IT- und Medienrecht

Seelische Belastung als wichtiger Grund für Namensänderung

Aktenzeichen  5 ZB 16.718

Datum:
12.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2018, 350
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 3 Abs. 1, § 11

 

Leitsatz

Eine seelische Belastung kann nur dann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist.

Verfahrensgang

7 K 15.4401 2016-02-17 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die im November 2013 in der Landeshauptstadt M. geborene und dort wohnhafte Klägerin begehrt die Änderung ihres bei der Geburt erteilten, aus vier Namen bestehenden Vornamens V. T. … A. J. … in V. H. M. J. … Die ersten drei Vornamen sind vietnamesischen Ursprungs, der vierte ist ein gebräuchlicher europäischer Vorname. Zur Begründung ihres Antrags ließ die allein sorgeberechtigte Mutter der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2015 vortragen, der Vorname V. T. … Anh sei mit dem eines weiblichen Familienmitgliedes in Vietnam identisch. Dies bedeute nach dem Glauben der Mutter großes Unglück für das Kind. Zudem sei der Vorname kompliziert und schwierig auszusprechen. Mit Bescheid vom 1. September 2015 lehnte die Beklagte die beantragte Namensänderung wegen Fehlens eines wichtigen Grundes ab. Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 17. Februar 2016 ab. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, in dem sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht. Die Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen. Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich nicht zum Verfahren geäußert.
II.
1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe, soweit sie in der nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Weise dargelegt worden sind, nicht vorliegen.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NJW 2016, 1243/1244 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
aa) Die Bevollmächtigte der Klägerin führt – unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und teils ohne Zuordnung zu einem bestimmten Zulassungsgrund, aber in der Sache auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezogen – aus, durch die begehrte teilweise Änderung des Vornamens würden Belange der Allgemeinheit kaum berührt. Demgegenüber seien erhebliche Unzuträglichkeiten zu erwarten, wenn die Klägerin erfahre, dass sie einen Unglück bringenden Namensteil trage. Gleiches gelte, wenn sie weiterhin den Mittelnamen „T …“ führe, der im deutschen Sprachgebrauch mit Straßenbahn übersetzt werde. Darüber hinaus seien die Aussprache und Schreibweise ihres derzeitigen Namens mit „h“ kompliziert und schwierig. Aberglaube und Ahnenkult hätten in Vietnam besondere Bedeutung. Zwar sei die Klägerin noch ein Kleinkind, jedoch gehe es zum einen um die seelische Belastung der mit ihr eng verbundenen Mutter und zum anderen um die Prävention einer späteren seelischen Belastung der Klägerin selbst. Die Mutter der Klägerin habe erst nach der Namensgebung erfahren, dass bereits eine frühere weibliche Verwandte in Vietnam den Namen V. T. … A. habe und dass dies Unglück über die Klägerin bringe.
Dieser Vortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs zu Recht entschieden, dass ein wichtiger Grund für die begehrte Vornamensänderung nicht gegeben ist. Ein die Änderung des Namens rechtfertigender wichtiger Grund im Sinn des § 3 Abs. 1 NamÄndG liegt vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt; dies gilt für die Änderung eines Vornamens (§ 11 NamÄndG) ebenso wie für die Änderung eines Familiennamens (BVerwG, B.v. 19.5.2016 – 6 B 38.15 – NJW 2016, 2761; BayVGH, U.v. 2.12.2015 – 5 B 14.927 – BayVBl 2016, 418; B.v. 26.2.2014 – 5 B 12.2541 – NJW 2014, 3052/3053; jeweils m.w.N.). Die Änderung des Vornamens unterscheidet sich von der Änderung eines Familiennamens nur dadurch, dass den öffentlichen Interessen, auf die bei der Änderung eines Vornamens Bedacht zu nehmen ist, ein geringeres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse am unveränderten Fortbestand eines Familiennamens (BVerwG, B.v. 19.5.2016 – 6 B 38.15 – NJW 2016, 2761). Gleichwohl hat auch die Änderung des Vornamens Ausnahmecharakter, so dass es in jedem Einzelfall einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Vornamenskontinuität bedarf (vgl. OVG NW, U.v. 31.5.2016 – 16 A 754/14 – juris Rn. 52 m.w.N.). Insoweit verbleibt es bei der – mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vereinbaren – gesetzgeberischen Grundentscheidung, derzufolge die Führung des Vornamens der freien Disposition entzogen ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 5 B 12.2541 – NJW 2014, 3052/3053 m.w.N.).
Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Vornamensänderung zu Recht verneint. Sämtliche von der Klägerin vorgetragenen Argumente – die Schwierigkeiten der Aussprache und Schreibweise des Vornamens, die Unzuträglichkeiten wegen des anderweitig konnotierten Mittelnamens „T …“ und die (ohnehin nur partielle) Vornamensgleichheit mit einer Verwandten in Vietnam – lagen objektiv bereits zum Zeitpunkt der Wahl des Vornamens vor. Ein wichtiger Grund für die Änderung des von den Erziehungsberechtigten gewählten Vornamens eines Kindes kann jedoch grundsätzlich nicht aus Umständen hergeleitet werden, denen bereits bei der ursprünglichen Namenswahl hätte Rechnung getragen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 22.6.2016 – 5 BV 15.1819 – DÖV 2017, 164 (Ls.) = juris Rn. 17; B.v. 26.2.2014 – 5 B 12.2541 – NJW 2014, 3052/3053; jeweils m.w.N). Die behördliche Namensänderung nach § 11 i.V.m. § 3 Abs. 1 NamÄndG dient dazu, Unbilligkeiten im Einzelfall auszugleichen, nicht aber dazu, vermeidbare Versäumnisse aus der Vergangenheit aufzufangen und nachzubessern. Der Umstand, dass sich die Mutter der Klägerin erst nachträglich bei Verwandten in Vietnam über die partiell bestehende Namensgleichheit informiert haben will, ändert daran nichts. Dass der Namensgebungsberechtigte die Namenswahl später bereut, vermag das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht zu überwiegen (BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 5 B 12.2541 – NJW 2014, 3052/3053).
