Aktenzeichen 12 O 2913/18
UKlaG § 5
UWG § 12 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber selbst nun abhängig von der Reisedauer eine maximale Rücktrittsmöglichkeit von bis zu 20 Tagen vor Reiseantritt vorsieht, ist nicht erkennbar, dass eine pauschale 14tägige Rücktrittsmöglichkeit vorher mutwillig weiter ging, als zur Wahrung der Interessen des Reiseveranstalters nötig. Insbesondere verstieß die Klausel zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht gegen geltendes Recht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 4 Abs. 1 UKlaG klagebefugt. Das Landgericht München I ist gemäß § 1, 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 UKlaG i.V.m. § 6 Nr. 1 GZVJu sachlich und örtlich ausschließlich zuständig.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die von der Beklagten verwendete Klausel benachteiligt den Verbraucher nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nicht nach § 307 BGB unwirksam.
Bei der angegriffenen Klausel handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig wie die Tatsache, dass die Klausel von der Beklagten gegenüber Verbrauchern bis 30.06.2018 verwendet wurde. Die Klausel unterliegt daher grundsätzlich einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Die Rücktrittsmöglichkeit an sich wird vom Kläger nicht gerügt und ist auch nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Es ist vorliegend daher nur auf die Länge der vorgesehenen Rücktrittsmöglichkeit näher einzugehen.
Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB liegt dann vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzustehen (vgl. BGH Urteil vom 01.02.2005 – Az.: X ZR 10/04). Zur Beurteilung bedarf es einer umfassenden Würdigung, in die die Art des konkreten Vertrags, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien einzubeziehen sind (vgl. BGH Urteil vom 24.07.2008 – Az.: VII ZR 55/07).
Die demnach vorzunehmende Gesamtabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die sich von der Beklagten vorbehaltene Rücktrittsmöglichkeit von zwei Wochen vor Reisebeginn die Verbraucher nicht unangemessen benachteiligt.
1. Auf der Seite der Verbraucher geht es um deren Interesse, ihre bevorstehende Reise und ihre damit verbundene Abwesenheit zu Hause planen zu können. Insbesondere wenn die eigene An- und Abreise selbst organisiert werden muss, kann dies einen hohen Planungsaufwand, auch im Hinblick auf die Kosten des Transportmittels, verursachen. Sollte für das Reiseziel ein Visum benötigt werden, so muss auch dieses rechtzeitig beantragt werden. Dazu kommen Vorbereitungen für die eigene Ortsabwesenheit zu Hause. So wird im Regelfall ein Urlaubsantrag beim Arbeitgeber gestellt werden müssen. Gegebenenfalls wird man eine Betreuung für das Haustier und jemanden, der in der Abwesenheit die Wohnung oder das Haus, sowie die Post kontrolliert, organisieren müssen. Dass eine Reise darüber hinaus noch weitere möglicherweise zeitaufwendige und frühzeitige Planung erfordern kann, entspricht wohl der allgemeinen Lebenserfahrung.
2. Auf der anderen Seite sind die Interessen der Beklagten als Reiseveranstalter zu berücksichtigen. Diese sind vor allem wirtschaftlicher Natur. Der Reiseveranstalter muss im Vorfeld kalkulieren, ab welcher Teilnehmerzahl sich eine geplante Reise für ihn wirtschaftlich gesehen rechnet. Um eine Kalkulation überhaupt zu ermöglichen, muss auch er die Einzelheiten der angebotenen Reise langfristig planen und gegebenenfalls Reservierungen tätigen, die er bei Nichterreichen der Mindestteilnehmerzahl später wieder stornieren muss. Da erfahrungsgemäß nicht alle potentiellen Reiseteilnehmer gleichzeitig die angebotene Reise buchen werden, hat sich der Reiseveranstalter zwangsläufig einen Stichtag zu setzen, an dem er prüft, ob die kalkulierte Mindestteilnehmerzahl erreicht ist oder nicht.
3. Zu berücksichtigen ist, dass sich der durchschnittliche Verbraucher bei Buchung einer solchen Reise mit Mindestteilnehmerzahl bewusst dafür entscheidet und damit rechnen muss, dass die Reise storniert wird. Sofern es dem Reisenden aufgrund im Vorfeld für ihn erforderlicher Planung, gerade im Hinblick auf die eigene Ortsabwesenheit, nicht möglich ist, kurzfristig alles Nötige zu organisieren, steht es ihm frei eine solche Reise mit dem Risiko des Nichtzustandekommens zu wählen oder eine Reise ohne Mindestteilnehmerzahl zu buchen.
4. Eine Frist von zwei Wochen erscheint jedenfalls nicht pauschal lediglich auf die Interessen des Reiseveranstalters zugeschnitten, sondern ist vielmehr von legitimen wirtschaftlichen Interessen geleitet. Davon geht der Gesetzgeber in der mit Wirkung zum 01.07.2018 eingeführten Regelung des § 651 h Abs. 4 BGB auch selbst aus. Zwar wird nun abhängig von der geplanten Reisedauer differenziert. Für Reisen unter sechs Tagen lässt der Gesetzgeber aber nun sogar eine mit sieben Tagen wesentlich längere Rücktrittsmöglichkeit, als die in der hier angegriffenen Klausel zu. Die neue Regelung liefert einen Anhaltspunkt für den nun objektivierten Willen des Gesetzgebers, bedeutet aber nicht ohne Weiteres, dass nun auch die in vor dem 01.07.2018 abgeschlossenen Verträgen verwendeten Klauseln als unwirksam anzusehen sind. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr bewusst dazu entschlossen diese Regelung erst ab dem 01.07.2018 einzuführen.
