IT- und Medienrecht

Unzulässige gesundheitsbezogene Werbung für KernspinResonanzTherapie und andere alternative Behandlungsmethoden

Aktenzeichen  3 HKO 2952/17

Datum:
3.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2018, 91
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Es besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Pharma-Unternehmen und einem Arzt, wenn die Medikamente des Pharmaunternehmens und die alternativen Behandlungsmethoden des Arztes bei der gleichen Indikation zum Einsatz kommen. (Rn. 18 – 19) (red. LS Dirk Büch)
2 Mit einer gesundheitsfördernden Wirkung eines Präparats oder medizinischen Behandlungsmethoden darf nicht geworben werden, wenn diese Wirkung wissenschaftlich umstritten ist, es sei denn, in der Werbung wird auf die Gegenmeinung hingewiesen. (Rn. 23) (red. LS Dirk Büch)
3 Der Werbende hat die wissenschaftliche Absicherung seiner Werbeaussagen darzulegen.  (Rn. 23) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
1. für eine „MBST KernspinResonanzTherapie” mit einer/mehreren der nachfolgend wiedergegebenen Aussagen zu werben:
1.1. “Die MBST KernspinResonanzTherapie ist eine … Behandlungsmethode … die Knorpelzellen regenerieren kann”,
1.2. “… Dabei stellte sich heraus, dass die Kernspinfrequenz die Regeneration menschlicher Gewebezellen ankurbelt, da sie den Stoffwechsel der knochen- und knorpelbildenden Zellen steigert”,
1.3. “KernspinResonanzTherapie unterstützt Regeneration Die… Sportwissenschaftler haben herausgefunden, dass die Kernspin-frequenz in der Lage ist, eine Regenerationsinformation an die Zellen der Stütz- und Bewegungsorgane abzugeben. Auf dieser Basis fasst die MBST KernspinResonanzTherapie”,
1.4. Patienten, die an einer Knorpelschädigung infolge eines Sportunfalls leiden, können ebenfalls mit der MBST-Therapie behandel werden”,
1.5. “Die Schmerzen ließen sehr schnell nach, man spürte die Verbesserung und heute ist es so wie es früher war.”,
1.6. mit dem Anwendungsgebiet:
1.6.1. „Arthrose”,
1.6.2. „Bänder und Sehnenleiden”,
1.6.3. „Bandverschleiß”,
1.6.4. „Chronische Rückenbeschwerden”,
1.6.5. „Beschwerden des Bandapparates”,
1.6.6. „Sehnenansatzbeschwerden”,
1.6.7. „Meniskusbeschwerden”,
1.6.8. „Verzögerte Frakturheilung”,
2. für das Behandlungsverfahren „Schröpfen” mit der nachfolgend wiedergegebenen Aussage zu werben:
“Diese Therapie hilft gegen Schmerzen und Verspannungen”,
3. für eine „PRP-Therapie (Platelet Rieh Plasma)” mit einer/mehreren der nachfolgend wiedergegebenen Aussagen zu werben:
3.1. “Arthrosebehandlung”,
3.2. “Bei früh- und mittelgradigen Arthrosen sind uns bzgl. der Therapiemaßnahmen weitgehend die Hände gebunden. Es kommen hier neben Physikalischen und physiotherapeutischen Maßnahmen auch Medikamente, z. B. eine Knorpelaufbautherapie zum Einsatz. Auch bei diesen Erkrankungen hat sich die PRP-Therapie bewährt”,
3.3. “Analog zu anderen Erkrankungen kommt es durch die lokale Therapie zu einer Reduzierung der Entzündung und somit zu einer besseren Durchblutung und Beweglichkeit des Gelenkes”,
3.4. “Weiterhin hat die Therapie eine positive Wirkung auf die Knorpelzellen und den darunterliegenden Knochen. Auch positive Wirkungen auf (Beispiel Kniegelenk) Kreuzbänder, Menisken, Gelenkskapsei, Gelenkschleimhaut und Nerven werden diskutiert”,
3.5. “Insgesamt kommt es durch die PRP-Therapie zu einer Verbesserung der Schmerz- und Arthrosesituation”,
3.6. “Überlastungsschäden
Primäres Augenmerk liegt auf der Behandlung der Entzündungsvorgänge im Bereich des Bewegungsapparates, welches schon auf die Anwendungsgebiete hinweist: Akute oder chronische Sportverletzungen und Überbelastungen, wie z. B. der sog. Tennisellenbogen, Patellasehnen- und Achillessehnenentzündung, Überlastungsschäden des Schultergelenkes usw. In Studien hat sich gezeigt, dass die PRP-Therapie der Kortisoneinspritzung z. B. beim Tennisellenbogen, deutlich überlegen ist”,
3.7. “Die Therapie führt in vielen Fällen zu einer Vermeidung von einer Operation”,
3.8. “Deutlich besserer Heilungsverlauf bei Operationen”,
3.9. “Eine weitere sehr erfolgversprechende Indikation ist die Anwendung von PRP bei großen Operationen, wie z. B. einer Geienkprothese (Beispiel Kniegelenk). Hier konnte ein insgesamt komplikationsloserer und schnellerer Heilungsverlauf gesehen werden”,
3.10. “Im Einzelnen kommt es bei der Therapie zu einer verminderten Blutung und somit zu einer Reduktion von Bluttransfusionen, einer Reduzierung der postoperativen Schwellung, einer Schmerzsenkung nach der Operation und einem niedrigeren Infektionsrisiko”,
