IT- und Medienrecht

Unterlassung von täuschenden Werbebehauptungen gegenüber Kunden eines Mitbewerbers

Aktenzeichen  1 HK O 17230/15

Datum:
16.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129831
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Behauptung gegenüber einem vertraglich mit einem Mitbewerber verbundenen Kunden, dass er in Zukunft von seinem bisherigen Anbieter nicht mehr bedient würde, ist geeignet, den Kunden zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ohne diese Behauptung nicht getroffen hätte. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

29 U 208/17 2017-12-07 Urt OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollstrecken an einem der Geschäftsführer, zu unterlassen
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
im Rahmen der Akquise von T.munikationsdienstleistungen, insbesondere O2-Produkten, gegenüber potentiellen Kunden wahrheitswidrig zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,
a)dass sie in Zukunft nicht mehr von der T. bedient würden;
a)und/oder
b)dass ihre Verträge bei der T. ausliefen;
b)und/oder
c)dass sie demnächst gesetzlich verpflichtet seien, ihre T.munikationsdienstleistungen nur noch von einem Anbieter, insbesondere O2 zu beziehen.
2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 405,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.08.2015 zu zahlen, ferner weitere 765,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.09.2015 zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin trägt 5/8 der gerichtlichen Kosten sowie 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) trägt 3/8 der gerichtlichen Kosten. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1) 3/8. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2).
5. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 2) und 4) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags, hinsichtlich Ziffer 1 a bis c) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 10.000 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage war hinsichtlich der zuletzt gestellten Klageanträge überwiegend begründet. Der Klageantrag 1.c) war im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der Kostenerstattungsanspruch war entsprechend den Unterlassungsanträgen ebenfalls teilweise begründet.
1. Unterlassungsansprüche
1.a) „… dass sie in Zukunft nicht mehr von der T. bedient würden“
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 5 Abs. 1 UWG wegen täuschender Werbung. Grundsätzlich ist die Behauptung, dass ein Kunde in Zukunft von seinem bisherigen Anbieter nicht mehr bedient würde, geeignet, den Kunden zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ohne diese Behauptung nicht getroffen hätte. Denn ein solcher Kunde sieht sich veranlasst, einen neuen Anbieter und damit vielleicht die Gesellschaft des Werbenden als neuen Anbieter zu beauftragen.
Die Klägerin hat durch den Zeugen … den Beweis geführt, dass die beanstandete Werbebehauptung tatsächlich in dem Telefonat wahrheitswidrig gefallen ist. Im Termin vom 26.07.2016 hat der Zeuge ausgesagt, dass ihm ein Werber von O2 im Frühjahr 2015 am Telefon erklärt habe, dass man in absehbarer Zeit nicht mehr von der T. versorgt werden könne und das er deshalb einen neuen Anbieter suchen müsse. Auf Nachfrage hat der Zeuge erklärt „damit meinte ich den gesamten Anschluss, nicht nur die Kundenbetreuung wie z.B. über eine Hotline.“ Er könne heute nicht mehr sagen, ob das Wort „bedient“ wörtlich gefallen sei. Es sei um den Vertrag mit der T., das heißt um den Festnetzanschluss gegangen. Für ihn sei es damals völlig unsinnig gewesen, einen neuen Vertrag einzugehen. Er habe gewusst, dass sie ein schnelles Internet bekommen sollten, dass das von der Firma M-Net angeboten würde. Es wäre für ihn damals völlig unsinnig gewesen, einen neuen Vertrag mit 24 Monate Bindung einzugehen, da er ja zu M-Net wechseln wollte.
