Aktenzeichen 17 HK O 22589/15
UMV Art. 9 Abs. 1, Abs. 2a
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 91 Abs. 1, § 709 Satz 1, S. 2
Leitsatz
1. Verbraucher, die nach einer Kombination von einer generischen Bezeichnung und einem Markennamen suchen bzw. sich Anzeigen gegenübersehen, die diese Kombination enthalten, wollen nicht ganz allgemein über Angebote zu dieser Produktart informiert werden, sondern suchen konkret nach dem Markenprodukt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden auf den mit den Anzeigen verlinkten Angebotsseiten nicht nur die Markenprodukte präsentiert, sondern auch die Produkte von Mitbewerbern, wird die “Lotsen-Funktion” der Marke dazu missbraucht, den angesprochenen Verkehr zu Angeboten Dritter zu locken, so dass die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird. (Rn. 33 und 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Den Beklagten wird es für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, untersagt,
im Internet mit Anzeigen für Angebote von Fahrradtaschen, Fahrradtaschen-Zubehör oder Lenkertaschen zu werben, wenn in der Anzeige das Zeichen … als einziger Markenname wiedergegeben ist und der in der Anzeige enthaltene Link zu einer Liste mit Angeboten für Fahrradtaschen, Fahrradtaschen-Zubehör oder Lenkertaschen führt, die nicht alle unter der Marke … von der Inhaberin oder mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, wenn dies geschieht wie mit den folgenden Kombinationen aus Anzeigen und damit verlinkten Angebotslisten:
a)
b)
c)
II. Der Beklagten zu 1) wird es darüber hinaus für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, untersagt,
im Internet mit Anzeigen für Angebote von Gepäcktaschen zu werben, wenn in der Anzeige das Zeichen … als einziger Markenname wiedergegeben ist und der in der Anzeige enthaltene Link zu einer Liste mit Angeboten für Gepäcktaschen führt, die nicht alle unter der Marke … von der Inhaberin oder mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, wenn dies geschieht wie mit der folgenden Kombination aus Anzeige und damit verlinkter Angebotsliste:
III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin € 2.636,90 zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2015 zu zahlen.
IV. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin € 1.973,90 zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2015 zu zahlen.
V. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 1) und 2) samtverbindlich 3/4 und die Beklagte zu 1) ein weiteres Viertel.
VI. […]
Gründe
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der geltend gemachte i Unterlassungsansprüche (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO):
Der Antrag ist nicht deshalb unbestimmt, weil sich in der zweiten Zeile der Anzeigen jeweils auch noch das Zeichen www…..de befindet, bei dessen mittlerem Bestandteil es sich auch um eine Marke hande n könne. Denn die abstrakte Umschreibung des verbotenen Verhaltens wie beantragt, erstreckt sich dann noch über mehrere Zeilen und es wird dann sogar noch auf die konrete Verletzungshandlung durch Einblendung der jeweiligen Intemetseiten Bezug genommen. Bei der Fassung der Unterlassungsanträge in dieser Art sind Missverständnisse ausgeschlossen. Im Falle der Vollstreckung muss durch das Vollstreckungsgericht nicht festgestellt werden, ob die Wiedergabe des Zeichens … neben dem Zeichen … in der Adword-Anzeige zulässig ist. Aus dern jeweiligen Antrag, ergänzt durch den mitgeteilten Lebenssachverhalt, ist klar erkennbar, dass d es weder Streitgegenstand noch Gegenstand des beantragten Verbotes ist. Im Falle der Vollstreckung muss lediglich festgestellt werden, ob eine Anzeige, bei der das Zeichen … als einziger Markenname wiedergegeben ist, zu Angeboten für Fahrradtaschen, Fahrradtaschen-Zubehör oder Lenkertaschen führt, welche nicht alle unter der Marke … in den Verkehr gebracht wurden. Bei der Auslegung von Unterlassungsanträgen ist nicht nur auf deren Wortlaut abzustellen, sondern auch das Vorbringen der Klagepartei zu berücksichtigen, auf das die Klage gestützt wird. Durch den Sachvortrag der Klagepartei ist eindeutig klargestellt, dass sich die Angabe „einziger Markenname“ ausschließlich auf den Text der eigentlichen Anzeige und auf Marken bezieht, welche als Herstellungshinweis für Fahrradtaschen, Fahrradtaschenzubehör und Lenkertasche i genutzt werden.