5. Da der Kläger seinen Antrag auf Verträge bis zum 30.06.2018 beschränkt hat, ist im hiesigen Rechtsstreit grundsätzlich auf die damalige Gesetzeslage abzustellen. Dabei kommt es auch auf die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise an. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass die Gültigkeit, der bis zum 30.06.2018 verwendeten Klausel, soweit ersichtlich, nie von Gerichten angezweifelt wurde. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass alleine die Verkehrssitte eine Unangemessenheit der Klausel nicht ausschließt. Sie ist aber in eine vorzunehmende Gesamtabwägung miteinzubeziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.1984 – Az.: VIII ARZ 1/84 und OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 04.09.2014 – Az.: 16 U 15/14). Aus gerichtlichen Entscheidungen geht zunächst hervor, dass die Klausel in der beanstandeten oder in ähnlicher Form über einen längeren Zeitraum von Reiseveranstaltern verwendet wurde. So hat das OLG München in einem Urteil vom 25.03.1993 (Az.: 29 U 4089/92), in dem es um die Wirksamkeit einer Klausel ging, mit welcher sich ein Reiseveranstalter den Rücktritt bis zu 21 Tage vor Reisebeginn vorbehalten hat, die Klage unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass Nr. 7 b ARB a.F. sogar ein Rücktrittsrecht bis zwei Wochen vor Reisebeginn vorsehe und diese Regelung nicht zu beanstanden sei. Es finden sich zudem gerichtliche Entscheidungen, in denen zwar die Klausel für sich genommen nicht angegriffen wurde, sondern nur die Kombination aus einem Rücktrittsrecht bis zu zwei Wochen vor Reiseantritt und einer Fälligkeit des Reisepreises vor diesem Zeitpunkt (Vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 17.10.2007 – Az.: 26 O 345/06, LG Hamburg, Urteil vom. 23.03.2007 – 324 O 858/06). In diesem Zusammenhang hat die angegriffene Klausel für sich genommen offensichtlich nie Grund zu juristischer Beanstandung gegeben.
Dabei ist zu bedenken, dass die Klausel über Jahre hinweg bereits in Zeiten verwendet wurde, in denen Reisende nicht über das Internet kurzfristig Flüge buchen oder ein Visum beantragen konnten, sodass sich die Planung im Vorfeld einer Reise jedenfalls in gewissem Maße aufwendiger gestaltete.
6. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber selbst nun abhängig von der Reisedauer eine maximale Rücktrittsmöglichkeit von bis zu 20 Tagen vor Reiseantritt vorsieht, ist nicht erkennbar, dass eine pauschale 14tägige Rücktrittsmöglichkeit vorher mutwillig weiter ging, als zur Wahrung der Interessen des Reiseveranstalters nötig. Insbesondere verstieß die Klausel zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht gegen geltendes Recht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es letzten Endes auch zu Lasten des Verbrauchers geht, wenn sich der Reiseveranstalter eine extrem kurz bemessene Rücktrittsmöglichkeit vorbehält. Es ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen durch die Buchung Kurzentschlossener die nötige Mindestteilnehmerzahl noch erreicht worden wäre, die Reise aber bereits zuvor storniert werden musste. Es besteht daher auch ein gewisses Interesse des Reisenden daran, abzuwarten, ob die geplante Mindestteilnehmerzahl doch noch erreicht wird. Ferner ist zu bedenken, dass alleine die geplante Reisedauer nicht zwangsläufig proportional zu dem im Voraus durchzuführenden Planungsaufwand des Reisenden steht, da auch kurze Reisen einen nicht unerhebliche Planung mit sich bringen können.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände stellt die angegriffene Klausel bei Verträgen, die vor dem 01.07.2018 abgeschlossen wurden, keine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung dar.
7. Die vom Kläger im Schriftsatz vom 01.10.2018 erklärte Erledigung ist als Antrag auf Feststellung, dass sich der Rechtsstreit für nach dem 30.06.2018 abgeschlossene Verträge erledigt hat, auszulegen. Die Feststellungsklage ist allerdings unbegründet, da jedenfalls kein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Das Verwenden einer Klausel begründet zunächst eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Diese Vermutung wird nicht alleine dadurch widerlegt, dass der Verwender erklärt die Klausel geändert zu haben und nicht mehr Verwenden zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2002 – Az.: III ZR 199/01, und BGH, Urteil vom 06.12.2012 – Az.: III ZR 173/12). Vielmehr sind an die Beseitigung der Wiederholungsgefahr sehr hohe Anforderungen zu stellen. Mit Schriftsatz vom 18.04.2018 hat die Beklagte erklärt, dass sie die Klausel mit Wirkung zum 01.07.2018 an die neue Gesetzeslage anpassen werde. Im Schriftsatz vom 02.07.2018 führt die Beklagte lediglich an, dass sich nun für Veranstalter die Notwendigkeit ergibt die bisherige Regelung zum 01.07.2018 anzupassen. Zwar räumt die Beklagte darin auch ein, dass die bisherige Regelung mit der Gesetzeslage ab 01.07.2018 nicht vereinbar ist, sie hat aber gerade keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben oder den Anspruch des Klägers dahingehend anerkannt. Dies alleine reicht nicht aus, um die grundsätzlich zugunsten des Klägers bestehende Vermutung einer Wiederholungsgefahr zu entkräften. Da die Wiederholungsgefahr nicht nachträglich entfallen ist, fehlt es an einem erledigenden Ereignis.
8. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu, da die Abmahnung nicht berechtigt war. Zum Zeitpunkt der Abmahnung war die streitgegenständliche Klausel nicht unangemessen und damit wirksam.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen §§ 708 Nr. 10, 711 zugrunde.
Verkündet am 08.11.2018