Diese Aussage entspricht auch der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen vom 27.06.2015 (Anlage K 21). Dort erklärte der Zeuge, dass er Anfang Juni (gemeint war wohl März) von der Firma Te1. angerufen worden sei, die ihm mitgeteilt habe, dass er in Zukunft nicht mehr von der T. bedient werden könne. Im Anschluss daran folgte der ebenfalls vorgelegte Mailverkehr vom 17.03.2015, 20.03.2015 sowie die Schreiben vom 23.03.2015 (Anlage K 11) und 30.03.2015 (Anlage K 12). Die in diesen E-Mails und Schreiben des Kunden monierten Umstände zu dem Produktwechselauftrag sind nicht streitgegenständlich, soweit es sich um das „Unterschieben“ eines Produktwechselauftrags handelt. Die hier streitgegenständliche Behauptung, dass dem Kunden mitgeteilt worden sei, dass er in Zukunft nicht mehr von der T. „bedient“ bzw. „versorgt“ werden würde, findet sich in der eidesstattlichen Versicherung und in der mündlichen Aussage am 26.07.2016. Wenn der Zeuge ausführte, dass er heute nicht mehr sagen könne, ob das Wort „bedient“ wörtlich gefallen sei, spricht das nicht gegen die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit seiner Aussage: Von einem Anbieter nicht mehr „bedient“ bzw. „versorgt“ zu werden, soll nach seiner Aussage das gleiche bedeuten, nämlich dass der gesamte Anschluss nicht mehr zur Verfügung gestellt würde. Der Zeuge gebrauchte daher beide Begriffe synonym, sodass der Klageantrag („bedient“) auch die sinngemäße Aussage des Kunden mit „versorgt“ abdeckt.
Der Zeuge war objektiv und subjektiv glaubwürdig. Er war bestens informiert über die technischen Vorgänge, möglicherweise aufgrund seiner früheren Berufstätigkeit als Betriebsleiter in einem chemischen Betrieb. Auch seine Erklärung, warum er den Anbieter auf keinen Fall wechseln wollte, da er sowieso demnächst zu M-Net wechseln wollte und sich nicht nochmal 24 Monate binden wollte, ist schlüssig und nachvollziehbar. Seine Aussage zum Anlass des Gesprächs, nämlich dass er in absehbarer Zeit nicht mehr von der T. versorgt oder bedient werden könne, war immer konsistent. Es gibt keine Anhaltspunkte an seiner subjektiven Glaubwürdigkeit zu zweifeln.
Die Beklagte hat auf den gegenbeweislich benannten Zeugen … verzichtet, nachdem dieser trotz zweimaliger Ladung nicht erschienen ist.
1.b) „… dass ihre Verträge bei der T. ausliefen“
Diese Werbebehauptung stellt eine täuschende Behauptung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG dar, die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, da diese Werbebehauptung falsch war und bei den Kunden Z. dazu hätte führen sollen, dass diese zur Beklagten wechselten.
Die Klägerin hat für diese Werbebehauptung Beweis geführt durch die Vernehmung der Kunden … und … im Termin vom 26.07.2016 und 08.11.2016. Anschlussinhaber bei der Klägerin war der Kunde …. Das Telefongespräch hatte jedoch seine Frau H. Z. geführt. Beide Zeugen haben bestätigt, dass die eidesstattliche Versicherung unter dem Namen „…“ (im Termin vom 26.07.2016 übergeben) tatsächlich von Frau … geschrieben und unterschrieben worden sei. Frau … habe den Namen ihres Ehemannes im Briefkopf angegeben, da er Anschlussinhaber gewesen sei.
Die Zeugin … bestätigte, dass „der Mann von O2“ sie gefragt habe, ob sie wüssten, dass der Vertrag mit der T. auslaufe. Sie könne sich nicht mehr erinnern, ob wortwörtlich gefallen sei, dass der Vertrag der T. „abgestoßen“ werde. Sie hätten das so verstanden und sich deshalb bei der T. erkundigt. Es sei schon gesagt worden, dass der Vertrag mit der T. „ausläuft“. Der Begriff „ausläuft“ findet sich auch in der eidesstattlichen Versicherung vom 29.06.2015 wieder. Diese eidesstattliche Versicherung wurde ein gutes Jahr vor der Zeugenvernehmung abgegeben. Die Zeugin gab in ihrer Vernehmung später an, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, ob ein Mann oder eine Frau angerufen habe. Sie könne sich auch nicht erinnern, dass etwas von technischen Details erzählt worden sei.
