Aktenzeichen B 5 K 18.373
VwGO § 101 Abs. 2, § 123, § 124 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Aufgrund der mit Schriftsätzen vom 17.09.2019 und 27.04.2020 bzw. 06.04.2020 erklärten Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
1. Die Klage bleibt ohne Erfolg. Das ursprüngliche Klageziel, entweder die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin auf den Dienstposten einer Bürosachbearbeiterin „Travelmanagement“ bei der Bundeswehrdienststelle … umzusetzen oder – hilfsweise -über ihre Bewerbung auf diesen Dienstposten nach Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, hat sich durch den durch die Beklagte vorgenommenen Abbruch des streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahrens erledigt.
Auch der im Schriftsatz vom 26.11.2018 erweiterte Antrag dahingehend, den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2018, mit dem die Beklagte den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens verfügt hatte, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2018 aufzuheben, hat keinen Erfolg.
a) Die Beklagte hat mit Verfügung vom 29.06.2018 das streitgegenständliche Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen.
Zwar hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten zunächst Widerspruch gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens eingelegt und den daraufhin ergangenen, ablehnenden Widerspruchsbescheid durch Erweiterung ihres Klageantrags in das streitgegenständliche Verfahren einbezogen. Auf diesem Wege konnte sie ihrem Begehren jedoch nicht zum Erfolg verhelfen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist effektiver Rechtsschutz für das auf Fortführung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete Begehren allein durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erlangen. Mit ihm kann das Fehlen eines sachlichen Grundes geltend gemacht werden. Der Antrag ist innerhalb eines Monats zu stellen. Die Frist wird mit Zugang der Mitteilung über den Abbruchgrund in Lauf gesetzt (BVerwG, U.v. 3.12.2014, Az.: 2 A 3/13, Leitsatz 3 – beck-online, NVwZ 2015, 1066 ff., 1066). Der Antrag nach § 123 VwGO steht auch zur Verfügung, wenn geltend gemacht wird, das Auswahlverfahren habe sich nicht erledigt, weil der Dienstposten nicht neu zugeschnitten worden sei, sondern derselbe Dienstposten vergeben werden solle (BVerwG, a.a.O, Leitsatz 4). Macht ein Bewerber hiervon keinen Gebrauch, ist die Erhebung nachträglichen Hauptsacherechtsschutzes im Interesse einer zeitnahen Klärung und zur Verhinderung paralleler Auswahlverfahren um dasselbe Statusamt oder denselben höherwertigen Dienstposten nach den Grundsätzen der Verwirkung ausgeschlossen (BVerwG, a.a.O., Rn. 14).
Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann also nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Die Klägerin begehrt die Fortführung des streitgegenständlichen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis. Dies kann selbst im Erfolgsfall durch eine Hauptsacheklage nicht erreicht werden. Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 VwGO ergibt sich daher aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens, das auf eine sofortige Verpflichtung des Dienstherrn gerichtet ist und daher bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann. Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folgt auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Sowohl der Dienstherr als auch die Bewerber brauchen Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Der zeitliche Parallellauf mehrerer auf dieselbe Planstelle bezogener Verfahren mit unterschiedlichen Bewerbern würde zu schwierigen Vergabe- und Rückabwicklungsproblemen führen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs muss daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben wird. Bereits im Urteil vom 29.11.2012 (BVerwGE 145, S. 185, NVwZ 2013, 955 Rn. 12) hatte das Bundesverwaltungsgericht deshalb darauf hingewiesen, dass Primärrechtsschutz alleine im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend gemacht werden kann. Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag nach § 123 VwGO, darf der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt. Die Monatsfrist ist an dem für Beamte generell geltenden Rechtsmittelsystem orientiert (vgl. § 126 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG), § 54 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ausreichend, um eine zeitnahe Klärung darüber herbeiführen zu können, ob der Bewerber eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens beantragen will. Sie folgt daher anderen Grundsätzen als die dem Dienstherrn vor Aushändigung einer Ernennungsurkunde auferlegte Wartefrist, mit der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes für die unterlegenen Bewerber erst ermöglicht werden soll. Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt (BVerwG, U. v. 3.12.2014, Az.: 2 A 3/13, Rn. 22-24, m.w.N.).