Ein wichtiger Grund für die Namensänderung ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerseite auch nicht aus gesundheitlichen Gründen. Eine seelische Belastung kann nur dann als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65.10 – StAZ 2011, 285 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die Bevollmächtigte der Klägerin hat weder die angeblich drohenden Unglücksfolgen der (partiellen) Namensgleichheit noch daraus resultierende seelische Belastungen für die Klägerin substantiiert dargelegt. Weder hat sie vorgetragen, dass es bei der Klägerin persönlich zu einer psychischen Beeinträchtigung gekommen wäre, noch können etwaige seelische Belastungen der Mutter gleichsam automatisch der Klägerin zugerechnet werden. Auch kann eine Namensänderung nicht rein prophylaktisch zur Prävention von – lediglich pauschal und spekulativ geäußerten – zukünftigen psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin erfolgen. Im Übrigen hat es die Mutter der Klägerin selbst in der Hand, mögliche seelische Belastungen von ihrer Tochter fernzuhalten, indem sie die – von ihr selbst als Aberglaube bezeichneten – Befürchtungen nicht an diese weitergibt. Welche der vier Vornamen im Alltag als Rufnamen geführt werden, bleibt ohnehin der eigenen Handhabung der Klägerin und ihrer Mutter überlassen. Dass es durch die alleinige Führung der Vornamen „V“ und/oder „J …“ zu Unzuträglichkeiten kommen könnte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
bb) Soweit die Klägerin nunmehr vorträgt, sie würde sich auch damit zufrieden geben, dass ihre zwei Mittelnamen T … A. komplett gestrichen würden, vermag dies schon deswegen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen, weil es sich dabei um neues, erstinstanzlich nicht geltend gemachtes Vorbringen handelt. Sowohl im behördlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin ausschließlich die Ersetzung ihrer zwei mittleren Vornamen durch zwei andere Vornamen begehrt (vgl. zuletzt die Antragstellung ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17.2.2016). Im Vergleich dazu stellt die nunmehr erwogene ersatzlose Streichung der zwei Vornamen ein neues Begehren dar, das nicht erstmals im Berufungszulassungsverfahren geltend gemacht werden kann. Gegenstand des Zulassungsverfahrens kann nur der Streitgegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung sein; für eine Klageänderung ist in diesem Verfahrensstadium kein Raum (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 225; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 36). Im Übrigen könnte die Klägerin das von ihr nunmehr angestrebte Ziel rein faktisch dadurch erreichen, dass sie sich im täglichen Leben auf die Führung der Vornamen „V.“ und/oder „J. …“ beschränkt. Ausweislich der Behördenakte der Beklagten (Bl. 16) wird der Vorname J. … ohnehin als Rufname verwendet.
cc) Nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führt schließlich das ausdrücklich auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Vorbringen der Klägerin, es liege ein Verstoß gegen Nr. 29 NamÄndVwV vor, wonach das schutzwürdige Interesse an einer Namensänderung in erster Linie aufgrund des Vorbringens des Antragstellers festzustellen sei. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Bezugnahme auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 2.12.2015 – 5 B 14.927 – BayVBl 2016, 418), das die Änderung (lediglich) der Schreibweise eines Vornamens betraf, greift nicht durch. Wie der Senat in der genannten Entscheidung betont hat, handelt es sich bei der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) um eine Verwaltungsanweisung und nicht um eine Rechtsnorm. Dieser Verwaltungsvorschrift kommt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. bereits BVerwG, U.v. 14.12.1962 – VII C 140.61 – BVerwGE 15, 207/209) die Bedeutung eines Maßstabs zu, der bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes mit in Betracht gezogen werden muss. Genau dies hat die Beklagte hier – bestätigt durch das erstinstanzliche Urteil – unter ausdrücklichem Hinweis auf die Verwaltungsanweisung getan (vgl. Seite 2 des angefochtenen Bescheids vom 1.9.2015). Das Abstellen auf das Vorbringen der Antragstellerseite entbindet diese freilich nicht davon, die zur Namensänderung berechtigenden individuellen Unzuträglichkeiten nachvollziehbar geltend zu machen, um dem Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) eine eigenständige Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu ermöglichen. Diesen substantiierten Vortrag hat die Klägerin – anders als der Kläger im betreffenden Urteil des Verwaltungsgerichtshofs – vorliegend vermissen lassen.
b) Es fehlt an der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist nur dann den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargetan, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit erläutert und darüber hinaus darlegt, warum der genannten Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Klägerin nicht, die trotz ihres Hinweises auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerade keine fallübergreifende Bedeutung geltend macht. Die Klägerin bringt mit ihrem Vortrag („ob hier das öffentliche Interesse zurücktritt, ob ein wichtiger Grund vorliege und die Unbilligkeiten, die auszugleichen sind, hier zutreffen“) selbst zum Ausdruck, dass es ihr um eine einzelfallbezogene Anwendung der Regelungen des öffentlich-rechtlichen Namensrechts geht. Eine konkrete klärungsbedürftige und in dem angestrebten Berufungsverfahren auch allgemein klärungsfähige Rechtsfrage wird damit gerade nicht formuliert.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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