B.
Die zulässige Klage erweist sich in vollem Umfange als begründet.
I. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind begründet nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, Artikel 9 Abs. 1, Abs. 2 a UMV.
1. Das Zeichen „…“ wurde seitens der Beklagten in den in Rede stehenden Google Adwords-Anzeigen markenmäßig benutzt. Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen dieses Zeichen als Herkunftshinweis für die in den verlinkten Angebotslisten enthaltenen Produkte.
2. In Anbetracht der konkreten Gestaltung der Werbeanzeigen der Beklagten gehen die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, Personen, die sich für Fahrradtaschen, Fahrradtaschenzubehör oder Lenkertaschen interessieren, wenn ihnen Anzeigen für „… Fahrradtasche“, „… Fahrradtaschenzubehör“, „Lenkertasche Fahrrad … oder „… Gepäcktaschen“ präsentiert werden, davon aus, dass auf den verlinkten Angebotsseiten ihnen dann tatsächlich Fahradtaschen, Fahrradtaschenzubehör oder Gepäcktaschen der Marke … präsentiert werden und nicht auch Produkte von dritten Anbietern. Denn die jeweiligen Anzeigen sind nur mit der Marke … und jeweils einem oder mehreren Gattungsbegriffen überschrieben. Die angesprochenen Verkehrskreise haben bei diesen entsprechenden Anzeigen keinerlei Veranlassung anzunehmen, das ihnen beim Anklicken der Anzeige andere Produkte als die der entsprechenden Gattung und des entsprechenden Markenanbieters angeboten werden würden. Denn die Kombination eines Markennamens mit der generischen Bezeichnung des gesuchten Produktes ist gerade kein Zeichen für eine breite, sondern für eine deutlich fokussierte Suche. Die angesprochenen Verkehrskreise, die auf diese Weise suchen, bzw. sich mit Anzeigen in dieser Gestaltungsart gegenübersehen, wollen nicht ganz allgemein über Angebote zu dieser Produktart informiert werden, sondern suchen konkret nach dem Markenprodukt, im vorliegenden Falle …. Die angegriffenen Werbeanzeigen sind auch anders gelagert als beispielsweise Suchanfragen bei Google, bei denen der Verkehr daran gewöhnt ist, dass ihm bei Eingabe mehrere Begriffe nicht nur Treffer gezeigt werden, die beide Suchbegriffe umfassen, sondern sich gegebenenfalls auch nur auf einen der eingegebenen Begriffe beziehen.
Hinzu kommt noch, dass bei den in Rede stehenden Anzeigen in der in der zweiten Zeile der Anzeige jeweils angegebenen URL die in der ersten Zeile der Anzeige jeweils genannten generischen Begriffe wiederholt und mit einem Pluszeichen versehen sind. Für die angesprochenen Verkehrskreise besteht daher bei der konkreten Ausgestaltung der Anzeigen keinerlei Veranlassung davon auszugehen, dass keine Plus, sondern eine Und/Oder-Verknüpfung vorliege und sie auch zu Produkten anderer Hersteller geführt werden (vgl. Oberlandesgericht München, Beschluss vom 26.10.2015, Az. 29 W 8161/15, Anlage K 1).
Wenn ein Intemetnutzer bei der Recherche die Bezeichnung eines Produktes eines Unternehmens als Suchbegriff eingibt, dann will er Informationen oder Angebote zu diesem spezifischen Produkt finden. Wenn ihm dann innerhalb von Google Adwords-Anzeigen der Produktname mit einem generischen Begriff präsentiert wird, versteht der angesprochene Verkehr dieses Zeichen in der Weise, dass diese Anzeige sich auf Produkte betreffend seiner Suchanzeige bezieht und ihm somit Angebote als Suchergebnis zu dem angefragten Produktnamen präsentiert werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.2.2016, Az. 6 U 6/15 (Anlage K 35).