Der Zeuge … hat in seiner Vernehmung das berichtet, was ihm von seiner Frau nach dem Telefongespräch erzählt worden sei. Seine Frau habe ihm erzählt, dass der Vertreter von Te1. gesagt habe, dass unsere Verträge bei der T. gekündigt würden. Auch wenn diese Aussage des … nicht wörtlich mit der Aussage der Zeugin … übereinstimmt, so stimmt der Kern der Aussage, nämlich dass die Verträge mit der T. beendet würden.
Die Aussage des Zeugen … als Zeuge vom Hörensagen ist daher ein Indiz dafür, dass die Aussage der unmittelbaren Zeugin … wie in der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt und im Termin vom 26.07.2016 nochmals bestätigt, nicht frei erfunden war. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin … subjektiv die Unwahrheit gesagt haben könnte. Die Zeugin machte auf das Gericht bei ihrer Vernehmung einen etwas unbedarften und nervösen Eindruck, dies war aber wohl der Tatsache geschuldet, dass die Zeugin weit anreisen und vor Gericht aussagen musste. Sie verstrickte sich aber nicht in Widersprüche gerade hinsichtlich des Anlasses dieses Anrufs. Die weiteren zunächst unklaren Aussagen, wie die Vertragsbeendigung mit der T. und der neue Abschluss mit der Te1. zustande kamen, waren zunächst sprunghaft, konnten dann aber bei Nachfragen geklärt werden. Der Anlass aber, warum sie bzw. ihr Mann tätig wurden, war immer gleich geschildert, nämlich die Aussage des Werbers bzw. der Werberin, dass die Verträge mit der T. ausliefen.
Die gegenbeweislich vernommene Zeugin … konnte die Aussage der Zeugin … nicht erschüttern. Diese Zeugin konnte sich selbst nicht an ein konkretes Gespräch mit Frau … erinnern. Sie gab an, dass dieses Gespräch Anfang April 2015 gewesen sein müsse, da sie später als Schwangere im Beschäftigungsverbot gewesen sei. Sie wisse nur noch, dass damals eine Kampagne durchgeführt worden sei. Sie habe ihren Kunden nicht erzählt, dass der Vertrag mit der T. auslaufe. Sie habe den Kunden erzählt, dass es mit der Technik einfacher laufe. Es sei darum gegangen, alte Kunden auf die neuen Produkte umzustellen. Ob diese Aussage in dieser Allgemeinheit glaubwürdig war, kann dahingestellt bleiben, da sie schon inhaltlich – ihre Richtigkeit unterstellt – nicht geeignet ist, die Aussage der Zeugin … zu erlegen oder zu erschüttern. Es ist nämlich schon unklar, ob die Zeugin … überhaupt die Gesprächspartnerin bei dem Telefonat gewesen ist. Die Zeugin … konnte sich nicht konkret erinnern. Die Beklagte selbst hatte in der Klageerwiderung zunächst ausgeführt, dass „derjenige Mitarbeiter, der das Telefonat mit Herrn … geführt hat, die Beklagte zu 1) zwischenzeitlich verlassen hat“. In einem späteren Schriftsatz wurde dann die (weibliche) Zeugin … als Gesprächspartnerin benannt. Die Zeugin … sprach von einem Mann und erst auf Nachfrage, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen sei. Die Zeugin … selbst gab an, dass sie dieses Gespräch nicht im Juni 2015 geführt haben könne, da sie da schon im Beschäftigungsverbot gewesen sei. Die Klägerin selbst hat auch bestritten, dass die Zeugin … die Gesprächspartnerin gewesen sei.