3.11. “Im Zusammenspiel mit einer modernen anästhesiologischen Schmerztherapie werden Patienten z. B. in den USA und vielen anderen Ländern nach einer Knieprothese so schon nach zwei bis drei Tagen bei voller Gelenkbeweglichkeit aus der stationären Behandlung entlassen”,
3.12. “Weiterhin wird diese Therapie auch bei kleineren Eingriffen, wie z. B. Gelenkspiegelungen eingesetzt, was zu einer schnelleren Heilung und einer Reduzierung der Blutungsneigung führt”,
3.13. “… Dieser positive Einfluss bei Gelenkspiegelungen ist durch viele Studien bewiesen. Gerade die Anwendung von PRP während einer Operation hat hier eindeutige Vorteile für den Patienten, aber auch eine Kostenersparnis für das Gesundheitssystem durch eine Verkürzung der Liegedauer im Krankenhaus sowie ein schnelleres Widereintreten in die erwerbs- oder Sportfähigkeit”,
jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage K 3 wiedergegeben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. April 2017 zu zahlen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 33.750,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfange begründet.
I.
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert.
1. Dem Kläger gehören eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Maßgebend ist, ob sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmens durch irgend ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann es reicht aus, dass die Mitgiiedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die Wettbewerbsmaßnahmen mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben … die Zugehörigkeit zur selben Branche oder zumindest zu angrenzenden Branchen begründet es ist nicht erforderlich, dass der Mitbewerber gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Wettbewerbsmaßnahmen beworben worden sind, mit den Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb steht … Maßgebend ist, ob sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmens durch irgend ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann es reicht aus, dass die Mitgiiedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die Wettbewerbsmaßnahmen mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben … So besteht ein Wettbewerbsverhältnis in Bezug auf einzelne Arzneimittel nicht nur zu den unmittelbar damit konkurrierenden, sondern zu sämtlichen Arzneimitteln eines Unternehmens
Die Beklagte hat die vom Kläger vorgelegte Mitgliedsliste (Anlage K1) nicht bestritten. Aus dieser ergibt sich, dass dem Kläger eine Vielzahl von Pharma-Unternehmen angehören, die Arzneimittel vertreiben (unter anderem … mit Sitz in  … und …) In Ansehung der oben dargestellten Grundsätze besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen diesen Unternehmen und dem Beklagten schon deshalb, weil diese Unternehmen Arzneimittel zur Behandlung der auch vom Beklagten genannten Indikationen herstellen, so dass der Umsatz dieser Arzneimittel durch die vom Beklagten angebotenen Therapien beeinträchtigt werden kann.
2. Die Mitgliedsunternehmen des Klägers vertreiben die Waren oder Dienstleistungen auch auf demselben räumlich relevanten Markt wie der Beklagte. Der räumlich relevante Markt kann örtlich oder regional begrenzt sein, aber auch – etwa bei bundesweiter Werbung – das ganze Bundesgebiet erfassen (…) Es ist zu fragen, ob die Werbemaßnahme sich zumindest auch auf den potentiellen Kundenkreis der Mitgliedsunternehmen auswirken kann. Dabei genügt, dass eine gewisse, sei es auch nur geringe Wahrscheinlichkeit einer nicht gänzlich unbedeutenden potentiellen Beeinträchtigung besteht (…) Hierbei ist auch die Reichweite der Werbung zu berücksichtigen (…)
Wie dargestellt, konkurrieren jedenfalls auch die von den Mitgliedsunternehmen hergestellten Arzneimittel im selben räumlichen Markt wie der Beklagte, da die Arzneimittel bundesweit in jeder Apotheke, damit auch in … zu beziehen sind. Darüber hinaus betreibt der Beklagte bundesweite Werbung über das Internet, so dass anzunehmen ist, dass der Beklagte seine Geschäftstätigkeit über einen regional begrenzten Markt hinaus, der für eine Orthopädiepraxis üblich ist, auszudehnen beabsichtigt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine räumliche Beschränkung des relevanten Marktes auf die unmittelbare Umgebung von … veranlasst (… mit weiteren Nachweisen).