3. Unstreitig werden auf den mit den Google Adwords-Anzeigen verlinkten Angebotsseiten der Beklag en den angesprochenen Verkehrskreisen nicht nur Produkte der Marke … präsentiert, sondern auch Produkte von Mitbewerbern der Klagepartei, beispielsweise der Marke …
Damit werden durch die Verwendung des Begriffes … durch die Beklagten in der konkreten Ausgestaltung die Markenrechte der Klagepartei verletzt. Durch die Verwendung der Bezeichnung … durch die Beklagten wird die Herkunftsfunktion der Marke der Klageparte beeinträchtigt. Unter der Bezeichnung … werden den angesprochenen Verkehrskreisen auch Produkte Dritter angeboten, welche mit der Klagemarke nichts zu tun haben.
Die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke entfällt auch nicht deshalb, weil die angesprochenen Verkehrskreise bei Durchsicht der Angebote möglicherweise erkennen könnten, dass auch Fremdangebote angezeigt werden. Denn die „Lotsen-Funktion“ der Marke wird dazu missbraucht, den angesprochenen Verkehr zu Angeboten Dritter zu locken, so dass folglich die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird (vgl. OLG München, Beschl. vom 26.10.2015, Az. 29 W 1861/15, Anlage K 1).
Die Herkunftsfunktion der Marke wird beeinträchtigt, weil die Verwendung einer Marke als Onlinesuchwort dem Wesen nach gerade die Funktion hat, Produkte dieser konkreten Marke als Suchergebnis herauszufiltern und die angesprochenen Verkehrskreise, wenn ihnen Anzeigen mit diesem Suchwort angezeigt werden, eben gerade davon ausgehen, dass ihnen Produkte dieser Marke präsentiert werden. Wer einen Verkäufer nach Produkten einer bestimmten Marke fragt, erwartet, dass ihm der Verkäufer auch diese Markenprodukte präsentiert und nicht deren Konkurrenzprodukte. Die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion liegt dann, sowohl beim virtuellen als auch beim physischen Einkauf, darin, dass dem Interessenten auf die konkrete Frage nach dem Markenprodukt ungefragt die Wettbewerbsprodukte präsentiert werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 11.2.2016, Az. 6 U 6/15, Anlage K 35).
Damit sind die geltend gemachten Unterlassungsansprüche begründet nach § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 a UMV.
4. Markenrechtliche Erschöpfung nach Art. 13 UMV bzw. § 24 MarkenG kann sich allenfalls beziehen auf die in den Angebotslisten enthaltenen …-Produkte, nicht aber auch auf Produkte der Wettbewerber, auf die sich das von den Beklagten verwendete Zeichen … ebenfalls bezieht, die aber nicht von der Klagepartei stammen und auch nicht mit deren Zustimmung in Verkehr gebracht wurden.
Damit erweisen sich die geltend gemachten Unterlassungsansprüche insgesamt als begründet.
II.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die von der Klagepartei gegenüber den Beklagten ausgesprochenen anwaltlichen Abmahnungen berechtigt gewesen sind.
Die Klagepartei hat daher nach den Gesichtspunkten der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 BGB Anspruch auf Ersatz der für die Abmahnungen erforderlichen Aufwendungen, zu erstatten ist jeweils eine 1,3 Mittelgebühr, wobei der bezüglich der Abmahnung gegenüber der Beklagten zu 1) angesetzte Gegenstandswert von 200.000,– € und der bezüglich der Beklagten zu 2) angesetzte Gegenstandswert von 100.000,– € nicht zu beanstanden ist, da insoweit zu berücksichtigen ist, dass es sich bei der Klagemarke um eine bekannte und umfangreich benutzte Marke handelt.
Die Beklagte zu 1) hat daher zu erstatten einen Betrag in Höhe von € 2.636,90 und die Beklagte zu 2) € 1.973,90.
Die geltend gemachten Verzugszinsen sind jeweils begründet nach den §§ 286, 288 BGB.
Insgesamt war der Klage daher vollumfänglich stattzugeben.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
D.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
Verkündet am 12.01.2017