Da also aufgrund der Aussagen aller Zeugen und aufgrund des widersprüchlichen Sachvortrags der Beklagten nicht klar ist, dass die Zeugin … überhaupt die Gesprächspartnerin gewesen ist, kann ihre Aussage in dieser Allgemeinheit auch nicht dazu dienen, die Aussage der Zeugin … zu erschüttern.
Zu 1.c) „… dass ihre Verträge bei der T. nicht verlängert würden,
hilfsweise: … dass ihr Vertrag bei der T. abgestoßen würde“
Die Klage war daher hinsichtlich des Klageantrags 1.c) sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag abzuweisen.
Der Hauptantrag wurde durch die Vernehmung der Zeugin … nicht bestätigt. Diese Aussage hat die Zeugin weder in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 29.06.2015 noch in ihrer mündlichen Zeugenvernehmung bestätigt. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Begriff „nicht verlängert werden“ mit dem Begriff „Auslaufen“ inhaltlich identisch ist und deshalb möglicherweise kein gesonderter Unterlassungsanspruch mangels Rechtsschutzbedürfnisses bestehen würde.
Die Zeugin … hat den Hilfsantrag „Verträge abstoßen“ zwar in ihrer eidesstattlichen Versicherung, nicht jedoch in ihrer mündlichen Vernehmung bestätigt. Auf Nachfrage hatte sie den Begriff „Abstoßen“ dahingehend relativiert, dass sie nicht mehr wisse, ob dieser Begriff wörtlich gefallen sei. Sie hätten das so verstanden und sich deshalb bei der T. erkundigt. Dem Begriff „Abstoßen“ kommt ein teilweise abweichender Sinngehalt zur Werbeaussage 1.b) zu: Ein schlichtes Auslaufen bedeutet nur eine schlichte Untätigkeit, ein Abstoßen setzt einen Willen voraus, ein Vertragsverhältnis zu beenden und nicht fortzuführen, dies kann – anders als bei einem schlichten Auslaufenlassen- auch durch ein aktives Handeln wie z.B. eine Kündigung geschehen.
Ob also dieser Begriff tatsächlich gefallen ist, kann dahingestellt bleiben, da dieser Unterlassungsanspruch jedoch gemäß § 11 UWG verjährt wäre. Die Klägerin hat diesen Unterlassungsanspruch erstmals im Termin vom 08.11.2016 als Hilfsantrag gestellt. Bereits mit der Klageeinreichung vom 25.09.2015 hatte die Klägerin Kenntnis von der eidesstattlichen Versicherung des … vom 29.06.2015 und dem vorgetragenen Wortlaut „Verträge abstoßen würde“, da die Klägerin bei dieser Klageerhebung zunächst den Zeugen … als Zeugen benannte hatte, wie er sich auch fälschlicherweise auf der im Termin vom 26.7.2016 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung befand.
Bei dem Hilfsantrag handelt es sich auch nicht um eine sprachliche Konkretisierung hinsichtlich der ursprünglichen Formulierung „nicht verlängert werden“, sondern um eine sinngemäße Änderung und damit um ein anderen Streitgegenstand. Abgesehen davon, dass ein Vertrag über einen Festnetzanschluss nicht einer Verlängerung bedarf, sondern einfach weiterläuft, wenn er nicht gekündigt wird, bedeutet die Formulierung „Abstoßen“ ein aktives Tun bzw. eine aktive Entscheidung darüber, dass ein Vertrag beendet wird wie z.B. durch eine Kündigung oder Ähnliches.
Zu 1.d) „… das sie demnächst gesetzlich verpflichtet seien. …“
Da es unstreitig keine solche gesetzliche Verpflichtung gibt, allenfalls einen technischen Zwang, die Anschlüsse nur noch von einem Anbieter zu beziehen, wäre eine solche Werbeaussage objektiv falsch und auch geeignet, einen Kunden zu veranlassen, den Vertrag bei der Klägerin zu kündigen, wenn bei ihm der Festnetzanschluss und der DSL-Anschluss von verschiedenen Anbietern stammten. Eine solche Werbebehauptung stellt daher eine Täuschung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG dar, die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG.