Die Klägerin hätte im streitgegenständlichen Fall also innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidung der Beklagten vom 29.06.2018, in dem diese den Abbruch des streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahrens verfügt hatte, bei Gericht einen Antrag nach § 123 VwGO stellen müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan. Daher ist die Verfügung der Beklagten über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens bestandskräftig geworden und das Stellenbesetzungsverfahren hat sich erledigt. Allein durch Einbeziehung des Widerspruchsbescheids der Beklagten, der den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens zum Gegenstand hat, in Form der Klageerweiterung in das Hauptsacheverfahren gegen die Auswahlentscheidung der Beklagten kann die Klägerin keine gerichtliche Überprüfung der Frage mehr herbeiführen, ob der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens rechtmäßig erfolgt ist.
b) Selbst wenn die Klägerin jedoch den richtigen Rechtsbehelf eingelegt hätte, wären die Erfolgsaussichten, mit ihrem hier streitgegenständlichen Begehren durchzudringen, mehr als fraglich.
Der Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG und der daraus hergeleitete Anspruch, das vom Dienstherrn abgebrochene Verfahren fortzuführen, setzen voraus, dass das zu vergebende Statusamt oder der zur Besetzung vorgesehene höherwertige Dienstposten weiter zur Verfügung steht. Die einer Stellenbesetzung vorgelagerten Fragen, ob und gegebenenfalls wie viele Stellen (Ämter) mit welcher Wertigkeit geschaffen oder aufrechterhalten werden, unterfallen allein der Organisationsgewalt des Dienstherrn (BVerwG, U. v. 3.12.2014, a.a.O., Rn. 37, m.w.N.). Der Dienstherr ist auf Grund seiner Organisationsgewalt frei, Statusämter oder bislang als höherwertig eingestufte Dienstposten, auf denen Beamte ihre Eignung für das nächsthöhere Statusamt nachweisen konnten, ämtergleich zu besetzen. Dies gilt auch, wenn der Dienstherr ein Auswahlverfahren bereits eröffnet hat. Der Dienstherr wird hierdurch nicht daran gehindert, seine Organisationsgrundentscheidung, das Statusamt oder den Dienstposten auch für Beförderungsbewerber zu öffnen, rückgängig zu machen. Als Ausfluss seiner Organisationsgewalt kann der Dienstherr wählen, ob er ein Statusamt oder einen Dienstposten durch Umsetzung oder Versetzung und damit statusgleich besetzen will oder ob er die Vergabe auch für Beförderungsbewerber öffnet. Entscheidet er sich dafür, Umsetzungs- und Beförderungsbewerber in das Auswahlverfahren einzubeziehen, ist das Auswahlverfahren auch für die Versetzungsbewerber am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu messen. Das Auswahlverfahren darf daher nachträglich nur aus Gründen eingeschränkt werden, die den Anforderungen des Grundsatzes der Bestenauswahl gerecht werden. Der Dienstherr darf daher einzelne Umsetzungs- und Versetzungsbewerber nicht aus Gründen von der Auswahl ausschließen, die mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht in Einklang stehen. Diese Bindung gilt jedoch nur, wenn und solange der Dienstherr an seiner Organisationsgrundentscheidung festhält, die Dienstpostenvergabe auch für Bewerber zu öffnen, die nicht bereits ein der Wertigkeit des Funktionsamts entsprechendes Statusamt bekleiden. Revidiert der Dienstherr bereits diese Festlegung und entschließt er sich, den Dienstposten nur statusgleich zu vergeben, ist er an die Maßstäbe aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht gebunden. Die mit der unbeschränkten Ausschreibung begründete Festlegung begründet weder für die Beförderungsbewerber noch für die Versetzungsbewerber einen Vertrauensschutz, der eine unwiderrufliche Bindung der ausgeübten Organisationsgewalt zur Folge hätte. Derartiges entspräche weder dem Willen des Dienstherrn noch ist eine entsprechende Annahme durch Art. 33 Abs. 2 GG geboten. Vielmehr findet in diesem Fall die Vergabe eines Statusamtes oder eine hierauf vorwirkende Auswahlentscheidung durch die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens gar nicht statt. Damit besteht auch unter Missbrauchserwägungen kein Anlass, dem Dienstherrn die Korrektur seiner Organisationsgrundentscheidung zu verwehren (BVerwG, U. v. 3.12.2014, a.a.O., Rn. 38 ff., m.w.N.).
