende Kausalitätsabschlags ist daher unter Berücksichtigung der genannten Umstände deutlich höher zu bemessen und wird von der Kammer mit 80% angesetzt.
Im Ergebnis ist der Schaden der Klägerin aus den von der Beklagten mutmaßlich erzielten Folgeumsätzen auf 2.076.052,96 € zu schätzen.
c. Soweit die Beklagte meint, die Klägerin vermische unzulässig zwei Schadensberechnungsmethoden (konkrete Schadensberechnung/Herausgabe des Verletzergewinns), kann dem nicht gefolgt werden. Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe als unmittelbar kausale Folge der Verkäufe der streitgegenständlichen B Systeme weitere Gewinne erzielt. Eben diese verlangt sie als Verletzergewinn heraus.
6. Die Zinsen ergeben sich aus der von der Klägerin vorgelegten Berechnung mit der Maßgabe, dass statt eines Gewinnfaktors von 0,7 (= 70%) lediglich ein Gewinnfaktor von 0,4 (= 40%) in Ansatz zu bringen war (siehe dazu oben I.3.b.).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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