Die Klägerin hat für diese Behauptung Beweis geführt durch die Zeugin … Diese gab in ihrer Vernehmung am 26.07.2016 an, dass sie einen Anruf von O2 oder Te1. bekommen habe. An den genauen Inhalt könne sie sich nicht mehr erinnern. Zum damaligen Zeitpunkt hätten sie, das heißt sie und ihr Mann, ihren Festnetzanschluss bei der T. und DSL bei Te1. oder O2 gehabt. Sie konnte sich aber daran erinnern, dass gesagt worden sei, dass es gesetzlich vorgeschrieben ist, dass man nicht mehr zwei Anbieter haben dürfe. „Ich hatte das Argument mit der gesetzlichen Vorschrift bis dahin noch nicht gehört, ich habe aber auch nicht nachgefragt, ich habe ja nicht abgeschlossen“. Auf Nachfrage bestätigte sie nochmals, dass sie sich sicher sei, dass der Werber von dem neuen Gesetz gesprochen habe.
Diese Aussage entspricht der eidesstattlichen Versicherung vom 09.07.2015 (Anlage K 22). Die Zeugin bestätigte, dass sie damals auch eine bessere Erinnerung als heute gehabt habe.
Die weiteren Inhalte des Telefongesprächs, insbesondere ob sie einer Kündigung damals zugestimmt habe oder nicht und warum, blieben diffus.
Es bestehen keine Anhaltspunkte, an der subjektiven Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln. Die Zeugin machte einen für ihren Beruf – Fremdsprachensekretärin – ziemlich konfusen Eindruck. Es war ihr sichtlich unangenehm über Dinge auszusagen, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte bzw., die sie in der eidesstattlichen Versicherung (hinsichtlich der Kündigung) anders niedergelegt hatte. Die Werbeaussage zu der gesetzlichen Verpflichtung jedoch war sowohl in der eidesstattlichen Versicherung als auch in der mündlichen Aussage gleich. Da es sich hierbei auch um eine sehr originelle Werbeaussage handelte, ist es auch nachvollziehbar, dass die Zeugin sich daran erinnern konnte. Sie schilderte in ihrer mündlichen Vernehmung auch, dass sie das Argument mit der gesetzlichen Vorschrift bis dahin noch nicht gehört hätte. Grundsätzlich ist die Erinnerungsfähigkeit an ungewöhnliche Vorkommnisse wie ein ungewöhnliches Argument eher vorhanden. Auch wenn die Zeugin in ihrer mündlichen Vernehmung nur noch schlussfolgern konnte, ob sie einer Kündigung zugestimmt oder ob sie nicht zugestimmt habe, macht dies ihre Aussage hinsichtlich des Anlasses für die Zustimmung bzw. Nichtzustimmung nicht unglaubwürdig. Sie hatte jedenfalls noch das ungewöhnliche Argument mit der gesetzlichen Vorschrift in Erinnerung, nicht jedoch, ob sie mit einer Kündigung darauf reagiert habe.
Die gegenbeweislich vernommene Zeugin … konnte zu diesem Telefongespräch nichts Erhellendes beitragen. Unabhängig davon, dass die Klägerin bereits bestritten hat, dass … überhaupt die Gesprächspartnerin war, hatte diese in ihrer Vernehmung angegeben, dass sie sich an ein Gespräch mit einer Frau … nicht erinnern könne und auch nicht an die Einzelheiten aus der damaligen Kampagne. Sie könne sich erinnern, dass sie nicht gesagt hätte, dass es ein neues Gesetz gäbe. Sie hätten damals immer auf eine zukunftssichere Technik Bezug genommen und sich daran entlang gehangelt. Sie könne 100%ig ausschließen, dass sie jemals etwas von einem neuen Gesetz zu einem Kunden gesagt habe. Da also schon nicht klar ist, dass … überhaupt die Gesprächspartnerin war und die Beklagte auch keinerlei Indizien dafür vorlegt, warum … die Gesprächspartnerin gewesen sein soll, ist ihre pauschal gehaltene Aussage keinesfalls geeignet, die Aussage der Zeugin … hinsichtlich der gesetzlichen Verpflichtung zu erschüttern.
