IT- und Medienrecht

Schadensersatz nach verpasstem Urlaubsrückflug wegen falscher Fluginformation durch die örtliche Reiseleitung

Aktenzeichen  112 C 2436/14

Datum:
19.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB  § 254, § 278, § 280, § 651a

 

Leitsatz

Teilt die örtliche Reiseleitung dem Auslandsreisenden mehrfach ein falsches Rückflugdatum mit und verpasst der Reisende deswegen den Flug, ist der Pauschalreiseveranstalter wegen der Kosten des selbst organisierten Rückflugs schadensersatzpflichtig (ebenso LG Frankfurt a.M. BeckRS 2016, 07182). (redaktioneller Leitsatz)
Den Reisenden trifft kein Mitverschulden, wenn er trotz entgegen stehender Angaben in den Reiseunterlagen den wiederholten Falschangaben der Reiseleitung vertraut, weil auch kurzfristige Verschiebungen der Flugzeiten nicht ungewöhnlich sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.389,21 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.04.2014 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 1.514,85 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
I.
Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von insgesamt 1.389,21 € verlangen (1.356,11 € für den Rückflug /33,10 € Mobilfunkkosten).
Die Beklagte ist dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie eine Nebenpflicht des Reisevertrags verletzt hat (§§ 280 Abs. 1, 651 a, 241 Abs. 2 B GB). Sie muss sich dabei das Verhalten der von ihr eingesetzten Reiseleitung zurechnen lassen (§ 278 BGB).
Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand ein Reisevertrag. Die geschuldeten Leistungen umfassten auch den Transfer vom Hotel zum Flughafen sowie An- und Abreise.
Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses obliegt der Beklagten die Pflicht, den organisatorischen Ablauf der Reise sicherzustellen und insbesondere den Reisenden keine falschen Informationen zu erteilen. Diese Pflicht obliegt auch den Personen, die die Beklagte zur Erfüllung ihrer reisevertraglichen Pflichten einsetzt. Erteilen solche Personen, die im Rahmen der reisevertraglichen Verpflichtungen der Beklagten tätig werden, falsche Informationen, muss sich die Beklagte das Verschulden dieser Personen als Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen (siehe hierzu auch LG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.06.2014, 2-24 O 125/13).
Diese vertragliche Nebenpflicht hat die Beklagte verletzt, indem die von ihr eingesetzten Reiseleiter dem Kläger und seiner Ehefrau insgesamt vier Mal mitgeteilt hat, dass der Rückflug am 12.02.2014 um 22.00 Uhr stattfinde, statt – wie ursprünglich gebucht – am 11.02.2014.
Dieses Verhalten der Reiseleitung ist unstreitig und steht zudem aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Die Zeugin … bestätigt in ihrer Zeugeneinvernahme, dass ihrem Ehemann und ihr insgesamt vier Bestätigungen vor Ort über den Abflug übergeben wurden.
Diese Falschinformation durch die örtliche Reiseleitung muss sich die Beklagte zurechnen lassen. Denn sie würde im Pflichtenkreis der Beklagten tätig. Die Beklagte hatte die örtliche Agentur zur Erfüllung ihrer reisevertraglichen Pflichten eingesetzt, die damit Erfüllungsgehilfen des Reiseveranstalters sind, für deren Fehlverhalten der Reiseveranstalter gemäß § 278 BGB einzustehen hat.
Dem Kläger ist auch kein Mitverschulden anzulasten, dass er der Information der örtlichen Reiseleitung vertraut hat und nicht noch weitergehende Nachforschungen angestellt hat. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger und seine Ehefrau auch bei der Rezeption des Hotels nachgefragt haben, ob das Zimmer bis zum 12.02.2014 für sie gebucht sei. Dies sei ihnen bestätigt worden. Gründe, der Zeugenaussage der Zeugin … einen Glauben zu schenken, bestehen für das Gericht nicht. Anlass zu Zweifel an der Richtigkeit der Information musste der Kläger daher insgesamt nicht haben. Dem Kläger wurde im Verlauf der Reise insgesamt vier Mal die gleiche (falsche) Information gegeben. Im Flugverkehr ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass sich Flugzeiten kurzfristig verändern können. Insofern war die Information nicht ungewöhnlich und musste den Kläger nicht misstrauisch machen. Er durfte ferner davon ausgehen, dass eine von der Reiseleitung gegebene Information geprüft wurde – insbesondere, wenn sie wiederholt abgegeben wird. Ergibt sich aus der Information selbst nicht, dass sie zu hinterfragen ist, z. B. dass aufgefordert wird, sich selbst noch einmal bei der Fluggesellschaft zu informieren, kann grundsätzlich von der Richtigkeit ausgegangen werden. Es bestand für den Kläger nicht die Verpflichtung, zusätzlich bei der Beklagten in Deutschland anzurufen oder weitere. Maßnahmen zu treffen, um die Richtigkeit der Information zu überprüfen.
Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass den Reiseunterlagen unzweifelhaft und unschwer zu entnehmen ist, dass der ursprüngliche Rückflug von Kon Samui am 11.02.2014 geplant war. Die Transferleistung, dass der Weiterflug aufgrund der Nachtzeit erst am nächsten Tag, also dem 12.02.2014, losgeht, ist jedem durchschnittlich gebildetem Menschen ohne weiteres möglich. Das muss sich aber eben nicht nur der Kläger entgegenhalten lassen, sondern auch die Reiseleitung, die die falsche Information erteilt hat.
Die Reiseleitung handelte auch schuldhaft. Gemäß § 280 Abs. 1 BGB ist das Verschulden zu unterstellen. Gründe, die das Verschulden entfallen lassen könnten, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.
Da sich ein Schadensersatzanspruch bereits aus der Verletzung dieser Nebenpflicht durch Falschinformation zwanglos ergibt, kommt es im Folgenden gar nicht mehr darauf an, ob dem Kläger telefonisch durch die Beklagte mitgeteilt wurde, sie würde die Kosten der Rückreise ersetzten oder nicht. Aufgrund des bestehenden Schadensersatzanspruchs ist die Beklagte zum Ersatz des Schadens ohnehin verpflichtet. Der aus der Pflichtverletzung folgende Schaden besteht in den Kosten, die der Kläger und seine Ehefrau für die Rückbeförderung aufwenden mussten. Zum einen handelt es sich um die der Höhe nach nicht bestrittenen Kosten für den Rückflug in Höhe von 1.356,11 € und zum anderen in den Kosten, die der Kläger aufwenden musste, um sich telefonisch mit der Beklagten auseinanderzusetzen. Aus der vorgelegten Mobilfunkrechnung von Februar 2014 ergeben sich Kosten für Auslandsgespräche in Höhe von insgesamt 33,10 €. Der Grundpreis ist nicht erstattungsfähig, da er so wie so angefallen wäre.
II.
Die Verpflichtung zur Zinszahlung ergibt sich aus §§ 286, 288, 280 BGB.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann der Kläger aus Verzugsgesichtspunkten ersetzt verfangen. Die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts war zweifelsohne zweckmäßig, da die Beklagte dem Kläger gegenüber gerade nicht jegliche Zahlung abgelehnt hat, sondern sich lediglich mehrfach, dahingehend geäußert hat, dass weitere Erkundigungen eingeholt werden müssten und der Anspruch geprüft werde. Diese errechnen sich wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr
149,50 €
Pauschale
20,00 €
MWSt 19%
32,21 €
GESAMT
201,71 €
III.
Die Kostenentscheidung, ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1 BGB, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ff. ZPO festgesetzt.

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