II.
Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche sind gemäß §§ 8 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG begründet.
Mit einer gesundheitsfördernden Wirkung eines Präparats oder medizinischen Behandlungsmethoden darf nicht geworben werden, wenn diese Wirkung wissenschaftlich umstritten ist, es sei denn, in der Werbung wird auf die Gegenmeinung hingewiesen (…). Generell sind Angaben mit fachlichen Aussagen nur zulässig, wenn der Werbende die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussage dartun kann. Ist dies nicht der Fall, beruht die Irreführung nicht auf der Unrichtigkeit der Werbeaussage, sondern darauf, dass sie jeder Grundlage entbehrt. Selbst eine bedeutende Mindermeinung reicht als Absicherung nicht aus (…) Es sind – wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (…) Studienergebnisse, die in der Werbung als wissenschaftlicher Beleg angeführt werden, müssen grundsätzlich nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet worden sein. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (…) Dabei hat der Werbende substantiiert darzulegen, aufgrund welcher (bereits vorliegender) Veröffentlichungen und Untersuchungen genau eine ausreichende wissenschaftliche Absicherung anzunehmen ist (…) Der Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung erst durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten im Rechtsstreit kommt nach allgemeiner Meinung nicht in Betracht.
1. Der Kläger hat die wissenschaftliche Umstrittenheit der streitgegenständlichen Behandlungsmethoden in ausreichender Weise dargelegt.
Hinsichtlich der Kernspinresonanztherapie ergibt sich dies insbesondere aus dem ausführlichen Gutachten von Professor … welches in dem in anderer Sache erstatteten Sachverständigengutachten von Professor Dr. … als Anlage 5 vorgelegt wurde (Anlage K6). Danach kann die Wirksamkeit aufgrund der vorgelegten Studiendaten nicht nachgewiesen werden.
Gleiches gilt für die Eigenbluttherapie. Auch hier zeigen die vorgelegten Artikel auf, dass es nach wie vor an hochwertigen aussagekräftigen Studien zur Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode fehlt. Der Kläger hat, soweit die Aufsätze und Studien im Original in englischer Sprache abgefasst sind, Arbeitsübersetzungen angefertigt, was grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Übersetzungen unzutreffend sein.
Hinsichtlich der Behandlungsmethode des Schröpfens beruft sich der Kläger auf einen kurzen Artikel in der Veröffentlichung der Stiftung Warentest “…” (Anlage K 25). Danach liegen zu dieser Behandlungsmethode keine kontrollierten klinischen Studien vor, wonach die Wirksamkeit als nicht nachgewiesen gelten muss.
2. Der Beklagte ist seiner oben dargestellten Darlegungslast hinsichtlich keiner der angegriffenen Behandlungsmethoden nachgekommen. Die in allen drei Fällen fehlt es an einem schriftsätzlichem Vorbringen dahingehend, welche Nachweise bezüglich der Behandlungsmethoden im einzelnen vorliegen. Dies gilt insbesondere auch für die Kernspinresonanztherapie. Der Beklagte legt insofern zwar verschiedenste Unterlagen vor. Er legt jedoch nicht dar, was Gegenstand dieser Studien, Untersuchungen, Artikel und Poster ist. Es ist für das Gericht nicht zumutbar, die 33 Anlagen auf wissenschaftliche Wirkungsnachweise durchzusehen. Wie gezeigt, kann sich der Beklagte auch nicht auf ein erst in diesem Rechtsstreit einzuholendes Sachverständigengutachten berufen. Die wissenschaftliche Absicherung von umstrittenen Aussagen muss vielmehr bereits im Zeitpunkt der Werbung vorliegen.
Sämtliche angegriffene Aussagen, die Gegenstand der Unterlassungsansprüche sind, behaupten die Wirksamkeit der drei Behandlungsmethoden. Daher treffen auf sämtliche Aussagen die oben angeführten Gesichtspunkte zu. Die Unterlassungsansprüche sind daher gemäß §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1,8 Abs. 1 UWG begründet.
III.
Der Kläger kann Ersatz für seine Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG; §§ 683, 670, 679 BGB. Er hat daher Anspruch auf Erstattung der durch die vorgerichtliche Abmahnung entstandenen Kosten. Der Kläger hat eine Kostenpauschale angesetzt, die sich aus der Ermittlung für Abmahnungen im Jahre 2015 ergibt. Die Höhe der so ermittelten Kosten in Höhe von 178,50 € (brutto) ist nicht bestritten. Die Geldschuld hat der Beklagte von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, § 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO

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