2. Zahlungsanspruch
Der Kostenerstattungsanspruch gemäß § 12 Absatz 1 Satz 2 UWG ist gegen die Beklagte zu 1) nur teilweise begründet. Gegen die Beklagte zu 2) hat die Klägerin die Klage vollständig zurück genommen. Die Rücknahme betrifft auch die Hälfte des Zahlungsanspruchs unter Ziffer 2 in Höhe von insgesamt 3.174,40 € hinsichtlich beider Abmahnungen.
In der Abmahnung vom 29.07.2015 (Anlage K 13) formulierte die Klägerin die strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs in Höhe von 1.642,40 € dahingehend, dass die beiden Abgemahnten die Kostenerstattung „zu je ½“ bezahlen würden entsprechend der diesbezüglichen Rechnung. Auch in ihrer Klagerücknahme vom 23.11.2016 hinsichtlich Klageantrag zu Ziffer 2 spricht die Klägerin nur noch von einem Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1) in Höhe von 811,20 €, von dem sie 202,80 € zurücknehme, das heißt von der Hälfte des ursprünglich gegen beide Beklagte berechneten Anspruchs in Höhe von 1.642,30 €. In diesem Kostenerstattungsanspruch waren ursprünglich vier beanstandete Werbebehauptungen enthalten gewesen, nämlich die jetzt geltend gemachten Ziffern 1.a, 1.b und 1.c) sowie ein weiterer Vorfall „…“, der jedoch wegen Verjährung nicht mehr als Unterlassungsanspruch im Wege der Klage geltend gemacht werden konnte. Hinsichtlich des Vorfalls „…“ hat die Klägerin nach der Zeugenvernehmung des Herrn … den Kostenerstattungsanspruch zurück genommen, das heißt in Höhe eines ¼ des ursprünglichen Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beklagte zu 1). Da auch der Klageanspruch 1.c) im Hauptantrag nach der Beweisaufnahme nicht begründet war, der Hilfsantrag nicht Gegenstand der Abmahnung gewesen war, besteht hinsichtlich eines weiteren ¼ kein Kostenerstattungsanspruch, sodass die Klägerin insgesamt nur hinsichtlich der jetzigen Klageansprüche 1.a und 1.b) einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 405,60 € aus der Abmahnung vom 29.07.2015 hat.
Hinsichtlich der weiteren Abmahnung vom 17.08.2015 (Anlage K 15, Kundin V.) hat die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe der Hälfte der Kostenrechnung vom 17.08.2015, nämlich in Höhe der Hälfte von 1.531,90 € = 765,95 €. Auch hier ist davon auszugehen – wie bereits bei der Abmahnung vom 29.07.2015, dass die Kostenrechnung gegen beide Beklagte jeweils zur Hälfte und nicht gesamtschuldnerisch gestellt wurde. Nach der Teilrücknahme gegen die Beklagte zu 2) besteht daher insoweit ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 765,95 €. Der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 50.000,– € (= 2 × 25.000,– €) und eine Geschäftsgebühr von 1,3 wurden von der Beklagten nicht beanstandet.
Die Klägerin hat daher für beide Abmahnungen einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.171,55 € zzgl. Zinsen wie beantragt gemäß §§ 288, 286 BGB.
3. Kosten: §§ 91, 92, 269 Abs. 3 ZPO hinsichtlich der Beklagten zu 2).
4. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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