Der Beklagten bliebe es somit auch bei einer gedachten Stattgabe des klägerischen Begehrens im Rahmen eines Eilverfahrens unbenommen, nachträglich – wie hier erfolgt – die Entscheidung zu treffen, den Dienstposten entsprechend der obigen Ausführungen dergestalt neu zuzuschneiden, dass die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG bei der Vergabe des Dienstpostens nicht zu beachten wären.
Die Beklagte hatte den Abbruch des streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahrens mit der Begründung verfügt, den gegenständlichen Dienstposten „nicht mehr förderlich“, sondern neu zuzuschneiden und anschließend „höhengleich“ vergeben zu wollen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es zumindest fragwürdig anmutet, wenn die Beigeladene zunächst mit rückwirkender Verfügung – ein Schreibfehler bei der Datumsangabe sei zu Gunsten der Beklagten bei dem fraglichen Schriftstück unterstellt – der Beigeladenen einen anderen Dienstposten überträgt, ihr dann aber mit Verfügung vom 30.10.2018 mit Wirkung ab dem 01.11.2018 erneut eine Tätigkeit beim BwDLZ … FD 1.5.2- … als „Bearbeiterin Travelmanagement Bürosachbearbeiterin“ (Entgeltgruppe 6) zuweist und ihr schließlich mit Verfügung vom 30.04.2019 mit Wirkung ab 01.05.2019 die Tätigkeit beim BwDLZ … FD 1.5.2- … als „Bearbeiterin Travelmanagement Bürosachbearbeiterin“ (Entgeltgruppe 8) überträgt.
In keinem Fall, also auch nicht, wenn die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung zugrunde zu legen wären, könnte die Klägerin jedoch mit ihrem Hauptantrag, der darauf gerichtet ist, ihr den Dienstposten einer Bürosachbearbeiterin „Travelmanagement“ bei der Bundeswehrdienststelle … zu übertragen, durchdringen. Der Bewerberverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG eröffnet nämlich keinen Anspruch auf Übertragung eines konkreten Amtes, sondern verbürgt in erster Linie einen Anspruch auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Berücksichtigung in der Bewerberauswahl (BeckOK GG/Hense, 42. Ed. 1.12.2019, GG Art. 33 Rn. 11-13).
Die Klägerin könnte somit allenfalls mit ihrem Hilfsantrag durchdringen. Dann jedoch obläge es der Beklagten, erneut eine eigene Ermessensentscheidung über die Vergabe des streitgegenständlichen Dienstpostens zu treffen oder das Stellenbesetzungsverfahren erneut abzubrechen.
Auf diese Fragen kommt es jedoch, wie bereits ausgeführt, ohnehin nicht mehr entscheidungserheblich an, weil das streitgegenständliche Stellenbesetzungsverfahren durch die Beklagte abgebrochen worden ist, ohne dass die Klägerin das Fehlen eines sachlichen Grundes hierfür im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltend gemacht hätte. Die Klage war mithin abzuweisen.
2. Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene, die sich mangels eigener Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO) ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.